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Die Zürcher Bibel von 1524 bis 2019
Die Zürcher Bibel ist ein Werk des Übersetzerkreises um Huldrych Zwingli. Die Arbeit setzte 1524 mit verschiedenen Ausgaben ein und wurde 1531 mit der sogenannten Froschauerbibel abgeschlossen. Mehrere Revisionen schlossen sich – wie auch bei der Lutherbibel – in den folgenden Jahrhunderten an. Eine grundlegend neue Übersetzung aus den hebräischen, aramäischen und griechischen Ursprachen erfolgte von 1907 bis 1931. Der nüchterne Sprachstil und die Orientierung an der Ausgangssprache („Nähe zum Urtext“) kennzeichnet die „Zürcher Bibel.“
Im Jahr 1984 beschloss die Synode der Evangelisch-reformierten Kirche Zürich, eine Neuübersetzung in Auftrag zu geben, um dem Sprachwandel durch die Jahrzehnte Rechnung zu tragen. Es sollte eine wissenschaftlich zuverlässige und sprachlich sorgfältige Übersetzung für die Gegenwart werden, die zugleich in Gottesdienst und Unterricht verwendbar sein sollte. Damit teilt die Zürcher Bibel viel mit der katholischen Einheitsübersetzung, die ebenfalls als eine einheitliche Übersetzung für Gottesdienst, Katechese und Religionsunterricht fungieren soll.
Die Zürcher Bibel – eine Herausforderung für die Übersetzenden
Dieses Konzept einer einheitlichen Übersetzung für viele Zwecke ist grundsätzlich zu begrüßen, stellt aber die Übersetzenden vor große Herausforderungen. Das Ziel ist eine zeitgemäße Übersetzung, die jedoch nicht an die Alltagssprache angepasst ist, weil auch die Bibel selbst keine Alltagssprache spricht, sondern religiöse Literatur ist. Eine überwiegend an der Ausgangssprache orientierte Übersetzung wird Mehrdeutiges nicht eindeutig machen, wird fremd Klingendes so klingen lassen, Schwieriges nicht vereinfachen und vor allem auch Erschreckendes (und davon ist die Bibel voll) nicht abmildern. In diesem Stil sind auch die deuterokanonischen Schriften übersetzt worden, die in der Ausgabe von 2019 erstmals beigefügt werden und nun auch in der Logos-Ausgabe zur Verfügung stehen.
Die stärkere Orientierung an der Ausgangssprache (gelegentlich auch missverständlich „Urtext“ genannt), die für die neue Einheitsübersetzung (2016) wie die Zürcher Bibel (2007/2019) gilt, soll heutigen Leserinnen und Lesern das Verständnis biblischer Texte ermöglichen, ohne eine bestimmte Interpretation zu favorisieren (falls eine solche „Neutralität“ überhaupt möglich ist). Der dadurch bedingte anspruchsvollere Sprachstil macht die biblischen Texte zugänglich als Texte, die aus einer vergangenen Zeit in die heutige Zeit hineinsprechen. Die Bibel kann so wahrgenommen werden als Grund-Urkunde christlichen Glaubens und als literarischer Text, der über den Alltag und das Alltägliche hinausweist.
Neue Features in der Zürcher Bibel: Einleitungen, Glossar, deuterokanonische Schriften
Die Ausgabe der Zürcher Bibel von 2019 (ZB 2019) enthält Einleitungen zu den einzelnen Büchern, ein Glossar und die deuterokanonischen Schriften, die als ganzes Buch vorliegen: Judit, Tobit, Baruch, Jesus Sirach, Weisheit Salomos, Erstes Buch der Makkabäer, Zweites Buch der Makkabäer. Die neuen Features, die auch in der Logos-Ausgabe der ZB 2019 enthalten sind, werden im Folgenden kurz besprochen.
Die deuterokanonischen Schriften
Die deuterokanonischen Schriften werden als eigener Block zwischen dem Ende des Corpus Propheticum mit der Maleachischrift und dem Beginn des Neuen Testaments mit dem Evangelium nach Matthäus eingefügt. Damit geht der seit der Lutherbibel in sehr vielen deutschsprachigen Ausgaben übliche Übergang von Maleachi zu Matthäus (und damit vom wiederkommenden Elija in Mal 3,23 zum Täufer Johannes in Mt 11,14) verloren.
Freilich ist dieser Übergang auch erst mit der Lutherbibel entstanden: Die reformatorische Entscheidung, die deuterokanonischen Schriften als „Apocrypha“ nicht in die protestantischen Bibelausgaben aufzunehmen, führte dazu, dass diese meist zwischen den Propheten des Alten Testaments und dem Neuen Testament angeordneten Bücher nicht in die aufkommenden gedruckten Bibeln Eingang fanden und so Matthäus direkt auf Maleachi folgte.
Ich habe keine ausdrückliche Information dazu gefunden, dass (und warum) die apokryphen bzw. deuterokanonischen Zusätze zum Buch Ester und zum Buch Daniel (Dan 3,24–45.51–90 LXX; Dan 13–14) nicht aufgenommen wurden. Tatsächlich stellen diese Zusätze, die nur griechisch überliefert bzw. von vorneherein griechisch abgefasst sind, insofern ein Problem dar, als die Ausgangssprache vom Hebräischen bzw. Aramäischen ins Griechische wechselt, die Zielsprache Deutsch aber gleich bleibt. Zudem sind diese Zusätze in den griechischen Fassungen von Ester und Daniel in den Erzählverlauf eingebettet.
Es gibt hier keine einfachen Lösungen, wie dies darzustellen bzw. zu handhaben ist. Daher ist die Entscheidung nachvollziehbar, dass vorerst auf diese deuterokanonischen Zusätze in den protokanonischen Büchern Ester und Daniel seitens der Übersetzer und des Theologischen Verlags Zürich verzichtet wurde. Man muss dies eben wissen, damit man nicht vergeblich das Gebet des Asarja (Azarias) und den Lobgesang der drei jungen Männer in Dan 3,24–45.51–90 (Septuaginta) in der Zürcher Bibel „mit deuterokanonischen Schriften“ sucht.
Die Einleitungen zu den einzelnen Büchern
Die Einleitungen geben einen kurzen Überblick zum Inhalt des jeweiligen Buches, zum Kanonteil, in dem es sich befindet, zum Namen und zur mutmaßlichen Entstehungsgeschichte. Beim Buch Genesis ist beispielsweise erfreulich, dass nicht länger von der „Patriarchengeschichte“, sondern von der „Erzelterngeschichte“ gesprochen wird und so die eminent wichtige Rolle der weiblichen Erzählfiguren nicht länger unterschätzt wird. Bedauerlich ist hingegen, dass sich auch die neue ZB nicht hat durchringen können, die Adjektive in Gen 1,27 als solche wiederzugeben, sondern beim traditionellen „als Mann und Frau“ geblieben ist (siehe aber den Glossar-Eintrag zu „Adam und Eva“, in dem die Adjektive „männlich und weiblich“ begegnen).
Bei schwierigen Überlieferungslagen insbesondere bei den deuterokanonischen Schriften werden einige knappe Bemerkungen zum Text- und Handschriftenbefund gemacht. So wird etwa festgehalten, dass das Buch Tobit in mehreren griechischen Fassungen erhalten ist und dass die Übersetzung aus der Langfassung GII erfolgte. Das Buch Jesus Sirach (Sir) ist nach Auskunft der dortigen Einleitung aus der maßgeblichen wissenschaftlichen Ausgabe des griechischen Texts übersetzt worden. Leider wird nicht angegeben, um welche Ausgabe es sich genau handelt. In Einzelfällen, so die Einleitung weiter, seien hebräische Handschriften konsultiert worden. Auch bei Sir gibt es eine Kurz- und eine Langfassung; der Überschuss der Langfassung steht in Eckklammern. Die beim Buch Sir vorgekommenen Blattvertauschungen wurden gemäß der wissenschaftlichen Ausgabe rückgängig gemacht und die ursprüngliche Abfolge wiederhergestellt.
Glossar
Das Glossar ist ein alphabetisch geordnetes knappes Bibellexikon (von A und O bis Zungenrede). Darin werden wichtige Stichworte und Phänomene erläutert. Zu „Zahlen“ beispielsweise wird die symbolisch hoch aufgeladene Bedeutung der Zahlen 1, 2, 3, 4, 7, 12 und 40 erklärt. Die Kürze der Einträge ist einerseits hilfreich, weil ein schneller Überblick erreicht wird. Gleichwohl vermisst man an bestimmten Punkten die exegetische und theologische Tiefe, die aber in einem solchen Glossar ohnehin nicht erreicht werden kann. Dazu ist intensiveres Bibelstudium erforderlich, zu dem wiederum Logos-Bibelsoftware einen ganz wesentlichen Beitrag leisten kann.
Wer die ZB 2019 in Logos nutzt, wird das Glossar der Printausgabe kaum benötigen. Man wird dann die übrigen informativen Ressourcen in Logos, die leicht zur Hand sind, heranziehen und beispielsweise über das Faktenbuch erheblich umfangreichere Informationen zu den offenen Fragen finden.
Empfehlenswert? Ja!
Ist die Zürcher Bibel empfehlenswert? Ja, unbedingt und auf jeden Fall! Sie gehört in jedes Logos-Portefeuille. Sie ist neben der Elberfelder Bibel diejenige deutsche Übersetzung, die den hebräischen, aramäischen und griechischen Ausgangstexten am nächsten kommt. Wer also eine gut verständliche, aber eng an der Ausgangssprache orientierte deutsche Bibelübersetzung sucht, braucht die Zürcher Bibel. Zudem ist der Sprachstil up-to-date.
Ich selbst habe für eine Kommentierung sehr intensiv mit der Zürcher Übersetzung der Chronik (1/2 Chronik) im Vergleich mit dem hebräischen Ausgangstext gearbeitet und bin restlos begeistert von der Treue zur Ausgangssprache bei gleichzeitiger guter Verständlichkeit. Die ZB 2019 gehört in jedes gute deutschsprachige Logos-Basispaket.