Beten lernen

Von Thomas Powilleit

Januar 26, 2023

Kann man beten lernen?

Ist gelern­tes Beten nicht pha­ri­sä­er­haft? Jesus sagt über die Pha­ri­sä­er: Sie ste­hen an den Ecken und beten, um von den Men­schen gese­hen zu wer­den. Nur äuße­rer Schein, aber kein inne­res Sein. Lit­ur­gi­sches Gebet kann starr und gedan­ken­los sein. Des­halb leh­nen vie­le Chris­ten es ab, Gebe­te nach­zu­spre­chen, weil das für sie nicht per­sön­lich genug ist.

Aber sind frei for­mu­lier­te Gebe­te des­halb per­sön­li­cher, weil sie kei­ner Vor­la­ge fol­gen? Ich hör­te von einem Got­tes­dienst, in dem ein Mann laut bete­te. Ein klei­ner Jun­ge rede­te wäh­rend die­ses Gebe­tes vor sich hin. Das wirk­te stö­rend. Doch als man genau hin­hör­te, merk­te man: Der Jun­ge bete­te genau die Wor­te sei­nes Vaters nach, der öffent­lich bete­te. Es waren immer die­sel­ben Wor­te. Hier in der Gemein­de, aber offen­sicht­lich auch zu Hau­se. Ich weiß nicht, ob die­se Geschich­te erfun­den ist. Aber sie macht auf jeden Fall deut­lich: Auch ein per­sön­li­ches Gebet kann einem Sche­ma folgen.

Doch wie kann mein Gebet mehr zum Gespräch mit Gott wer­den, zu einer Zeit, nach der ich mich seh­ne und nicht zu einer Zeit, in der ich gähne?

Gottes Geist motiviert zum Beten

Gebet ist kei­ne reli­giö­se Pflicht, son­dern ein Gespräch mit Gott. Das als Pri­vi­leg zu ent­de­cken, kann eine Gebets­zeit wie­der zu etwas Wert­vol­lem machen. Manch­mal den­ke ich: „Gott, es ist fas­zi­nie­rend, dass ich hier am Küchen­tisch sit­ze und du hörst mich”.

Es ist der Hei­li­ge Geist, der mich beim Beten unter­stützt, indem er mir Gebets­an­lie­gen gibt, die für Gott wich­tig sind. Auch habe ich schon erlebt, dass Beter für mei­ne Nöte gebe­tet haben, ohne dass ich ihnen davon erzählt hat­te. Der Hei­li­ge Geist hat­te ihnen die­se Gebets­an­lie­gen auf das Herz gelegt.

Auch wenn die­se geist­li­che Kom­po­nen­te ent­schei­dend ist, kann ich den­noch das Beten ler­nen und ver­tie­fen. In den fol­gen­den Zei­len geht es des­halb um eini­ge Gebe­te, von denen ich ler­nen kann.

Das Mustergebet

Es macht gar nichts, wenn ich im Gebet vor­for­mu­lier­te oder sich ähneln­de Sät­ze ver­wen­de. Selbst Jesus in sei­ner schwers­ten Stun­de hat mehr­mals die­sel­ben Wor­te gebe­tet. Außer­dem hat Jesus uns das Vater­un­ser als Mus­ter­ge­bet gelehrt. Jesus for­dert uns kon­kret auf, die­ses Gebet nach­zu­spre­chen. In Ver­bin­dung mit eige­nen Wor­ten kann es sehr berei­chernd für mein Gebets­le­ben sein.

Ich selbst neh­me es immer wie­der als Grund­la­ge mei­nes Gebe­tes. Das hört sich dann so an: Vater unser im Him­mel. Dan­ke, dass du mein Vater bist, zu dem ich heu­te kom­men darf. Ich freue mich so, dass du mein Vater bist und dass ich dir ver­trau­en darf. Dan­ke, dass ich ein­mal dort sein wer­de, wo du jetzt bist. Im Him­mel. Dan­ke, Vater, dass du „unser” Vater bist. Du hast mir Geschwis­ter geschenkt. Ich darf dei­ne Fami­lie, die Gemein­de, erleben.

Mir hel­fen Gebe­te wie das Vater­un­ser dabei, mich im Gebet nicht nur um mich selbst zu dre­hen. Durch die­ses Mus­ter­ge­bet bekom­me ich Got­tes wei­te­ren Blick und damit auch ande­re Gebets­an­lie­gen. Des­halb berei­chert es mein Gebet, dem Mus­ter­ge­bet des Herrn Jesus zu fol­gen und es mit eige­nen Wor­ten zu ergänzen.

Die Gebete des Paulus

Eine sehr gute Grund­la­ge für unser Gebet kön­nen auch die Pau­lus­ge­be­te sein. Immer wie­der hören wir Pau­lus in sei­nen Brie­fen beten. So zum Bei­spiel in Eph. 1,17f ” der Gott unse­res Herrn Jesus Chris­tus, der Vater der Herr­lich­keit, gebe euch den Geist der Weis­heit und der Offen­ba­rung zur Erkennt­nis sei­ner selbst! ER erleuch­te die Augen eures Her­zens, damit ihr wisst, was die Hoff­nung sei­ner Beru­fung, was der Reich­tum der Herr­lich­keit sei­nes Erbes in den Hei­li­gen und was die über­ra­gen­de Grö­ße sei­ner Kraft an uns … ist”.

Hand aufs Herz. Wer hat in solch einer Tie­fe schon für ande­re gebe­tet? Ich wür­de nie dar­auf kom­men, dafür zu beten, dass die Augen des Her­zens erleuch­tet wer­den. Ohne die­se Gebets­vor­la­ge wür­de ich auch nicht beten, dass ande­re Chris­ten die Hoff­nung ihrer Beru­fung erken­nen und den Reich­tum ihres Erbes erken­nen sol­len, das Gott ihnen geschenkt hat.

Ich habe mir man­che der Gebe­te des Pau­lus in ein Heft geschrie­ben und bete sie nach. Auch wie­der mit eige­nen Ergän­zun­gen. Ich mer­ke, dass die­se Gebe­te tie­fer gehen, als mei­ne gewöhn­li­chen Gebe­te. In denen geht es meis­tens dar­um, dass ich Gott um Hil­fe für die­ses oder jenes Pro­blem bitte.

Also sind auch hier die Gebets­vor­la­gen der Bibel sehr hilf­reich, um das eige­ne Gebet zu ver­tie­fen. Anhand der Gebe­te des Pau­lus ler­ne ich also beten.

Die Psalmen

Die Psal­men sind nie­der­ge­schrie­be­ne Gebe­te. Sie sind Got­tes Wort. Wenn ich die Wor­te der Psal­men bete, dann spre­che ich also Got­tes Wor­te laut aus. Die Psal­men sind also eine Gebets­schu­le. Sie decken einen gro­ßen emo­tio­na­len Bereich ab. Auf der einen Sei­te geben die Psal­men mir die Wor­te, wenn ich mich freue: Freut euch an dem HERRN und jauchzt ihr Gerech­ten und jubelt, alle ihr von Her­zen Auf­rich­ti­gen! (Ps32,11) Auch hier kann ich den Text mit mei­nen per­sön­li­chen Wor­ten ergän­zen mit: „Herr, ich freue mich über dich, weil ich wie­der gesund wer­den konn­te. Ich jub­le über dei­ne Hil­fe und bin dir so dankbar …”

Gera­de in not­vol­len Situa­tio­nen holen die Psal­men mich ab, weil sie das, was ich emp­fin­de, oft bes­ser aus­drü­cken, als ich es sagen könn­te. „Was bist du so auf­ge­löst , mei­ne See­le und stöhnst in mir? Har­re auf Gott, denn ich wer­de ihn noch prei­sen ... . (Ps42,6) Hier redet der Psalm­schrei­ber betend zu sei­ner See­le anstatt sich von ihr bestim­men zu las­sen. Wenn ich die­se Wor­te zu mei­nen Wor­ten mache, kann das so klin­gen: Herr, ich hal­te mich an dir fest auch in die­ser Situa­ti­on, in der ich emo­tio­nal jeden Halt ver­lo­ren habe. Ich weiß, ich wer­de spä­ter dar­über stau­nen, wie du mir gehol­fen hast.

Teil­wei­se drü­cken die Psal­men­ge­be­te aus, was ich wohl nie so for­mu­lie­ren wür­de. Da sagt doch der Beter tat­säch­lich zu Gott: Erwa­che! War­um schläfst du, Herr? Wache auf! (Ps44,24) Sol­che Psal­men sind enorm hilf­reich, wenn mir die Wor­te feh­len, um das aus­zu­drü­cken, was ich emp­fin­de. Hier sind die Wor­te für mei­ne Emp­fin­dun­gen und ich darf die­se Wor­te benut­zen. So darf ich auch mit Gott reden. Mit allem Respekt. Des­halb ler­ne ich durch die­se Ver­se sehr viel über das ehr­li­che Gespräch mit Gott.

In der Gebets­schu­le der Psal­men gibt es viel zu ent­de­cken. Hier habe ich die Mög­lich­keit, wirk­lich beten zu ler­nen. Übri­gens ist hier der Psal­men­ex­plo­rer von Logos eine Hil­fe. Die Psal­men sind in der Über­sicht nach ver­schie­de­nen Kate­go­rien auf­ge­teilt. Zum Bei­spiel nach Lob­preis, Kla­ge­lied und Ver­trau­en. Je nach The­ma, das mich beschäf­tigt, sehe ich, wel­che Psal­men mei­ne emo­tio­na­le Stim­mung am bes­ten auf­neh­men. Die­se Wor­te darf ich dann zu mei­nen eige­nen Wor­ten machen.

Die Gebetsuhr

Die Gebets­uhr ist eine Mög­lich­keit ver­schie­de­ne Gebets­schwer­punk­te abzu­wech­seln. Man teilt sich eine Stun­de in Blö­cken von je fünf Minu­ten auf. Der ers­te Block könn­te „Lob­preis” sein. Der zwei­te Block „Schuld­be­kennt­nis”. Der drit­te Block: „Für­bit­te”. Der vier­te Block „Gebet für Men­schen, die Gott noch nicht ken­nen”. Hier kann sich jeder sei­ne zwölf Kate­go­rien selbst fest­le­gen. Hilf­reich ist ein Timer, der nach jeweils fünf Minu­ten klin­gelt. Dann beginnt man mit einem neu­en Gebets­the­ma. Man kann auch nur die hal­be Uhr beten. Mei­ne Erfah­rung ist: Die Gebets­uhr macht das Gebet kurz­wei­li­ger und lebendiger.

Das Gebetsheft

Es lohnt sich, wenn man beten ler­nen möch­te, gute Gebets­im­pul­se in einem Heft auf­zu­schrei­ben. In mei­nem Heft ste­hen z.B. die „Ich-bin-Wor­te” Jesu als Gebets­vor­la­ge. Oder Bibel­ver­se, die mir zei­gen, wer ich in Chris­tus bin. Dafür dan­ke ich. Vor län­ge­rer Zeit las ich ein län­ge­res Gebet, das jemand regel­mä­ßig für sei­nen Nach­fol­ger gebe­tet hat. Das war so inhalts­reich, dass ich es abge­schrie­ben habe. Von jemand ande­rem habe ich das Gebet für sei­ne Ehe­frau und sei­ne Kin­der abge­schrie­ben. Wer beten ler­nen will, der hält Aus­schau nach guten Gebets­vor­la­gen, um sie für das per­sön­li­che Gebet zu nutzen.

Die Gebetszeit

Letzt­lich lernt man Beten vor allem, wenn man betet. Das ist wie beim Kla­vier­spie­len. Musik­theo­rie gehört dazu, aber wer ein guter Pia­nist wer­den will, der muss anfan­gen zu spie­len. So muss jeder, der ein Beter wer­den möch­te, ein­fach anfan­gen zu beten. Der Pro­phet Dani­el ist dar­in ein Vor­bild. Er hat sich fes­te Gebets­zei­ten in sei­nen Tages­ab­lauf ein­ge­baut. Wer sich kei­ne Zeit zum Beten nimmt, wird sie auch nicht haben.

Mir hat es außer­dem gehol­fen, einen Timer zu stel­len. Sonst wären mei­ne Gebe­te wohl immer kür­zer gewor­den, weil der Tag mit sei­nen Auf­ga­ben vor mir stand. Aber weil ich wuss­te, dass der Timer so schnell nicht klin­geln wird, hat­te ich auch inner­lich die Zeit, mich auf Gott zu kon­zen­trie­ren und mich nicht von der Hek­tik des Tages trei­ben zu lassen.

Was ich auch gelernt habe, ist: Wenn ande­re Gedan­ken mich vom Gebet ablen­ken wol­len, wich­ti­ge Gedan­ken, die ich nicht ver­ges­sen soll­te, dann schrei­be ich sie mir auf. Damit kann ich mich spä­ter um die­se Din­ge küm­mern. Aber sie bele­gen mein Den­ken nicht jetzt beim Gebet.

Fazit

Gebet ist zuerst das Wir­ken des Hei­li­gen Geis­tes. ER will mir den Blick dafür schen­ken, dass es ein Pri­vi­leg ist, mit mei­nem himm­li­schen Vater spre­chen zu dür­fen. Aber die Beschäf­ti­gung mit ver­schie­de­nen Gebe­ten der Bibel gibt mir die Mög­lich­keit, im Gebet dazu zu ler­nen. Die­ses theo­lo­gi­sche Wis­sen ist wich­tig, aber noch wich­ti­ger ist es, ein­fach anzu­fan­gen zu beten. Dann lernt man am meisten.


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Thomas Powilleit

Über den Autor

Thomas Powilleit ist Pastor der evangelischen Freikirche „Evangelium für Alle“ in Stuttgart (www.efa-stuttgart.de). Neben seinen Aufgaben dort ist er überörtlich vor allen Dingen im Rahmen des gleichnamigen Netzwerkes „Evangelium für Alle“ zu Seminaren und ausgewählten Einzelveranstaltungen unterwegs.

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