In diesem Artikel erkläre ich, warum ich es gut finde, dass wir in der Bibel eine antike Kosmologie (z. B. eine flache Erde) finden. In 15 Min. können Sie sich hier einen Überblick über die uralte Lehre der göttlichen Akkommodation verschaffen.
Inhalt
- Ritter, Handys und menschliche Limits
- Gottes unendliche Weisheit und unser begrenztes Denken
- Was bedeutet “Akkommodation”? – Eine kurze Definition
- Akkommodation in der Bibel: Die antike Kosmologie
- Akkommodation in der Bibel: Scheidung
- Akkommodation in der Bibel: Das Königtum in Israel
- Akkommodation in der Bibel: “Auge um Auge”
- Gottes Akkommodation in der Bibel
- Akkommodation in der Kirchengeschichte
- Kompromittiert dies nicht die Autorität der Bibel?
- Fazit
Ritter, Handys und menschliche Limits
Als Missionar in Thailand bin ich dankbar, dass ich über das Internet mit meiner Familie in Deutschland kommunizieren kann. Ich staune immer wieder über Möglichkeiten wie den Videochat, mit dem Bilder in Sekundenschnelle über große Entfernungen übertragen werden können. Und ehrlich gesagt, habe ich nicht die geringste Ahnung, wie das technisch möglich ist.
Stellen Sie sich nun vor, ich würde eine Zeitreise ins Mittelalter machen. Eine Zeit ohne Elektrizität, ohne Autos, ohne Telefone. Ein Ritter findet mein Smartphone und fragt mich, was das für ein Gerät ist. Wie könnte ich ihm in seiner Lebenswelt verständlich machen, welche Funktionen das Handy hat, wie es technisch funktioniert und wie er damit telefonieren, chatten oder Fotos machen kann. Wahrscheinlich würden all meine Erklärungsversuche ins Leere laufen, weil ein Smartphone so gar nicht in seine Welt passt. Vor dem Hintergrund seiner Lebenserfahrung und seines Weltbildes würde er es wahrscheinlich für Zauberei halten.
Gottes unendliche Weisheit und unser begrenztes Denken
Vielleicht geht es Gott mit uns Menschen ähnlich, wie es mir mit dem Ritter ergehen würde. Haben Sie sich schon einmal gefragt, wie Gottes unendliche Weisheit mit dem äußerst begrenzten Verständnis der Menschheit zusammenpasst? Unsere höchst subjektive Weltsicht und unser äußerst begrenztes Wissen schränken die Art und Weise, wie Gott zu uns sprechen und uns die Wahrheit offenbaren kann, erheblich ein. Unser Verstand ist zu begrenzt, um die Realitäten zu erfassen, in denen Gott agiert. Gottes Gedanken sind nun eben einmal viel höher als unsere Gedanken (Jes 55,9).
Solange wir in dieser Welt leben, werden wir Gottes Wesen, seine Schönheit und sein Wirken in der Welt nie hundertprozentig verstehen können. Unser Wissen ist immer Stückwerk (1 Kor 13,9). Gleichzeitig haben wir es aber auch mit einem Gott zu tun, der sich verständlich machen will. Deshalb muss Gott sich immer wieder auf unsere Ebene begeben und uns in unserer Realität begegnen. Dieses Einlassen Gottes auf den Menschen wird auch “Akkommodation” genannt. Was es damit genau auf sich hat und wie sich die Akkommodation Gottes in der Bibel zeigt, schauen wir uns im Folgenden gemeinsam an.
Was bedeutet “Akkommodation”? – Eine kurze Definition
Der Begriff “Akkommodation” leitet sich vom lateinischen Verb “accommodare” ab und bedeutet wörtlich übersetzt “anpassen”, “adaptieren”, “übereinstimmend machen”. Der Begriff wird in einer ganzen Reihe von Fachgebieten verwendet, in denen Anpassungen in der einen oder anderen Form eine Rolle spielen. In der Medizin wird mit “Akkommodation” z.B. die Scharfstellung des Auges auf unterschiedlich weit entfernte Objekte. Im Bereich der Sprachwissenschaft ist mit Akkommodation eine bestimmte Klasse von Angleichungserscheinungen zwischen Sprachlauten gemeint. In der Lernpsychologie spricht man von Akkommodation in Bezug auf die Anpassung kognitiver Schemata an neue Erfahrungen.
Wie bereits erwähnt, spielt “Akkommodation” auch in der Theologie eine Rolle. In diesem Kontext geht es um die Anpassung bestimmter theologischer Konzepte an die Sprache, Denkweise oder Kultur einer bestimmten Zeit oder einer bestimmten Gruppe von Menschen. Diese Anpassung dient dazu, komplexe Ideen oder Lehren verständlicher und zugänglicher zu machen. Ganz praktisch zeigt sich dies unter anderem in der Missionsarbeit, wenn sich Missionare z.B. den äußeren Lebensformen (Kleidung, Nahrung, Wohnung) ihres Einsatzlandes anpassen, die Landessprache lernen, und z.B. in einer Predigt Beispiele aus dem Alltag der Einheimischen finden, um ihnen die Botschaft der Bibel näher zu bringen.
Doch “Akkommodation” ist keine Erfindung der Missionsarbeit. Das Konzept lässt sich bereits in der Bibel finden. Gott selbst lässt sich in vielfältiger Weise auf uns und unsere Lebenswelt ein, um uns seinen Willen verständlich zu machen. Die Bibel enthält viele Sprachbilder und Metaphern, die der Weltsicht und dem Weltverständnis der Menschen in der Antike angepasst sind. Und Gott handelt auch ganz konkret und passt sich manchen Wünschen von uns Menschen an, um Leben und Zusammenleben möglich zu machen.
Sehen wir uns ein paar Beispiele an.
Akkommodation in der Bibel: Die antike Kosmologie
In seinem Buch „The Biblical Cosmos“ beschreibt Robin Parry ausführlich, wie sich die Menschen im Alten Orient den Kosmos vorstellten. Sie glaubten (1) an ein dreistufiges Universum (bestehend aus Scheol, einem unterirdischen Totenreich, einer flachen Erde, auf der die Menschen leben, und dem himmlischen Bereich, in dem die Götter wohnen); (2) an ein Erde-Sonne-System, in dem die Sonne um eine flache Erde kreist, die fest über einem unterirdischen Wasserreservoir verankert ist; und (3) an eine feste Kuppel (ähnlich einer Käseglocke), über der sich ein weiteres Meer aus Wasser befindet.
Wenn Sie in Ihrer Logos-Suche das Stichwort Kosmologie eingeben und dann nach Medien suchen, werden Sie diese hilfreiche Logos-Infografik finden:
Da damals alle Menschen an dieses Modell des Kosmos glaubte, kann man davon ausgehen, dass auch die Verfasser der alttestamentlichen Bücher diese faktisch falsche Kosmologie teilten. Gott hat nicht zu ihnen gesagt: „Da du einen Teil des Alten Testaments schreiben wirst, muss ich einige Dinge klarstellen. In Wirklichkeit ist die Erde eine Kugel ohne Kuppel und Wasser darüber.“ Stattdessen akzeptierte er ihre falschen Vorstellungen vom Kosmos, weshalb wir mehrere Bibelverse finden, die nur dann einen Sinn ergeben, wenn wir diese antike Kosmologie im Hinterkopf haben.
Ein Gewölbe, eine flache Erde und eine Sonne, die um die Erde kreist
Dies wird bereits im ersten Kapitel der Bibel klar.
Es werde ein Gewölbe mitten im Wasser und scheide Wasser von Wasser. Gott machte das Gewölbe und schied das Wasser unterhalb des Gewölbes vom Wasser oberhalb des Gewölbes.
(Genesis 1,6–7 EÜ)
Dieses Gewölbe ist die feste Kuppel, unter der wir, nach antiken Vorstellungen, leben. Die Noah-Erzählung ergänzt, dass diese feste Kuppel Fenster hat und als diese sich öffneten, konnte das überirdische Wasser auf die Erde fallen und dadurch die Sintflut verursachen (Genesis 7,11). Auch Jeremia 10,13 und Hiob 26,10 erwähnen das Wasser über der Kuppel.
„Die biblische Erde war, wie die der anderen Kulturen der antiken Welt, keine Kugel, sondern flach.“
(Parry, S.17)
Die Formulierung „die Enden der Erde“ (Jes 41,9; Jer 16,19; Hiob 28,24) deutet auf ein solches Verständnis hin. Die Vorstellung einer flachen Erde erklärt auch Aussagen wie in der Vision aus Dan 4,7ff., wo von einem Baum die Rede ist, der von überall auf der Welt zu sehen ist. Säulen (Ps 75:3; Hiob 9:6; 1 Sam 2:8) sind notwendig, um diese flache Erde zu stabilisieren und sie am Wanken zu hindern. Daraus ergibt sich die Unbeweglichkeit der Erde, die im Alten Testament behauptet wird.(1 Chr 16,29–30; Ps 93,1; 96,10).
„Der biblische Kosmos war geozentrisch – Sonne, Mond und Sterne kreisen um eine feste Erde.“ (Parry, S.21) Man ging davon aus, dass sich die Sonne bewegt und nicht die Erde (Kohelet 1,5; Ps 19,4–6; 50,1). Dies erklärt, warum es in Josua 10,12–14 heißt, dass Gott während des Kampfes mit den Gibeonitern die Sonne und den Mond stillstehen ließ.
Akkommodation in der Bibel: Scheidung
In Mt 19,1–12 fragten die Pharisäer Jesus, warum Gott die Scheidung einer Ehe gestattet, wenn diese doch eigentlich lebenslang währen soll. Jesus antwortete (Mt 19,8 ELB):
Mose hat wegen eurer Herzenshärtigkeit euch gestattet, eure Frauen zu entlassen; von Anfang an aber ist es nicht so gewesen.
Diese Antwort kann auf mindestens zwei Arten verstanden werden. Erstens: Nicht Gott, sondern Mose hatte die Idee mit der Scheidungsurkunde. Wenn das stimmt, dann wäre das ein Beispiel dafür, dass wir im Alten Testament Aussagen/Gebote finden, die nicht wirklich von Gott inspiriert wurden, sondern Ideen des biblischen Autors waren. Zweitens: Gottes Ideal, sein Plan A, war immer die lebenslange Ehe. Da er aber unsere verhärteten Herzen kennt, kommt er unserer Sündhaftigkeit entgegen, indem er uns die Möglichkeit der Scheidung gibt (Plan B).
Der Gott, den wir in der Bibel finden, ist ein Gott, der uns auf Augenhöhe begegnet und uns dort abholt, wo wir stehen. Er kennt unsere menschliche Begrenztheit, weiß um unser begrenztes und subjektives Weltbild, geht auf unsere Sündhaftigkeit ein und bietet uns Plan B, C und D an, bis wir bereit sind, seinen Plan A zu verstehen und anzunehmen.
Akkommodation in der Bibel: Das Königtum in Israel
Ein weiteres Beispiel ist Israels Wunsch nach einem menschlichen König. In der Geschichte Israels wird die Forderung nach einem menschlichen König als ein entscheidender Moment angesehen, in dem Gott dem Wunsch Israels nachkam, obwohl dies eine Abweichung von seinem ursprünglichen Plan war. Gott beabsichtigte, direkt über Israel zu herrschen, und zwar durch Richter und Propheten als seine Vermittler (1 Sam 8,5). Beeinflusst von den monarchischen Systemen der Nachbarvölker verlangten die Israeliten jedoch nach einem König, der sie in die Schlacht führen und das Volk einen sollte.
Israel hatte kein Vertrauen in die Königsherrschaft Gottes. Dennoch erhörte Gott ihre Bitte und ernannte Saul zum ersten König. Dieser Akt des göttlichen Entgegenkommens ist eindeutig ein Zugeständnis an die menschliche Schwäche und ein Ausdruck der Bereitschaft Gottes, mit seinem Volk innerhalb der Beschränkungen seiner begrenzten Weltsicht und Kultur zu interagieren.
Akkommodation in der Bibel: “Auge um Auge”
Das „Auge um Auge“-Gesetz ist ein weiteres Beispiel für die Anpassung Gottes an die gesellschaftlichen Normen der damaligen Zeit. In einer Kultur, in der Rache zu endlosen Zyklen unbegrenzter Vergeltung eskalieren konnte (z. B. 1. Mose 4,15.24; 34,25), führte Gott dieses Prinzip ein, um die Vergeltung zu begrenzen und sicherzustellen, dass die Strafe dem Vergehen angemessen war. Das war ein guter Schritt in die richtige Richtung, doch war dies nie Gottes eigentliche Absicht in Bezug auf Gerechtigkeit. Gott wusste, dass die Israeliten noch nicht für das bereit waren, was Gott wirklich wollte.
In den Lehren Jesu sehen wir eine radikale Abkehr vom „Auge um Auge“-Prinzip. Jesus forderte Vergebung, Gewaltlosigkeit und Verzicht auf Vergeltung. Er schaffte „Auge um Auge“ ab und ersetzte es durch Feindesliebe und das Gebot, „die andere Wange hinzuhalten“ (Mt 5,38–42). Die Lehren Jesu spiegeln den vollkommenen Willen Gottes wider. Gottes altes Gebot, nur begrenzte Vergeltung zu üben (Auge um Auge), war lediglich ein Entgegenkommen, aber er wünscht sich wirklich einen höheren Standard, der in Liebe und Barmherzigkeit verwurzelt ist.
Entweder ist es der Weg Jesu oder „Auge um Auge.“ Es ist unmöglich, beiden gleichzeitig zu folgen. Manchmal müssen wir zwischen dem Weg Jesu und den Geboten des Alten Testaments wählen. Beide sind biblisch, aber nur eines ist christusgemäß. Als Jünger Jesu dürfen wir nicht alttestamentliche Stellen nutzen, um damit die Forderungen Jesu zu untergraben. Wir tun nicht, was biblisch ist, sondern was christusgemäß ist – und das sind manchmal zwei verschiedene Dinge.
Gottes Akkommodation in der Bibel
In der Theologie wird dieses Entgegenkommen Gottes oft als Akkommodation (Anpassung) bezeichnet. Es gibt unzählige weitere biblische Beispiele, die zeigen, wie Gott sich auf unterschiedliche Art und Weise auf Augenhöhe zu uns begibt, z. B. durch die Verwendung von Metaphern, die den Menschen in ihrer Situation damals verständlich waren, (z.B. die “eisernen Wagen” in Richter 1,19, die Gott daran hinderten die Feinde Judas zu besiegen), oder durch Zugeständnisse wie die weite Verbreitung der Polygamie im Alten Testament (1. Mose 4,23, 28,9, 30,26, 31,17, 31,50; 5. Mose 21,15; 1. Sam 1,2; 27,3) und natürlich durch die Tatsache, dass Sklaverei in der Bibel akzeptiert und nicht ausdrücklich verurteilt wird.
Akkommodation in der Kirchengeschichte
Die Lehre der Akkommodation Gottes ist keine moderne, liberale Theologie, sondern findet sich bereits bei den frühen Kirchenvätern. Mehrere Kirchenväter, wie z. B. Gregor von Nazianz, verstanden sogar das gesamte Opfersystem im Alten Testament als Akkommodation Gottes. Auch Origenes, der vielleicht größte christliche Denker, der je gelebt hat, war davon überzeugt, dass das Opfersystem eine notwendige göttliche Anpassung war:
Da die Juden Opfer liebten, weil sie in Ägypten daran gewöhnt waren, wie das goldene Kalb in der Wüste bezeugt, erlaubte Gott ihnen, die Opfer ihm selbst darzubringen, um ihre schlechte Neigung zur Vielgötterei zu zügeln und sie davon abzuhalten, den Götzen zu opfern.
(Sel Lev (297c), zitiert in Lubac, History and Spirit, 291.)
Hier sind ein paar der Bibelstellen, die darauf hindeuten, dass das Opfersystem eine Akkommodation Gottes war:
1 Sam 15,22; Ps 50,8–10; 51,18–19; Jes 1,10–13; 66,2–4; Jes 7,21–24; Hos 6,6; Amos 5,21–27; Heb 10,1–5, 6–9; Ps 40,7.
Kompromittiert dies nicht die Autorität der Bibel?
Der eine oder andere Leser mag befürchten, dass diese Akkommodationen Gottes die Autorität der Bibel gefährden. Immerhin führen sie z.B. dazu, dass er scheinbar Abstriche an seinem eigenen Willen macht (Königtum in Israel, Regelung zur Ehescheidung), dass die Bibel teilweise grausame Verse enthält (“Auge um Auge – Zahn um Zahn”) und dass wir heute vor dem Hintergrund unseres modernen naturwissenschaftlichen Weltbildes darüber diskutieren, inwieweit wir der Bibel vertrauen können, wenn sie doch ein so ganz anderes kosmologisches Weltbild vertritt.
Doch solche Sorgen sind unbegründet. Der Kern der Lehre von der göttlichen Akkommodation ist, dass Gott sich auf Augenhöhe zu uns begibt, um sich uns verständlich zu machen. Wir sind ihm so wichtig, dass er sogar dazu bereit ist, Abstriche von seinem ursprünglichen Willen zu machen und Kompromisse einzugehen, damit wir lernen, seine Wege zu gehen. Wenn wir in die Bibel hineinschauen, entdecken wir außerdem, dass Gott trotz solcher Abstriche souverän ist und zu seinem Ziel kommt. Vielleicht ist das auch ein Grund dafür, dass die Lehre der göttlichen Akkommodation seit den Anfängen des Christentums vertreten wird. Christliche Denker wie Philo von Alexandrien, Gregor von Nazianz, Origenes, Augustinus, Theodoret von Kyrrhos und Johannes Calvin hatten z.B. nie ein Problem damit, die Autorität der Bibel zu verteidigen, sie ernst zu nehmen und gleichzeitig zu verstehen, dass die Bibel Akkommodationen enthält.
Eine Frage der Hermeneutik
Wenn unsere vorgefassten Meinungen über die Bibel mit dem wahren Wesen der biblischen Texte in Konflikt gerät, ist es möglicherweise notwendig, neu über unsere Hermeneutik und unser Bibelverständnis nachzudenken. Die biblischen Texte selbst sind nie das Problem. Die Bibel ist gut, so wie sie ist, auch wenn sie sich vielleicht manchmal nicht so verhält, wie wir es gerne hätten. Wenn wir ein Problem mit den biblischen Texten haben, dann ist das Problem nicht die Bibel, sondern unsere Hermeneutik, die vielleicht überdacht werden und dem wahren Wesen der biblischen Texte angepasst werden muss.
Fazit
All die besprochenen Beispiele sind nur eine kleine Auswahl der göttlichen Anpassungen, die wir im ganzen Alten Testament finden können. Ich denke, all diese Akkommodationen sind ein Grund der Hoffnung und Freude für uns. Denn sie bezeugen, dass Gott auf unsere Ebene kommt und uns dort begegnet, wo wir sind. Er interagiert mit uns im Rahmen unserer kulturellen und historischen Begrenzungen, indem er uns Schritt für Schritt zu einem tieferen Verständnis seines Wesens und seines Willens führt.
Oder mit den Worten von Origenes:
[Gott] beugt sich herab und kommt unserer Schwäche entgegen, wie ein Schulmeister, der mit seinen Kindern eine einfache Sprache (sumpsellizōn) spricht, wie ein Vater, der sich um seine eigenen Kinder kümmert und ihre Wege übernimmt.
(aus einem Fragment zu 5. Mose)
Wenn wir die Bibel lesen, müssen wir also bedenken, dass die Bibel eine Sammlung antiker Schriften ist, die von Menschen aus dem Alten Orient in einer Sprache und mit Ideen geschrieben wurden, die in ihrer antiken Weltanschauung Sinn ergaben. Gott hat zwar ihr Denken beeinflusst, indem er ihnen so viel Wahrheit wie möglich offenbarte. Aber es ist anzunehmen, dass Gott sie nicht manipuliert hat, indem er sie zwang, Dinge aufzuschreiben, die sie mit ihrem auf die damalige Kultur begrenzten Denken nicht verstehen konnten.
Greg Boyd fasst es in seinem Buch zu dem Thema gut zusammen:
Weil Gott authentische Beziehungen der Agape-Liebe über alles schätzt und weil er die Menschen nicht entmenschlichen will, verlässt er sich eher auf beeinflussende als auf zwanghafte Macht, um seine Ziele zu erreichen. Aus diesem Grund, so behaupte ich, musste Gott seine Selbstoffenbarung an den geistigen Zustand und die kulturelle Prägung seines Volkes in den Zeitaltern vor Christus anpassen. Nur schrittweise konnte Gott die Herzen und den Verstand der Menschen verändern, so dass sie mehr und mehr seinen wahren Charakter erkennen und seinen idealen Willen für sie verstehen konnten.