Biblische Gestalten: Abraham, Jiftach und Jakobus

Von Prof. Thomas Hieke

Bibelkunde AT, Bibelkunde NT, Personen der Bibel
Vor 10 Monaten

Wer war eigent­lich die­ser Abra­ham? Nicht Abra­ham Lin­coln, son­dern der in der Bibel, der mit dem Mes­ser auf Rem­brandts Gemäl­de … Man glaubt ihn zu ken­nen, aber kennt man ihn wirk­lich? Und Jift­ach? Wer war das noch­mal und was hat er mit sei­ner Toch­ter gemacht? Und war­um wird Jako­bus „Her­ren­bru­der“ genannt? Bekann­te, weni­ger bekann­te und unbe­kann­te Figu­ren der Bibel eig­nen sich nicht nur für exo­ti­sche Quiz­fra­gen, son­dern laden auch zur Aus­ein­an­der­set­zung, Iden­ti­fi­ka­ti­on und Kri­tik ein – und füh­ren so tie­fer in die bibli­sche Bot­schaft hin­ein. Über die Gestalt kommt man zum Gehalt, zum Kern, und dazu, wie von dort aus eine reich­hal­ti­ge jüdi­sche, christ­li­che und manch­mal auch mus­li­mi­sche Rezep­ti­ons­ge­schich­te und Tra­di­ti­on gespeist wur­de und wird.

Schon über drei­ßig sol­che „Bibli­sche Gestal­ten“ bespricht die gleich­na­mi­ge Rei­he der Evan­ge­li­schen Ver­lags­an­stalt Leip­zig. Sie wird von Rüdi­ger Lux (AT) und Christ­fried Böttrich (NT) her­aus­ge­ge­ben. Infor­ma­tio­nen zum Kon­zept und allen Bän­den fin­den sich auf der Web­site der Evan­ge­li­schen Ver­lags­an­stalt (https://​www​.eva​-leip​zig​.de/​r​e​i​h​e​n​.​p​h​p​?​i​d=8). Logos Bibel­soft­ware hat nun mit Abra­ham, Jift­ach und Jako­bus drei wei­te­re Bän­de ver­füg­bar gemacht.

Biblische Gestalten: AbrahamBiblische Gestalten: Jiftach und seine Tochter Biblische Gestalten: Jakobus

Es ist sehr hilf­reich, die­se Taschen­büch­lein mit ihren kon­zen­trier­ten und gut ver­ständ­li­chen Sach­in­for­ma­tio­nen in Logos zur Ver­fü­gung zu haben. Wie immer befruch­ten sich bei­de Sys­te­me gegen­sei­tig: Bei der Lek­tü­re des Buches kann man sich den Text der genann­ten Bibel­stel­len in der gewohn­ten Wei­se ein­blen­den las­sen. Beim Bibel­stu­di­um mit Logos kann man sich die­se Res­sour­cen zu bestimm­ten Bibel­stel­len par­al­lel auf­schla­gen las­sen oder sie nach bestimm­ten Stich­wör­tern durchsuchen.

Was zeichnet die Reihe „Biblische Gestalten” aus?

Die ein­zel­nen Bän­de haben einen gewis­sen gemein­sa­men Grund­duk­tus, sind aber den­noch je indi­vi­du­el­le Wer­ke von Bibel­wis­sen­schaft­le­rin­nen und Bibel­wis­sen­schaft­lern, die ihren jeweils eige­nen Stil und Ansatz haben. Gemein­sa­mes Ziel ist die Hin­füh­rung zu einer bibli­schen Gestalt: Wie ist sie in der Bibel bezeugt, in wel­chen Kon­tex­ten begeg­net sie, wann wird von ihr sonst noch gespro­chen? Wie etwa wird eine alt­tes­ta­ment­li­che Gestalt im Neu­en Tes­ta­ment rezi­piert? Ist von Abra­ham nur im Buch Gene­sis die Rede? Bezeich­nen alle Bele­ge des Namens Jako­bus ein und die­sel­be Per­son? Ver­bin­det der Name bestimm­te Lite­ra­tur­be­rei­che? Und schließ­lich: Wie wird die bibli­sche Gestalt im Früh­ju­den­tum, im Früh­chris­ten­tum und ggf. auch im Islam (Koran) aufgegriffen?

Biblische Gestalten: „Abraham: Ahnvater – Vorbild – Kultstifter”

Die drei hier zu bespre­chen­den Bän­de zu Abra­ham, Jift­ach und Jako­bus füh­ren jeweils in die The­ma­tik ein, stel­len die bibli­sche Gestalt dar und fra­gen nach ihrer Wir­kung. Mat­thi­as Köckert bie­tet zunächst grund­sätz­li­che Über­le­gun­gen dazu, wie die Bibel erzählt und wie die­se Erzäh­lun­gen mehr als das sind, näm­lich Ursprungs­ge­schich­ten Isra­els. Die am Gene­sis-Text ent­lang­ge­hen­de Dar­stel­lung der Gestalt Abra­hams ord­net Köckert nach den Orten (Ur, Hebron, Gerar, Beersch­eba) und fragt dann nach der Ent­ste­hung der einen Abra­ham-Erzäh­lung aus den vie­len Geschichten. 

Auch der Fra­ge nach dem his­to­ri­schen Abra­ham weicht Köckert nicht aus und betont, dass nach frü­he­ren Ver­su­chen einer geschicht­li­chen Ver­or­tung es mitt­ler­wei­le als sinn­vol­ler ange­se­hen wird, die Abra­ham-Geschich­ten als Bewäl­ti­gung von Kri­sen, ins­be­son­de­re nach 587 v. Chr. (Unter­gang des König­reichs Juda), zu lesen. Der Abschnitt „Wir­kung“ bie­tet einen guten Über­blick über die Rezep­ti­on der bibli­schen Gestalt Abra­ham im Rest der Bibel, im Chris­ten­tum und im Islam. 

Zur Bedeu­tung Abra­hams für Mus­li­me führt Köckert zunächst in die Umwelt des Koran und des­sen grund­sätz­li­cher Beschaf­fen­heit ein. Dann zeigt er exem­pla­risch die Rezep­ti­on von Gen 18 in drei Suren (51, 15 und 11) auf. Gro­ße The­men für den Islam sind der Mono­the­is­mus der Abra­ham-Gestalt, Abra­hams vor­bild­li­che Gott­er­ge­ben­heit und die Stif­tung eines Kul­tes. Die­se Züge wer­den gegen­über der bibli­schen Über­lie­fe­rung durch wei­te­res Erzähl­ma­te­ri­al, das zum Teil auch aus der jüdi­schen außer- und nach­bi­bli­schen Tra­di­ti­on stammt, ausgestaltet.

Biblische Gestalten: „Jiftach und seine Tochter. Eine biblische Tragödie”

Rüdi­ger Lux, eme­ri­tier­ter Pro­fes­sor für Alt­tes­ta­ment­li­che Wis­sen­schaft an der Uni­ver­si­tät Leip­zig, stellt die bibli­sche Gestalt Jift­ach (und sei­ne Toch­ter) vor. Dabei lässt er sich vor allem vom Begriff des „Tra­gi­schen“ lei­ten. Er führt die­sen all­ge­mein ein und ver­weist dabei auf den bekann­ten Iphi­ge­nie-Stoff. Figu­ren wie Jift­ach, Sim­son und Saul schei­nen dem Tra­gi­schen gut zu ent­spre­chen – den­noch sei es, so Lux, durch­aus umstrit­ten, ob „das Tra­gi­sche“ auch auf die hebräi­sche Bibel anwend­bar sei. 

In die Dar­stel­lung der Jift­ach-Epi­so­de aus dem Rich­ter­buch baut Lux Exkur­se zum Gott der Ammo­ni­ter, zum The­ma Gelüb­de, zur Fra­ge des Men­schen­op­fers, zum The­ma JHWHs Rache und zur Mäd­chen­tra­gö­die ein. Ins­be­son­de­re beim The­ma Men­schen­op­fer, das von man­chen Alttestamentler*innen all­zu begeis­tert für das alte Isra­el ange­nom­men wird, ist Lux wohl­tu­end zurück­hal­tend und betont, dass es kei­ne außer­bi­bli­schen Bewei­se für einen regel­haf­ten Men­schen­op­fer-Kult vor und in Isra­el gege­ben habe und es sich vor allem um ein lite­ra­ri­sches Motiv hand­le. Lux unter­nimmt daher sinn­vol­ler­wei­se eine „kano­ni­sche Lek­tü­re“ der bei­den „Opfer“-Geschichten: Jiftachs Toch­ter (Ri 11) und die Bin­dung Isaaks (Gen 22). Bei letz­te­rer greift er inter­es­san­ter­wei­se vor allem auf die Deu­tun­gen von Mat­thi­as Köckert zurück. Unter „Wir­kung“ sam­melt Lux vie­le Bei­spie­le der Aus­le­gungs­ge­schich­te von Fla­vi­us Jose­phus bis Mar­tin Luther.

Biblische Gestalten: „Jakobus: Im Schatten des Größeren”

Roland Dei­nes wid­met sich der bibli­schen Gestalt des Jako­bus und stellt schon in der Ein­füh­rung die ver­schie­de­nen Facet­ten die­ser Figur her­aus: Mora­list, Kar­rie­rist, Juden­christ. Ins­be­son­de­re die para­dig­ma­ti­sche Ver­kör­pe­rung des Juden­chris­ten­tums in Jako­bus, ver­bun­den mit dem Ehren­ti­tel „der Gerech­te“, wird von Dei­nes herausgearbeitet. 

In der Dar­stel­lung folgt Dei­nes den neu­tes­ta­ment­li­chen Bele­gen des Namens und dis­ku­tiert die ver­schie­de­nen Iden­ti­fi­ka­ti­ons­ver­su­che. Auch die pseu­d­epi­gra­phi­sche Zuschrei­bung des Pro­tevan­ge­li­ums des Jako­bus wird kurz erwähnt. Bemer­kens­wert ist die aus­führ­li­che Dar­stel­lung der nach­bi­bli­schen Über­lie­fe­rung, in der der Her­ren­bru­der Jako­bus als Zeu­ge für Jesu Geburt und Kind­heit, für die Auf­er­ste­hung, für gnos­ti­sche Offen­ba­run­gen und schließ­lich als Mär­ty­rer fungiert. 

Abschlie­ßend dis­ku­tiert Dei­nes archäo­lo­gi­sche Spu­ren: das ver­meint­li­che Grab­mal des Jako­bus und des­sen unter­schied­li­che Loka­li­sie­run­gen sowie das in sei­ner Echt­heit umstrit­te­ne Jako­bus-Ossuar mit der ara­mäi­schen Inschrift.

Die mate­ri­al­rei­chen und all­ge­mein ver­ständ­li­chen Bän­de der Rei­he „Bibli­sche Gestal­ten“ sind sehr zu emp­feh­len. Ins­be­son­de­re der Blick in die Wir­kungs- und Rezep­ti­ons­ge­schich­te erhellt vie­le Tra­di­ti­ons­li­ni­en, die bis in die heu­ti­ge Zeit rei­chen. Dass die­se prä­zi­sen und hilf­rei­chen Infor­ma­tio­nen in Logos zur Ver­fü­gung ste­hen, ist ein gro­ßer Gewinn.

Neben die­sen drei vor­ge­stell­ten Bän­den sind wei­te­re 29 in Logos erhält­lich. Sie kön­nen als Ein­zel­wer­ke, als voll­stän­di­ge Samm­lung oder in the­ma­tisch geord­ne­ter Zusam­men­stel­lung (Altes Tes­ta­ment, Neu­es Tes­ta­ment, Frau­en der Bibel, Köni­ge Isra­els) erwor­ben wer­den. Ergän­zen Sie jetzt Ihre Logos-Biblio­thek mit die­sen wert­vol­len Ressourcen!


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Prof. Thomas Hieke

Über den Autor

Dr. Thomas Hieke ist Professor für Altes Testament an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz. Seine Forschungsschwerpunkte sind das Buch Levitikus, der Pentateuch, die Bücher der Chronik sowie Esra-Nehemia, Fragen der Biblischen Theologie sowie der Hermeneutik und Methodologie.

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