Dogmatische Kämpfe brodeln in unseren Gemeinden immer wieder. Ist der Heilige Geist ein göttliches Wesen? Hat Jesaja die ganze Schriftrolle verfasst? Ist Jesus wahrhaftig von den Toten auferstanden? Und vermutlich die Frage aller Fragen: Ist Jesus Christus Gott?
Dieser Frage geht der deutsch-schweizerische Theologe Johannes Pflaum in seinem gleichnamigen Buch nach. Er schreibt ganz allgemein für Christen, die sich für dieses Thema interessieren. Erwarten Sie also nicht eine tiefe, an der Ursprache entlang hangelnde, stringente Argumentation für die Gottheit Jesu. Es ist ein populärwissenschaftliches Buch, welches ich Ihnen nun vorstellen möchte.
Ist Jesus Gott?
Was sagt die Bibel zu der Gottheit Jesus? Und warum ist diese Frage wichtig? Was sind die Konsequenzen, wenn man das nicht mehr glaubt? Kann Gott zu Gott beten? Und auch eine spannende Frage: Starb Gott am Kreuz? Diese und weitere Fragen möchte Pflaum in seinem Buch in Ansätzen beantworten. Dabei ist es sein Wunsch, den Leser auf eine „Entdeckungsreise mitzunehmen, wie uns die Bibel Jesus als wahren Gott bezeugt. Das Ziel dieser Reise sollen nicht nur biblisch-theologische Richtigkeiten sein, sondern ein ganz neues Staunen und Anbeten darüber, wer Jesus Christus ist und was wir in ihm haben.“ (Seite 8)
Hintergrundinformationen
Johannes Pflaum ist ein evangelikaler Theologe und Referent, der sich insbesondere durch seinen Einsatz für traditionelle Standpunkte einen Namen gemacht hat. Er ist in freikirchlichen und evangelikalen Kreisen aktiv und engagiert sich für eine biblisch fundierte Theologie, die sich an einer treuen Auslegung der Schrift orientiert. Dabei ist es ihm ein Anliegen, aktuelle geistliche Strömungen und gesellschaftliche Entwicklungen aus seiner Perspektive zu bewerten. Zum Beispiel kam beim CLV Verlag ein Buch namens Gefährliche Stille! Wie die Mystik die Evangelikalen erobern will heraus, dass sich stark von anderen evangelikalen Positionen abgrenzen will. Er gehört zum Vorstand des Bibelbund e.V. (Schweiz) und unterrichtet am EBTC in Zürich diverse Bibelfächer. Er ist als Blogger bei Mitternachtsruf tätig.
Das Buch ist beim „Europäische Bibel Trainings Centrum e.V.“ (EBTC) Verlag herausgekommen. Der Verlag hat auch ein gleichnamiges Bibelseminar mit Sitz in Berlin. Es legt einen starken Fokus auf die Autorität, Inspiration und Irrtumslosigkeit der Bibel. Der Verlag ist besonders in konservativen Kreisen bekannt und bietet sowohl Lehrmaterialien als auch theologische Literatur an, die der Stärkung und Schulung von Gemeinden und Christen dienen.
Inhaltsübersicht
In zwölf Kapitel behandelt Pflaum diese Thematik und beginnt mit seiner Argumentation „in der Mitte“. Denn die Mitte (das Hauptthema und der Höhepunkt) der Schrift sei Jesus Christus und sein Erlösungswerk, was ihn zum Zentrum der Heilsgeschichte macht. (S. 9).
An der Frage, ob Jesus Gott ist, hängt natürlich auch die Frage der Trinität. Die Lehre von der Dreieinigkeit wird durch die Bibel unterstützt, auch wenn der Begriff selbst, überhaupt nicht in der Bibel auftaucht. Kritiker, die einen Dreigottglauben unterstellen, missverstehen den theologischen Sachverhalt. Gottes Wesen ist komplex und übersteigt menschliches Denken, was die Einheit von „eins und drei“ betrifft, so Pflaum (12).
Wer ist Gott?
Im zweiten Kapitel geht Pflaum auf das Judentum ein und zeichnet auf, wie dessen Gottesglauben aussieht. Die Gotteserkenntnis im Judentum werde stark durch das Glaubensbekenntnis Israels, das Sch’ma Israel, geprägt, welches die Einheit Gottes betont. Diese Sichtweise führt logischerweise zur Ablehnung der Dreieinigkeit und der Gottheit Christi im Judentum. Obwohl Israel als auserwähltes Volk Gottes gilt, werde in der Heiligen Schrift nicht bestätigt, dass das Judentum die wahre Gotteserkenntnis besitzt. Die Propheten klagen über den Mangel an echter Erkenntnis unter den Israeliten, was darauf hinweist, dass nur ein treuer Rest die Botschaft wirklich verstand. Die biblische Gotteserkenntnis wird von Pflaum als entscheidend angesehen, um die Person Christi zu erkennen. (Seite 15)
Pflaum kommt zu Ergebnis, dass das Erkennen von Gott im Alten Testament bruchstückhaft war. Durch die heilsgeschichtliche Entwicklung zeigt sich Gott erst im Neuen Testament so vollendet, wie er es beabsichtigt hat. Dies führt Pflaum dazu, in den Kapiteln 3 und 4 nochmals zu zeigen, was wir im Alten Testament über Gott als Wesen erfahren, ob darin bereits Anspielungen auf eine Dreieinigkeit liegen und was es mit dem Begriff „Herr“ auf sich hat.
Im fünften Kapitel werden alle wichtigen Stellen zu der Person Jesu aufgelistet und analysiert, warum sie für eine Gottheit Jesu sprechen. Danach stellt Pflaum in den Kapitel 6–11 provokante Fragen wie: Starb Gott am Kreuz? Kann Gott zu Gott beten? Ist der Heilige Geist eine Person? Dazwischen geht Pflaum im achten Kapitel auf die Bedeutung der Taufe auf den Namen Jesus Christus ein.
Konsequenzen einer Ablehnung der Gottheit Jesu
Das neunte Kapitel dient dazu, die Konsequenzen einer Ablehnung der Gottheit Jesu zu sprechen? Was ändert sich? Was verliert man? Pflaum meint, dass die Ablehnung der Gottheit Christi weitreichende Konsequenzen habe, welche die biblische Wahrheit verzerren. Zunächst führe die Ablehnung der Gottheit Jesu auch zur Ablehnung seiner Präexistenz, da die Schrift klar belegt, dass nur Gott Schöpfer sein kann. In 2. Mose 3,14 stellt sich Gott als der „ewig Seiende“ vor, was in Hebräer 13,8 und Offenbarung 1,4 wiederholt wird. Eine weitere Konsequenz wäre die Ablehnung des persönlichen Gebets zu Jesus, da das Alte Testament lehrt, nur den lebendigen Gott anzubeten. Das Neue Testament zeigt jedoch, dass Jesus Anbetung empfing, was seine Gottheit unterstreicht. Die Anbetung Jesu wird in vielen neutestamentlichen Texten bezeugt, und die Schrift lehrt, dass wahre Gottesverehrung ohne die Anerkennung Christi nicht möglich ist.
Warum Jesus Gott ist
Die bisher von ihm ausgeführten Gedanken fasst Pflaum im 10. Kapitel nochmals zusammen, bevor er in Kapitel 12 (In Kapitel 11 geht es um den Heiligen Geist) zu seinem Schlussplädoyer kommt. Dort ist ein Artikel von Michael Kotsch abgedruckt, welcher die vier Hauptargumente für Jesus als Gott auflistet. Das erste Argument lautet:
1. Jesus Christus ist eine Einheit mit Gott
Jesus nimmt für sich in Anspruch, eins mit dem Vater zu sein (Joh 10,30). Zudem bekennt Paulus Jesus als exaktes Ebenbild Gottes (Joh 12,45; 2Kor 4,4; Kol 1,15) (S. 157)
2. Jesus tat, was Gott tat
Jesus ist Gott, weil er die gleichen Dinge wie Gott tun kann. An zahlreichen Stellen in der Bibel wird das gleiche göttliche Verhalten von Gott als Vater und Gott als Jesus ausgesagt. Beispiele hierfür wären:
• Gott /Jesus ist Herr über die Engel
• Gott /Jesus kann nicht versucht werden
• Gott /Jesus ist Schöpfer der Welt
• Gott /Jesus vergibt Sünde
• Gott /Jesus ist Richter
• Gott /Jesus ist Gesetzgeber (s. 161)
3. Jesus Christus verfügt über Gottes Eigenschaften
Die gegenwärtige menschliche Vorstellung von Gott wird stark durch die Eigenschaften bestimmt, die ihm zugeschrieben werden. Nach den Texten der Bibel verfügt Gott in einzigartiger Weise über Eigenschaften, die kein anderes geschaffenes Wesen besitzt. Auffällig ist jedoch, dass einige dieser Persönlichkeitsmerkmale im Neuen Testament Jesus Christus zugeordnet werden. Zum Beispiel seine Allmacht, Allwissenheit, Allgegenwart und die Macht, Leben zu geben.
4. Jesus Christus trägt den Titel Gottes
Jesus Christus muss Gott sein, weil er dieselben Titel wie Gott der Vater bekommt. Die biblischen Autoren nennen Jesus Christus so, dass sie seine Stellung und Würde besonders hervorheben. Darunter sind auch solche, die sonst für Gott, den Vater reserviert sind.
Zum Beispiel: König, Gott, Kyrios, Ich bin, Sohn Davids, Sohn Gottes, der gute Hirte und Herr der Herrlichkeit.
Fazit
Das Buch hat mich begeistert, weil Pflaum nicht per se philosophische Argumente für die Gottheit Jesu liefert, sondern den biblischen Befund nachzeichnet. Die Argumente sind insofern stringent und nachvollziehbar. Aus einer theologischen Perspektive hätte ich mir mehr Tiefgang gewünscht. Auch wenn man einzelne Argumente selber nachlesen kann, fehlt z.B. der Bezug zum Urtext. Auch scheint die Literatur sich nicht im Hochschulbereich zu befinden. Des Öfteren hätte ein Argument noch durch die Rezeption eines wissenschaftlichen Bibelkommentars untermauert werden können.
Das Buch lohnt sich für diejenigen, die sich noch nicht groß mit diesem Thema beschäftigt haben. Jedem Pfarrer, Theologen oder Theologiestudent wird das Buch zu seicht sein.