N.T. Wright und die Apostelgeschichte – eine Rezension

N. T. Wright und die Apostelgeschichte (Rezension)

Wer über 80 Bücher ver­fasst, einen Lehr­stuhl inne­hat und auch noch Bischof der eng­lisch-angli­ka­ni­schen Kir­che ist, hat ver­mut­lich kei­ne Lust und Zeit, für die nor­ma­len Chris­ten Bücher zu schrei­ben. Doch genau dies tut Nico­las Tho­mas Wright (N.T. Wright) mit sei­ner neue­ren Kom­men­tar­rei­he zum Neu­en Tes­ta­ment. Als lei­den­schaft­li­cher Exeget möch­te Wright, dass die Bibel nicht nur im aka­de­mi­schen Umfeld, son­dern auch in der Gemein­de ver­stan­den wird. Dar­um kommt sie nun: eine Rezen­si­on zu sei­ner Das Neue Tes­ta­ment für heu­te Kom­men­tar­rei­he am Bei­spiel der Apos­tel­ge­schich­te.

Wer ist N.T. Wright?

N.T. Wright (Nicho­las Tho­mas Wright) ist einer der bedeu­tends­ten Theo­lo­gen und Bibel­wis­sen­schaft­ler unse­rer Zeit. Gebo­ren 1948 in Eng­land, ist er eme­ri­tier­ter Bischof von Dur­ham und hat als Pro­fes­sor für Neu­es Tes­ta­ment und früh­christ­li­che Stu­di­en an der Uni­ver­si­tät St. Andrews sowie an der Uni­ver­si­tät Oxford gewirkt. Sei­ne Arbeit hat sowohl in der aka­de­mi­schen Welt als auch in der kirch­li­chen Pra­xis gro­ßen Ein­fluss gewonnen.

Wright ist bekannt für sei­ne fun­dier­te und zugäng­li­che Aus­ein­an­der­set­zung mit zen­tra­len The­men des christ­li­chen Glau­bens. Dabei ver­bin­det er wis­sen­schaft­li­che Tie­fe mit einer ver­ständ­li­chen Spra­che, die auch Lai­en anspricht. Beson­ders im Fokus sei­ner For­schung ste­hen die his­to­ri­sche Bedeu­tung und die theo­lo­gi­sche Bot­schaft von Jesus Chris­tus, die Auf­er­ste­hung, das Reich Got­tes und die früh­christ­li­che Welt.

Theo­lo­gisch bewegt sich Wright in einem brei­ten Spek­trum, das evan­ge­li­ka­le und öku­me­ni­sche Per­spek­ti­ven umfasst. Er legt gro­ßen Wert dar­auf, die Bibel als von Gott inspi­riert und auto­ri­ta­tiv zu lesen, betont jedoch gleich­zei­tig die Bedeu­tung des his­to­ri­schen Kon­texts. In der neu­tes­ta­ment­li­chen For­schung hat er maß­geb­lich zur soge­nann­ten „New Per­spec­ti­ve on Paul“ bei­getra­gen, die die Theo­lo­gie des Pau­lus in einem neu­en Licht betrach­tet und dabei tra­di­tio­nel­le pro­tes­tan­ti­sche Les­ar­ten herausfordert.

Wright: Der unkonventionelle Brückenbauer

N.T. Wright ist schwer ein­zu­ord­nen: Er hin­ter­fragt klas­si­sche und moder­ne Aus­le­gun­gen und legt dabei kom­ple­xe theo­lo­gi­sche The­men klar und ver­ständ­lich dar, um Leser zum Nach­den­ken zu bewe­gen. Sei­ne Wer­ke rei­chen von detail­lier­ten exege­ti­schen Stu­di­en bis hin zu umfas­sen­den theo­lo­gi­schen The­men, die er sowohl Ein­zel­per­so­nen als auch der Kir­che zugäng­lich macht. Kon­ser­va­ti­ve Kri­ti­ker hal­ten ihn für libe­ral, wäh­rend libe­ra­le Theo­lo­gen ihn als kon­ser­va­tiv ein­stu­fen. Die­se Viel­sei­tig­keit macht ihn zu einem eigen­stän­di­gen Denker.

Wright distan­ziert sich zwar von libe­ra­ler Theo­lo­gie, scho­ckiert jedoch auch Evan­ge­li­ka­le durch sei­ne his­to­ri­schen Ansät­ze und unkon­ven­tio­nel­len The­sen. Trotz theo­lo­gi­scher Dif­fe­ren­zen pflegt er Freund­schaf­ten mit Ver­tre­tern ande­rer Posi­tio­nen. Die­se Offen­heit spie­gelt Wrights Fähig­keit wider, Brü­cken zu bau­en, auch wenn er zugleich polarisiert.

Wright als Anglikaner

Die Angli­ka­ni­sche Kir­che (Church of Eng­land) ist eine pro­tes­tan­ti­sche Deno­mi­na­ti­on, die ihre Wur­zeln in der Refor­ma­ti­on des 16. Jahr­hun­derts hat. Sie ver­eint sowohl katho­li­sche als auch refor­ma­to­ri­sche Ele­men­te und bil­det dadurch eine Brü­cke zwi­schen die­sen bei­den Tra­di­tio­nen. Orga­ni­siert ist die Angli­ka­ni­sche Kir­che in der welt­wei­ten Angli­ka­ni­schen Gemein­schaft, der etwa 85 Mil­lio­nen Mit­glie­der angehören.

Angli­ka­ner legen gro­ßen Wert auf die Bibel, die Sakra­men­te und die lit­ur­gi­sche Tra­di­ti­on. Ihre Theo­lo­gie ist häu­fig von einem Geist der Inklu­si­vi­tät und Viel­falt geprägt. Das soge­nann­te via media (der „mitt­le­re Weg“) beschreibt das Stre­ben nach einer Balan­ce zwi­schen katho­li­schen und pro­tes­tan­ti­schen Posi­tio­nen. In Glau­bens­fra­gen beto­nen Angli­ka­ner die Frei­heit des Ein­zel­nen, den Glau­ben in Gemein­schaft mit der Kir­che und im Dia­log mit den bibli­schen Tex­ten zu leben.

N.T. Wright’s Hauptanliegen

Wrights Bemü­hen ist es, die bibli­schen Tex­te als rele­vant für die heu­ti­ge Welt zu zei­gen – nicht nur als Glau­bens­do­ku­men­te, son­dern als trans­for­ma­ti­ve Bot­schaf­ten, die unser Leben und unse­re Gesell­schaft prä­gen kön­nen. Sei­ne Schrif­ten laden dazu ein, das Neue Tes­ta­ment mit fri­schen Augen zu lesen und die Bot­schaft von Jesus Chris­tus in ihrer Tie­fe zu ent­de­cken. Die­ses Anlie­gen floss auch stark in die Kom­men­tar­rei­he ein.

Die Reihe

Die Kom­men­tar­rei­he Das Neue Tes­ta­ment für heu­te von N.T. Wright erschließt das gesam­te Neue Tes­ta­ment in 18 Bän­den. Ursprüng­lich zwi­schen 2004 und 2013 unter dem eng­li­schen Titel New Tes­ta­ment for Ever­yo­ne: Com­men­ta­ries bei SPCK (Socie­ty for Pro­mo­ting Chris­ti­an Know­ledge) und West­mins­ter John Knox erschie­nen, prä­sen­tiert sie sich in der deut­schen Über­set­zung des Brun­nen Ver­lags als inspi­rie­ren­der Beglei­ter für Bibel­le­ser. Obwohl die Rei­he nicht brand­neu ist, bie­tet sie einen fri­schen Blick auf die bibli­schen Tex­te und deren Bedeu­tung für heute.

Wright hat die Kom­men­ta­re in Form all­ge­mein­ver­ständ­li­cher Taschen­bü­cher ver­fasst, die bewusst kei­ne tech­ni­schen Bibel­kom­men­ta­re sind. Statt­des­sen han­delt es sich um erzäh­le­ri­sche Ein­füh­run­gen, die den Leser schritt­wei­se in die Welt des Neu­en Tes­ta­ments hin­ein­füh­ren. Sei­ne Tex­te bie­ten kon­zen­trier­te Hin­wei­se auf die geschicht­li­chen Hin­ter­grün­de, prä­gnan­te Inter­pre­ta­tio­nen und pra­xis­na­he Gedan­ken zur Rele­vanz der bibli­schen Bot­schaft im Alltag.

Wrights eigene Bibelübersetzung

Bemer­kens­wert ist, dass Wright in der eng­li­schen Ori­gi­nal­fas­sung nicht nur die Kom­men­ta­re schrieb, son­dern auch eine eige­ne Über­set­zung des Neu­en Tes­ta­ments vor­leg­te, um den Text in fri­scher Wei­se zum Klin­gen zu brin­gen. In der deut­schen Aus­ga­be wur­de ver­sucht, die Fein­hei­ten und Eigen­hei­ten sei­ner eng­li­schen Über­set­zung durch eine prä­zi­se sprach­li­che Über­tra­gung ein­zu­fan­gen. In die­sem Sin­ne ist Wrights Über­set­zung des Neu­en Tes­ta­ments auch in der deut­schen Aus­ga­be prä­sent, wenn man die gesam­te Rei­he liest – sei­ne Gedan­ken­welt und sei­ne sprach­li­che Fines­se sind dar­in auf ein­drucks­vol­le Wei­se spürbar.

Der Ansatz Wrights hebt her­vor, wie der bibli­sche Text in sei­nem his­to­ri­schen Kon­text ver­stan­den wer­den kann, und lädt dazu ein, neue Zusam­men­hän­ge und Per­spek­ti­ven zu ent­de­cken. Sei­ne nar­ra­ti­ve Art lässt die bibli­schen Geschich­ten leben­dig wer­den, sodass Leser nicht nur die Hin­ter­grün­de und Struk­tu­ren bes­ser ver­ste­hen, son­dern vor allem, wie die­se Tex­te heu­te noch spre­chen und wir­ken können.

Deutsche Übertragung

Die deut­sche Über­set­zung durch den Brun­nen Ver­lag macht die­se zugäng­li­che und berei­chern­de Rei­he für ein brei­tes Publi­kum ver­füg­bar und bie­tet damit eine ein­zig­ar­ti­ge Mög­lich­keit, das Neue Tes­ta­ment auf eine per­sön­li­che und theo­lo­gisch fun­dier­te Wei­se zu erkun­den. Der Brun­nen Ver­lag schreibt auf ihrer Home­page dazu:

„Wright erzählt die bibli­schen Tex­te neu. Er öff­net dem Leser nicht nur die Augen für vie­le bis­her unent­deck­te Hin­ter­grün­de und Zusam­men­hän­ge, son­dern vor allem dafür, wie er heu­te Jesus nach­fol­gen kann. Mit eige­ner, oft­mals über­ra­schen­der Bibel­über­set­zung. Jeder Abschnitt stellt zuerst mit einer Anek­do­te oder einem aktu­el­len Bezug die Ver­bin­dung zu uns heu­te her. Die leicht zugäng­li­che, ein­fa­che Aus­le­gung lässt den Text vor dem Hin­ter­grund der Welt der Bibel leben­dig werden.”

Wrights Kommentar zur Apostelgeschichte

Und so wird hier schließ­lich der 2‑bändige Kom­men­tar zur Apos­tel­ge­schich­te etwas genau­er unter die Lupe genommen.

Übersicht und Einleitung

N.T. Wrights Ein­lei­tung zur Apos­tel­ge­schich­te setzt einen inspi­rie­ren­den Ton und ver­mit­telt das Herz­stück sei­nes Kom­men­tars: Die Bot­schaft von Jesus Chris­tus ist uni­ver­sell, rele­vant und leben­dig – damals wie heu­te. Wright beschreibt die Ereig­nis­se von Pfings­ten als Wen­de­punkt, an dem der Geist Got­tes die ers­ten Nach­fol­ger Jesu mit neu­er Kraft erfüll­te und eine Bot­schaft ver­kün­det wur­de, die Men­schen aller Gene­ra­tio­nen und Orte betrifft. Der Beginn der Kir­che, geprägt von Petrus’ muti­ger Pre­digt, mar­kier­te den Start eines neu­en Zeit­al­ters, in dem Ver­ge­bung, Hoff­nung und Got­tes Wir­ken jedem Men­schen zugäng­lich gemacht wurden.

Die Apos­tel­ge­schich­te steht für Wright als Sym­bol der Ener­gie und Dyna­mik der frü­hen Chris­ten. Sie erzählt von Got­tes Wir­ken, Her­aus­for­de­run­gen in der Gemein­de und muti­gen Mis­si­ons­rei­sen, die oft mit Kon­flik­ten und Kri­sen ver­bun­den waren. Wright zeigt, wie aktu­ell die The­men der Apos­tel­ge­schich­te blei­ben: Lei­ter­schaft, Geld, kul­tu­rel­le Span­nun­gen, Theo­lo­gie und Ethik – die­se Her­aus­for­de­run­gen sind bis heu­te rele­vant. Dabei ermu­tigt Wright die Leser, die Par­al­le­len zwi­schen den Rei­sen der Apos­tel und den „Rei­sen“ im eige­nen Glau­bens­le­ben zu erken­nen. Die Bot­schaft ist klar: Der Geist Got­tes, der die frü­he Kir­che beweg­te, wirkt auch heu­te und befä­higt uns zu einem frucht­ba­ren Dienst.

Petrus und Johannes vor dem Tempel

In Apos­tel­ge­schich­te 3,1–10 wird die Hei­lung eines von Geburt an gelähm­ten Man­nes beschrie­ben, der täg­lich vor der „Schö­nen Pfor­te“ des Tem­pels sitzt, um Almo­sen zu erbet­teln. Als Petrus und Johan­nes vor­bei­kom­men, bit­tet der Mann sie um Geld. Petrus ant­wor­tet, dass er kein Geld hat, aber im Namen Jesu von Naza­reth befiehlt er dem Mann, auf­zu­ste­hen und zu gehen. Wright schreibt dazu:

Petrus’ Ant­wort ist beson­ders span­nend, wenn wir an das den­ken, was wir am Ende des vor­he­ri­gen Kapi­tels über die Gläu­bi­gen hör­ten, die ihren Besitz teil­ten. Geld hat­te auf­ge­hört, die wich­tigs­te Sache für sie zu sein. Es gab eine neue Kraft, eine neue Art des Lebens, die sie ent­deckt hat­ten. Also war das, was Petrus sag­te, die natür­li­che Ant­wort. Er hat­te kein Geld, aber er hat­te etwas viel Bes­se­res, etwas aus einer ganz ande­ren Kate­go­rie. Er frag­te den lah­men Mann nicht ein­mal, ob er geheilt wer­den möch­te. Er schritt ein­fach zur Tat und heil­te ihn im Namen Jesu” (Sei­te 74).

Sofort wird der Mann geheilt, steht auf und folgt den Apos­teln in den Tem­pel, wo er Gott lobt. Die Men­schen, die ihn zuvor als Bett­ler kann­ten, sind erstaunt über das Wun­der. Der Text hebt her­vor, dass Petrus und Johan­nes den Mann inten­siv ansa­hen, was auf einen tie­fen mensch­li­chen Kon­takt und die Bereit­schaft hin­weist, ihm mehr zu geben, als er erbe­ten hat­te. Die Hei­lung geschieht durch die Kraft des Namens Jesu, was in der dama­li­gen Zeit eine bedeu­ten­de Vor­stel­lung war. Der Name Jesu hat die Macht, neue Mög­lich­kei­ten zu schaf­fen und Wun­der zu bewir­ken. Heu­te ver­steht man die Macht von Namen kaum noch. Wright hilft dem Leser des­halb auf die Sprünge:

Es ist die Kraft des Namens von Jesus, die zählt, hier und über­all. Der Gedan­ke, dass Namen Kraft haben, ist uns in der moder­nen west­li­chen Welt fremd (obwohl wir manch­mal ganz schwach etwas davon ahnen, wenn eine wich­ti­ge Per­son, eine Füh­rungs­kraft in einer Behör­de oder einem Unter­neh­men oder viel­leicht ein rang­ho­her Poli­ti­ker, sagt: „Erwäh­nen Sie ein­fach nur mei­nen Namen und sie wer­den Sie rein­las­sen“). Aber die meis­ten Men­schen in der Welt des ers­ten Jahr­hun­derts und heut­zu­ta­ge vie­le Men­schen in nicht­west­li­chen Län­dern wis­sen genau, was hier los ist. Natür­lich haben Namen Macht!” (Sei­te 75).

Die­se Peri­ko­pe zeigt, dass die Bot­schaft von Jesus nicht nur im Tem­pel, son­dern auch außer­halb der reli­giö­sen Insti­tu­tio­nen wirkt. Die Hei­lung des Man­nes ist ein Zei­chen dafür, dass Got­tes Macht und die gute Nach­richt von Jesus alle Men­schen errei­chen sol­len, unab­hän­gig von ihrem sozia­len Sta­tus oder ihrer Situa­ti­on. Dies mar­kiert den Beginn einer brei­te­ren Ver­brei­tung des Glau­bens über Jeru­sa­lem hinaus.

Paulus auf dem Areopag

In Apos­tel­ge­schich­te 17,22–34 spricht Pau­lus auf dem Areo­pag zu den Athe­nern und the­ma­ti­siert den „unbe­kann­ten Gott“, den sie ver­eh­ren. Er erklärt, dass die­ser Gott der Schöp­fer der Welt ist, der nicht in Tem­peln wohnt und nicht auf mensch­li­che Ver­sor­gung ange­wie­sen ist. Pau­lus betont, dass Gott nahe bei den Men­schen ist und sie dazu ein­lädt, eine Bezie­hung zu ihm zu suchen. Er for­dert die Men­schen auf, von ihrer Unwis­sen­heit umzu­keh­ren, da die Zeit der Unwis­sen­heit vor­bei ist. Gott hat einen Tag fest­ge­legt, an dem er die Welt rich­ten wird, und dies geschieht durch einen bestimm­ten Mann, den er auf­er­weckt hat.

Pau­lus kon­fron­tiert die phi­lo­so­phi­schen und heid­ni­schen Ansich­ten mit intel­lek­tu­el­len Gedan­ken. Wright schreibt dazu:

Nun wer­den wir sehen, wie er sich sowohl mit den Epi­ku­re­ern als auch den Stoi­kern aus­ein­an­der­setzt und dabei zeigt, wie die­ser Gott nicht nur erkannt wer­den kann, und zwar auf eine Wei­se, die die grie­chi­sche Phi­lo­so­phie nie­mals in Betracht gezo­gen hat­te, son­dern dass er tat­säch­lich erkannt wer­den will. Und er bringt die Anspra­che mit einem Fan­fa­ren­stoß zu Ende, indem er die (wie­der­um sehr jüdi­sche) Sto­ry von der zukünf­ti­gen Hoff­nung erzählt: Gott wird eine gro­ße Gerichts­sit­zung hal­ten und die gan­ze Welt ins Lot bringen!

Für den Epi­ku­re­er waren die Göt­ter weit weg und woll­ten nichts mit uns zu tun haben. Für Pau­lus ist Gott sehr nahe bei uns, er gibt uns alles, er sucht uns lei­den­schaft­lich, er möch­te, dass wir ihn im Gegen­zug suchen – und daher will er kei­ne Tier­op­fer von uns. Pau­lus stimmt dem Epi­ku­re­er zu, dass Gott und die Welt nicht das­sel­be sind. Aber er kon­fron­tiert den Epi­ku­re­er ganz direkt, wenn er sagt, dass Gott nicht weit von jedem von uns ist und dass er sich nach einer Bezie­hung der Lie­be zu allen sei­nen mensch­li­chen Krea­tu­ren sehnt. Der Epi­ku­re­er wür­de fas­zi­niert sein, ver­wun­dert, viel­leicht irri­tiert, aber genug ange­sta­chelt, um mehr hören zu wollen.

Im Gegen­satz dazu hät­te der Stoi­ker erfreut gehört, dass es tat­säch­lich ein gött­li­ches Leben gibt, das in allen mensch­li­chen Wesen ist (Pan­the­is­mus). Pau­lus erklärt dem stoi­schen Pan­the­is­ten, dass Gott und die Welt nicht das­sel­be sind, aber dass der Impuls, der jeman­den zu der Annah­me drängt, sie wären das­sel­be, der wah­re Impuls ist, der einen Men­schen dazu füh­ren soll­te, sich nach dem ech­ten Gott aus­zu­stre­cken und den zu ergrei­fen, der tat­säch­lich nicht weit weg ist. Der Stoi­ker wird daher wie der Epi­ku­re­er her­aus­ge­for­dert, ermu­tigt, ange­sta­chelt und viel­leicht ange­lockt, die­se Sache näher in Betracht zu zie­hen (Sei­te 127–129).”

Am Ende sei­ner Rede spricht Pau­lus die Auf­er­ste­hung Jesu an, die als Beweis für Got­tes Han­deln in der Welt dient. Die­se Auf­er­ste­hung ist der Wen­de­punkt, der die Men­schen dazu auf­ruft, umzu­keh­ren und den leben­di­gen Gott zu suchen. Eini­ge Zuhö­rer zei­gen Inter­es­se und schlie­ßen sich Pau­lus an, was die Mög­lich­keit einer Trans­for­ma­ti­on in ihrem Glau­ben andeutet.

Fazit zum Kommentar

Wright kom­men­tiert die Apos­tel­ge­schich­te nicht kon­se­quent Vers für Vers, son­dern the­ma­tisch, indem er sich an Peri­ko­pen ori­en­tiert. Dabei beginnt er jeden Abschnitt mit einer anschau­li­chen Illus­tra­ti­on, die das jewei­li­ge The­ma greif­ba­rer macht und in einen grö­ße­ren Kon­text ein­bet­tet. Ein beson­ders ein­drück­li­ches Bei­spiel ist sein Ver­gleich von Pau­lus’ Rede auf dem Areo­pag mit einem Groß­schach­meis­ter, der simul­tan gegen meh­re­re Geg­ner spielt.

Die­ser Ver­gleich ist tref­fend, weil ein Groß­meis­ter bei sol­chen Par­tien auf unter­schied­li­che Schach­bret­ter reagie­ren muss, wobei jede Par­tie ihre eige­nen Dyna­mi­ken und Her­aus­for­de­run­gen birgt. Eben­so stand Pau­lus auf dem Areo­pag vor einer Viel­zahl von Zuhö­rern mit ver­schie­de­nen Über­zeu­gun­gen: Die Stoi­ker ver­tra­ten eine pan­the­is­ti­sche Phi­lo­so­phie, wäh­rend die Epi­ku­re­er eine mate­ria­lis­ti­sche Welt­sicht pfleg­ten. Pau­lus muss­te in sei­ner Anspra­che die Argu­men­te bei­der Grup­pen berück­sich­ti­gen, ohne sich dabei in Wider­sprü­che zu ver­stri­cken. Wie ein Groß­meis­ter, der in jeder Par­tie indi­vi­du­ell auf den Geg­ner ein­geht, agier­te Pau­lus stra­te­gisch, um die Wahr­heit des Evan­ge­li­ums in die Spra­che und Denk­wei­se sei­ner Zuhö­rer zu über­set­zen. Wright nutzt die­ses Bild, um die rhe­to­ri­sche Bril­lanz und die Viel­schich­tig­keit von Pau­lus’ Mis­si­on zu ver­deut­li­chen. Gleich­zei­tig sen­si­bi­li­siert er den Leser für die Her­aus­for­de­run­gen, denen sich die frü­he Ver­kün­di­gung gegen­über­sah, und zeigt auf, wie Pau­lus mit sei­ner geschick­ten Argu­men­ta­ti­on alle Hür­den meisterte.

Der Kom­men­tar beleuch­tet nicht nur his­to­ri­sche und theo­lo­gi­sche Aspek­te, son­dern stellt auch die Rele­vanz der Apos­tel­ge­schich­te für heu­ti­ge Leser in den Vor­der­grund. Beson­ders her­vor­zu­he­ben ist Wrights Talent, zen­tra­le Ereig­nis­se – wie Pau­lus’ Rede auf dem Areo­pag – in einer Wei­se zu ana­ly­sie­ren, die sowohl die Ori­gi­nal­kon­tex­te als auch die heu­ti­gen Impli­ka­tio­nen berück­sich­tigt. Für Leser, die sich mit der Bot­schaft und den Kämp­fen der ers­ten Chris­ten aus­ein­an­der­set­zen wol­len, ist die­ser Kom­men­tar eine wert­vol­le Ressource.

Fazit zur Reihe

Beson­ders hebt Wright die Brei­te und Ziel­rich­tung der bibli­schen Schrif­ten her­vor: Sie waren nie exklu­siv für eine reli­giö­se Éli­te gedacht, son­dern soll­ten alle Men­schen anspre­chen. Genau die­sem Ziel wid­met sich Wrights Kom­men­tar­rei­he. Mit einer kla­ren Spra­che, die kom­pli­zier­te theo­lo­gi­sche Begrif­fe erklärt, rich­tet er sich ins­be­son­de­re an Leser, die nicht mit wis­sen­schaft­li­chem Jar­gon ver­traut sind. Hilf­rei­che Glos­sa­re am Ende der Bän­de machen die­se Wer­ke beson­ders zugänglich.

Die Rei­he Das Neue Tes­ta­ment für heu­te ist dem­nach ein her­aus­ra­gen­des Pro­jekt von N.T. Wright, das sich durch eine ein­fa­che, aber fun­dier­te Dar­stel­lung der neu­tes­ta­ment­li­chen Bücher aus­zeich­net. Wright gelingt es, eine Brü­cke zwi­schen aka­de­mi­scher For­schung und einer brei­te­ren Leser­schaft zu schla­gen, indem er den Text in einen greif­ba­ren his­to­ri­schen, kul­tu­rel­len und theo­lo­gi­schen Kon­text ein­bet­tet. Beson­ders für Leser, die mit dem Fach­jar­gon theo­lo­gi­scher Wis­sen­schaf­ten weni­ger ver­traut sind, ist die­se Rei­he ein Gewinn. Wrights eige­ne Über­set­zung des Neu­en Tes­ta­ments, die in der Rei­he inte­griert ist, ver­leiht dem Werk einen ein­zig­ar­ti­gen Cha­rak­ter und trans­por­tiert sei­ne fri­schen, oft über­ra­schen­den Per­spek­ti­ven direkt in die Inter­pre­ta­ti­on des Textes.

Theologische Spannungen

Es sei jedoch erwähnt, dass Wright als Ver­fech­ter und Mit­be­grün­der der Neu­en Pau­lus-Per­spek­ti­ve (New Per­spec­ti­ve on Paul) teils kon­tro­ver­se Posi­tio­nen ver­tritt. Die­se Per­spek­ti­ve hin­ter­fragt tra­di­tio­nel­le refor­ma­to­ri­sche Ansät­ze zur Recht­fer­ti­gungs­leh­re und betont stär­ker den jüdi­schen Kon­text von Pau­lus’ Den­ken. Ins­be­son­de­re Wrights Ableh­nung des Kon­zepts der dop­pel­ten Impu­ta­ti­on und sei­ne Beto­nung der Zuge­hö­rig­keit zur Gemein­schaft der Gläu­bi­gen als Kern der pau­li­ni­schen Theo­lo­gie sto­ßen bei Anhän­gern der klas­si­schen refor­ma­to­ri­schen Sicht­wei­se auf Kri­tik. Für Leser, die sich die­ser Per­spek­ti­ve nicht anschlie­ßen, mag dies Span­nun­gen erzeu­gen. Den­noch bie­tet die Rei­he eine wert­vol­le Gele­gen­heit, sich auf eine ande­re Sicht­wei­se ein­zu­las­sen und den Hori­zont zu erwei­tern. Wrights Werk ermu­tigt dazu, den bibli­schen Text aus neu­en Blick­win­keln zu betrach­ten und die tie­fe Bedeu­tung des Evan­ge­li­ums für jeden Ein­zel­nen zu ent­de­cken. Um Ihnen einen leich­te­ren (lei­der oft eng­li­schen) Zugang zu sei­ner LIte­ra­tur zu ermög­li­chen, habe ich zum Abschluss eine Über­sicht über sei­ne wich­tigs­ten Wer­ke erstellt.

Übersicht über Publikationen von N. T. Wright

Das Neue Tes­ta­ment für heute

Die Bän­de die­ser Rei­he sind auch ein­zeln erhältlich.

God and the Pan­de­mic (Hör­buch; englisch)

N.T. Wright: God and the Pandemic

Sur­pri­sed by hope

N. T. Wright: Von Hoffnung überrascht

Paul and his recent interpreters

N. T. Wright: Paul and his recent interpreters (English)

Chris­ti­an Ori­g­ins and the Ques­ti­on of God Series (4 Bände)

N. T. Wright: Christian Origins and the Question of God Series

Geschrieben von
Joshua Ganz

Joshua ist als Jugendpastor in der Nordostschweiz tätig. Aktuell studiert er systematische Theologie auf dem Master-Level und plant einen MTh. In der Schweizer Armee dient er als Armeeseelsorger. Er liebt Theologie, sein Rennrad und Kaffee. Am liebsten alles miteinander, oder zumindest nacheinander ;)

Alle Artikel anzeigen
Hinterlasse einen Kommentar

2 Kommentare
  • Dan­ke, dass die­ser Bei­trag die theo­lo­gi­sche Beson­der­heit (mei­ner Mei­nung nach Irr­leh­re) des Autors erwähnt, näm­lich die Neu­en Pau­lus-Per­spek­ti­ve (New Per­spec­ti­ve on Paul). Ande­re Bei­trä­ge auf die­sem Blog sind oft zu unkri­tisch und ein­sei­tig. Ich jeden­falls habe alle Autoren der NPP aus mei­ner Logos-Biblio­thek ver­bannt, auch N.T. Wright.

    • Guten Tag Rafi

      Dan­ke für dei­nen Bei­trag. Grund­sätz­lich haben wir bei Logos eine Pro­gramm­phi­lo­so­phie. Die­se erklärt in Grund­zü­gen, war­um wir eine theo­lo­gi­sche Brei­te haben und auch sol­che Wer­ke wie die von N.T. Wright ver­kau­fen. Du fin­dest die­se Grund­sät­ze unter https://​de​.logos​.com/​p​r​o​g​r​a​m​m​p​h​i​l​o​s​o​p​hie. Zudem ist das Unter­neh­men Logos/​Faithlife als christ­li­cher Ver­lag einer Ver­ei­ni­gung (The Evan­ge­li­cal Chris­ti­an Publishers Asso­cia­ti­on (ECPA)) ange­schlos­sen, wel­che auch ein State­ment of faith berück­sich­tigt. Die­ses fin­dest du hier: https://​www​.ecpa​.org/​p​a​g​e​/​a​b​o​u​t​_​e​cpa.

      Wir möch­ten auf die­sem Blog bewusst eine gewis­se brei­te haben. Zudem möch­ten wir in Demut und Nächs­ten­lie­be ande­re Ansich­ten ste­hen las­sen. Auch wenn N.T. Wright mit der NPP pro­vo­ziert, hal­ten wir uns zurück, sie zu kri­ti­sie­ren oder gar als Irr­leh­re abzu­stem­peln. Wir dür­fen sie natür­lich bewer­ten und kri­tisch wür­di­gen, absolut.
      Sicher­lich kennst du das Zitat des Kir­chen­va­ters Augus­ti­nus: „Im Wesent­li­chen Ein­heit, im Zwei­fel­haf­ten Frei­heit, in allem Liebe.”
      Nun lässt sich dar­über strei­ten, was das „wesent­li­che” des Evan­ge­li­ums ist und wie die­se Ein­heit aus­se­hen soll, dass ist völ­lig klar.

      Logos hängt sich kei­ner Deno­mi­na­ti­on oder Kon­fes­si­on an, was natür­lich auto­ma­tisch dazu­führt, dass gewis­se Wer­ke für den einen oder ande­ren Logos-Nut­zer irri­tie­ren kön­nen. Ich emp­feh­le dir herz­lich, die Pro­gramm­phi­lo­so­phie durch­zu­le­sen und dich noch ein­mal für Fra­gen zu melden.

      Freund­li­che Grüsse
      Joshua

Geschrieben von Joshua Ganz