Täglich werden irgendwo Sündenböcke gesucht. Sind sie dann gefunden, gibt es Heulen und Zähneklappern. Manchmal werden sie danach in die Wüste geschickt. Die Debatte über die Klimaerwärmung weckt uns mit endzeitlichen Bildern und einzelne Kritiker rufen immer wieder: „Bis hierher und nicht weiter!“ Spannende Wortwahl? Die kursiven Wörter stammen direkt aus der Bibel, genauer gesagt aus der Lutherübersetzung, und werden bis heute in vielfältiger Weise verwendet.
Peter Wedler und sein Werk „Worte auf der Goldwaage: Das etwas andere Lexikon biblischer Redensarten“ ist in der Tat ein besonderes Nachschlagewerk. In den kommenden fünf Minuten werde ich Ihnen aufzeigen, wie außergewöhnlich dieses Werk ist und welche Vorteile es Ihnen bei der Vorbereitung von Predigten bietet.
Inhalt
- Der Autor Peter Wedler und die Entstehung des Buches
- Zum Inhalt dieses Bibellexikons
- Sprichwörter und Redensarten aus der Bibel: A wie „Alpha und Omega“
- Sprichwörter und Redensarten aus der Bibel: A wie „Angst und Bange“
- Sprichwörter und Redensarten aus der Bibel: G wie „Grube“
- Sprichwörter und Redensarten aus der Bibel S wie „Sündenbock“
- Sprichwörter und Redensarten aus der Bibel: T wie „Tohu wa bohu“
- Fazit
Der Autor Peter Wedler und die Entstehung des Buches
Das Buch erschien 2009 in Gießen beim Brunnen-Verlag und ist eine Idee von Wedler. Der Autor war zu der Zeit der Entstehung und davor bei einer großen Wochenzeitung in Hamburg tätig. Dort sammelte er Sprichwörter, die ihm vor allem im Alltag begegneten, die er aber eigentlich aus seiner Lutherbibel kannte. Viele der in der Lutherbibel enthaltenen Begriffe haben von dort ihren Weg in unsere Alltagssprache gefunden. So meint Wedler:
„Luthers Bibelübersetzung hat die deutsche Literatur und Sprache maßgeblich beeinflusst. Bei der Herausbildung einer einheitlichen deutschen Schriftsprache hat sie eine entscheidende Rolle gespielt und darüber hinaus in unserem Sprachschatz und Sprachgebrauch zahlreiche Spuren hinterlassen.” (S. 8)
In diesem Nachschlagewerk setzt sich Wedler mit verschiedenen Redensarten auseinander, die ihren Ursprung in der Bibel haben, und analysiert sie auf eine besondere und oft humorvolle Weise. Das Buch ist ein ungewöhnliches Lexikon, da es nicht nur den biblischen Ursprung und die Bedeutung der Redensarten erklärt, sondern auch auf den historischen und kulturellen Hintergrund eingeht. Es ist sowohl informativ als auch unterhaltsam und richtet sich an Leser, die Interesse an Sprache, Religion und Geschichte haben.
So ist es spannend zu sehen, dass Worte aus der Bibel, wenn auch oft unbewusst, von Journalisten, Politikern, Lehrern usw. gebraucht werden. Auch wenn es sich vorrangig um ein Nachschlagewerk handelt, kann man es auch anders nutzen und entdecken, wo und wann auch heute noch Sprichwörter aus der Bibel Eingang in unsere Alltagssprache finden.
Zum Inhalt dieses Bibellexikons
Um Ihnen ein Eindruck zu vermitteln, wie einzelne Begriffe oder Konzepte erklärt werden, habe ich einige spannende Begriffe ausgewählt. Wedler baut ein Wort jeweils so auf, dass er zuerst die umgangssprachliche Bedeutung erklärt und falls abweichend die damalige Bedeutung. Danach werden einzelne Bibelstellen aufgelistet, die zeigen, woher das Sprichwort kommt.
Sprichwörter und Redensarten aus der Bibel: A wie „Alpha und Omega“
„A und O“ wird häufig im Sinne einer unabdingbaren Voraussetzung für etwas gebraucht, z.B. „die Kenntnis mindestens einer Fremdsprache ist das A und O einer jeden internationalen Karriere“. A und O, Alpha und Omega, sind der erste und der letzte Buchstabe des griechischen Alphabets (das Neue Testament wurde in Griechisch niedergeschrieben, der im Mittelmeerraum damals weit verbreiteten Sprache der Gebildeten.)” (S. 11).
Dieses Wort kommt im letzten Buch der Bibel vor: Offenbarung, Kapitel 1 Vers 8.
Sprichwörter und Redensarten aus der Bibel: A wie „Angst und Bange“
„Angst und bange“ kann uns heute aus den unterschiedlichsten Gründen werden. Dem folgenden Vers war eine Weissagung an den König Nebukadnezar der bisherigen Großmacht (wenn man das damalige Weltbild ansieht, sogar der Weltmacht) Babel vorausgegangen, dass sein Reich untergehen werde” (S. 26).
Das Zitat ist aus Jeremia 50,43: Wenn der König von Babel die Kunde von ihnen hören wird, so werden ihm die Hände niedersinken; ihm wird so angst und bange werden wie einer Frau in Kindsnöten.
Sprichwörter und Redensarten aus der Bibel: G wie „Grube“
Die vielfach mit Zweigen abgedeckte Grube ist seit der Steinzeit sowohl als Jagd- als auch als Verteidigungsmittel in Gebrauch. Die Redewendung „Wer jemandem eine Grube gräbt, stellt ihm eine Falle, in die er hineinfällt“ verdeutlicht, dass eine Grube als Instrument zur Vorbereitung einer Falle dienen kann. Das davon abgeleitete „wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein“ wird häufig, meist schadenfroh, verwendet, um auszudrücken, dass eine Person, die anderen Schaden zufügen wollte, letztlich selbst diejenige ist, die als „unklug“ dargestellt wird, und dass der Schuss nach hinten losgegangen ist.
In den nachfolgenden Schriftstellen findet sich die alttestamentliche Anschauung, dass nach Gottes sittlicher Normativität jede gute oder böse Tat des Menschen Konsequenzen nach sich zieht, die auf den Täter zurückwirken.
Dieses Konzept ist im Buch der Sprüche 26,27 festgehalten.
Sprichwörter und Redensarten aus der Bibel S wie „Sündenbock“
Ähnlich wie jemanden zum Sündenbock machen ist folgendes Sprichwort: jemanden in die Wüste schicken. Woher kommt es? Wedler zeigt es in seinem Buch:
„Ist irgendwo etwas schiefgegangen, so dauert es nicht lange, bis ein Sündenbock gefunden ist, d.h. jemand, der meist damit überhaupt nichts zu tun hat, den man trotzdem für alles eigene Versagen und Verschulden verantwortlich macht und anschließend in die Wüste schickt. Was sich aus dem Abstand zu konkreten Anlässen so flott und unterhaltsam anhört und liest, hat einen ganz ernsten Hintergrund: Das kurz zuvor von Gott aus der ägyptischen Sklaverei in die Freiheit geführte Volk Israel hatte sich, während Moses auf dem Berg Sinai von Gott die zehn Gebote empfing, von Aaron (Moses Bruder) ein goldenes Kalb (s. Ägypten) machen lassen, diesen Götzen angebetet und um ihn herumgetanzt. (2. Mose 32,1ff.) – eine der schwersten Verfehlungen Israels in seiner Beziehung zu Gott (IV.34). Gott wollte deswegen zunächst das ganze Volk Israel vernichten. Auf flehentliches Bitten von Moses sowie nach einer vierzigtägigen Zeit der kollektiven Reue und Buße hat er aber seinem Volk verziehen, seinen Bund mit Israel erneuert und einen großen Tag der Versöhnung, den Jom Kippur, bestimmt. Für diesen Tag hat Gott dem Mose ganz bestimmte gottesdienstliche Vorschriften gemacht (3. Mose 16,1ff.). Eine davon ist, dass Aaron seine Hände auf den Kopf eines Bocks legen und über ihm alle Missetat der Israeliten und alle ihre Übertretungen bekennen soll: 3. Mose 16,21ff.: Dann soll Aaron seine beiden Hände auf dessen Kopf legen und über ihm bekennen alle Missetat der Israeliten und alle ihre Übertretungen, mit denen sie sich versündigt haben, und soll sie dem Bock auf den Kopf legen und ihn durch einen Mann, der bereitsteht, in die Wüste bringen lassen, dass also der Bock alle ihre Missetat auf sich nehme und in die Wildnis trage; und man lasse ihn in der Wüste“ (S. 192).
Bedeutung im Neuen Testament
Im Rahmen dieser symbolischen Handlung werden alle Verfehlungen des Volkes Israel gegenüber Gott auf einen unschuldigen Bock übertragen. Dieser trägt die gesamte Schuldlast und wird vom Volk in die Wüste geschickt, wo er schließlich verendet. Für Christen hat Jesus alle Schuld der Menschen mit ans Kreuz von Golgatha genommen und mit seinem Tod aus der Welt geschafft.
Weiteres Vorkommen in der Bibel
Laut Bibel wurde auch eine Frau in die Wüste geschickt. Die Ehe von Abraham und Sara war kinderlos geblieben, was im orientalischen Altertum ein schweres Los war, da man nur in seinen Kindern weiterzuleben glaubte (vgl. auch Onanie). Die kinderlose Frau wurde gesellschaftlich gering geachtet. Alternativ konnte sie ihrem Mann ihre persönliche Sklavin zur Verfügung stellen. Das mit ihr gezeugte Kind galt als Kind der Ehefrau, sofern die Sklavin es auf dem Schoß der Ehefrau gebar (I.7 zu 1. Mose 16,1ff.). Sara überließ daher ihre ägyptische Magd Hagar ihrem Mann zur Ehe. Hagar wurde schwanger, was dazu führte, dass sie sich Sara innerhalb der Hierarchie der Familie überlegen fühlte und dies auch ungeniert zeigte.
Schließlich erfüllte Gott seine Verheißung einer reichen Nachkommenschaft gegenüber Abraham (1. Mose 12,1). Im Alter von hundert Jahren (Sara war neunzig Jahre alt) wurde ihm doch noch ein Sohn von seiner Frau geboren, Isaak. Des Weiteren gebar die Magd Hagar dem Abraham einen Sohn namens Ismael. Sara war nicht gewillt, zuzulassen, dass Ismael eines Tages gemeinsam mit Isaak Abraham beerben würde. Daher forderte sie ihren Mann auf, Hagar und ihren Sohn aus dem Haus zu weisen. Nachdem auch Gott sich hinter Saras Forderung gestellt und eine Zusage für das Überleben von Hagar und Ismael gegeben hatte, wurde von Abraham verlangt, Hagar mit ihrem Sohn in die Wüste zu schicken. Am Morgen wurde Hagar mit einer Wegzehrung versorgt.
Dies kann man in 1. Mose 21,14 nachlesen: Da stand Abraham früh am Morgen auf und nahm Brot und einen Schlauch mit Wasser und legte es Hagar auf ihre Schulter, dazu den Knaben, und schickte sie fort. Da zog sie hin und irrte in der Wüste umher bei Beerscheba.
Sprichwörter und Redensarten aus der Bibel: T wie „Tohu wa bohu“
„Nicht nur den Zustand eines unaufgeräumten Kinderzimmers, Schreibtischs usw. (die Aufzählung ist beliebig fortsetzbar), kurz eines völligen Chaos’, beschreibt mancher mit ‘Towabo’, was eine Verballhornung (Verschlimmbesserung) des Hebräischen ‘Tohuwabohu’ ist: ‘wüst und leer’“ (S. 216).
So steht es übrigens in der Schöpfungsgeschichte: 1. Mose 1,2: Und die Erde war wüst und leer, und es war finster auf der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte auf dem Wasser.
Fazit
„Worte auf der Goldwaage“ von Peter Wedler bietet Pastoren, Studierenden der Theologie sowie sprachlich und kulturell Interessierten eine spannende und lehrreiche Reise durch die Welt der biblischen Redensarten. Mit Humor und Tiefgang zeigt Wedler auf, wie stark die Bibel unsere Alltagssprache geprägt hat. Besonders wertvoll ist dabei das umfangreiche Stichwort- und Bibelstellenverzeichnis. Es ermöglicht eine schnelle Orientierung und erleichtert es, Redewendungen gezielt zu finden. Für die Predigtvorbereitung kann das Bibelstellenverzeichnis besonders hilfreich sein, da es erlaubt, direkt nachzuschauen, ob zu einem bestimmten Vers eine passende Redensart existiert.
Allerdings bleibt anzumerken, dass nicht alle relevanten Bibelstellen und auch nicht alle Redewendungen vollständig abgedeckt sind. So wird beispielsweise bei der Redewendung „Alpha und Omega“ nur Offb 1,8 genannt, obwohl diese Wendung auch in Offb 21,6 und 22,13 vorkommt. Auch das Bibelstellenverzeichnis ist daher nicht ganz vollständig. Dennoch ist das Werk eine wertvolle Inspirationsquelle für Predigten, Lehrveranstaltungen und persönliche Reflexion. Wer die biblischen Wurzeln bekannter Sprichwörter besser verstehen möchte, wird dieses Buch als unterhaltsamen und zugleich gehaltvollen Begleiter schätzen.