Wer glaubt, in der Bibel keine Hollywoodstreifen zu finden, irrt sich gewaltig! In einer epischen Erzählung wird Esther, eine mutige Jüdin, zur Königin von Persien. Als der grausame Haman einen diabolischen Plan schmiedet, um das gesamte jüdische Volk auszulöschen, muss Esther das Unmögliche wagen: Sie tritt allein vor den mächtigen König Xerxes, um ihr Volk zu retten. In einem dramatischen Wettlauf gegen die Zeit, voller Intrigen und Verrat, steht das Schicksal einer Nation auf dem Spiel – und nur Esthers Mut kann die Katastrophe abwenden. Viele glückliche Fügungen kommen zusammen und die Story endet mit einer überraschenden Wendung.
Diese Geschichte wird Ihnen mit dieser Rezension über das Buch von Pfarrer Dr. Stefan Felber mit dem Titel: Gerade um dieser Zeit willen: 9 Predigten zum Estherbuch in 6 Minuten näher gebracht.
Inhalt
Lohnt sich das Lesen von Predigten?
Das Lesen „fremder“ Predigten ist für Theologiestudenten, Pastoren und Pfarrer wertvoll, weil es …
- … neue Perspektiven auf biblische Texte und Themen eröffnet
- … hilft, die eigenen Predigttechniken durch unterschiedliche Stile und Ansätze zu verfeinern
- … zeigt, wie biblische Inhalte auf aktuelle Lebenssituationen angewendet werden können
- … Inspiration bietet und Zeit bei der Predigtvorbereitung spart
- … den eigenen Horizont erweitert, indem es Sichtweisen aus anderen Denominationen zugänglich macht
- … die Einheit unter Christen stärkt, in dem es die gemeinsamen Grundlagen des Glaubens betont.
Die beiden zuletzt genannten Punkte verdienen in besonderem Maße unsere Aufmerksamkeit. In unserer digitalen Welt ist es heute sehr einfach, Predigten verschiedener Konfessionen und Denominationen abzurufen. Als Laie kann es unter Umständen schwierig sein, sich auf Gedanken einzulassen, die erst einmal nicht mit der eigenen Prägung übereinzustimmen scheinen. Wer Predigten jedoch diesbezüglich einordnen und nachvollziehen kann, kann unterschiedliche Ansichten durchaus als Bereicherung erleben.
Wenn man Bibeltexte aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet und mehrere hermeneutische Ansätze heranzieht, erkennt man mitunter Gemeinsamkeiten mit anderen Konfessionen oder Denominationen, von denen man vorher vielleicht gar nicht wusste, dass sie überhaupt da sind. Es lohnt sich also, Predigten aus unterschiedlichen Konfessionen und Denominationen zu lesen. Besonders zu empfehlen sind diejenigen, die in gedruckter Form in einem Verlag erschienen sind, da dies auf eine breite Rezeption hindeutet.
Predigtreihen & Predigten in Logos
Um Ihnen zu zeigen, dass Logos bereits seit längerem auf diesen Zug aufgesprungen ist, liste ich Ihnen die wichtigsten Predigtreihen auf, die Logos auf Deutsch und Englisch im Angebot hat.
- Große Predigtsammlung vom Baptistenpastor C.H. Spurgeon (1834–1892)
- Predigtreihe des anglikanischen Pastors J.C. Ryle (1816–1900)
- Eine von vielen Predigtreihen von D. Martyn Lloyd-Jones (1899–1981)
- Predigtsammlung von Michael Herbst (1955-)
- Predigten von John MacArthur (1939-) auf englisch
- Predigten von John Piper (1946-) auf englisch
- Predigten von Timothy Keller (1950–2023) auf englisch
Der Autor und sein Werk
Allgemeine Informationen zu Stefan Felber
Der Autor des vorliegenden Predigtbandes ist Stefan Felber, Pfarrer und Dozent aus der Schweiz und mittlerweile in Deutschland wohnhaft. Er studierte evangelische Theologie und promovierte 1997 zum Christuszeugnis im Alten Testament. Von 2000 bis 2022 war er als Dozent für Altes Testament am Theologischen Seminar St. Chrischona in Basel tätig. Zudem ist er seit 2016 Gastdozent an der Staatsunabhängigen Hochschule Basel (STH). Er trat 2022 in die Fußstapfen von Pfr. Dr. Joachim Cochlovius als Leiter des Gemeindehilfsbundes. Felber veröffentlichte 2013 eine spannende Monografie zum Begründer der kommunikativen (dynamisch-äquivalenten) Bibelübersetzung Eugen A. Nida. Diese liegt mittlerweile in zweiter Auflage vor.
Veröffentlichung
Die neun Predigten über Esther wurden von Felber im Zeitraum zwischen Oktober 2017 und Dezember 2018 in der St. Jakobskirche in Basel, Schweiz gehalten. Die Entscheidung, diese Predigtreihe zu drucken, hatte mehrere Gründe. Einer der Hauptgründe ist, dass dieses Buch in der Hebräischen Bibel nach wie vor eine untergeordnete Stellung einnimmt. Ein Grund ist sicherlich der, dass Gott als Name in diesem Buch nie vorkommt, was für den ganzen Kanon einzigartig ist. Auch heute wird über das Estherbuch eher selten gepredigt. Möglicherweise spielt hier die Schilderung der Judenvernichtung im Buch eine wichtige Rolle, die in vielen Punkten an die dunkle Zeit des Nationalsozialismus erinnert.
Über den Verlag Logos Editions ist nur wenig bekannt. Der Verlag hat seinen Sitz in Windsbach, Deutschland, und veröffentlicht eine Vielzahl von Büchern und Werken zu biblischen Studien, exegetischen Arbeiten sowie teilweise auch zu Themen aus der Praktischen Theologie. Die Autoren des Verlags lassen eine evangelikale Ausrichtung erkennen, die von bundestheologischen und konservativen Leitlinien geprägt ist.
Neun Predigten zum Estherbuch
Gliederung zum Estherbuch
Im ersten Teil des Buches präsentiert Felber eine ausführliche Einleitung, in der er seine methodischen Überlegungen darlegt. Einerseits erfolgt eine Einleitung in das hebräische Buch, andererseits eine Hinführung durch die geschichtliche Rezeption. In diesem Teil erfolgt eine Klärung klassischer wissenschaftlicher Einleitungsfragen sowie eine Darstellung theologisch-systematischer Konzepte, die das Estherbuch hervorbringt. Die Einleitung leistet einen wesentlichen Beitrag zur historischen Einordnung der im Buch Esther überlieferten Geschichte.
Der zweite Teil des Buches gliedert sich in 9 Predigtmanuskripte, von denen die ersten acht jeweils ein Kapitel des Estherbuches behandeln. Die letzte Predigt nimmt die letzten zwei Kapitel des Buches in den Blick. Im Folgenden soll eine Predigt exemplarisch näher betrachtet und bewertet werden, um einen umfassenden Überblick zu gewinnen.
Predigt zu Ester 1: Was dem König gefällt
Einleitung
Die Predigt beginnt mit dem Hinweis, dass das Buch Esther eine Welt präsentiert, die der unsrigen überraschend ähnlich ist – eine Welt, in der Gott abwesend zu sein scheint. Obwohl das Buch rund 2500 Jahre alt ist, bleibt seine Botschaft zeitlos: Viele Menschen erleben ihr Leben ohne sichtbare Hinweise auf Gottes Gegenwart, und genau diesen Eindruck vermittelt auch das Estherbuch, in dem der Name Gottes im hebräischen Text kein einziges Mal vorkommt. Doch Felber macht deutlich, dass Gott trotzdem derjenige ist, der die Geschicke der Menschen lenkt, wenn auch eher im Verborgenen.
Der Text konzentriert sich auf das erste Kapitel des Estherbuchs, in dem König Xerxes von Persien und seine dekadente Herrschaft beschrieben wird. Xerxes, der mächtigste Herrscher der damaligen Welt, veranstaltet eine über sechs Monate andauernde Feier, um seinen Reichtum und seine Macht zur Schau zu stellen. Diese pompösen Feste offenbaren vor allem eine zutiefst korrupte und selbstsüchtige Oberschicht, die von Luxus und Genuss beherrscht wird. Der König wird als ein Mann dargestellt, der mehr an seiner eigenen Pracht und Anerkennung als an der Führung seines Volkes interessiert ist.
Steht der König über oder unter dem Gesetz?
Ein entscheidender Moment der Erzählung ist der Skandal, als Xerxes seine Königin Waschti dazu auffordert, vor den versammelten Gästen zu erscheinen, um ihre Schönheit zur Schau zu stellen. Waschti weigert sich, dem Befehl Folge zu leisten, was den Zorn des Königs erregt. Ihre Weigerung wird zum Symbol des Widerstands gegen die Objektivierung und den Missbrauch von Macht. Weil Waschti nicht bereit ist, sich den Launen des Königs zu unterwerfen, landet sie in der Verbannung. In gewisser Weise ist das ein Ausdruck ihrer Würde, während Xerxes als von Gier und Zorn getriebener, schwacher Herrscher dargestellt wird, der sich nicht einmal selbst kontrollieren kann. Dieses königliche Handeln steht diametral der von Gott gedachten Ordnung gegenüber.
Im Fall von Xerxes wird deutlich, wie weit er von diesem Ideal entfernt ist. Natürlich kann man darüber streiten, ob man von ihm als heidnischen König überhaupt erwarten kann, dass er sich an Gottes Ordnungen hält – er ist ja kein Jude. Aber dennoch lässt sich an ihm Königskritik üben. Sein Verhalten steht im scharfen Gegensatz zu dem biblischen Modell eines gerechten Königs. Nach demKönigsgesetz in 5. Mose 17 soll ein König nicht über dem Gesetz stehen, sondern es gehorsam befolgen und sich durch die beständige Beschäftigung mit Gottes Wort formen lassen. Der König sollte sich nicht über seine Brüder erheben oder seine Macht missbrauchen, sondern ein demütiger Diener seines Volkes sein, der Gott fürchtet und sich seinen Geboten unterwirft.
Xerxes entscheidet sich für Macht
Die Predigt reflektiert weiter die Reaktion des Königs und den Rat seiner Berater. Diese übertreiben den Vorfall und erklären, dass Waschtis Weigerung eine Gefahr für das gesamte Reich darstelle, da alle Frauen im Land ihrem Beispiel folgen könnten. Es wird ein Gesetz erlassen, das festlegt, dass der Mann das absolute Oberhaupt in jeder Familie sein soll. Dieser Abschnitt der Predigt zeigt die Absurdität und Härte, mit der Macht im persischen Reich ausgeübt wurde, und zieht Parallelen zu aktuellen gesellschaftlichen Strukturen, in denen Macht oft missbraucht wird, um Kontrolle und Unterordnung zu erzwingen. Und doch verweist Felber gekonnt und humorvoll darauf, dass man heute ganz anders über das Verhältnis von Mann und Frau denkt. Wo heute viele Ehen auf Augenhöhe und gleichberechtigt gelebt werden, war das damals überhaupt kein Thema.
Schlussteil
Abschließend betont Felber, dass das Estherbuch, trotz der scheinbaren Abwesenheit Gottes, eine tiefe geistliche Wahrheit vermittelt: Gott wirkt hinter den Kulissen, selbst in gottlosen Gesellschaften. Das Buch zeigt, wie Gläubige in einer feindseligen oder zumindest pluralistischen Umgebung leben und überleben können, indem sie klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben handeln. Mordechai und Esther sind Beispiele für Menschen, die nicht nach Israel zurückkehrten, sondern im persischen Exil blieben und dennoch von Gott gebraucht wurden, um sein Volk zu bewahren. Felber ruft dazu auf, diese Lektion des Vertrauens und der Weisheit zu beherzigen, denn auch heute leben Christen zunehmend in Gesellschaften, die Gott nicht anerkennen. Das Estherbuch ermutigt Gläubige im 21. Jahrhundert, in solchen Zeiten mutig zu handeln und darauf zu vertrauen, dass Gott auch dann gegenwärtig ist, wenn er nicht direkt sichtbar scheint.
Ist Gott also verborgen im Estherbuch?
Diese spannende Frage wird im Buch immer wieder angeschnitten. In einem Abschnitt zum Thema beantwortet Felber die Frage wie folgt:
„Ja und Nein. Gott ist sehr wohl wirksam auch in einem Geschehen, in dessen Bericht er nicht direkt genannt wird. Das Estherbuch verkündet es auf vielfache Weise. Für die Augen des Glaubens ist das offenkundig. Aber ist das Wirken Gottes den Augen des Unglaubens schlechtweg entzogen? Behelfen wir uns mit der Analogie zur Schöpfung. Wie jede Uhr auf einen Uhrmacher hinweist, so weist auch die Schöpfung auf das Wirken eines intelligenten Schöpfers hin.“ (S. 19).
Fazit zu den Predigten über Esther
Das Buch „Gerade um dieser Zeit willen“ von Stefan Felber präsentiert eine tiefgehende und ansprechende Sammlung von Predigten, die sich mit dem Buch Esther befassen. Felber gelingt es, die Relevanz dieser biblischen Erzählung für unsere moderne und postmoderne Zeit herauszuarbeiten, indem er das scheinbare Fehlen Gottes im Text thematisiert und gleichzeitig die verborgene Gegenwart Gottes betont. Unter Einbeziehung der Geschichte sowie theologischer Aspekte macht der Autor deutlich, dass die Erzählung von Ester dazu aufruft, auch in einer von Gottesferne geprägten Welt nach Gottes Wirken Ausschau zu halten. Für Theologen, Pastoren und Studierende ist dieses Buch ein wertvoller Beitrag zur Auslegung des Estherbuches. Es eröffnet neue Perspektiven auf bekannte Themen und bietet geistliche Orientierung in einer scheinbar gottlosen Welt.
Es wäre wünschenswert gewesen, die im Manuskript vorhandenen Zitate mit Fußnoten zu versehen, um nachvollziehen zu können, woher sie stammen. Das kleine Literaturverzeichnis am Schluss erlaubt zumindest die Identifikation des Buches, aus dem das Zitat entnommen wurde. Für eine gedruckte Version wäre es wünschenswert gewesen, wenn der Autor noch mehr zusätzliche Anmerkungen zu exegetischen Untersuchungen gemacht hätte. Es ist davon auszugehen, dass Felber sich über einen längeren Zeitraum mit dem Text des Estherbuches auseinandergesetzt hat. Es wäre von Interesse zu erfahren, auf welche Weise der Autor zu seinen Erkenntnissen gelangt ist, die er aus dem hebräischen Text gewonnen hat. Spannend wäre auch, welche wissenschaftlichen Kommentare und Monographien er für seine Arbeit herangezogen hat.
Zum Schluss möchte ich Felber selbst zu Wort kommen lassen:
„Es ist einer der Zielpunkte des Estherbuches zu zeigen, wie man in der Fremde leben kann, klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben. Man kann dieses Leben nicht durchplanen, aber man muß bereit sein, an der Hand des verborgenen Gottes in die Höhle des Löwen zu gehen. Das Leben des Gläubigen in einem Land ohne Bibelkenntnis – das ist das Leben, das auch für uns immer mehr zur Wirklichkeit wird. Das Estherbuch will uns mit hineinnehmen, und ich bin sicher, daß es uns hilft, uns geistlich vorzubereiten, wenn für uns der Zeitpunkt kommt, zu handeln wie Esther oder Mordechai.“ (S. 36).
Das Buch „Gerade um dieser Zeiten willen: Predigten zum Estherbuch“ können Sie direkt hier online bestellen.