Wer kennt das nicht – die nächste Predigt steht an und man weiß immer noch nicht, über welchen Text man sprechen soll?! Ich persönlich habe schon Stunden damit zugebracht, um einen Text zu beten und lange in der Bibel hin- und herzublättern, bis ich mich endlich für eine Passage entscheiden konnte.
Nicht selten habe ich mich darüber geärgert, mit der Textsuche so viel Zeit „vergeudet“ zu haben. Deshalb ist die Frage sehr entscheidend für mich: „Wie finde ich den richtigen Predigttext“? Die folgenden Antworten helfen mir, meinem nächsten Predigttext auf die Spur zu kommen.
Inhalt
1. Predigen Sie fortlaufend durch biblische Bücher
Mir ist bewusst: Kleinere Gemeinden sind auf Gastprediger angewiesen. Denen kann man in der Regel nicht vorschreiben, über welchen Text Sie predigen sollen. Sie nehmen gewöhnlich das, was Sie in ihrer eigenen Gemeinde am Sonntag zuvor gepredigt haben.
So kann es vorkommen, dass die Zuhörer einer kleineren Gemeinde während eines Monats über den geistlichen Zustand von bestimmten Königen Israels nachdenken, sich mit den Haustafeln des Paulus beschäftigen und nach einem kurzen Ausflug in die Offenbarung schließlich Zeuge davon werden, wie Kain seinen Bruder Abel ermordet. Sicher, alle Begebenheiten sind Gottes Wort. Trotzdem fördert so ein Predigt-Potpourri nicht das zusammenhängende Verständnis von Gottes Handeln in der Geschichte.
Der Apostel Paulus sagt rückblickend den Ephesern: „Ich habe euch den ganzen Ratschluss Gottes verkündigt“. (Apg20,27) Ihm war es also wichtig, biblische Zusammenhänge zu zeigen. Mit zusammenhanglosen Predigten kann man dieses Ziel nicht erreichen.
Deshalb ist es wichtig, zusammenhängend zu predigen. Also, Textabschnitt für Textabschnitt eines biblischen Buches nacheinander zu predigen. Entweder man predigt allein durch das jeweilige Buch und predigt dann dort weiter, wo man das letzte Mal aufgehört hat. Oder mehrere Verkündiger teilen sich ein biblisches Buch auf, um darüber zu predigen.
Dann ist es wichtig, zuvor einen Predigtplan zu machen, in dem festgehalten wird, an welchem Sonntag über welchen Textabschnitt gepredigt wird. Dieser Plan hilft, sich in der Vorbereitung mit dem Text selbst beschäftigen zu können und seine Zeit nicht damit verbringen zu müssen, nach einem Text zu suchen. Jemand sagte einmal: „Wenn du unsicher bist, worüber du am Sonntag predigen sollst, brauchst du nur ein Gemeindemitglied anzurufen. Dieses Mitglied wird auf den Predigtplan schauen und dir sagen, über welchen Text du predigen darfst“.
Wir sollten es uns angewöhnen, fortlaufend zu predigen, weil Gott uns die Bibel nicht als Themenindex gegeben hat. Gott hat uns die Bibel als fortlaufenden Text gegeben. Die Bibel ist keine Sammlung von Versen, sondern eine Sammlung von Büchern. Deshalb sollten wir diese Bücher auch in ihrem inneren Zusammenhang verkündigen.
Außerdem hilft eine fortlaufende Verkündigung, nicht immer wieder dieselben Hintergrundinformationen geben zu müssen. Diese Informationen werden gewöhnlich bei dem Beginn einer Predigtserie gegeben und müssen deshalb nicht unnötig wiederholt werden.
Wer fortlaufend predigt, fördert das Verständnis für biblische Zusammenhänge und zeigt der Gemeinde, wie wichtig der unmittelbare Kontext und der Kontext des Buches ist, um den Predigtabschnitt tiefer zu verstehen. Zudem fordert ein Predigtplan den Verkündiger heraus, über Themen zu sprechen, die viele Prediger gerne umgehen.
Wer zum Beispiel den 1. Korintherbrief als Textgrundlage nimmt, muss u. a. sprechen über sexuelle Verirrung in der Gemeinde, Gemeindeausschluss, grundsätzliches darüber, wen man heiraten kann, Geistesgaben und Geistestaufe, Sprachenrede und Umgang mit Zweifel an der Auferstehung Jesu Christi. Dieses Beispiel macht deutlich, dass fortlaufende Textpredigten verhindern, einseitig zu werden.
So hilfreich ein Predigtplan auch ist, er sollte nicht die Flexibilität einschränken, auch über die Themen predigen zu können, die in der Gemeinde im Moment sehr aktuell sind. Deshalb lassen wir als Gemeinde in unserem Predigtplan immer wieder Freiräume, um an diesen Sonntagen über frei wählbare Themen reden zu können. Das bringt uns zu der Frage, wie man auf die einzelnen Themen kommt, über die man predigen sollte. Hierauf gibt es verschiedene Antworten.
2. Beten Sie dafür, dass Gott Sie durch sein Wort anspricht
Nur eine Fackel, die brennt, kann andere anzünden. Wenn mir etwas in meiner persönlichen Zeit mit Gott wichtig geworden ist, kann ich es anders vermitteln, als wenn ich über einen Text spreche, zu dem ich keinen Bezug habe. Deshalb kann ich das, worin Gott mich angesprochen hat, zum Predigtthema machen. Das setzt aber voraus, dass ich regelmäßig meine Bibel lese.
Auch wenn ich zunächst keinen Zugang zu bestimmten Texten habe, kann ich beten: „Herr, öffne meine Augen, damit ich schaue die Wunder aus deinem Gesetz“. (Ps 119,18) Wer am Gebet spart, gewinnt keine Zeit für die Vorbereitung! Ich bin darauf angewiesen, dass Gott mir sein Wort offenbart. Die Bibel ist kein bloßes Geschichtsbuch, sondern das Wort Gottes. Deshalb gilt: „Der Mensch kann nichts nehmen, wenn es ihm nicht vom Himmel gegeben ist“. (Joh 3,27 LUT) Gott muss mir einen Zugang zu dem Text schenken. Deshalb muss ich Zeit im Gebet mit Gott und mit dem Text verbringen, der zum Predigttext werden soll.
3. Behalten Sie Ihre Zuhörer im Blick
Als Verkündiger sollten wir nicht zu der Sorte Menschen gehören, die durch die Predigt Fragen beantworten, die überhaupt nicht die Lebenswirklichkeit der Zuhörer betreffen. Deshalb ist eine wichtige Frage, um sein Thema zu finden: Was ist für uns als Gemeinde jetzt wichtig? In welcher Lebenssituation stehen viele Zuhörer?
Daraus ergeben sich manche Themen. Eine meiner Leitfragen dabei ist: Wo in der Bibel haben Christen eine ähnliche Situation erlebt und wie sind sie damit umgegangen? Eine Gemeinde, die Älteste einsetzen will, sollte sich unbedingt mit dem 1. Timotheusbrief beschäftigen, der dieses Thema behandelt.
Wenn viele Zuhörer ungerecht behandelt werden, sind Texte aus dem 1. Petrusbrief hilfreich, mit denen Petrus Zuhörer in einer schweren Lebenssituation tröstet. Bei evangelistischen Veranstaltungen mit vielen Nichtchristen als Zuhörer eignen sich Texte aus den Evangelien hervorragend, um Gottes Wort in unseren Lebensalltag hineinsprechen zu lassen.
Sehr gut umgesetzt haben das Theo Lehmann und Ulrich Parzany. Es lohnt sich, Predigten von ihnen anzuhören und darauf zu achten, wie sie über Evangeliumstexte zeitrelevant predigen.
Was beschäftigt meine Zuhörer und was sagt Gott dazu? Das ist eine Frage, die mir hilft, Themen zu finden, die alltagsrelevant sind. Manchmal hat das auch mit dem Alter der Zuhörer zu tun. Umgang mit Sexualität, Erkennen von Gottes Willen und biblische Kriterien für Partnersuche sind Themen, die eher jüngere Leute beschäftigen. Umgang mit Schwachheit und schweren Lebenssituationen, sowie Bitterkeit sind mehr die Themen, mit denen ältere Menschen umgehen. Indem wir durch die Predigt auf relevante Themen antworten, machen wir den Zuhörern klar: Es lohnt sich zu fragen, was die Bibel zu der jeweiligen Lebenssituation sagt.
Manchmal ist es auch möglich, Themen der Tageszeitungen zu evangelistischen Predigtthemen zu machen. Hier ist allerdings viel Sensibilität erforderlich, um das Leid anderer Menschen nicht für die Predigt zu instrumentalisieren.
So könnte man die Predigt, in der über Himmel und Hölle gesprochen wird, mit dem Satz überschreiben: Wo ist Hugh Hefner jetzt? Das war der Gründer des Playboy-Magazins. Oder eine Predigt über Mt 16,26 könnte überschrieben sein mit: Wie kann man glücklicher als Jeff Bezos werden? Der Amazon-CEO ist einer der reichsten Männer der Welt. Allerdings sollten die Nichtchristen nicht erst lange bei Wikipedia nachschauen müssen, bevor sie mit den genannten Personen etwas anfangen können und den Predigttitel verstehen.
4. Interessieren Sie sich für Predigtthemen anderer Verkündiger
Es ist bekannt, dass der Evangelist Wilhelm Pahls eine Predigt von Werner Heukelbach kopiert und mehrmals gehalten hat. So muss man es nicht machen. Auch wenn Pahls mit dieser Predigt erlebt hat, dass Menschen zu Jesus umgekehrt sind. Doch ich empfinde es als hilfreich, im Internet bei anderen Gemeinden, die unserer ähnlich sind, zu schauen, mit welchen Predigtthemen sie sich beschäftigen. Auch zeitgemäße Buchtitel bei Amazon oder anderen Internethändlern können Inspirationen für eigene Predigtthemen liefern.
Ich finde es wichtig, regelmäßig Predigten anderer Verkündiger zu hören. Das prägt mein Denken und lenkt meine Gedanken so, dass die eine oder andere Predigt mir Ideen für die eigene Verkündigung gibt. Wer als Verkündiger regelmäßig gute christliche Literatur liest, wird darin ebenfalls eine Quelle der Inspiration finden, um Themen in der Predigt aufzugreifen, die ihn selbst angesprochen haben.
Zusammenfassend sei gesagt: Wer immer die Möglichkeit hat, einem Predigtplan zu folgen, der sollte das tun oder es in seiner Gemeinde vorschlagen. Das ist der beste Weg, um die Zuhörer nicht nur einseitig mit den Lieblingsthemen des Verkündigers zu ernähren.
„Welches Wort Gottes hilft meinen Zuhörern in der gegenwärtigen Situation?“, ist eine wichtige Frage für den Verkündiger, der nach einem Text sucht. Für alle Texte gilt: Bete darum, dass Gott dich selbst zu einem bestimmten Wort führt und dich damit anspricht. Das ist die Voraussetzung dafür, dass die Predigt nicht nur „Wahrheiten“ wiedergibt, sondern zu einer Botschaft wird, die das Herz der Zuhörer berührt und ihren Willen aktiviert, um Gottes Wort umzusetzen.
Oder man hält sich an die Perikopenordnung…
Sollte man auch in Betracht ziehen, wenn man eh über den tellerrand schaut bei anderen Verkündiger/innen.
@Jan: Danke für den Hinweis! Genau das ging mir auch durch den Kopf.
Dazu noch eine Anmerkung: Man kann über die vorgegebene Ordnung und auch über die Neuordnung der Perikopen, die in der evangelischen Kirche in diesem Jahr ansteht, denken, wie man will.
Für mich gibt es einen sehr großen Vorteil: Der Text wird mir vorgegeben. Das heißt, ich werde auch mit Themen und Texten konfrontiert, die mich selbst herausfordern. Ich predige nicht immer nur über meine „Lieblingsthemen”. Gott redet so auch zu mir selbst – als „erstem Predigthörer”…
Liebe Grüße
Uwe
Durch ganze Bücher, Gedankeneinheit für Gedankeneinheit zu predigen, halt ich ebenfalls als besonders Weise. Die Mitglieder der Ortsgemeinde werden dadurch selbst Mündig, sich aus dem Wort Gottes zu nähren und auch selbst zu Prüfen, was der Wahrheit entspricht.
Die Bibel pur vorlesen und nach 1. Korinther 14, 26 handeln, aber das traut sich keiner. Alle Gemeinden sind von Gott abgewichen, sie machen was sie wollen.
@u3857 kann ich nicht nachvollziehen, dass alle Gemeinden von Gott abgewichen sind und nur das machen, was sie wollen.
In der Tat gibt es leider Missbrauch von Autorität, Verbreitung von Irrlehren und Missbrauch von Gottes Wort. Allerdings sind nicht alle Gemeinden von Gott abgewichen. Gott selbst baut seine Gemeinde und versprach, dass diese unbedingt bestehen bleiben wird: „Und ich sage dir auch: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen, und die Pforten des Totenreiches sollen sie nicht überwältigen.” (Matthäus 16,18). Gott ist mächtig genug sein versprechen einzuhalten und seine Gemeinde zu erhalten.
Gott sendet seine Prediger aus, damit diese hingehen und Gottes Wort unverfälscht an die Menschen weitergeben. In 2 Timotheus 2,15 fordert Paulus seinen Mitarbeiter Timotheus auf: „Strebe eifrig danach, dich Gott als bewährt zu erweisen, als einen Arbeiter, der sich nicht zu schämen braucht, der das Wort der Wahrheit recht teilt.” Prediger sollten dadurch gekennzeichnet sein, dass sie 1. eifrig streben sich vor Gott zu bewähren, 2. dass sie arbeiten und 3. dass sie Gottes Wort recht teilen.
Thomas Powilleits Artikel hilft dem Prediger sich auf seine eigentliche Aufgabe zu konzentrieren und der Aufforderung von 2 Timotheus 2,15 gerecht zu werden. Vielen Dank Thomas für deinen wegweisenden Beitrag zu diesem Thema!
Meine Beobachtung zeigt, dass heute viele Christen einen echten Hunger auf das recht geteilte, ermutigende und sättigende Wort Gottes haben. Unterhaltung und Entertainment beflügeln die Gefühle für einen kurzen Augenblick, geben aber dem Leben keinen Halt und lassen die Seele leer und hungrig zurück. Möge dieser Artikel vielen Predigern neue Motivation geben, Gottes ganzen Ratschluss gemäß Apg 20,27 zu verkündigen.