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Kann man beten lernen?
Ist gelerntes Beten nicht pharisäerhaft? Jesus sagt über die Pharisäer: Sie stehen an den Ecken und beten, um von den Menschen gesehen zu werden. Nur äußerer Schein, aber kein inneres Sein. Liturgisches Gebet kann starr und gedankenlos sein. Deshalb lehnen viele Christen es ab, Gebete nachzusprechen, weil das für sie nicht persönlich genug ist.
Aber sind frei formulierte Gebete deshalb persönlicher, weil sie keiner Vorlage folgen? Ich hörte von einem Gottesdienst, in dem ein Mann laut betete. Ein kleiner Junge redete während dieses Gebetes vor sich hin. Das wirkte störend. Doch als man genau hinhörte, merkte man: Der Junge betete genau die Worte seines Vaters nach, der öffentlich betete. Es waren immer dieselben Worte. Hier in der Gemeinde, aber offensichtlich auch zu Hause. Ich weiß nicht, ob diese Geschichte erfunden ist. Aber sie macht auf jeden Fall deutlich: Auch ein persönliches Gebet kann einem Schema folgen.
Doch wie kann mein Gebet mehr zum Gespräch mit Gott werden, zu einer Zeit, nach der ich mich sehne und nicht zu einer Zeit, in der ich gähne?
Gottes Geist motiviert zum Beten
Gebet ist keine religiöse Pflicht, sondern ein Gespräch mit Gott. Das als Privileg zu entdecken, kann eine Gebetszeit wieder zu etwas Wertvollem machen. Manchmal denke ich: „Gott, es ist faszinierend, dass ich hier am Küchentisch sitze und du hörst mich”.
Es ist der Heilige Geist, der mich beim Beten unterstützt, indem er mir Gebetsanliegen gibt, die für Gott wichtig sind. Auch habe ich schon erlebt, dass Beter für meine Nöte gebetet haben, ohne dass ich ihnen davon erzählt hatte. Der Heilige Geist hatte ihnen diese Gebetsanliegen auf das Herz gelegt.
Auch wenn diese geistliche Komponente entscheidend ist, kann ich dennoch das Beten lernen und vertiefen. In den folgenden Zeilen geht es deshalb um einige Gebete, von denen ich lernen kann.
Das Mustergebet
Es macht gar nichts, wenn ich im Gebet vorformulierte oder sich ähnelnde Sätze verwende. Selbst Jesus in seiner schwersten Stunde hat mehrmals dieselben Worte gebetet. Außerdem hat Jesus uns das Vaterunser als Mustergebet gelehrt. Jesus fordert uns konkret auf, dieses Gebet nachzusprechen. In Verbindung mit eigenen Worten kann es sehr bereichernd für mein Gebetsleben sein.
Ich selbst nehme es immer wieder als Grundlage meines Gebetes. Das hört sich dann so an: Vater unser im Himmel. Danke, dass du mein Vater bist, zu dem ich heute kommen darf. Ich freue mich so, dass du mein Vater bist und dass ich dir vertrauen darf. Danke, dass ich einmal dort sein werde, wo du jetzt bist. Im Himmel. Danke, Vater, dass du „unser” Vater bist. Du hast mir Geschwister geschenkt. Ich darf deine Familie, die Gemeinde, erleben.
Mir helfen Gebete wie das Vaterunser dabei, mich im Gebet nicht nur um mich selbst zu drehen. Durch dieses Mustergebet bekomme ich Gottes weiteren Blick und damit auch andere Gebetsanliegen. Deshalb bereichert es mein Gebet, dem Mustergebet des Herrn Jesus zu folgen und es mit eigenen Worten zu ergänzen.
Die Gebete des Paulus
Eine sehr gute Grundlage für unser Gebet können auch die Paulusgebete sein. Immer wieder hören wir Paulus in seinen Briefen beten. So zum Beispiel in Eph. 1,17f ” der Gott unseres Herrn Jesus Christus, der Vater der Herrlichkeit, gebe euch den Geist der Weisheit und der Offenbarung zur Erkenntnis seiner selbst! ER erleuchte die Augen eures Herzens, damit ihr wisst, was die Hoffnung seiner Berufung, was der Reichtum der Herrlichkeit seines Erbes in den Heiligen und was die überragende Größe seiner Kraft an uns … ist”.
Hand aufs Herz. Wer hat in solch einer Tiefe schon für andere gebetet? Ich würde nie darauf kommen, dafür zu beten, dass die Augen des Herzens erleuchtet werden. Ohne diese Gebetsvorlage würde ich auch nicht beten, dass andere Christen die Hoffnung ihrer Berufung erkennen und den Reichtum ihres Erbes erkennen sollen, das Gott ihnen geschenkt hat.
Ich habe mir manche der Gebete des Paulus in ein Heft geschrieben und bete sie nach. Auch wieder mit eigenen Ergänzungen. Ich merke, dass diese Gebete tiefer gehen, als meine gewöhnlichen Gebete. In denen geht es meistens darum, dass ich Gott um Hilfe für dieses oder jenes Problem bitte.
Also sind auch hier die Gebetsvorlagen der Bibel sehr hilfreich, um das eigene Gebet zu vertiefen. Anhand der Gebete des Paulus lerne ich also beten.
Die Psalmen
Die Psalmen sind niedergeschriebene Gebete. Sie sind Gottes Wort. Wenn ich die Worte der Psalmen bete, dann spreche ich also Gottes Worte laut aus. Die Psalmen sind also eine Gebetsschule. Sie decken einen großen emotionalen Bereich ab. Auf der einen Seite geben die Psalmen mir die Worte, wenn ich mich freue: Freut euch an dem HERRN und jauchzt ihr Gerechten und jubelt, alle ihr von Herzen Aufrichtigen! (Ps32,11) Auch hier kann ich den Text mit meinen persönlichen Worten ergänzen mit: „Herr, ich freue mich über dich, weil ich wieder gesund werden konnte. Ich juble über deine Hilfe und bin dir so dankbar …”
Gerade in notvollen Situationen holen die Psalmen mich ab, weil sie das, was ich empfinde, oft besser ausdrücken, als ich es sagen könnte. „Was bist du so aufgelöst , meine Seele und stöhnst in mir? Harre auf Gott, denn ich werde ihn noch preisen ... . (Ps42,6) Hier redet der Psalmschreiber betend zu seiner Seele anstatt sich von ihr bestimmen zu lassen. Wenn ich diese Worte zu meinen Worten mache, kann das so klingen: Herr, ich halte mich an dir fest auch in dieser Situation, in der ich emotional jeden Halt verloren habe. Ich weiß, ich werde später darüber staunen, wie du mir geholfen hast.
Teilweise drücken die Psalmengebete aus, was ich wohl nie so formulieren würde. Da sagt doch der Beter tatsächlich zu Gott: Erwache! Warum schläfst du, Herr? Wache auf! (Ps44,24) Solche Psalmen sind enorm hilfreich, wenn mir die Worte fehlen, um das auszudrücken, was ich empfinde. Hier sind die Worte für meine Empfindungen und ich darf diese Worte benutzen. So darf ich auch mit Gott reden. Mit allem Respekt. Deshalb lerne ich durch diese Verse sehr viel über das ehrliche Gespräch mit Gott.
In der Gebetsschule der Psalmen gibt es viel zu entdecken. Hier habe ich die Möglichkeit, wirklich beten zu lernen. Übrigens ist hier der Psalmenexplorer von Logos eine Hilfe. Die Psalmen sind in der Übersicht nach verschiedenen Kategorien aufgeteilt. Zum Beispiel nach Lobpreis, Klagelied und Vertrauen. Je nach Thema, das mich beschäftigt, sehe ich, welche Psalmen meine emotionale Stimmung am besten aufnehmen. Diese Worte darf ich dann zu meinen eigenen Worten machen.
Die Gebetsuhr
Die Gebetsuhr ist eine Möglichkeit verschiedene Gebetsschwerpunkte abzuwechseln. Man teilt sich eine Stunde in Blöcken von je fünf Minuten auf. Der erste Block könnte „Lobpreis” sein. Der zweite Block „Schuldbekenntnis”. Der dritte Block: „Fürbitte”. Der vierte Block „Gebet für Menschen, die Gott noch nicht kennen”. Hier kann sich jeder seine zwölf Kategorien selbst festlegen. Hilfreich ist ein Timer, der nach jeweils fünf Minuten klingelt. Dann beginnt man mit einem neuen Gebetsthema. Man kann auch nur die halbe Uhr beten. Meine Erfahrung ist: Die Gebetsuhr macht das Gebet kurzweiliger und lebendiger.
Das Gebetsheft
Es lohnt sich, wenn man beten lernen möchte, gute Gebetsimpulse in einem Heft aufzuschreiben. In meinem Heft stehen z.B. die „Ich-bin-Worte” Jesu als Gebetsvorlage. Oder Bibelverse, die mir zeigen, wer ich in Christus bin. Dafür danke ich. Vor längerer Zeit las ich ein längeres Gebet, das jemand regelmäßig für seinen Nachfolger gebetet hat. Das war so inhaltsreich, dass ich es abgeschrieben habe. Von jemand anderem habe ich das Gebet für seine Ehefrau und seine Kinder abgeschrieben. Wer beten lernen will, der hält Ausschau nach guten Gebetsvorlagen, um sie für das persönliche Gebet zu nutzen.
Die Gebetszeit
Letztlich lernt man Beten vor allem, wenn man betet. Das ist wie beim Klavierspielen. Musiktheorie gehört dazu, aber wer ein guter Pianist werden will, der muss anfangen zu spielen. So muss jeder, der ein Beter werden möchte, einfach anfangen zu beten. Der Prophet Daniel ist darin ein Vorbild. Er hat sich feste Gebetszeiten in seinen Tagesablauf eingebaut. Wer sich keine Zeit zum Beten nimmt, wird sie auch nicht haben.
Mir hat es außerdem geholfen, einen Timer zu stellen. Sonst wären meine Gebete wohl immer kürzer geworden, weil der Tag mit seinen Aufgaben vor mir stand. Aber weil ich wusste, dass der Timer so schnell nicht klingeln wird, hatte ich auch innerlich die Zeit, mich auf Gott zu konzentrieren und mich nicht von der Hektik des Tages treiben zu lassen.
Was ich auch gelernt habe, ist: Wenn andere Gedanken mich vom Gebet ablenken wollen, wichtige Gedanken, die ich nicht vergessen sollte, dann schreibe ich sie mir auf. Damit kann ich mich später um diese Dinge kümmern. Aber sie belegen mein Denken nicht jetzt beim Gebet.
Fazit
Gebet ist zuerst das Wirken des Heiligen Geistes. ER will mir den Blick dafür schenken, dass es ein Privileg ist, mit meinem himmlischen Vater sprechen zu dürfen. Aber die Beschäftigung mit verschiedenen Gebeten der Bibel gibt mir die Möglichkeit, im Gebet dazu zu lernen. Dieses theologische Wissen ist wichtig, aber noch wichtiger ist es, einfach anzufangen zu beten. Dann lernt man am meisten.
Schön geschrieben