Ich verwende die Biblische Dogmatik von Wayne Grudem bereits einige Jahre mit Gewinn und bin froh, dass sie nun auch in elektronischer Form in Logos zur Verfügung steht. Sie ist ein wertvolles Werk für den privaten Gebrauch, den Gemeindedienst und die akademische Arbeit, auf das ich immer wieder gerne zurückgreife.
Inhalt
Die Ausrichtung dieser Dogmatik
Eine der schönsten Eigenschaften dieser Dogmatik ist ihre Zugänglichkeit. Wayne Grudem hat ausdrücklich nicht nur Theologie-Experten im Blick, sondern jeden Christen, der tiefer in die Glaubenslehren eintauchen will. Das wird deutlich an der eingängigen Sprache: Erfrischenderweise finden sich kaum unnötige Fachbegriffe und wo sie vorkommen, werden sie zunächst erklärt. Die Strukturierung des Buches als Nachschlagewerk lässt es zudem zu, ein Thema von Interesse zu lesen, ohne vorherige Kapitel mitlesen zu müssen.
Dabei bleibt Grudem keineswegs auf einem oberflächlichen Level, sondern bietet einen soliden Einstieg in die verschiedenen Bereiche der christlichen Dogmatik.
Seine Absicht mit diesem Werk legt er im Vorwort in sechs zentralen Punkten dar:
- Eine klare biblische Basis für dogmatische Lehren.
Grudem legt einen besonderen Wert darauf, Glaubenssätze nicht nur logisch-systematisch korrekt zu konstruieren, sondern sie auf eine biblische Grundlage zu stellen. So ist der Text mit Bibelstellen und ‑verweisen durchzogen. Diese Ausrichtung gipfelt dann in einem Lernvers am Ende des Kapitels. - Klarheit in der Erklärung von dogmatischen Lehren.
Grudem argumentiert für eine klare Dogmatik, die gemeinde- und lebenstauglich ist. Trotzdem bildet er meistens eine breite Vielfalt an Meinungen möglichst fair ab. - Anwendung auf das Leben.
„Theologie sollte gelebt und gebetet und gesungen werden!“ - Konzentration auf die evangelikale Welt.
Das meint Grudem vor allem in Abgrenzung zu einem „liberalen“ Verständnis der Bibel (die dann nicht mehr Gottes Wort ist). Er berücksichtigt damit nur ein „konservatives“ Spektrum, dass sich auf ein grundlegendes Bekenntnis zur Bibel als Wort Gottes beruft. - Hoffnung auf Fortschritt in der lehrmäßigen Einheit in der Kirche.
Hier zeigt sich der „ökumenische Geist“ Grudems, aber keinesfalls durch Vernebeln oder Zurückstellen der Dogmatik, sondern gerade in der fairen Auseinandersetzung der verschiedenen Standpunkte. - Ein Empfinden der dringenden Notwendigkeit größeren lehrmäßigen Verständnisses in der gesamten Kirche.
Grudem vertritt die Position, dass Dogmatik für die ganze Gemeinde – nicht nur für ihre Lehrer – nützlich und hilfreich ist. Deshalb bemüht er sich auch um eine niedrige Einstiegshürde zu seinem Werk.
Was erwartet den Leser dieser Dogmatik?
Theologische Ausrichtung
Grudem ist ein eigenständiger systematischer Theologe, der nicht streng nur einer dogmatischen Tradition folgt. Die dogmatische Positionierung dieses Werkes lässt sich etwa so umreißen:
- Irrtumslosigkeit der Bibel i.S. der „Chicago-Erklärung“
- Eine traditionell reformierte Position (bzgl. Souveränität Gottes und Soteriologie/Heilslehre).
- Eine komplementäre Sicht der Geschlechter in Ehe und Gemeinde
- Eine modifizierte kongregationalistische Gemeindeverfassung mit mehreren Ältesten.
- Ein baptistisches Taufverständnis
- Ein modifiziert charismatisches Verständnis von Geistestaufe und Geistesgaben
- Eine prämillennialistisch-posttribulationistische Eschatologie (Wiederkunft Jesu vor dem 1000-jährigen Reich, aber nach der „großen Trübsal“)
Diese Mischung macht Grudem so interessant, aber auch angreifbar. Vor allem seine Lehre von den Geistesgaben wird von beiden Seiten des Spektrums kritisiert.
Allerdings muss man Grudem zugutehalten, dass er enorm fair andere Positionen wiedergibt. Damit ist seine Dogmatik auch dann hilfreich, wenn er nicht den eigenen Standpunkt vertritt.
Struktur
Die Grobgliederung der Themen lehnt sich durchaus an traditionellen Dogmatiken an:
- Lehre vom Wort Gottes (Kap 2–8)
- Lehre von Gott (Kap 9–20)
- Lehre vom Menschen (Kap 21–25)
- Lehre von Christus und vom Heiligen Geist (Kap 26–30)
- Lehre von der Zueignung der Erlösung – Soteriologie (Kap 31–43)
- Lehre von der Kirche (Kap 44–53)
- Lehre von der Zukunft (Kap 54–57)
Hier zeigt sich die klassisch protestantische und evangelikale Verankerung der Dogmatik im Bibel- und Offenbarungsverständnis. Besondere Schwerpunkte seiner Dogmatik bilden die Soteriologie und die Geistesgaben.
Durch die detaillierte Aufteilung in 57 Kapitel lassen sich spezifische Themen leicht finden und auch separat durcharbeiten.
Aufbau der Kapitel
Jedes Kapitel beginnt mit der „Erklärung und biblische[n] Grundlage“, d. h. mit dem Haupttext zu diesem Lehrsatz. Die Ausführung ist dann jeweils nochmals dem Thema angemessen unterteilt.
Darauf folgen Fragen zur persönlichen Anwendung. Hier wird Grudems Anliegen sichtbar, Lehren nicht nur für den Kopf, sondern für Herz und Hand relevant zu machen. Diese Fragen eignen sich hervorragend als Material für den biblischen Unterricht, eine Gemeindebibelschule oder sonstigen Lehrangeboten in der Gemeinde und darüber hinaus.
Anschließend erhält man einen Katalog besonderer Schlagwörter (Begriffe) aus diesem Abschnitt. Diese sind in Logos praktischerweise direkt mit dem Glossar verlinkt. Die Begriffssammlung innerhalb der Grudemschen Dogmatik finde ich gerade im Gemeindelehrkontext hilfreich. Es handelt sich allerdings um eine Übersetzung englischer Fachbegriffe, die (um die Verständlichkeit zu fördern) nicht immer die deutsche Fachentsprechung beinhalten. (Beispiel: „Im Kreis argumentieren“ entspräche in deutscher Fachliteratur eher dem Begriff „Zirkelschluss“). Das ist an sich kein Mangel – vielleicht sogar eine Stärke des Werkes, der Leser sollte sich aber der Limitation im Klaren sein.
Sehr hilfreich zum tiefer gehenden Studium (auch der unterschiedlichen Ansichten) ist die Bibliografie jedes Kapitels. Hier erhält man Hinweise auf Referenzwerke mit präziser Seitenangabe und Einordnung nach Tradition. Die englischen Werke sind dabei Grudems Empfehlung, die deutschen wurden dankenswerterweise vom deutschen Herausgeber ergänzt.
Jedes Kapitel schließt mit einer Bibelstelle zum Einprägen sowie einem Loblied. Das kann nützlich sein für die liturgische Einbettung des Themas in einen Gottesdienst oder zur Einbindung in die Lehrveranstaltung. So wird der Leser von der Theologie in den Lobpreis und die Verinnerlichung des Wortes Gottes geführt. Selbst wenn ich das Loblied dann nicht singe oder kenne, erinnert es daran, dass Theologie nie nur Kopfsache bleiben soll.
Die biblische Dogmatik in Logos
Die Biblische Dogmatik von Grudem ist in den deutschen Basispaketen ab Bronze enthalten und ist auch separat erhältlich. Wie gewohnt bietet die Logos-Version eine schnelle und übersichtliche Navigation zwischen den Kapiteln, Sprungmarken innerhalb des Werkes und eine tolle Integration der Bibelstellen.
Leider sind so gut wie alle deutschen Referenzdogmatiken (noch) nicht über Logos erhältlich, sodass hier die Macht der schnellen Querverweise nicht zum Tragen kommt.
Wer ist Wayne Grudem?
Wayne Grudem ist Research Professor of Theology and Biblical Studies am Phönix Seminary in Arizona. Bekannt wurde er durch seine Biblische Dogmatik, die in mehr als einem Dutzend Sprachen weltweit über 300.000 Mal verkauft wurde. Zudem war er Teil des Übersetzungskomitees der English Standard Version (ESV) sowie verantwortlicher Herausgeber der ESV Study Bible. Grudem vertritt eine reformatorische (calvinistische) sowie charismatische Theologie. Er hat diverse Werke zum Verhältnis der Geschlechter verfasst, in denen er ein komplementäres Geschlechterverständnis verteidigt. Sein neuestes Buch ist eine christliche Ethik.
Schön, dass Sie von Grudems Dogmatik so begeistert sind; da haben Sie mir was voraus (mich hat sie eher unangenehm berührt); aber Sie haben es ohnehin gut beschrieben: eine evangelikale Sichtweise auf Gott und die Welt. Wenn jemand das teilt, dann ist er damit sicherlich gut bedient. Wenn nicht – naja … – dann wird er mit diesem Werk eher nicht so viel anfangen können.
Der Unterschied liegt nicht in irgendwelchen Details, die man so oder anders sehen kann, sondern in den zentralen Grundannahmen (wie oben beschrieben). Grudem argumentiert nicht so sehr, warum ihm seine Sicht als angemessener erscheint als eine andere, sondern er doziert, was für ihn (!) zweifelsfrei auf dem Tisch liegt.
Gott ist für ihn nicht so sehr jemand, der das Geheimnis der Welt ist (um es mit E.Jüngel zu sagen), sondern jemand, der ein Lehrbuch über sich offenbart hat.
Vielen Dank für Ihre Sichtweise und Wahrnehmung von Grudems Werk.
Sie haben sicher recht, dass Grudems Dogmatik nicht für jeden gleichermaßen geeignet ist.
Deshalb war es mir auch wichtig seine Grundannahmen transparent zu machen.