Was „glückselig“ wirklich bedeutet (Teil 2): Das Wort makarios im Alten Testament

Von Jakob Haddick

April 19, 2018

Zur gewaltigsten Predigt aller Zeiten

Die Berg­pre­digt ist bekannt für den hohen ethi­schen Maß­stab, den Jesus an sei­ne Jün­ger legt. Jesus beginnt die Berg­pre­digt aller­dings nicht mit Ansprü­chen. Er beginnt mit Zusprü­chen, den soge­nann­ten Selig­prei­sun­gen (gr. maka­ri­os, μακάριος). Die­ser Bei­trag ist der zwei­te Teil einer Wort­stu­die, die zei­gen soll, was es mit die­sen Zusprü­chen Jesus’ auf sich hat. Gleich­zei­tig soll dies eine Anlei­tung sein, selbst­stän­dig Wort­stu­di­en mit Logos durchzuführen.

Der Bei­trag ori­en­tiert sich an den vier Schrit­ten für eine Wort­stu­die aus dem Buch How to Under­stand and App­ly the New Tes­ta­ment von Andrew David Nasel­li. Die vier Schrit­te lauten:

  1. Wäh­le ein grie­chi­sches Wort für eine Wort­stu­die aus
  2. Ana­ly­sie­re sein Bedeu­tungs­spek­trum im Neu­en Testament
  3. Ver­glei­che, wie das Wort in der Sep­tuag­in­ta und außer­bi­bli­scher Lite­ra­tur ver­wen­det wird
  4. Ermitt­le die wahr­schein­li­che Bedeu­tung des Worts in Schlüs­sel­stel­len des Neu­en Testaments

Die Fortsetzung zur Glückseligkeit

Der ers­te Teil war den Schrit­ten 1 und 2 gewid­met. Wir hat­ten dar­in fest­ge­hal­ten, dass maka­ri­os in den deut­schen Über­set­zun­gen weit­ge­hend ein­heit­lich über­setzt wird, mit selig, glück­se­lig oder glück­lich. Es ist also nicht so, als hät­te maka­ri­os ein wei­tes Bedeu­tungs­spek­trum und es müs­se geklärt wer­den, wel­che Bedeu­tung maka­ri­os in den Selig­prei­sun­gen habe.

Es soll aber geklärt wer­den, wel­ches deut­sche Wort maka­ri­os am bes­ten wie­der­gibt und wel­ches Kon­zept dahin­ter­steckt. Bereits der Befund des NT hat­te ange­deu­tet, dass es eine Span­nung zwi­schen dem bereits gegen­wär­ti­gen Segen und dem für die Zukunft ver­hei­ße­nen Segen gibt.

Die­ser zwei­te Teil des Bei­trags wid­met sich dem ers­ten Teil von Schritt 3, der Bedeu­tung von maka­ri­os in den kano­ni­schen Schrif­ten der Sep­tuag­in­ta. Im drit­ten und letz­te Bei­trag wer­den wir die Bedeu­tung von maka­ri­os in der außer­bi­bli­schen Lite­ra­tur betrach­ten und uns für die wahr­schein­lichs­te Bedeu­tung entscheiden.

Schritt 3: Vergleiche, wie das Wort in der Septuaginta verwendet wird

Die Verwendung in der LXX

Wir wol­len uns nun den alt­tes­ta­ment­li­chen Befund anschau­en. Wir las­sen uns dazu die Vor­kom­men von maka­ri­os in der grie­chi­schen Über­set­zung des Alten Tes­ta­ments, der LXX (Sep­tuag­in­ta), anzei­gen. Wir nut­zen die Logos LXX von Rahlfs.

Wie Sie sich die Vor­kom­men im Grie­chi­schen Neu­en Tes­ta­ment anzei­gen las­sen kön­nen, wird im ers­ten Bei­trag gezeigt. Ich fas­se das Wesent­li­che in Kür­ze zusam­men: Öff­nen Sie in der erwei­ter­ten Luther-Inter­li­near­bi­bel Mt 5,3 (unse­ren Aus­gangs­text). Kli­cken Sie nun zuerst mit der rech­ten Maus­tas­te auf das Wort selig, dann auf das Lem­ma μακάριος und schließ­lich auf „die­ses Werk“.

Wortstudie zur Seligkeit in Logos Bibel App

Wech­seln Sie die Bibel­über­set­zung jetzt zu Logos LXX und las­sen Sie sich den Text par­al­lel in der Luther 1984 anzeigen.

Suche in Septuaginta mit Bibel App Logos

68 Tref­fer in 66 Ver­sen wer­den uns ange­zeigt. Hier wer­den aber nicht nur die Vor­kom­men in den kano­ni­schen Schrif­ten der 39 alt­tes­ta­ment­li­chen Bücher gezählt, auch wei­te­re in der LXX ent­hal­te­ne jüdi­sche Schrif­ten sind hier inbe­grif­fen. Wir wol­len die Suche des­halb vor­erst auf das Alte Tes­ta­ment ein­gren­zen. Das geht über eine Vers­lis­te, mit der genau defi­niert wer­den kann, wel­chen Bereich wir betrach­ten wollen.

Wäh­len Sie im Menü Doku­men­te den Punkt Vers­lis­te aus.

Füh­ren Sie anschlie­ßend fol­gen­de drei Schrit­te aus: (1) Nen­nen Sie die Lis­te „Kano­ni­sche Bücher“, (2) fügen Sie nun eine Bibel ohne Apo­kry­phen hin­zu, z. B. die Rev. Elber­fel­der, und (3) legen Sie als Bereich Gene­sis-Offen­ba­rung fest.

Kanonische Bücher mit Logos Bibelsoftware durchsuchen

Nun haben Sie eine Vers­lis­te ange­legt, die die Ver­se aller kano­ni­schen Bücher beinhal­tet.[1] Jetzt kön­nen Sie als Such­be­reich Kano­ni­sche Bücher festlegen.

Spezifische Suche in kanonischen Büchern in Logos Bibelsoftware

Es wer­den immer noch 42 Ergeb­nis­se in 40 Ver­sen ange­zeigt. Inner­halb die­ses Arti­kels kön­nen nicht alle Vor­kom­men unter­sucht wer­den. Wir beschrän­ken uns des­halb exem­pla­risch auf die ers­ten Vor­kom­men unter­schied­li­cher Text­gat­tun­gen (Geschichts­bü­cher, Weis­heits­li­te­ra­tur und Pro­phe­ten) und regen dazu an, selbst wei­ter zu graben.

Makarios in den Geschichtsbüchern

Die ers­ten zwei Vor­komm­nis­se in der LXX fin­den sich in den fünf Büchern Mose. Lea bezeich­net sich selbst als glück­se­lig, nach­dem ihre Magd Sil­pa ihr einen zwei­ten Sohn gebo­ren hat. So klingt auch der Name des Soh­nes, Asser (Glück, Glück­se­lig­keit) an das hebräi­sche glück­se­lig an (1Mo 30,13). Der Grund für die Glück­se­lig­keit ist hier also ein wei­te­rer Nachkomme.

Das zwei­te Vor­kom­men steht im letz­ten Buch des Pen­ta­teuch. Mose nennt Mose Isra­el glück­se­lig, da Gott sich ihm ret­tend zuge­wandt hat und ihn vor sei­nen Fein­den beschützt hat (5Mo 33,29). Isra­el wird glück­se­lig genannt, weil Gott es äußer­lich schützt.

Die zwei wei­te­ren Vor­kom­men in den Geschichts­bü­chern las­sen wir hier außen vor. Wer sich fragt, was es mit dem Buch ‚3 King­doms‘ auf sich hat, die LXX ver­wen­det gele­gent­lich abwei­chen­de Buch­be­zeich­nun­gen. ‚3 King­doms‘ ist 1.Chronik.

Makarios in der Weisheitsliteratur

In den Psal­men wird gleich zu Beginn der Mensch glück­se­lig genannt, der sich zu Gott hält, weil Gott ihn wie einen blü­hen­den Baum seg­net (Ps 1,1). Wer genau hin­schaut, fin­det über­ra­schend vie­le Par­al­le­len zwi­schen Psalm 1 und den Selig­prei­sun­gen. Pen­ning­ton nennt in sei­nem kürz­lich erschie­ne­nen Buch The Ser­mon on the Mount and Human Flou­ris­hing sechs Par­al­le­len:

  1. Bei­de laden Hörer auf den Weg der Weis­heit ein (Ps 1,1; Mt 7,24),
  2. bei­de stel­len zwei Wege für das Leben in der Welt gegen­über (Ps 1,1.6; Mt 7,13f),
  3. bei­de gebrau­chen die Meta­pher eines frucht­brin­gen­den Bau­mes (Ps 1,3f; Mt 7,16–20),
  4. bei­de spre­chen vom kom­men­den Gericht und der Tren­nung der Gerech­ten von den Gott­lo­sen (Ps 1,5f; Mt 7,13.21–23.26f).
  5. bei­de stel­len die, die der Herr „kennt“, denen gegen­über, auf die das nicht zutrifft (Ps 1,6; Mt 7,23),
  6. bei­de beto­nen das Hören und Beach­ten von Got­tes Offen­ba­rung (Ps 1,2; Mt 7,24).

Pen­ning­ton ver­or­tet die Wur­zeln der Selig­prei­sun­gen der Berg­pre­digt neben der grie­chi­schen Tugend­ethik dem­entspre­chend auch in der jüdi­schen Weis­heits­li­te­ra­tur. Psalm 1 wird nicht kon­kre­ter, wie die Seg­nun­gen des Gerech­ten (V.5f) aus­se­hen, aber es ist ver­mut­lich an ein ganz­heit­li­ches Auf­blü­hen zu den­ken, das in der Gegen­wart und in der Zukunft statt­fin­det. Der Gerech­te bringt jetzt Frucht und alles, was er tut, gelingt ihm (V.3), aber das eben­falls impli­zit ange­deu­te­te Ver­wel­ken der Unge­rech­ten (V.3) und ihr kom­men­des Gericht (V.4–5) ver­wei­sen auch auf die Zukunft.

Psalm 1 stellt das Leben der Gerech­ten in idea­li­sier­ter Wei­se dar, aber das Auf­blü­hen wird klar ver­hei­ßen. Van­Ge­me­ren drückt es in sei­nem Kom­men­tar über die Psal­men (The Revi­sed Expositor’s Com­men­ta­ry) fol­gen­der­ma­ßen aus: „Even when the righ­teous do not feel hap­py, they are still con­side­red ‚bles­sed‘ from God’s per­spec­ti­ve. He bestows his gift on them. Neither nega­ti­ve fee­lings nor adver­se con­di­ti­ons can take away his bles­sing.“ Das klingt doch sehr nach den Selig­prei­sun­gen der Bergpredigt.

Der ers­te Psalm beginnt mit einer Selig­prei­sung, der zwei­te Psalm endet damit (Ps 2,12). Wir könn­ten dar­über nach­den­ken, was uns das für das Buch der Psal­men als Gan­zes zu sagen hat. Das ist aber nicht das The­ma die­ses Bei­trags – und doch ist es inter­es­sant, wel­che Beob­ach­tun­gen wir mit Hil­fe von Logos ganz neben­bei machen können.

Im zwei­ten Psalm bezeich­net der Psal­mist alle glück­se­lig, die ihm ver­trau­en, weil sie nicht dem Zorn Got­tes aus­ge­setzt sind (Ps 2,12). Es ist also vor allem das End­ge­richt im Blick. In Ps 32,1f (die Num­me­rie­rung der Psal­men weicht in der Sep­tuag­in­ta von der uns­ri­gen ab, des­halb zeigt Logos Ps 31 an) wird bei­spiels­wei­se der­je­ni­ge glück­se­lig genannt, dem sei­ne Sün­den ver­ge­ben sind, was inne­re Befrei­ung zur Fol­ge hat (Ps 32,3f). Die vie­len wei­te­ren Stel­len in der Weis­heits­li­te­ra­tur las­sen wir hier wie der außen vor. Es lohnt sicher aber, die Stel­len selbst nachzuschlagen.

Makarios in den Prophetischen Schriften

In den pro­phe­ti­schen Schrif­ten fin­den wir fünf Vor­kom­men von maka­ri­os, drei davon in Jes 30–32. Wäh­rend Kap. 30 und 31 Wehe­ru­fe gegen Israe­li­ten beinhal­ten, die von Gott abge­irrt sind, geht es in Kap. 32 um die Ret­tung der Gerech­ten. Inmit­ten der Wehe­ru­fe wer­den Jes 30,18 die glück­se­lig genannt, die auf Gott har­ren. In Jes 31,19 wird inter­es­san­ter­wei­se Gott selbst glück­se­lig genannt (hier fällt aller­dings auf, dass das in der Sep­tuag­in­ta ent­hal­te­ne Adjek­tiv glück­se­lig in unse­ren Über­set­zun­gen gar nicht vor­kommt – wir müss­ten in den hebräi­schen Grund­text schau­en, um dem auf den Grund zu gehen. In Jes 32,20 wie­der­um wer­den die Gerech­ten glück­se­lig genannt.

Exkurs: Der Assistent Wortstudie

Wir haben uns ange­schaut, wie das Wort maka­ri­os in der LXX ver­wen­det wird, indem wir eini­ge Vor­kom­men exem­pla­risch betrach­tet haben – das ist ein Weg. Einen ande­ren möch­te ich aber nicht unge­nannt las­sen. Es macht durch­aus Sinn, zu fra­gen, wel­che hebräi­schen Wör­ter einem in der LXX ver­wen­de­ten grie­chi­schen Begriff zugrun­de lie­gen. Das geht auch ohne Hebräisch­kennt­nis­se sehr leicht mit dem Assis­ten­ten Wort­stu­die. Kli­cken Sie dazu rechts auf das Wort und wäh­len Sie Wort­stu­die“ aus.

Wenn Sie nun im neu geöff­ne­ten Fens­ter etwas nach unten scrol­len, bekom­men Sie ange­zeigt, wel­che hebräi­schen Wör­ter von den Über­set­zern der LXX mit maka­ri­os über­setzt wur­den. Sie sehen, dass fast aus­schließ­lich ein Wort zugrun­de liegt, näm­lich das Wort ’ašrê. Wenn Sie auf den gro­ßen Kreis­aus­schnitt kli­cken, bekom­men Sie die­se Trans­li­te­ra­ti­on des hebräi­schen Wor­tes und die Vor­kom­men des Wor­tes im Bibel­text ange­zeigt. Wie Sie sehen, ist die Lis­te nahe­zu iden­tisch mit der Lis­te der Ver­se, in denen maka­ri­os in der LXX vorkommt.

Kreisdiagramm Makarios Logos Bibelsoftware

Ein zweites Zwischenfazit

Bei der Unter­su­chung des Wor­tes maka­ri­os im Neu­en Tes­ta­ment hat­ten wir im ers­ten Bei­trag die Span­nung zwi­schen dem gegen­wär­ti­gen Segen und dem noch aus­ste­hen­den Segen fest­ge­hal­ten. Die­se Span­nung ist auch im Alten Tes­ta­ment sicht­bar. Wir haben aber auch die beson­de­re Rol­le von maka­ri­os in der Weis­heits­li­te­ra­tur gese­hen. 31 der 42 Vor­kom­men von maka­ri­os sind dort zu fin­den. Und wir haben die beson­de­re Par­al­le­le zwi­schen Psalm 1 und den Selig­prei­sun­gen der Berg­pre­digt gese­hen. Wie Psalm 1 den Gerech­ten ein ganz­heit­li­ches Auf­blü­hen ver­heißt, so liegt das auch für die Selig­prei­sun­gen der Berg­pre­digt nahe. Im drit­ten und letz­ten Bei­trag wer­den wir einen Blick in die außer­bi­bli­sche Lite­ra­tur wer­fen und uns für die wahr­schein­lichs­te Bedeu­tung von maka­ri­os in den Selig­prei­sun­gen entscheiden.


[1] Die Tat­sa­che, dass je nach ver­wen­de­tem Grund­text ein­zel­ne Ver­se, die nach Ansicht der Her­aus­ge­ber nicht gut bezeugt sind, aus­ge­las­sen wer­den, las­sen wir hier der Ein­fach­heit hal­ber unbeachtet.


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Jakob Haddick

Über den Autor

Jakob Haddick ist Gemeindepastor der Christlichen Gemeinde Freimersheim und Mitglied im Leitungsteam beim Gemeinde-Netzwerk Evangelium für Alle. Dort ist er verantwortlich für nebenberufliche theologische Schulungsarbeit. Privat bloggt er auf jakobhaddick.de.

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