Was „glückselig“ wirklich bedeutet (Teil 3): Das Wort „makarios“ in den Apokryphen und Pseudepigraphen

Von Jakob Haddick

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September 13, 2018

Mehr Verständnis von der gewaltigsten Rede aller Zeiten

Die Berg­pre­digt ist bekannt für den hohen ethi­schen Maß­stab, den Jesus an sei­ne Jün­ger legt. Jesus beginnt die Berg­pre­digt aller­dings nicht mit Ansprü­chen. Er beginnt mit Zusprü­chen, den soge­nann­ten Selig­prei­sun­gen (oder auch Maka­ris­men). Die­ser Bei­trag ist der drit­te Teil einer Wort­stu­die, die zei­gen soll, was es mit die­sen Zusprü­chen Jesu auf sich hat. Gleich­zei­tig soll dies eine Anlei­tung sein, selbst­stän­dig Wort­stu­di­en mit Logos durchzuführen.

Der Bei­trag ori­en­tiert sich an den vier Schrit­ten für eine Wort­stu­die aus dem neu erschie­ne­nen Buch How to Under­stand and App­ly the New Tes­ta­ment von Andrew David Nasel­li. Die vier Schrit­te lauten:

  1. Wäh­le ein grie­chi­sches Wort für eine Wort­stu­die aus.
  2. Ana­ly­sie­re sein Bedeu­tungs­spek­trum im Neu­en Testament.
  3. Ver­glei­che, wie das Wort in der Sep­tuag­in­ta und außer­bi­bli­scher Lite­ra­tur ver­wen­det wird.
  4. Ermitt­le die wahr­schein­li­che Bedeu­tung des Worts in Schlüs­sel­stel­len des Neu­en Testaments.

Der ers­te Teil war den Schrit­ten 1 und 2 gewid­met. Der zwei­te Teil des Bei­trags wid­me­te sich dem ers­ten Teil von Schritt 3, der Bedeu­tung von maka­ri­os in den kano­ni­schen Schrif­ten der Sep­tuag­in­ta. In die­sem drit­ten und letz­ten Bei­trag wer­den wir die Bedeu­tung von maka­ri­os in der außer­bi­bli­schen Lite­ra­tur betrach­ten1 und uns für die wahr­schein­lichs­te Bedeu­tung entscheiden.

Schritt 3: Vergleiche, wie das Wort in der außerbiblischen Literatur verwendet wird

Begriffsdefinitionen

Die LXX ent­hält nicht nur die (aus evan­ge­li­scher Sicht) kano­ni­schen Schrif­ten des Alten Tes­ta­ments, son­dern auch apo­kry­phe und pseu­d­epi­gra­phe Schrif­ten. Nach evan­ge­li­schem Ver­ständ­nis sind die Apo­kry­phen, ver­ein­facht aus­ge­drückt, jüdi­sche Schrif­ten, die in der zwi­schen­tes­ta­ment­li­chen Zeit ent­stan­den, also nach­dem der alt­tes­ta­ment­li­che Kanon abge­schlos­sen war (ca. 400 v. Chr.) und bevor die neu­tes­ta­ment­li­chen Schrif­ten ver­fasst wur­den.2 Dazu zäh­len z. B. Geschichts­bü­cher wie 1. und 2. Mak­ka­bä­er oder Weis­heits­bü­cher wie Sirach. Die Apo­kry­phen ent­hal­ten auch Zusät­ze zu den alt­tes­ta­ment­li­chen Büchern Ester und Dani­el. Die alt­tes­ta­ment­li­chen Pseu­d­epi­gra­phen sind jüdi­sche Schrif­ten außer­halb der kano­ni­schen und apo­kry­phen Schrif­ten, die fälsch­li­cher­wei­se einer bekann­ten jüdi­schen Per­son zuge­schrie­ben wer­den.3 Zu ihnen wer­den z. B. 3. und 4. Mak­ka­bä­er, 3. und 4. Esra und die Psal­men Salo­mos gezählt.

Die Suche in Logos vorbereiten

Um die Vor­kom­men von maka­ri­os in den Apo­kry­phen ange­zeigt zu bekom­men, fol­gen Sie den Schrit­ten, die im zwei­ten Bei­trag ange­führt sind, bis Sie die 68 Tref­fer in 66 Ver­sen in der LXX ange­zeigt bekommen.

Wortstudie in Logos - Begriffe aus der Bibel untersuchen

Im zwei­ten Bei­trag hat­ten wir einen Weg auf­ge­zeigt, wie wir uns mit Hil­fe einer ange­leg­ten Vers­lis­te nur die Vor­kom­men in den kano­ni­schen Schrif­ten anzei­gen las­sen kön­nen. Das geht ganz ähn­lich, wenn wir uns nur die Ver­se aus den Apo­kry­phen oder Pseu­d­epi­gra­phen anzei­gen las­sen wollen.

  1. Kli­cken Sie auf den Menü­punkt Doku­men­te und dann auf Vers­lis­te.
  2. Benen­nen Sie die Vers­lis­te mit Apo­kry­phen.
  3. Wäh­len Sie eine Bibel­über­set­zung mit Apo­kry­phen aus, z. B. die Luther 1984.
  4. Geben Sie im Feld Bibel­stel­le ein, dass sie vom ers­ten (Judit) bis zum letz­ten Buch der Apo­kry­phen (Das Gebet Manas­ses) alle mit ein­be­zie­hen wol­len. Das geht bei Luther, da die Apo­kry­phen hier alle zwi­schen dem AT und NT ste­hen: Judit-Gebet Manas­ses.

Suchbereich in Logos festlegen - Wortstudie

Nun haben wir die Lis­te für die Vers­lis­te für die Apo­kry­phen erstellt. Eine Vers­lis­te für die Pseu­d­epi­gra­phen zu erstel­len, ist nicht so ein­fach, da sie in kei­nem ver­füg­ba­ren Werk auf­ein­an­der­fol­gend ent­hal­ten sind. Des­we­gen ver­zich­ten wir hier darauf.

Makarios in den Apokryphen

Um die Vor­kom­men von maka­ri­os in den apo­kry­phen Schrif­ten ange­zeigt zu bekom­men, legen wir den Such­be­reich auf unse­re Vers­lis­te Apo­kry­phen fest und bekom­men 15 Vor­kom­men angezeigt.

In Logos makarios in den apokryphen Schriften angezeigen lassen - Wortstudie

Die 15 Vor­kom­men von maka­ri­os ver­tei­len sich auf die Bücher Tobi­as, Weis­heit, Jesus Sirach und Baruch. 11 Vor­kom­men davon befin­den sich allein im Buch Jesus Sirach. Jesus Sirach ent­stand ver­mut­lich im zwei­ten Jahr­hun­dert vor Chris­tus und wird zur Weis­heits­li­te­ra­tur gezählt. Hier wird der Mensch maka­ri­os genannt, der wei­se und mora­lisch han­delt (14,1f.20; 31,17; 34,8; 48,11; 50,28).4 Der Grund dafür, dass er maka­ri­os genannt wird, sind sei­ne guten Lebens­um­stän­de (25,8f; 26,1; 28,19). So heißt es z. B. in 25,8: „Wohl dem, der eine ver­stän­di­ge Frau hat! Wer mit sei­nen Reden nicht ent­gleist. Wer denen nicht die­ne n muss, die sei­ner nicht wert sind.“ Oder in 26,1: „Wohl dem, der eine gute Frau hat! Der lebt noch ein­mal so lange.“

Makarios in den Pseudepigraphen

Wenn wir uns noch ein­mal alle Vor­kom­men von maka­ri­os in der LXX anschau­en und die kano­ni­schen und die apo­kry­phen Schrif­ten außen vor­las­sen, fin­den wir maka­ri­os ins­ge­samt 11 Mal in der LXX – Fünf Mal in 4.Makkabäer und in sechs Mal den Psal­men Salo­mos. Da die­se pseu­d­epig­ra­hi­schen Bücher nicht in der Luther­über­set­zung ent­hal­ten sind, ist kein deut­scher Text ver­füg­bar. Wer eng­lisch ver­steht, kann sich aber mit „The Apo­crypha and Pseu­d­epi­gra­pha of the Old Tes­ta­ment in Eng­lish“ von R. H. Charles abhel­fen. In der ers­ten Spal­te steht wei­ter­hin der grie­chi­sche Text der LXX, in der zwei­ten die eng­li­sche Über­set­zung der Ver­se aus den Apo­kry­phen und in der drit­ten die eng­li­sche Über­set­zung der Ver­se aus den Pseudepigraphen.

In Logos Vorkommen von makarios in der LXX anzeigen lassen - Wortstudie

  1. Mak­ka­bä­er wird in etwa auf das Ende des ers­ten Jahr­hun­derts datiert. Wir blen­den die Ver­se des­halb hier aus. Die Psal­men Salo­mos wer­den aller­dings meis­tens auf das ers­te Jahr­hun­dert v. Chr. datiert. Von daher ist es für uns von gro­ßem Inter­es­se, wie die Schrei­ber des Buches maka­ri­os gebrauchten.

In den Psal­men Salo­mos sind die Per­so­nen, die als maka­ri­os bezeich­net wer­den (wie in Jesus Sirach) die­je­ni­gen, die got­tes­fürch­tig (6,1) sind und ein mora­li­sches Leben füh­ren (4,23), ggf. auch durch erfah­re­ne Zurecht­wei­sung Got­tes (10,1). Die Grund dafür, dass sie maka­ri­os genannt wer­den, liegt in der Ret­tung, die sie vom Herrn erfah­ren. Der Herr befreit sie von bösen Men­schen (4,23; 6,1) und er ver­sorgt sie (5,16). Die Ret­tung und Ver­sor­gung liegt dabei nicht in wei­ter Zukunft, son­dern ist in der Gegen­wart erfahr­bar. Das wird beson­ders in den letz­ten bei­den Vor­kom­men deut­lich, wo sie Bezug auf die Wie­der­her­stel­lung Isra­els neh­men (17,44; 18,6).

Zusammenfassung

Sowohl die Apo­kry­phen als auch die Pseu­d­epi­gra­phen nen­nen die Men­schen maka­ri­os, die sich durch ihre Got­tes­furcht und ihren mora­li­schen Cha­rak­ter aus­zeich­nen. Das haben wir am Bei­spiel von Jesus Sirach und den Psal­men Salo­mos auf­ge­zeigt. Sie gel­ten als maka­ri­os wegen ihrer guten Lebens­um­stän­de und weil sie Got­tes Hil­fe in der Gegen­wart erleben.

Schritt 4: Ermittle die wahrscheinliche Bedeutung des Worts

Wir haben die Bedeu­tung von maka­ri­os in den ver­schie­de­nen Tei­len der Bibel und der außer­bi­bli­schen Lite­ra­tur betrach­tet. Im Alten Tes­ta­ment haben wir die beson­de­re Rol­le von maka­ri­os in der Weis­heits­li­te­ra­tur gese­hen. Zen­tral ist Psalm 1, wo ein ganz­heit­li­ches Auf­blü­hen des Gerech­ten mit maka­ri­os ver­bun­den ist. In den Apo­kry­phen und den Pseu­d­epi­gra­phen hin­ge­gen steht der dies­sei­ti­ge Segen stark im Zen­trum, bis dahin, dass die Wie­der­her­stel­lung Isra­els und die Aus­rot­tung der Fein­de im Blick sind. Im neu­en Tes­ta­ment wird hin­ge­gen die escha­to­lo­gi­sche Span­nung sicht­bar. Im Kon­text die­ser escha­to­lo­gi­schen Span­nung las­sen sich auch die Maka­ris­men der Berg­pre­digt am bes­ten ein­ord­nen. Sie heben sich stark von den Erwar­tun­gen der zwi­schen­tes­ta­ment­li­chen Schrif­ten ab, indem sie die Men­schen maka­ri­os nen­nen, die Leid tra­gen, nicht die, die (bereits jetzt) tri­um­phie­ren. Jesus knüpft aller­dings an das Ver­ständ­nis der alt­tes­ta­ment­li­chen Weis­heits­li­te­ra­tur an.

Was ist nun die bes­te Über­set­zung für maka­ri­os? Selig? Glück­se­lig? Glück­lich? Kei­ner die­ser Begrif­fe spie­gelt die Bedeu­tung von maka­ri­os in den Selig­prei­sun­gen per­fekt wie­der. So schreibt auch Luz in sei­nem Kom­men­tar:5

The trans­la­ti­on ‚hap­py‘ sounds some­what banal, and it obscu­res the escha­to­lo­gi­cal cha­rac­ter of the pro­mi­ses in the second clau­ses. The tra­di­tio­nal inter­pre­ta­ti­on as ‚bles­sed‘ is not only a ‚reli­gious‘ term that is hard­ly in use any lon­ger; it also evo­kes in a much too uni­li­ne­ar way asso­cia­ti­ons with the bey­ond: in Ger­man ‚the bles­sed‘ is a com­mon desi­gna­ti­on of the dead. Howe­ver, the­se beati­tu­des are not desi­gned to give com­fort by making pro­mi­ses about the next life; they are an aut­ho­ri­ta­ti­ve lan­guage act that pro­no­un­ces peo­p­le hap­py in the here and now. In short, the­re is no ide­al trans­la­ti­on in Ger­man [or English].“

Man wird in einer Pre­digt nicht dar­um her­um­kom­men, den Begriff zu erklä­ren. Wesent­lich wird dabei sein (1) die escha­to­lo­gi­sche Span­nung auf­recht­zu­er­hal­ten – wie im NT, (2) sich von einem rein dies­sei­ti­gen Glück zu distan­zie­ren – ent­ge­gen der Ten­denz der zwi­schen­tes­ta­ment­li­chen Schrif­ten und (3) das ganz­heit­li­che Auf­blü­hen aus Psalm 1 im Blick zu haben.


1. Logos bie­tet auch die Mög­lich­keit, in den Kir­chen­vä­tern und ande­ren Quel­len zu suchen. Um nicht aus­zu­ufern, beschrän­ken wir uns hier aber auf die vor­christ­li­che Lite­ra­tur.

2. Die Begriffs­de­fi­ni­tio­nen sind je nach Kir­che unter­schied­lich und die Datie­rung der ein­zel­nen Bücher ist häu­fig umstrit­ten. Wir ver­wen­den der Ein­fach­heit hal­ber aber die­se Defi­ni­tio­nen.

3. Letz­te­res kann natür­lich auch auf apo­kry­phe Schrif­ten zutref­fen.

4. Die Vers­zäh­lung der hier ver­wen­de­ten Ver­si­on der LXX und der deut­schen Über­set­zun­gen (Luther 1984) wei­chen teil­wei­se von­ein­an­der ab. Die Vers­an­ga­be bezieht sich hier immer auf die LXX von Rahlfs.

5. https://www.logos.com/product/50219/hermeneia-matthew‑1–7‑a-commentary-on-matthew‑1–7


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Jakob Haddick

Über den Autor

Jakob Haddick ist Gemeindepastor der Christlichen Gemeinde Freimersheim und Mitglied im Leitungsteam beim Gemeinde-Netzwerk Evangelium für Alle. Dort ist er verantwortlich für nebenberufliche theologische Schulungsarbeit. Privat bloggt er auf jakobhaddick.de.

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