Gott kommt uns nahe! – Eine Weihnachtspredigt

Von Dorothea Weiland

Vor 8 Stunden

Weih­nach­ten bedeu­tet: Gott kommt uns nahe! Er kommt auf die Welt, wird Mensch. Einer von uns. Er ver­zich­tet lie­ber auf alles, was ihm an Grö­ße und Macht zusteht, als dass er fern von uns bleibt.

Vor eini­gen Jah­ren hat sich Micha­el Herbst in einer Weih­nachts­pre­digt mit dem The­ma „Nähe und Ferne“auseinandergesetzt. Die­se fin­den Sie auch im Micha­el Herbst-Pre­digt­ar­chiv (2002–2020) und kön­nen sie im fol­gen­den Arti­kel unge­kürzt nach­le­sen – ein­schließ­lich des dazu­ge­hö­ri­gen Thea­ter­stücks und der pas­sen­den Lied­aus­wahl. Las­sen Sie sich inspi­rie­ren! Wir wün­schen viel Ver­gnü­gen beim Lesen!

Bibel­text zum Nach­le­sen: Lk 2,1–20

Begrü­ßungs­mo­de­ra­ti­on: „Der Gastwirt“

Herz­lich will­kom­men hier in mei­nem Gast­haus! Bit­te füh­len Sie sich wie zu Hau­se, leh­nen Sie sich zurück und genie­ßen Sie den Abend. Sie kön­nen der Band lau­schen oder kräf­tig mit­sin­gen, dafür gibt es auf Ihren Plät­zen Lied­blät­ter. Im unte­ren Stock­werk wird Kin­der­be­treu­ung ange­bo­ten, sodass auch Sie als Eltern sich so rich­tig ent­span­nen können.

Wis­sen Sie, in mei­nem Gast­haus kom­men die unter­schied­lichs­ten Leu­te zusam­men, da meint man schon eini­ges gewohnt zu sein. Aber vor eini­gen Jah­ren, da gab es hier eine ganz beson­de­re Nacht… (räus­pert sich) naja also jetzt auch nicht so beson­ders, sagen wir unge­wöhn­lich – ja genau eben nicht gewöhn­lich. Naja dazu kom­men wir spä­ter. Bit­te hören und sehen sie selbst.

Thea­ter (1. Sze­ne): Joseph

Grund­ein­stel­lung: Er ist „Gott-nah“ auf­ge­wach­sen, er glaubt was sei­ne Eltern und vie­le Gene­ra­tio­nen davor auch schon geglaubt haben. Im Lau­fe der Sze­ne hin­ter­fragt er die­sen Glau­ben, bewegt sich von der Büh­ne weg. Er zwei­felt an sei­ner Ver­lob­ten und was sie ihm über Gott erzählt. Zögernd bahnt er sich wie­der sei­nen Weg zur Büh­ne – bleibt aber vor­erst außer­halb des Stalls stehen.

Ich bin seit eini­ger Zeit mit einer tol­len Frau ver­lobt, sie ist schön, sie ist klug, sie ist sehr lie­be­voll und … naja ich dach­te bis­her auch sehr treu. Aber dann kommt sie mit die­ser Geschich­te um die Ecke! Sie sei schwan­ger, aber das kann doch gar nicht sein! Wis­sen Sie, wir haben noch nicht… also das gehört sich nicht vor der Ehe und wir haben uns streng dar­an gehal­ten – wie kann sie auf ein­mal schwan­ger sein und mir dann eine Geschich­te von einem Engel auf­ti­schen, der ihr erzählt habe sie sei schwan­ger von Gott!!! 

- Pau­se – Das passt alles nicht zu ihr – die Maria, die ich ken­ne und die ich lie­be, die­se Maria ist treu, die ist ehr­lich, die ist wahr­haf­tig und die erzählt schon gar kei­ne Lügen über unse­ren Gott! Unser Gott, an den bereits mei­ne Väter und ihre Väter und deren Väter geglaubt haben und treu für ihn gelebt haben. Aber die­se Geschich­te passt auch nicht zu die­sem Gott, von dem mir mei­ne Eltern erzählt haben! Schwan­ger vom Geist Got­tes… ein Engel über­bringt die Bot­schaft… das ist viel zu klein, viel zu eng, ja viel zu nah­bar für den herr­li­chen, voll­kom­men­den, all­mäch­ti­gen und gro­ßen Gott, über den ich unter­rich­tet wurde…Und was ist, wenn Gott anders ist als ich dach­te? … Anders als ich es bei­gebracht bekom­men habe…? Was ist, wenn Gott tat­säch­lich so nah­bar ist, wie Maria sagt?

Thea­ter (2. Sze­ne): Lied der Maria „Be born in me“

Grund­ein­stel­lung: Sie ist hin und her geris­sen zwi­schen Glau­be und Zwei­fel. Die­ses nahe unfass­ba­re Erleb­nis der Got­tes Nähe bringt sie zum Stau­nen und ver­setzt sie in Ehr­furcht, aber die Aus­wir­kun­gen, die Zwei­fel ihrer Fami­lie und ihres Ver­lob­ten las­sen sie zwei­feln, viel­leicht sogar ver­zwei­feln. Letzt­lich hält sie jedoch an Gott fest und auch Joseph nähert sich ihr wie­der. Sie geht wäh­rend des Lie­des auf der Büh­ne und vor dem Stall auf und ab, zum Ende des Lie­des bleibt sie dicht vor Joseph ste­hen. Die­ser nimmt sie nach einem Augen­blick in den Arm und sie gehen gemein­sam in den Stall.

Text: Maria spricht nicht, sie singt aus­schließ­lich die Über­set­zung von „Be born in me“.

Infos zum Thea­ter­stück: Maria und Joseph sind auf der Rei­se, haben nur noch einen Stall als Unter­kunft für die Nacht gefun­den – die Nacht, in der Maria ihren Sohn zur Welt bringt.

Du wirst ein Kind

Stro­phe 1: Alles in mir sucht nach Halt und Ord­nung. Alles in mir will am liebs­ten fort. Ist der Schat­ten dort ein Krie­ger oder Engel? Wenn Go􀋄 mir gnä­dig ist, woher kommt dann mei­ne Angst? Bit­te lass das alles nur ein Traum sein oder gib mir eine neue Sicht. Und noch bevor mein Kopf ver­steht, weiß mein Herz dass es geht. Hei­li­ger Gott! So seg­nest du mich!

Cho­rus: Und wirst ein Kind! Du wirst mein Kind! Unglaub­lich, doch es ist wirk­lich wahr: Hast mich erwählt! Des­we­gen trag ich dich am Anfang. Und du trägst mich bis zum Schluss. Und mein gan­zes Leben lang halt ich dich in mei­nem Her­zen. Du wirst mein Kind.

Stro­phe 2: Die­sen Tag erwar­ten wir seit lan­gem. Wer wuss­te, dass du mich dafür gebrauchst? Woll­test du das alles wirk­lich ganz genau so? Damit wir sehn, wie dei­ne Lie­be ist.

Cho­rus: s.o.

Bridge: Ich hab kaum Mut. Hat­te ihn nie. Ein off­nes Herz ist das Ein­zi­ge, was ich bie­ten kann. Bin eine Frau. Nicht viel mehr. Ich bin bereit. Ich bin Dein.

Cho­rus: s.o.

M: Fran­ce­s­ca Bat­tistel­li | T: Andre­as Scheuermann

Verkündigung (1. Teil): Die Geschichte dieser Nacht

Heu­te Abend habe ich eine schö­ne Auf­ga­be, lie­be Gäs­te bei Greif­Bar. Ich darf Ihnen die Geschich­te erzäh­len, die Geschich­te von jener hei­li­gen Nacht, die Geschich­te, die wir hier gera­de auf der Büh­ne sehen konn­ten. Die Geschich­te von die­sem Paar: Maria heißt sie, Josef er, ein­fa­che Leu­te, nichts Besonderes.

Sie hat­ten sich auf eine Rei­se gemacht. Nicht ganz frei­wil­lig. Sie leb­ten zu einer Zeit, als der römi­sche Kai­ser der mäch­tigs­te Mann auf Erden war. Und die­ser mäch­tigs­te Mann auf Erden befahl und alle gehorch­ten. Er befahl eine Art Volks­zäh­lung. Eine Art Volks­zäh­lung, denn wahr­schein­lich ging es eher um Erfas­sung der Steu­er­zah­ler als um Sta­tis­tik und Demo­gra­fie. Das Ver­fah­ren war ein biss­chen umständ­lich. Augus­tus – so hieß die­ser römi­sche Kai­ser – woll­te, dass sich jeder regis­trie­ren, also in die Steu­er­lis­te ein­tra­gen lie­ße, aber in der Stadt oder in dem Dorf, in dem er gebo­ren wor­den war. Ich weiß nicht, ob das den Tou­ris­mus ankur­beln soll­te; jeden­falls lös­te es eine gewal­ti­ge Rei­se­wel­le aus. Man stel­le sich das Cha­os vor, auch ohne Deut­sche Bahn und kaput­te Auto­bah­nen. Jeden­falls war es nicht ein­fach, noch ein Quar­tier zu finden.

So ging es auch unse­rem Pär­chen. Auch Maria und Josef waren unter­wegs: Aus Naza­reth im Nor­den des Lan­des kamen sie, Beth­le­hem im Süden war ihr Ziel. Und auch dort war man tou­ris­tisch völ­lig über­for­dert. Es gab kein ein­zi­ges frei­es Bett mehr. Josef und Maria klopf­ten an alle Türen – ohne Erfolg. Am Ende hat­ten sie Glück, ein Wirt hat­te zwar kein frei­es Zim­mer, aber etwas Mit­ge­fühl. Ein biss­chen. Er ließ sie beim Vieh im Stall übernachten.

Eins muss man noch wis­sen: Maria war schwan­ger. Und da wird die­se all­täg­li­che Geschich­te klei­ner Leu­te geheim­nis­voll. Es ist näm­lich für Josef schwer zu schlu­cken, was sei­ne Braut ihm da erzählt. Ein Kind erwar­tet sie? Schwan­ger ist sie? O.k., irgend­wann ist es nicht zu über­se­hen. Aber er weiß sofort: Ich war das nicht!

Maria aber erzählt etwas Merk­wür­di­ges, etwas, das Josef nicht wirk­lich fas­sen kann. Die­ses Kind, das sie unter dem Her­zen trägt, kommt von Gott. Die­ses Kind, das sie unter dem Her­zen trägt, ist der, nach dem sich die Men­schen so lan­ge schon seh­nen: ein Ret­ter und Hel­fer, einer, der fer­tig wird mit dem Dunk­len und Bösen. Mit dem Dunk­len und Bösen in uns und um uns her­um. Die­ses Kind trägt dar­um gro­ße Namen: Imma­nu­el, das heißt: Gott bei uns. Und Jesus, jüdisch Jeschua, das heißt: Der Herr hilft, der Herr rettet.

Die­se Geschich­te ist gro­ßes Kino. Eigent­li­ches eine all­täg­li­che Sto­ry von klei­nen Leu­ten in schwe­ren Zei­ten. Wir hät­ten nie davon gehört. Sie wäre längst ver­ges­sen. Wenn nicht! Wenn nicht ein Zau­ber über die­ser Geschich­te läge. Dar­um ist sie gro­ßes Kino.

Und dar­um bin ich so dank­bar, dass ich die­se Geschich­te hier und heu­te erzäh­len darf. Eine Geschich­te, die über­all auf der Welt in die­sen Tagen wie­der und wie­der erzählt und vor­ge­le­sen wird. Auch ich habe sie schon so oft erzählt. Ich habe sie mei­nen Kin­dern erzählt und wer­de sie mei­nen Enkeln vor­le­sen. Ich habe sie Jun­gen und Alten in der Kir­che erzählt. 

Ein­mal habe ich sie an einem sehr stil­len Abend in einer Kin­der­kli­nik erzählt. Es war so still an die­sem Abend, weil nur noch die Kin­der in der Kli­nik waren, die beim bes­ten Wil­len über Weih­nach­ten nicht nach Hau­se durf­ten. Zu ihnen bin ich noch ein­mal gegan­gen am Hei­li­gen Abend, in die stil­le Kli­nik. Und ich dach­te: Hier gehört sie hin. Die Geschich­te von der gro­ßen Lie­be, die in einem klei­nen Kind zur Welt kommt, die Geschich­te von einem Ret­ter, den Gott aus dem Him­mel auf die Erde sen­det, und nicht nur auf die Erde, son­dern an die Orte, an denen es dun­kel ist, arm, stin­kend, weh­mü­tig, ein­sam, ängst­lich, viel­leicht ster­bens­krank. Da muss es erzählt wer­den. Da sol­len klei­ne Leu­te, bei denen es fins­ter ist, ein hel­les Licht sehen. Denn Gott hat eine Mis­si­on: Wo es schwer ist, da muss er hin. Wo arme klei­ne Leu­te sind, da will er da sein. Ihr seid nicht allein: Imma­nu­el – Gott ist bei euch. Ihr seid nicht ver­lo­ren: Jesus, Jeschuah, der Herr kommt als Hel­fer und Ret­ter in eure klei­ne Welt.

Aber wir sind noch gar nicht am Ende. Noch sind gar nicht alle auf der Büh­ne erschie­nen, die damals dabei waren. Da ist noch eini­ges zu erzäh­len. So viel darf ich ver­ra­ten: Vor­neh­mes Volk wird auch jetzt nicht erschei­nen. Wer wird wohl kom­men, um das Kind zu begrü­ßen und den Eltern Glück zu wün­schen? Wer wird als ers­ter die­sem Baby in die Augen schau­en und spü­ren: Das ist alles ande­re als irgend­ein Kind, hier pas­siert mehr als wir je zu hof­fen wag­ten? Wer wird es sein? Köni­ge? Rei­che Guts­her­ren? Die wis­sen­schaft­li­che Éli­te? From­me Pries­ter? Oder geht das etwa so wei­ter mit den klei­nen Leu­ten in einer gro­ßen Geschich­te? Aber schau­en Sie selbst …

Thea­ter (3. Sze­ne): Die Hirten

Grund­ein­stel­lung: Die drei Hir­ten sind ein­fa­che, lus­ti­ge und nah­ba­re Gesel­len. Sie sind Gott fern, zwei­feln viel­leicht nicht an sei­ner Exis­tenz, glau­ben aber auch nicht, dass sie als ein­fa­che Hir­ten viel von ihm zu erwar­ten haben. Den­noch wagen sie es mutig und nur mehr oder weni­ger ent­schlos­sen, der Ein­la­dung der Engel zu folgen.

H1: Leu­te! (lau­tes Pfei­fen) Das glaubt ihr nicht! Ich habe Engel gesehen!

H2: Stimmt – glaub ich nicht.

H3: Du spinnst ja.

H2: Na das ist ja nichts Neues.

H1: Aber sie waren da! Ganz vie­le, und sie haben gesun­gen und sahen echt krass aus! Und sie hat­ten eine Bot­schaft für uns!

H2: Für uns?

H3: Und die Bot­schaft lau­tet: Trin­ke den Kräu­ter­li­kör nicht ohne dei­ne Kol­le­gen aus?

H1: Jetzt hört mir doch mal zu! Ich mei­ne es ernst! Und getrun­ken habe ich übri­gens nichts, hier die Fla­sche ist noch voll! (drückt ihm die Schnaps­fla­sche in die Hand)

H2: Tat­säch­lich!

H1: Also die Bot­schaft lau­tet wie folgt: Wir brau­chen kei­ne Angst haben. Es gibt einen gro­ßen Grund zu jubeln und das gan­ze Volk wird mit Freu­de erfüllt wer­den. Heu­te Nacht ist Gott selbst in einem Kind auf die Welt gekom­men um uns zu ret­ten. Was sagt ihr jetzt?

H2: Immer noch, dass du spinnst.

H3: Das ist so abge­fah­ren, das hät­te ich dir gar nicht zugetraut.

H1: Leu­te, ich bin auch völ­lig baff, aber wir müs­sen dahin! Wenn da auch nur ein Fünk­chen Wahr­heit dran ist, will ich das sehen! – kur­ze Stille –

H2: Hm. Ange­nom­men, du hast Recht… War­um soll­ten dann aus­ge­rech­net WIR ein­ge­la­den wer­den, um Gott auf der Erde zu begrü­ßen? Ich mei­ne, soll­ten nicht eher die reli­giö­sen Ham­pel da sein? Wir sind – falls du es ver­ges­sen hast – HIRTEN! Wir sind nicht die, die stän­dig beten oder die hei­li­ge Schrift lesen!

H3: Ich kann nicht mal lesen.

H2: War­um soll­ten WIR ein­ge­la­den wer­den? Wir – die wir Gott noch nie etwas gege­ben haben und auch jetzt nichts zu geben haben.

H1: Ich weiß es auch nicht … Aber etwas in mir sagt, dass wir nichts zu ver­lie­ren haben, wenn wir uns ein­fach mal auf den Weg machen. Ich weiß auch nicht, viel­leicht ist Gott ja auch ganz anders, als wir immer dachten…

H2 & H3 gucken sich an, zucken schließ­lich mit den Schultern.

H2: Hat er dir denn auch gesagt wo?

H1: Folgt mir.

Sie machen sie auf den Weg.

Lied zum Mit­sin­gen: Kom­met ihr Hir­ten Thea­ter (4. Szene):

Der Gast­wirt

Grund­ein­stel­lung: Der Gast­wirt ist Gott total fern und bleibt das auch, er kann ein­fach nicht glau­ben, was sich direkt vor sei­nen Augen abzu­spie­len scheint – und er will es auch nicht. Den­noch ist er hin- und her­ge­ris­sen zwi­schen sei­nem ent­schlos­se­nen Nicht­zwei­fel und der Neu­gier, was da denn wirk­lich los ist (viel­leicht Anknüp­fung für unse­re Gäs­te, schließ­lich sind sie auch hier in die­ser Ver­an­stal­tung – aus Neu­gier? Auch wenn sie schon sicher sind, dass der christ­li­che Glau­be nichts für sie ist). In dem Gast­wirt wird Sehn­sucht geweckt, der er aber nicht nach­geht, er bleibt mit sei­ner Later­ne außer­halb des Stal­les ste­hen, dem er sich vor­her nur wenig und zurück­hal­tend genä­hert hat.

Das ist doch wirk­lich eine sehr selt­sa­me Nacht. Mein Gast­haus ist bis auf den letz­ten Win­kel aus­ge­bucht, alles voll – und dann kommt die­ses jun­ge Paar, sie hoch schwan­ger und schon mit Wehen – naja da woll­te ich sie auch nicht gänz­lich abwei­sen, also habe ich ihnen den Stall ange­bo­ten. Immer­hin ein Dach über dem Kopf und zwi­schen Ochs und Esel ist es auch schön warm. Das in unse­rem ein­fa­chen Stall mal ein Kind gebo­ren wird, das hät­te ich auch nicht gedacht! (lacht).

Aber irgend­wie also ich weiß auch nicht, irgend­was ist selt­sam an die­ser Nacht… Es ist fast als ob Frie­den und Wär­me aus dem Stall strö­men wür­de – aber das ist natür­lich völ­li­ger Quatsch! Frie­den aus einem stin­ken­den Stall! (lacht künst­lich) Und dann kamen auch noch Hir­ten zu Besuch, die sind da immer noch drin! Viel­leicht ist der Vater ja auch Hir­te, hm aber so sah er eigent­lich gar nicht aus – mehr nach einem Hand­wer­ker – nie­mand der bei Wind und Wet­ter drau­ßen steht. 

Was machen die Hir­ten da bloß? Und was um alles in der Welt mache ich hier eigent­lich? Säus­le von Frie­den und Wär­me und das in die­ser kal­ten Nacht, wo ich ins Gast­haus zurück­keh­ren und mich um die Gäs­te küm­mern soll­te! Was wäre, wenn ich auch anklop­fe? Ich könn­te mich ver­ge­wis­sern, dass alles ganz nor­mal ist – und mei­ne Glück­wün­sche aus­rich­ten. (nähert sich dem Stall bis auf sei­ne Stand­bild-Posi­ti­on) Ach so ein Quatsch – ich gehe da nicht rein, da ist nichts mit Frie­den und Wär­me, ich glau­be schließ­lich nicht an irgend­was Übernatürliches!

Verkündigung (2. Teil): „Seien Sie mutiger als der Gastwirt!“

Zwei Gedan­ken möch­te ich mit Ihnen tei­len, nur zwei kur­ze Gedan­ken zu die­ser gro­ßen alten Geschich­te. Es geht um das Geheim­nis von Weih­nach­ten. Es geht zwei Mal um Nähe und Fer­ne, aber auf unter­schied­li­che Weise.

Gott kommt nah

Nähe und Fer­ne. Wir ken­nen das aus unse­rem eige­nen Leben. Fer­ne zu Men­schen, die wir lie­ben, tut weh. Nähe tut gut. Wenn wir fern sind, seh­nen wir uns nach Nähe. Wenn wir nah sind, spü­ren wir die Verbindung.

Natür­lich gibt es auch das: Zuviel Nähe, die anstren­gend wird, die dank­ba­re Erleich­te­rung, wenn der ande­re auch wie­der abreist. Aber irgend­wann stellt es sich wie­der ein, das nagen­de Seh­nen nach Nähe.

Und dann tun wir viel, um nah zu sein. Wir stür­zen uns in den Weih­nachts­ver­kehr, wir set­zen uns in über­füll­te und über­hitz­te Züge. Wir war­ten auf zugi­gen Bahn­hö­fen. Wir zit­tern, ob Bahn und Gewerk­schaft sich noch eini­gen. Oder strei­ken und unse­re Rei­se ver­ei­teln. Wir fah­ren wei­te Stre­cken. Wir tun es, weil wir nah sein wol­len, nah bei denen, die wir lieben.

Manch­mal neh­men Men­schen noch mehr auf sich, um da zu sein, wo ihre Lie­be sie hin­zieht. Sie neh­men gro­ße Stra­pa­zen auf sich, sie ver­zich­ten auf vie­les Ange­neh­me, die opfern ein gro­ßes Stück ihres Lebens, nur um nah zu sein, nah bei denen, die es brauchen.

Ich hör­te vor eini­ger Zeit von einer jun­gen Mee­res­bio­lo­gin, die nach dem Stu­di­um kei­ne ange­neh­me aka­de­mi­sche Kar­rie­re wähl­te, son­dern auf eine ent­le­ge­ne Insel im indo­ne­si­schen Archi­pel ging, um dort gegen die Ver­schmut­zung des Mee­res mit Plas­tik­müll zu kämp­fen. Auf die­ser Insel gab es kei­ne Müll­ab­fuhr. Die Men­schen ent­lu­den ihren Müll ein­fach im Meer. Die jun­ge Wis­sen­schaft­le­rin ertrug den Gedan­ken nicht, wie Mensch und Natur lei­den, sie zog auf die Insel, ließ hier alles zurück, führ­te dort ein Leben unter schwie­ri­gen Bedin­gun­gen, weil sie nicht nur mit Büchern, son­dern mit dem Leben etwas bewir­ken woll­te für das, was sie liebte.

Noch dras­ti­scher ist die Geschich­te der jüdi­schen Sozia­lis­tin Simo­ne Weil aus Frank­reich, die zum Glau­ben an Jesus gefun­den hat­te. Sie kämpf­te in der Résis­tance gegen die Nazis, saß eine Wei­le im Gefäng­nis, konn­te dann mit ihren Eltern ins Exil nach Ame­ri­ka flie­hen. Aber sie ertrug es nicht, fern zu sein von ihrem lei­den­den Volk. Sie woll­te unbe­dingt zurück nach Frank­reich. Kos­te es was es wol­le. Sie gewöhn­te sich an, nicht mehr zu essen, als die ver­folg­ten Juden in der Hei­mat wohl zu essen hät­ten. Sie ver­such­te alles, um wie­der in die Hei­mat zu kom­men, woll­te sogar mit dem Fall­schirm über Frank­reich absprin­gen. Sie kam nur bis nach Eng­land. Dort starb sie, nur 34 Jah­re alt, am Hun­ger und an der Tuber­ku­lo­se. Simo­ne de Beau­voir sag­te über sie: „Ich benei­de­te sie um ein Herz, das imstan­de war, für den gan­zen Erd­kreis zu schlagen.“

Bei­de Geschich­ten zei­gen etwas von der Lie­be, die kei­ne Fer­ne erträgt und um jeden Preis die Nähe sucht. Und das, genau das ist das Geheim­nis die­ses Babys, das in einem stin­ken­den, kal­ten, dre­cki­gen Stall liegt. Die­ses Baby brüllt die Bot­schaft in die Welt hin­aus: Gott im Him­mel erträgt es nicht, uns nicht nah zu sein. Gott im Him­mel ver­zich­tet lie­ber auf alles, was ihm an Grö­ße und Macht zusteht, als dass er fern von uns bleibt.

Man­che Reli­gio­nen sagen: Gott ist über­all. Gott ist in allen Din­gen und Wesen. Jesus ist gött­lich? Klar, wir alle sind gött­lich! Alles ist von Gott erfüllt. Ande­re Reli­gio­nen sagen: Gott ist unend­lich erha­ben. Gott ist im Him­mel, und wir sind auf Erden. Der Abstand ist unend­lich. Gott bei uns? Undenk­bar! Weih­nach­ten sagt: Gott im Him­mel, der Schöp­fer, Herr und Rich­ter, der so ganz anders ist, kommt zu uns. Der von ganz oben kommt nach ganz unten. Was Simo­ne Weil im Klei­nen war, ist Gott im Gro­ßen und Unend­li­chen: ein Herz, das imstan­de ist, für den gan­zen Erd­kreis zu schla­gen. Mehr noch: ein Herz, das imstan­de ist, für jeden noch so unbe­deu­ten­den Erden­bür­ger zu schla­gen – für Sie und für mich. Jeden einzelnen.

Sie kön­nen sich das auch so vor­stel­len: Neh­men Sie alles, was man sich nur wün­schen könn­te: unend­li­che Freu­de, die Macht, alles Gute zu bewir­ken, Frei­heit, tota­ler Frie­den. Neh­men Sie alles weg, was man nur zu ger­ne los wäre: Schmerz, Kon­flikt, Leid, Ein­schrän­kung, Tod. Wo Gott zu Hau­se ist, da ist alles da, was wir uns nur wün­schen kön­nen. Wo Gott her­kommt, da ist alles über­wun­den, was wir nur zu ger­ne los wären. Und jetzt den­ken Sie an jeman­den, der alles hat, was wir uns nur wün­schen könn­ten, und der frei von allem ist, was wir nur zu ger­ne los wären. Und die­ser jemand sagt: Ich ver­zich­te jetzt auf die­ses wun­der­ba­re Dasein, mit allem, was ich habe, frei von allem, was schwer und schlimm ist. Ich ver­zich­te dar­auf, wenn ich nur die Nähe derer gewin­ne, die ich lie­be, für die ich da sein will. Die­ser Jemand ist Jesus. Die­ser Jemand ver­zich­tet auf alles, weil er auf uns, weil er auf Sie und mich nicht ver­zich­ten kann. Jesus will nah sein, nicht fern.

Wenn das aber so ist, dann ist in die­sem Stall für uns geball­te Lie­be. Dann ist da ein star­ker Wil­le uns bei­zu­ste­hen. Dann ist da Gna­de mit uns. Dann sagt eine Stim­me: Hier bist du will­kom­men. Hier brauchst du nicht erst ein bes­se­rer Mensch zu wer­den. Hier ist Hil­fe und Bei­stand für dein armes Dasein. In die­sem Stall ist geball­te Lie­be. Gott ganz nah. Gott ganz klein, so dass wir uns nicht fürch­ten müs­sen. Im Klei­nen aber ganz Gott, so dass wir auf Hil­fe, auf Gna­de, auf Zuwen­dung hof­fen dür­fen. Wenn das so ist, dann birgt die­ser Stall das größ­te Geheim­nis auf Erden. Wenn das so ist, dann ist Weih­nach­ten zu Recht das größ­te Fest, das wir fei­ern kön­nen. Dann kön­nen wir gar nicht genug stau­nen, uns berüh­ren las­sen, auf die Knie fal­len und betrach­ten. Wie aber fin­den wir her­aus, ob es so ist?

Wie Menschen mit Gottes Nähe umgehen…

Dazu gibt es einen zwei­ten Gedan­ken. Nähe und Fer­ne. Das sind die Men­schen in unse­rer Geschich­te. Ich weiß nicht, wen Sie am inter­es­san­tes­ten fin­den oder am sym­pa­thischs­ten. Man hat ja so sei­ne Lieb­lings­fi­gu­ren in jeder Geschich­te. Das sind die Figu­ren, mit denen wir uns am leich­tes­ten iden­ti­fi­zie­ren. Wer ist das wohl in die­ser Geschich­te? Der schweig­sa­me, aber loya­le Joseph, das Mus­ter eines pom­mer­schen Man­nes: nicht viel reden, aber das Rich­ti­ge tun? Auf alten Bil­dern sieht man, wie Joseph sei­ne Hosen aus­zieht und der Maria reicht, damit sie das Kind wickeln und wär­men kann. Oder die muti­ge Maria, die jun­ge Frau, ein hal­bes Mäd­chen noch, das mit ihrer über­ra­schen­den Schwan­ger­schaft klar­kom­men muss und sich so zur Ver­fü­gung stellt für die­ses wun­der­sa­me Kind? Oder die Hir­ten, die­se ein­fa­chen Leu­te, die gewiss nicht fürch­ter­lich fromm waren, aber sich dem Zau­ber die­ser Nacht ein­fach nicht ent­zie­hen konn­ten? Oder der Gast­wirt, der so stock­nüch­tern und reli­gi­ös unmu­si­ka­lisch ist, der drau­ßen vor der Tür steht, ein biss­chen schwan­kend, noch unent­schlos­sen, was er von all dem nun hal­ten soll? Mit wem kön­nen Sie sich iden­ti­fi­zie­ren, in wem fin­den Sie sich an die­sem Weih­nachts­fest 2018 wieder?

Kei­ne der Gestal­ten in die­ser Geschich­te bleibt unbe­rührt, kalt, neu­tral. Das war nicht mög­lich in der Nähe die­ses Stalls. Wenn wir in die Nähe die­ses Geheim­nis­ses kom­men, dass Gott nah kommt, für uns, nicht gegen uns, für uns, um zu ret­ten, bei­zu­ste­hen, zu lie­ben, zu hei­len, zu hel­fen, dann kön­nen wir nicht kalt oder nur neu­tral blei­ben. Aber wie wer­den wir uns ver­hal­ten? Wie Joseph und Maria, deren Leben fort­an um die­ses Baby krei­sen wird, wie die Hir­ten, in deren ein­fa­ches Leben plötz­lich ein Glanz kommt, oder wie der Gast­wirt, der irgend­wie irri­tiert wirkt, der nicht ein­fach zur Tages­ord­nung über­geht, aber nicht den Schritt über die Schwel­le wagt?

Der Gast­wirt hat es mir ange­tan. Er hat so viel von den Men­schen in die­ser Gegend. Auch er ist nicht sehr red­se­lig. Er hat kei­ne from­me Bio­gra­phie. Das Glau­ben ist ihm eher fremd. Er ist ein nüch­ter­ner Mensch, der irgend­wie klar kom­men will. Er ist kein aus­ge­spro­che­ner Gut­mensch, aber wenn er Not sieht, hat er ein Herz und tut, was mög­lich ist, und wenn es sein Vieh­stall für ein schwan­ge­res Paar auf Durch­rei­se ist. Und jetzt steht er da, hört Din­ge, die er viel­leicht so noch nie zu hören bekam. Von Gott. Gibt es Gott? Woher soll­te ich das wis­sen? Von Got­tes Nähe. Von Got­tes Sehn­sucht nach uns. Von Got­tes Hilfs­be­reit­schaft und Groß­zü­gig­keit. Von einem Kind, von Gott, der im wahrs­ten Sinn des Wor­tes zur Welt kommt. Und es zieht ihn – rein und raus. Rein, denn was wäre denn, wenn es stimm­te, was wäre, wenn all das Reden von Lie­be und Gna­de wahr wären? Gott! Hei­mat, aus der wir kom­men. Hil­fe, die uns trägt. Ziel­ha­fen unse­res Daseins! Aber zugleich zieht es ihn – raus, denn er ist ein nüch­ter­ner, ein skep­ti­scher Mensch. So steht er vor der Tür, nicht drin­nen beim Kind, aber in der Nähe der Tür. Ist das der Ort, an dem Sie ste­hen? In der Nähe der Tür? Heu­te Abend?

Dann ist das mei­ne Bit­te: Stel­len Sie sich das inner­lich vor. Gott, der es nicht ertrug, fern zu sein, der lie­ber alles auf­gab, nur um zur Welt zu kom­men. Und Sie selbst, nur ein paar Schrit­te vom größ­ten Geheim­nis der Welt ent­fernt. Wie wäre es, einen Schritt näher zu tre­ten? Das Geheim­nis zu betrach­ten. Zu unse­ren Weih­nachts­tra­di­tio­nen gehö­ren die Krip­pen. Auf dem Weih­nachts­markt, in vie­len Häu­sern, auf Bil­dern im Muse­um, in Büchern. Immer die­se Sze­ne, mit die­sen Men­schen und in der Mit­te dem Kind, einem Neu­ge­bo­re­nen, das ein selt­sa­mes Licht umgibt, leuch­tend und warm. Und dann neh­men Sie die­sen Gedan­ken mit: Gott kommt, weil er liebt. Was wür­de es bedeu­ten, wenn ich das wüss­te, anneh­men könn­te: Mich auch. Für mich auch. In mei­ner Nähe. Lei­den­schaft­li­che Zunei­gung zu mir. Wer auch immer ich bin. Wie wäre es, sich ein wenig zu öffnen? 

Gott, der nicht fern ist, kann man anspre­chen. Gott, der nah kam, kann um Hil­fe gebe­ten wer­den. Gott, der uns fin­det, kann man auf­su­chen. Viel­leicht in den Weih­nachts­got­tes­diens­ten. Und dann ste­hen wir an jener Krip­pe, wie Gene­ra­tio­nen vor uns, wie Men­schen auf der gan­zen Welt heu­te. Und dort wer­den wir froh. Es wäre ein ein­zi­ger Schritt für unse­ren Gast­wirt. Ein Schritt in die Nähe des­sen, der nah kam. Es wäre ein ein­zi­ger Schritt für uns. Ein klei­nes ers­tes Gebet: Jesus, geheim­nis­vol­les Kind in einer Krip­pe, lass mich ver­ste­hen und emp­fin­den, was damals die Men­schen im Stall erleb­ten: Got­tes Nähe und Lie­be und das eige­ne Leben im Licht, von Got­tes Nähe und Lie­be umfan­gen, getra­gen, erfüllt mit Lie­be und Hoffnung.

Amen.

Band: Ich steh an dei­ner Krip­pe hier

Schluss­mo­de­ra­ti­on: Gastwirt

Mei­ne lie­ben Gäs­te ich hof­fe Sie haben den Abend mei­nem Gast­haus bis­her genie­ßen kön­nen. Und ich den­ke Sie konn­ten sich selbst ein Bild über die­se denk­wür­di­ge Nacht machen, die sich hier vor eini­gen Jah­ren ereig­ne­te. Aber zu so einem Abend wie heu­te darf natür­lich ein gutes Essen nicht feh­len! Las­sen Sie uns noch kräf­tig ein gemein­sa­mes Lied sin­gen und dann sind Sie alle herz­lich ein­ge­la­den – heu­te geht alles aufs Haus.

Hat Ihnen die Pre­digt gefal­len? Wei­te­re Pre­dig­ten von Micha­el Herbst fin­den Sie in unse­rem Weih­nachts­pa­ket 2024. Die­ses kön­nen Sie ent­we­der für sich selbst erwer­ben oder an eine ande­re Per­son verschenken.

Wir wün­schen Ihnen und Ihrer Fami­lie ein fro­hes und geseg­ne­tes Weihnachtsfest!


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Dorothea Weiland

Über den Autor

Dorothea ist Übersetzerin und evangelische Theologin. Nach zwei Jahren als Jugendreferentin in der württembergischen Landeskirche arbeitet sie nun im Bereich Content bei Logos und kümmert sich unter anderem um den deutschen Logos-Blog.
Sie liebt Kaffee, Fußball, Spaziergänge, Bücher und Reisen.

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