Das Wunder der Kirche – Teil 1

Kirche

Wir erle­ben gera­de eine Gene­ra­ti­on, die in einer völ­lig neu­en Welt auf­wächst: Die Gene­ra­ti­on Z.
Sie kennt kein Leben ohne Inter­net, ohne per­ma­nen­te Ver­füg­bar­keit von Infor­ma­tio­nen, ohne sozia­le Medi­en. Der stän­di­ge Strom aus News, Clips, Sto­rys und vira­len Trends formt ihre Wahr­neh­mung – schnell, flüch­tig, visuell.

Was zählt, ist das Neue. Was nicht im Feed erscheint, wird leicht ver­ges­sen. Ver­gan­ge­nes wirkt oft irrele­vant – oder höchs­tens dann span­nend, wenn es sich in ein 15-sekün­di­ges Reel ver­pa­cken lässt. In die­ser digi­ta­len Dau­er­be­schal­lung ist es eine gewal­ti­ge Her­aus­for­de­rung, sich mit etwas zu beschäf­ti­gen, das alt ist, kom­plex – und nicht sofort Auf­merk­sam­keit garan­tiert: mit Geschich­te. Und erst recht mit Kir­chen­ge­schich­te. Aber genau das brau­chen wir: Denn wer Got­tes Han­deln in der Ver­gan­gen­heit nicht kennt, ver­passt, ihn im Heu­te zu erken­nen. Wer nicht weiß, woher der christ­li­che Glau­be kommt, kann kaum ver­ste­hen, war­um er heu­te so aus­sieht, wie er aus­sieht – geschwei­ge denn, wohin er füh­ren kann.

Gott! Mit unse­ren Ohren haben wir es gehört! Unse­re Vor­fah­ren haben es uns erzählt: Gro­ßes hast du getan in ihren Tagen, damals, vor lan­ger Zeit.“ – Psalm 44,2

Die Kir­che lebt nicht vom Trend, son­dern vom treu­en Han­deln Got­tes in Raum und Zeit. Kir­chen­ge­schich­te ist nicht bloß ein Rück­blick – sie ist eine Ent­de­ckung sei­ner blei­ben­den Gegenwart.

Warum Kirchengeschichte studieren?

Zu Recht fra­gen sich vie­le Chris­ten, Theo­lo­gie­stu­die­ren­de und Geist­li­che, ob sich das Stu­di­um der Geschich­te über­haupt lohnt. Im Gespräch mit Armin Siers­zyn haben wir her­aus­ge­fun­den: Und ob! Das Stu­di­um der Geschich­te hat enorm vie­le Vorteile.

Die Zukunft ist die Sum­me der Ver­gan­gen­heit. Wer geschichts­los lebt, wird die Zukunft weni­ger gut mit­ge­stal­ten kön­nen. wer nicht weiss, woher er kommt, weiss auch nicht, wohin er geht.“ – Autor unbekannt

Natür­lich haben wir außer einem schlau­en Zitat noch wei­te­re Argu­men­te im Köcher. Als Hin­füh­rung und Ein­lei­tung möch­te ich Ihnen nun sechs Grün­de dafür geben, war­um Sie die Geschich­te der Kir­che ken­nen­ler­nen sollten.

  1. Die Kir­che ist ein Werk Got­tes in der Geschich­te.
    Die Kir­chen­ge­schich­te bezeugt die Treue Got­tes gegen­über sei­nem Volk. Trotz Ver­fol­gung, inne­rer Span­nun­gen und zahl­rei­cher Her­aus­for­de­run­gen hat die Kir­che über­lebt und sich aus­ge­brei­tet – nicht auf­grund mensch­li­cher Kraft, son­dern durch das Wir­ken Got­tes (vgl. Mt 16,18). Das Stu­di­um der Kir­chen­ge­schich­te weckt Stau­nen über Got­tes Han­deln in Raum und Zeit.

  2. Kir­chen­ge­schich­te dient der Apo­loge­tik.
    Eine ehr­li­che Aus­ein­an­der­set­zung mit der Geschich­te der Kir­che stärkt die Glaub­wür­dig­keit des christ­li­chen Zeug­nis­ses. Sie hilft uns, sowohl Licht als auch Schat­ten zu benen­nen. Chris­ten müs­sen bereit sein, Schuld anzu­er­ken­nen – sei es in den Kreuz­zü­gen, in kon­fes­sio­nel­len Krie­gen oder ande­ren For­men, in denen der Glau­be zuguns­ten eige­ner Zie­le miss­braucht wur­de. Gott bleibt hei­lig und wahr, auch wenn sei­ne Kir­che versagt.

  3. Aus der Geschich­te ler­nen wir.
    Die Bibel selbst ver­weist auf die Bedeu­tung der Geschich­te für die Gegen­wart (vgl. Ps 44,2; 1 Kor 10,11; Apg 7). His­to­ri­sche Rück­schau hilft, geist­li­che Prin­zi­pi­en zu erken­nen, Feh­ler nicht zu wie­der­ho­len und Got­tes Wir­ken in ver­gan­ge­nen Gene­ra­tio­nen als Ermu­ti­gung für heu­te zu verstehen.

Weitere Gründe

  1. Kir­chen­ge­schich­te ist geist­li­che Fami­li­en­ge­schich­te.
    Wer an Chris­tus glaubt, gehört zur welt­wei­ten Gemein­schaft der Hei­li­gen – über alle Zei­ten hin­weg. Die Geschich­te der Kir­che ist auch unse­re Geschich­te. Sie erin­nert uns dar­an, dass der Glau­be, den wir heu­te leben, durch das Zeug­nis vie­ler Glau­bens­ge­schwis­ter wei­ter­ge­ge­ben wurde.

  2. Kir­chen­ge­schich­te erwei­tert den Hori­zont.
    Sie zeigt die Viel­falt christ­li­cher Pra­xis und Theo­lo­gie in unter­schied­li­chen Kul­tu­ren und Zei­ten. Unter­schied­li­che For­men etwa des Abend­mahls oder der Kir­chen­ord­nung ent­sprin­gen oft der­sel­ben bibli­schen Grund­la­ge, aber unter­schied­li­chen geschicht­li­chen Ent­wick­lun­gen. Das för­dert Demut, Respekt und öku­me­ni­sche Sensibilität.

  3. Kir­chen­ge­schich­te führt zur Anbe­tung.
    Die Rück­schau auf Got­tes Wir­ken durch schwa­che Men­schen ver­tieft unse­re Ehr­furcht und Dank­bar­keit. Sie lässt uns Got­tes Gna­de, Geduld und Macht neu erken­nen – und ruft uns dazu auf, ihn zu loben für sei­ne uner­schüt­ter­li­che Treue durch alle Jahr­hun­der­te hindurch.

Ich hof­fe, die­se Grün­de zei­gen die Rele­vanz auf, war­um man sich mit Geschich­te beschäf­ti­gen soll­te. Heu­te möch­te ich Sie mit­neh­men auf eine Rei­se ins Urchris­ten­tum, wo Got­tes Grö­ße beson­ders sicht­bar wurde.

Die 2000-jäh­ri­ge Geschich­te der Kir­che ist reich an Bösem, das mehr oder weni­ger from­me Men­schen ein­an­der im Namen Got­tes antun“. – Armin Siers­zyn, 2000 Jah­re Kir­chen­ge­schich­te, S. 5

Wunder und Wunde der Kirche

Die Kir­chen­ge­schich­te beginnt nicht ein­fach mit einem his­to­ri­schen Ereig­nis, son­dern mit einer Per­son: Jesus von Naza­reth. Aus einer klei­nen Bewe­gung von Jün­gern, die an sei­ne Auf­er­ste­hung glaub­ten, ent­stand eine welt­wei­te Gemein­schaft, die wir heu­te als Kir­che ken­nen. Was mit ein paar Men­schen in Gali­läa begann, ver­brei­te­te sich über das gan­ze Römi­sche Reich – und das trotz (oder gera­de wegen) enor­mer Widerstände.

Die Kir­chen­ge­schich­te erzählt von Men­schen, die glaub­ten, dass Jesus der auf­er­stan­de­ne Herr ist, und die bereit waren, dafür alles zu ris­kie­ren. Sie ist kei­ne blo­ße Abfol­ge von Daten und Namen, son­dern die Geschich­te von Got­tes Wir­ken durch fehl­ba­re, lei­den­de und glau­ben­de Men­schen – über Jahr­hun­der­te hinweg.

Gera­de die ers­ten drei Jahr­hun­der­te sind ein Wun­der: Die jun­ge Kir­che hat­te kei­ne poli­ti­schen Pri­vi­le­gi­en, kei­ne finan­zi­el­len Res­sour­cen, kei­ne gro­ßen Insti­tu­tio­nen – und trotz­dem wuchs sie. Sie über­leb­te Ver­fol­gung, sozia­le Äch­tung, inne­re Kon­flik­te und theo­lo­gi­sche Aus­ein­an­der­set­zun­gen. Warum?

Dar­um geht es im ers­ten Teil die­ser klei­nen zwei­tei­li­gen Serie: um das Wun­der der Kir­che – und war­um es über­haupt Kir­che gibt.

Die Geburt der Kirche

Die Kir­che ist kei­ne mensch­li­che Idee. Sie ist Got­tes Idee. Jesus selbst hat sie ins Leben geru­fen. Nicht als Insti­tu­ti­on, son­dern als leben­di­gen Orga­nis­mus – als Gemein­schaft von Men­schen, die ihm nach­fol­gen. Der Start­punkt liegt irgend­wo zwi­schen den Jah­ren 29 und 33 n. Chr. Nach sei­ner Tau­fe beginnt Jesus, öffent­lich zu wir­ken. Er beruft Jün­ger, heilt Kran­ke, pre­digt vom Reich Got­tes – und kün­digt an, dass etwas völ­lig Neu­es ent­ste­hen wird:

Du bist Petrus, und auf die­sen Fel­sen will ich mei­ne Gemein­de bau­en, und die Pfor­ten der Höl­le sol­len sie nicht über­wäl­ti­gen.“ – Mat­thä­us 16,18

Jesus kün­digt nicht nur die Geburt der Kir­che an – er sichert ihr auch ihr Über­le­ben zu. Ganz gleich, was kommt: Sei­ne Gemein­de wird nicht unter­ge­hen. In die­sem einen Satz liegt eine gewal­ti­ge Zusa­ge – und ein Ver­spre­chen, das sich bis heu­te bewahr­hei­tet hat. Kurz vor sei­ner Him­mel­fahrt gibt Jesus sei­nen Jün­gern einen Auf­trag, der alles verändert:

Dar­um geht und macht alle Völ­ker zu Jün­gern. Tauft sie im Namen des Vaters, des Soh­nes und des Hei­li­gen Geis­tes, und lehrt sie, alles zu befol­gen, was ich euch gebo­ten habe.“ – Mat­thä­us 28,19–20

Damit ist der Start­schuss gefal­len: Die Jün­ger sol­len in der gan­zen Welt ver­kün­di­gen, wer Jesus ist, und Men­schen in sei­ne Nach­fol­ge rufen. Genau das ist pas­siert. Und so ent­stand die Kir­che – zunächst unschein­bar, im Schat­ten des römi­schen Impe­ri­ums. Die ers­ten Chris­ten tra­fen sich in Pri­vat­häu­sern (z. B. Apg 2,46), auf Markt­plät­zen oder im Tem­pel­vor­hof, um gemein­sam zu beten, sich gegen­sei­tig zu ermu­ti­gen, von Jesus zu erzäh­len und das Brot zu bre­chen. Chris­ten wur­den für ihre Nächs­ten­lie­be bekannt und wur­den gewöhn­lich für ihre freund­li­che Art sehr hoch ange­se­hen (Apg 2,41–47). Was damals in Jeru­sa­lem begann, brei­te­te sich über ganz Judäa, Gali­läa, Syri­en, Klein­asi­en, Grie­chen­land und spä­ter Rom aus – bis an die Enden der Erde. Doch nicht für eine lan­ge Zeit waren Chris­ten unter den Völ­kern beliebt. Ihr Anse­hen schrumpf­te und es kam defi­ni­tiv anders!

Warum das Christentum eigentlich keine Chance hatte

Wenn man die Kraft bedenkt, mit der die Kir­che ins Leben geru­fen wur­de, könn­te man mei­nen: Inner­halb von drei Mona­ten hät­te sich doch die gan­ze Welt bekeh­ren müs­sen! Immer­hin ist es die­sel­be Kraft, die Jesus von den Toten auf­er­weckt hat – eine Kraft, die Gren­zen über­win­det, Mau­ern ein­reißt und Her­zen verändert.

Doch es kam anders.

Schon ganz früh reg­te sich Wider­stand. Zunächst von jüdi­scher Sei­te: Sau­lus – der spä­te­re Pau­lus – war ein fana­ti­scher Ver­fol­ger der jun­gen Jesus­be­we­gung. Doch bald wur­den auch die römi­schen Behör­den auf die Chris­ten auf­merk­sam. Und das hat­te weit­rei­chen­de Fol­gen. Denn das Römi­sche Reich reich­te damals von Bri­tan­ni­en bis nach Nord­afri­ka, von Spa­ni­en bis an den Per­si­schen Golf – und mit­ten­drin: Isra­el. Die Macht­zen­tra­le die­ses Welt­rei­ches lag in Rom. Eine Mil­lio­nen­stadt im ers­ten Jahr­hun­dert – mit Paläs­ten, Tem­peln, Märk­ten und einem eige­nen Kai­ser, der nicht nur regier­te, son­dern auch reli­gi­ös ver­ehrt wur­de. Der soge­nann­te Kai­ser­kult ver­lang­te von allen Bewoh­nern des Rei­ches, dem Kai­ser gött­li­che Ehre zu erwei­sen – durch Ritua­le, Opfer und eine öffent­li­che Loya­li­täts­be­kun­dung. Man muss­te sich sym­bo­lisch vor sei­ner Sta­tue ver­beu­gen. Für vie­le kein Pro­blem. Für Chris­ten ein Unding. Denn Chris­ten glaub­ten an nur einen Herrn: Jesus Chris­tus. Sie ehr­ten den Kai­ser, zahl­ten Steu­ern, bete­ten für die Regie­rung – aber sie bete­ten sie nicht an. Und genau das mach­te sie verdächtig.

Denn du sollst dich nicht nie­der­wer­fen vor einem ande­ren Gott, denn Eifer­süch­tig ist der Name des HERRN, ein eifer­süch­ti­ger Gott ist er.“ – Exodus 34,14

Nero: Der erste große Verfolger

Der römi­sche Kai­ser Nero regier­te von 54–68 n. Chr. und wur­de zum ers­ten, der gezielt Chris­ten ver­fol­gen ließ. Im Jahr 64 n. Chr. brann­te Rom – ein Groß­brand zer­stör­te wei­te Tei­le der Stadt. Nero brauch­te einen Sün­den­bock. Und er fand ihn in den Chris­ten. Sie sei­en eine „ver­hass­te Sek­te“, hieß es. In grau­sa­men öffent­li­chen Spek­ta­keln ließ Nero Chris­ten kreu­zi­gen, ver­bren­nen oder wil­den Tie­ren vor­wer­fen. Auch die Apos­tel Petrus und Pau­lus wur­den in die­ser Zeit in Rom hin­ge­rich­tet – ver­mut­lich zwi­schen 60 und 67 n. Chr. unter die­sem Kaiser:

Man kann die Petrus- und Pau­lus­tra­di­ti­on in Rom kaum wei­ter als bis zur Mit­te des 2. Jahr­hun­derts zurück­ver­fol­gen, bei Pau­lus viel­leicht bis in die Zeit um 100. In Wür­di­gung des gesam­ten Befunds wird man gleich­wohl dar­an fest­hal­ten dür­fen, dass Petrus und Pau­lus unter Nero am Kreuz bzw. durch das Schwert hin­ge­rich­tet wur­den.“ – W. Kin­zig in Chris­ten­ver­fol­gung der Antike

Was machte die Christen so gefährlich in den Augen des Römischen Reiches?

  • Sie ver­wei­ger­ten sich dem Kai­ser­kult, was als poli­ti­scher Ver­rat ver­stan­den wurde.
  • Sie lehn­ten alle ande­ren Göt­ter ab – in einer poly­the­is­ti­schen Gesell­schaft galt das als athe­is­tisch und gesellschaftsfeindlich.
  • Sie brach­ten kei­ne Tier­op­fer dar, son­dern glaub­ten, dass durch das Opfer Jesu ein für alle Mal genug geop­fert wur­de. Das wirk­te fremd.
  • Sie pre­dig­ten, dass jeder Mensch, egal wie schul­dig, zu Gott kom­men kann – das stell­te das stän­disch gepräg­te Welt­bild der Römer infrage.
  • Man­che hiel­ten sie gar für Kan­ni­ba­len – wegen der sym­bo­li­schen Spra­che des Abend­mahls, in dem vom „Leib“ und „Blut Chris­ti“ die Rede war.

Chris­ten wur­den zuneh­mend zur Ziel­schei­be. Unter Kai­ser Domi­ti­an (81–96) ver­schärf­te sich die Lage, und ab dem Jahr 100 war es unter gewis­sen Umstän­den töd­lich, sich öffent­lich zu Chris­tus zu beken­nen. Es folg­ten bis zum Beginn des 4. Jahr­hun­derts ins­ge­samt acht gro­ße Ver­fol­gungs­wel­len unter ver­schie­de­nen Kai­sern – dar­un­ter Tra­jan, Mark Aurel, Deci­us, Vale­ri­an und Dio­kle­ti­an. Trotz all die­ser Angrif­fe wuchs die Gemein­de. Haus um Haus, Stadt um Stadt.

Nie­mand konn­te das Feu­er aus­lö­schen, das in den Her­zen der Gläu­bi­gen brannte.

Gera­de in der Schwach­heit, in der Hin­ga­be und im Lei­den offen­bar­te sich eine ande­re Macht – nicht mili­tä­risch, son­dern geist­lich. Nicht von oben her­ab, son­dern von innen her­aus. Die Ver­fol­gung konn­te die Kir­che nicht zer­stö­ren. Im Gegen­teil: Sie schärf­te ihre Iden­ti­tät, fes­tig­te ihren Zusam­men­halt – und offen­bar­te das Wun­der ihres Bestehens. Christ­sein heisst mit Chris­tus zu lei­den – Die­ses Zitat wird Diet­rich Bon­hoef­fer zuge­schrie­ben. Über sol­che Erleb­nis­se kön­nen wir heu­te aus west­li­cher Sicht im Jahr 2025 nur noch staunen!

Durchhalten bis zum Tod – das mutige Bekenntnis der Christen

Ein ein­zi­ger Satz hät­te genügt.
Ein ein­zi­ges Lip­pen­be­kennt­nis, eine klei­ne Ver­leug­nung – und vie­le Christ:innen hät­ten ihr Leben ret­ten kön­nen. Doch sie ent­schie­den sich anders. Sie hiel­ten fest an dem, was sie glaub­ten: Dass Jesus der Herr ist – und nie­mand sonst. Zur Zeit der römi­schen Chris­ten­ver­fol­gun­gen bedeu­te­te das Fest­hal­ten am Glau­ben oft den Tod. Es hät­te so ein­fach sein kön­nen: ein Schwur auf den Kai­ser, eine klei­ne Ges­te vor der Sta­tue – und man hät­te wei­ter­le­ben dür­fen. Doch vie­le dach­ten an Jesu Worte:

Wer sich vor den Men­schen zu mir bekennt, zu dem wer­de ich mich auch vor mei­nem Vater im Him­mel beken­nen.“ – Mat­thä­us 10,32

Und Gott gab ihnen die Kraft. Sie bekann­ten sich – mit ihrem Leben.

Polykarp von Smyrna

Ein beson­ders ein­drück­li­ches Bei­spiel berich­tet uns Siers­zyn in sei­nem Buch 2000 Jah­re Kir­chen­ge­schich­te. Es geht um das Mar­ty­ri­um des Bischofs Poly­karp von Smyr­na. Er leb­te in Klein­asi­en und war um das Jahr 155 n. Chr. bereits ein alter Mann – 86 Jah­re alt. Der Kir­chen­va­ter Ire­nä­us berich­tet, dass Poly­karp ein direk­ter Schü­ler des Apos­tels Johan­nes war. Als in Smyr­na Chris­ten in der Are­na hin­ge­rich­tet wur­den, for­der­te das Volk, auch ihren Bischof zu sehen. Poly­karp hat­te sich zunächst auf einem Land­gut ver­steckt und sich ins Gebet zurück­ge­zo­gen. Drei Tage vor sei­ner Gefan­gen­nah­me hat­te er eine Visi­on: Sein Kopf­kis­sen brann­te. Er sag­te nur: „Ich muss leben­dig ver­brannt werden.“

Als man ihn schließ­lich auf­spür­te, erschrak er nicht. Statt­des­sen bat er um eine Stun­de zum Gebet – und bewir­te­te sogar sei­ne Häscher mit einem klei­nen Mahl. Dann schlepp­te man ihn vor den römi­schen Statt­hal­ter. Die­ser for­der­te: „Schwö­re, und ich las­se dich frei. Läs­te­re Chris­tus!“ Doch Poly­karp ant­wor­te­te: „86 Jah­re die­ne ich ihm, und er hat mir nie ein Leid getan. Wie könn­te ich mei­nen König läs­tern, der mich erlöst hat?“ Der Statt­hal­ter droh­te wei­ter – mit wil­den Tie­ren, mit Feu­er. Doch Poly­karp blieb stand­haft: „Du drohst mit Feu­er, das nur eine kur­ze Zeit brennt. Aber du kennst nicht das Feu­er des kom­men­den Gerichts. War­um zögerst du? Tu, was du willst!“ – Poly­karp von Smyrna

Das Volk tob­te. Es schich­te­te Holz und Rei­sig um den Greis. Als man ihn fest­na­geln woll­te, lehn­te Poly­karp ab:

Der mich ins Feu­er stellt, wird mir auch Kraft geben, ohne Nägel still­zu­ste­hen.“ – Poly­karp von Smyrna

Was dann geschah, beweg­te vie­le Augen­zeu­gen: Das Feu­er ver­brann­te ihn nicht. Es heißt, es sei wie ein Gewöl­be um ihn her­um auf­ge­stie­gen. Die Umste­hen­den rochen Wohl­ge­ruch wie von Weih­rauch und Myr­rhe. Erst ein Dolch­stoß been­de­te sein Leben.

Eine Kirche, die nicht totzukriegen ist

War­um wuchs die­se Kir­che trotz die­ser Ver­fol­gung eigent­lich immer noch? War­um las­sen sich Men­schen auf der gan­zen Welt heu­te noch tau­fen, leben ihren Glau­ben mit Hin­ga­be – obwohl Christ­sein so oft bedeu­tet hat (und teil­wei­se noch bedeu­tet), zu leiden?

Chris­ten wur­den ver­brannt, ent­haup­tet, gekreu­zigt, wil­den Tie­ren zum Fraß vor­ge­wor­fen. Tau­sen­de – nein, Hun­dert­tau­sen­de – sind gestor­ben. Und doch blieb die­se Kir­che nicht ste­hen. Sie wuchs wei­ter. War­um nur? Was gab die­sen Men­schen die­se unfass­ba­re Stand­haf­tig­keit? Das ist doch… verrückt.

Um das Jahr 200 schrieb der Kir­chen­va­ter Ter­tul­li­an einen Satz, der durch die Jahr­hun­der­te hallt:

Wir wer­den zahl­rei­cher, sooft wir von euch dahin­ge­mäht wer­den. Das Blut der Chris­ten ist der Same der Kir­che.“ Ter­tul­li­an (2./3. Jh.)

Was für eine kraft­vol­le Aus­sa­ge! Viel­leicht wuchs die Kir­che gera­de des­halb, weil sie die ein­zi­ge Bewe­gung war, deren Mit­glie­der bereit waren, für ihre Über­zeu­gung zu ster­ben.
Weil sie nicht zurück­schreck­ten. Weil sie wuss­ten: Die­se Geschich­te mit Jesus ist wahr. Denn Hand aufs Herz: Wer geht frei­wil­lig in den Tod für etwas, wor­an er nicht von gan­zem Her­zen glaubt? Wenn Jesus nicht wirk­lich auf­er­stan­den wäre – woher hät­ten die­se Men­schen die Kraft genom­men, ihm selbst im Ange­sicht des Feu­ers, des Schwer­tes und der Löwen treu zu bleiben?

Anwendung: Mut zum Bekenntnis

Es ist trau­rig – und gleich­zei­tig wun­der­schön, was die­se Men­schen erlebt und durch­lit­ten haben. Sie zei­gen: Jesus hat sie nicht allein gelas­sen. Er hat ihnen die Kraft gege­ben, die sie gebraucht haben. Und das erin­nert an ein gött­li­ches Prin­zip, das schon Josef in Ägyp­ten erlebte:

Ihr gedach­tet mir zwar Böses zu tun; aber Gott gedach­te es gut zu machen, um ein zahl­rei­ches Volk am Leben zu erhal­ten.“ – 1. Mose 50,20

Auch Pau­lus bringt es in Worte:

Was sol­len wir nun hier­zu sagen? Wenn Gott für uns ist, wer kann gegen uns sein? Er hat sogar sei­nen eige­nen Sohn nicht ver­schont, son­dern hat ihn für uns alle hin­ge­ge­ben – wie soll­te er uns mit ihm nicht auch alles schen­ken?“ – Römer 8,31–32

Fragen zum weiterdenken:

  • Sind Sie dank­bar für Ihre Kirche?
  • Sind Sie dank­bar dafür, dass ande­re für Ihren Glau­ben gestor­ben sind?
  • Leben Sie Ihr Leben so, dass es Chris­tus reflek­tiert und sein Licht in die Welt trägt?

Dann sei­en Sie einen Teil davon – nicht nur mit Ihrem Namen, son­dern mit Ihrem gan­zen Leben. Denn es gibt kei­ne bes­se­re Gemein­schaft auf die­ser Welt, die so viel durch­ge­macht hat – und trotz­dem leben­di­ger ist denn je. Und Sie und ich dür­fen uns zu die­ser Kir­che zäh­len, was ein Privileg!

Ausblick Teil 2:

Die­ses hier beschrie­be­ne Wun­der hat für mich auch eine Kehr­sei­te: Wie gelang es der Kir­che, trotz Ver­staat­li­chung und fast schon Ver­pflich­tung, sich nicht mit der Welt zu ver­mi­schen? Ist ihr das über­haupt gelun­gen? Müss­ten wir nicht viel­mehr von den Feh­lern ler­nen? Wie kann die Kir­che in der Welt sein, ohne das die Welt in die Kir­che dringt? Lesen sie nächs­te Woche im zwei­ten Teil, wie der Kir­che das damals gelun­gen ist und auch heu­te noch gelin­gen kann.

Literaturverzeichnis

Alle Quel­len, die ich für die­sen Arti­kel ver­wen­det habe, fin­den Sie im deut­schen Logos-Store:

Geschrieben von
Joshua Ganz

Joshua ist als Jugendpastor in der Nordostschweiz tätig. Aktuell studiert er systematische Theologie auf dem Master-Level und plant einen MTh. In der Schweizer Armee dient er als Armeeseelsorger. Er liebt Theologie, sein Rennrad und Kaffee. Am liebsten alles miteinander, oder zumindest nacheinander ;)

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