Klein, aber oho. Die zwölf kleinen Propheten im Alten Testament haben eine wichtige Botschaft für unsere Zeit. In dieser Buchrezension erfahren Sie, ob sich das Buch „Wenn Gott reklamiert“ von Sebastian Rink lohnt, um die Prophetenbücher besser verstehen zu können.
Inhalt
Die Kleinen Propheten: Menschen mit wichtigen Botschaften
Die kleinen Propheten spielen im Leben vieler Christen (und Gemeinden) kaum eine Rolle. Denn sie sind teilweise gar nicht so leicht zu verstehen, können sehr brutal sein und beschreiben Gott manchmal in Worten, die für uns befremdlich klingen. Um die Botschaft der Propheten erfassen zu können, muss man sich Zeit nehmen, den historischen Kontext zu recherchieren. Das ist aufwendig, aber es lohnt sich, denn auch wenn die Bücher klein sind, sind ihre Botschaften wichtig und auch heute noch relevant.
Sie waren die Nervensägen ihrer Zeit. Sie haben das politische und religiöse Establishment gereizt. Sie gingen ihren Zeitgenossen auf die Nerven mit ihrer maßlosen Kritik wie mit ihrer überschwänglichen Hoffnung. Sie taten das, weil sie selbst von der fraglosen religiösen Gewissheit und vor allem der sozialen Gleichgültigkeit ihrer Eliten genervt waren. Weil sie Gott als größer erfahren hatten als das, was die Zeitgenossen aus ihm gemacht hatten. So haben sie manche Gemütlichkeit zerstört. Dafür wurden sie gehasst und manchmal verfolgt. (aus dem Vorwort von Thorsten Dietz, S. 10)
Wer ist Sebastian Rink?
Sebastian Rink wurde 1985 im Sauerland geboren. Er studierte evangelische Theologie in Ewersbach (M. A.) und Marburg (Mag. theol.) und promovierte mit einer Arbeit über die Predigten Friedrich Schleiermachers (Dr. theol.). Von 2016 bis 2023 war er Pastor der Freien evangelischen Gemeinde Fischbacherberg und arbeitet seit 2023 als Redakteur für evangelische Theologie in einem Schulbuchverlag.
Er ist Autor mehrerer Bücher und sein Buch „Unglaube – Eine Ermutigung“ über einen gesunden Umgang mit Unglaube kann aktuell bei Logos vorbestellt werden.
Wenn Gott reklamiert
In seinem Buch „Wenn Gott reklamiert: Das große Schreien der Kleinen Propheten“ widmet sich Rink der spannenden Aufgabe, die Botschaften der Kleinen Propheten herauszuarbeiten und sie in unsere Zeit sprechen zu lassen. Das Buch ist sehr klar und einfach gegliedert. Nach einem einführenden Kapitel zu den kleinen Propheten folgen 12 weitere Kapitel. Sie beleuchten jeweils einen der kleinen Propheten und fassen kompakt zusammen, worum es in dem jeweiligen Buch geht, was der historische Kontext ist und was wir heute aus diesem Buch lernen können.
Rink will die Propheten „selbst so direkt wie möglich sprechen lassen“ (S. 13). Er glaubt, dass ihre Botschaft auch heute noch hochaktuell ist und unbedingt von uns gehört werden muss. Doch die Botschaft dieser Bücher zu entdecken, ist nicht immer einfach und bedarf einiger hermeneutischer Arbeit.
Die Prophetentexte sind nicht immer eingängig. Daher wurde mir die Beschäftigung mit ihnen zu einer kleinen „Ausbildung im Bibellesen“, denn ständig steht die Frage im Raum, wie wir uns Bibel überhaupt aneignen können. Dafür gibt es kein Patentrezept. Auch dieses Buch nimmt von Kapitel zu Kapitel neue Anläufe und sammelt schrittweise Werkzeuge ein, um mit den Schriften klarzukommen. Zugleich gibt es bei jedem Propheten wiederum Verse und Gedanken, die sich dem Werkzeug widersetzen. Mein größter Lernprozess war, das auszuhalten. (S. 13)
Ein Bild, das Rink durchgängig nutzt, ist, dass Gott durch die Propheten reklamiert. Rink leitet dieses Thema in seinem Buch wie folgt ein:
Eine Sache zu reklamieren bedeutet ja erstens, sie aufgrund von Mängeln oder Nicht-Gefallen zurückgeben zu wollen. Das scheint bei den Propheten auf fast jeder Seite durch. Es hört sich gelegentlich so an, als wollte Gott eine nicht ganz funktionstüchtige Menschheit zurückgeben. Zweitens bedeutet eine „Reklamation“, einen Anspruch geltend zu machen, etwas für sich zu reklamieren. Auch das klingt in den Worten an, denn unsere Gottheit beansprucht die Menschheit für sich, obwohl etwas mit ihr so gar nicht stimmt. Drittens steckt im Wort die „Reklame“. So habe ich die Propheten durchweg erlebt: als Werbetexter. Sie bewerben eine zutiefst menschliche Welt, sie werben für ein göttliches Leben. Und so wirbt das Göttliche letztlich für sich selbst. Gott reklamiert. (S. 15–16)
Beispiel 1: Die Zwölf Kleinen Propheten
Etwas stimmt nicht mit der Welt. Das hat auch der Himmel bemerkt und besondere Gestalten damit betraut, die Menschen wachzurufen: Propheten. Sie reißen Wunden auf, halten den Spiegel vor, wischen Tränen ab und verbreiten Hoffnung. Sie richten und rütteln, schreien und flüstern, fluchen und segnen. Darin sind sie echt und ehrlich wie das Leben. (S. 15)
So beginnt Rink sein Kapitel über die zwölf Propheten. Er betont, dass die Propheten nicht die Zukunft voraussagen, sondern dass sie sehen, wie die Welt ist und laut verkünden, wie sie eigentlich sein sollte (S. 20–21).
Der Himmel bemerkt einen Mangel, muss ihn aber voll und ganz irdisch kommunizieren und reklamieren, um sich verständlich zu machen. (S.21)
Der historische Hintergrund der Kleinen Propheten
Um die Propheten verstehen zu können, muss man den historischen Kontext der Bücher kennen. Nach der Regierungszeit des Königs Salomo teilte sich das Königreich in das Nordreich (Israel) und das Südreich (Juda). Obwohl beide Reiche gute und schlechte Könige hatten, kann man grob sagen, dass das Nordreich zuerst und in stärkerem Ausmaß der Götzenanbetung verfiel. Als Konsequenz davon wurden dessen Bewohner im Jahr 722 v. Chr. vom Assyrischen Reich besiegt und die städtische Bevölkerung deportiert (S. 22).
Das Südreich Juda folgte leider dem schlechten Beispiel des Nordreichs und wandte sich immer mehr von Gott ab. Sie erlitten ein ähnliches Schicksal. Im Jahr 597 v. Chr. wurde Juda erobert und die Oberschicht nach Babylon deportiert. Zehn Jahre später folgte eine zweite Deportationswelle, wodurch auch das Südreich völlig zusammenbrach und die Hauptstadt Jerusalem zerstört wurde. Das war der Beginn des babylonischen Exils (S. 23). Es war eine Zeit des Leides für die Israeliten. Und genau in diese turbulente Zeit hinein sprachen die Kleinen Propheten.
Sind die Texte aus den Kleinen Propheten historische Tatsachenberichte?
Wer die Kleinen Propheten aufmerksam liest, wird feststellen, dass sich manche Aussagen nicht mit historischen Tatsachen oder mit anderen Bibelstellen vereinbaren lassen. Zwei Beispiele dafür finden sich im Buch Jona.
- A) In 2. Könige 14,25 erfahren wir, dass Jona zur Zeit von König Jerobeam II. gelebt hat, also ca. 787–747 v. Chr.
Das macht ein wenig Probleme, denn Ninive wurde erst 701 unter Sanherib (assyrischer König von 705 bis 681) zur Hauptstadt des Assyrischen Reiches. (S. 92)
- B) Weiterhin wird in Jona 3,3 berichtet, dass Ninive genau drei Tagesreisen groß war.
Nimmt man mal einen Mittelwert von etwa 30 Kilometern Fußweg pro Tag an, hatte Ninive einen Durchmesser von 90 Kilometern. Nur zum Vergleich: Berlin hat heute grob und wohlwollend in einer Onlinekarte gemessen eine bewohnte Fläche mit einem Durchmesser von etwa 45 Kilometern, also die Hälfte. Eine Stadt von 90 Kilometern Durchmesser könnte noch heute bei den größten Metropolregionen der Welt mithalten. In der Antike gibt es so etwas sicher nicht. Es geht sogar noch genauer: Der assyrische König Sanherib ließ die Stadt kurz nach seiner Machtübernahme mit einer Stadtmauer befestigen. Die lässt sich noch heute archäologisch nachweisen und in Onlinekarten von oben anschauen und ausmessen. Siehe da: Die Stadt hatte demnach wohlwollend eine Länge von knapp fünf Kilometern … um dafür drei Tage zu brauchen, dürfte jeder Schritt (je eine Sekunde) nur etwa sechs Zentimeter lang sein. (S. 92)
Für Rink sind diese historischen Ungenauigkeiten allerdings kein Problem.
Die biblischen Texte erzählen aus der Sicht des Glaubens von den Ereignissen, oder besser: Erlebnissen. Sie dokumentieren nicht Tatsachen, sondern Bedeutungen. Wenn die Bibeltexte manche Ereignisse also nicht ganz faktengetreu wiedergeben, sind sie deshalb nicht gleich „alternative Fakten“, sondern sie überliefern „alternative Bedeutungen“ von Fakten. Die Unterschiede zwischen den tatsächlichen Ereignissen und ihrer Beschreibung zu erforschen, ist deshalb gar nichts Gefährliches, sondern hilft viel besser zu verstehen, welche Bedeutung den Erzählungen wichtig ist und wie die Autor*innen der Texte ihren Glauben verstanden haben. (S. 27–28)
Beispiel 2: Nahum reklamiert den Zorn
Unter den Tausenden von Predigten, die ich bereits gehört habe, kann ich mich nicht erinnern, jemals eine Predigt über das Buch Nahum gehört zu haben. Wenn man das Buch Nahum liest, wird auch schnell klar, warum es kein beliebter Predigttext ist. Es ist laut Rink ein Buch, das eine FSK-18-Kennzeichnung erhalten sollte (S. 125). Das Gottesbild, das hier vermittelt wird, ist je nach Empfinden befremdlich bis verstörend.
Die Assyrer waren die Erzfeinde der Israeliten. Das Buch Nahum kündigt an, dass Gottes Zorn das assyrische Reich mit voller Wucht treffen wird. Der Wunsch der Israeliten nach Rache schreit aus den Seiten des Buches. Sie hatten viel unter den Assyrern gelitten und nun wollten sie auch die Assyrer leiden sehen: der ganz natürliche Wunsch des Menschen nach Rache.
Das Buch Nahum ist die Verheißung an Israel, dass Gott selbst Assyrien richten wird. Die Sprache, in der dies geschieht, ist aus heutiger Sicht zum Teil sehr verstörend. So wird beschrieben, wie Gott einer Frau, die metaphorisch für Ninive (die Hauptstadt des assyrischen Reiches) steht, sexuelle Gewalt antun wird (Nahum 3,5–6).
Rink erklärt, dass die unzensierte Sprache im dritten Kapitel im Lichte von Nahum 1,3 + 7 gelesen werden muss:
G*tt ist langsam im Zorn und groß an Kraft! […] Gut ist G*tt als Festung am Tag der Not – er nimmt die wahr, die zu ihm flüchten. (S. 132)
Dass Gott kein Rassist ist und auch die Assyrer liebt, wird spätestens im Buch Jona deutlich. Zugleich aber macht das Buch Nahum deutlich, dass Gott das Leid der Unterdrückten sieht, richten und für Gerechtigkeit sorgen wird. Darüber hinaus zeigt Nahum, dass wir unser Leid und selbst unsere dunkelsten Gedanken unzensiert vor Gott zum Ausdruck bringen dürfen.
„Das musste einfach mal raus!“ Das ist mein Schlüssel für dieses Buch. Ich kann das Nahumbuch nicht als Eins-zu-eins-Beschreibung Gottes verstehen, es ist keine schriftliche Erklärung, wie Gott tatsächlich ist. Diese Texte sind Beschreibung dessen, wie Menschen sind und fühlen. Sie reden weniger über Gott als vielmehr über uns. Sie packen in Worte, was ich (vermutlich nicht genauso, aber doch ähnlich) manchmal denke und spüre: den Wunsch nach Rache, einen mehr oder weniger „heiligen“ Zorn. (S. 133)
Dementsprechend ermutigt Rink, dass wir all unseren Zorn und Rachegedanken ehrlich vor Gott bringen.
Das Buch lädt mich ein, meinen Zorn in den Mund Gottes zu legen. Denn so wird der Tod in das Leben getaucht, der Hass wird von der Liebe zerkaut, der Zorn durch das Erbarmen erstickt. Das löst nicht alle Fragen, aber es erlöst manchen Menschen. (S. 135)
Mein Fazit
Ich kann „Wenn Gott reklamiert“ allen von Herzen empfehlen, die sich intensiver mit den Kleinen Propheten auseinandersetzen und sich von ihrer Botschaft herausfordern lassen wollen. Rink gelingt es, die kleinen Propheten in unsere Zeit herein sprechen zu lassen. Ich hätte mir gewünscht, in jedem Kapitel etwas mehr zum historischen und kulturellen Hintergrund des jeweiligen Propheten zu erfahren. Andererseits liegt die Stärke des Buches genau darin, dass es dem Autor gelingt, die wichtigsten Informationen in einem kompakten Kapitel zusammenzufassen und das Wesentliche auf den Punkt zu bringen.
Ich mag die vielen kleinen Beispiele und Illustrationen, die Rink verwendet, um seinen Punkt zu verdeutlichen. Besonders schätze ich seine Authentizität. Er scheut sich nicht davor, die zum Teil verstörenden Passagen in den Propheten zu behandeln, sondern setzt sich intensiv mit ihrer Bedeutung für die heutige Zeit auseinander, ohne einfache Standardantworten zu liefern. Das macht das Buch auch für skeptische Leser und Menschen in einer Glaubenskrise attraktiv.
Natürlich darf man keinen vollständigen Überblick über jedes Prophetenbuch erwarten, aber dafür ist das Buch auch nicht gedacht. Für einen ersten erfolgreichen Kontakt mit den Kleinen Propheten ist es jedoch hervorragend geeignet. Während des Lesens lernt der Leser hermeneutische Werkzeuge kennen, die helfen, biblische Texte besser zu interpretieren.
Rink verwendet durchgehend eine leicht verständliche Sprache und verzichtet auf Fachvokabular, sodass das Buch auch für Laien gut zugänglich ist. Es eignet sich hervorragend als Lektüre für den Hauskreis. Die Kapitel sind nicht zu lang und können gut unter der Woche gelesen und dann im Hauskreis diskutiert werden. Am Ende des Buches gibt Rink ein paar weiterführende Empfehlungen für alle, die die Propheten noch gründlicher studieren wollen.
Warum die Logos-Version sich besonders lohnt
Rink zitiert in seinem Buch zahlreiche Bibelstellen aus den Propheten. In der Logos-Version des Buches kann man diese Stellen dank der Verlinkungen ganz einfach in der eigenen Lieblingsübersetzung nachlesen, indem man mit der Maus über die Bibelstelle fährt. Die Logos-Version ist günstiger als die gedruckte Ausgabe und kann mit der Logos-App bequem auf dem Handy gelesen werden. So hat man das Buch immer und überall dabei, ohne ein physisches Exemplar mit sich tragen zu müssen.
Besonders schätze ich, dass die Logos-App jedes Logos-Buch in ein Hörbuch verwandelt und man so das Buch auf dem Weg zur Arbeit oder bei der Küchenarbeit anhören kann.
Erwerben Sie jetzt „Wenn Gott reklamiert“ auf Logos und steigen Sie tiefer in die spannende Welt der Kleinen Propheten ein. Es lohnt sich!
Das Buch kann ich leider nicht empfehlen. Rink gendert Gott und damit begeht er Blasphemie. Daher sollten sich bibelgebundene Christen von diesem Werk fernhalten, wenngleich manche Inhalte informativ sind.
Sehr geehrter Herr Mohn,
da adressieren Sie etwas, was ich tatsächlich vergessen habe, zu erwähnen. Hier ist, was Sebastian Rink im ersten Kapitel zu dem Thema schreibt:
Ich empfinde es nicht als blasphemisch zu sagen, dass Gott außerhalb der menschlichen „Geschlechter“ Box ist und unsere Denkmuster übersteigt. Weiterhin sind ja auch Mann und Frau, in Gottes Ebenbild geschaffen. Insofern sehe ich Rink’s Vorgehen nicht kritisch und denke jeder sollte für sich entscheiden, ob der Ansatz von Rink angemessen ist oder nicht.
Mit freundlichen Grüßen
Manuel