Was hat uns das Alte Testament zu sagen? Gerade Christen im 21. Jahrhundert fällt es immer wieder schwer, einen gewinnbringenden Zugang zum Alten Testament und besonders dessen Theologie zu finden. Eine Möglichkeit bietet sich in diesem Sammelband, der verschiedene Teilbereiche des Alten Testament und dessen Theologie beleuchtet. Wieso dieser Sammelband sowohl für Personen im Theologiestudium als auch für gewöhnliche Bibelleser besonders interessant ist, zeige ich Ihnen in den nächsten 8 Minuten.
Inhalt
Warum überhaupt Theologie betreiben?
Was ist Theologie? Was ist der Unterschied zwischen systematischer und biblischer Theologie? Wie betreibt man das eine oder das andere? Welcher Vorteil hat jeweils ein anderer Ansatz? Wieso lohnt sich überhaupt eine Betrachtung eines einzelnen Testaments, wo das Testament doch zu einem größeren Kanon gehört? Solche und weitere Fragen sind weder leicht zu beantworten noch einfach zu erfassen. Falls Sie als Leser ähnliche Fragen haben, lesen Sie weiter! In meinem Theologiestudium kamen ähnliche Fragen auf. Man besucht Seminare, systematische Kurse und Bibelkunde zu spezifischen Büchern. Doch wo liegt die Methodik dahinter? Wie betreibe ich für mich selber Theologie? Wie komme ich zu einer Glaubensaussage?
Das Gebiet abstecken und Antworten finden
Diese Fragen sind unabdingbar, um Theologie sinnvoll betreiben zu können. Besser gesagt, braucht man Antworten auf solche Fragen. Eine Teilantwort findet sich in diesem Sammelband. Er ist neben einem einführenden Vorwort mit vier Aufsätzen zu solchen Fragen ausgestattet. Julius Steinberg führt mit dem ersten Aufsatz (Seite 13–34) in die Dimension alttestamentlicher Theologie ein. Wie sie einzuordnen ist, wo sie anknüpft und weitere Fragen beantwortet Steinberg tiefgründig und lesbar.
Eine Einführung zur Theologie insgesamt
Dieser Aufsatz von Steinberg und die drei weiteren über eine Methodik innerhalb der Theologie sind sehr lesenswert und ich beneide jede Person, welche dies während oder sogar am Anfang eines Theologiestudiums lesen wird. Es führt in die Thematik ein, ohne zu überfordern und gibt Einsicht in die Vorgehensweise einer jeglichen Theologie. Interessant darf dies auch sein, falls Sie gewöhnlicher Bibelleser oder Kleingruppenleiter sind. Die Aufsätze in diesem Sammelband sind prägnant und einfach genug, um auch interessierte Leserinnen und Leser ohne ein geisteswissenschaftliches Studium abzuholen.
Somit empfehle ich jeder Person, welche das Alte Testament lesen und verstehen will, diese vier einleitenden Aufsätze, welche zusammen den ersten Teil dieses Buches ausmachen. Die zwei weiteren Hauptteile und deren Inhalt werde ich Ihnen nach ein paar grundsätzlichen Informationen zum Buch präsentieren.
Informationen zum Sammelband
Der Sammelband erschien erstmals beim Brunnen Verlag, 2007. 2012 wurde eine leicht überarbeitete Auflage bei arteMedia publiziert. Sie ist natürlich auch im deutschen Logos-Shop verfügbar. Das Buch versteht sich als ein Themenbuch zu einer Theologie des Alten Testaments. Die ausgewählten Themen sollen jedoch nur in das spezifische Thema einführen, sodass der Sammelband keine allumfassende AT-Theologie bieten will.
Der Sammelband ist in drei Teile gegliedert. Im ersten Teil widmen sich vier wissenschaftliche Mitarbeiter einer Methodik für das Alte Testament (Aufsätze 1–4). Der zweite Teil beinhaltet vier literarisch-theologische Aufsätze zu der vom Herausgeber priorisierten Methodik einer AT-Theologie (Aufsätze 5–8). Im letzten Teil werden anhand sechs Aufsätzen systematisch Beispiel-Themen einer AT-Theologie vorgestellt (Aufsätze 9–14). Das Buch öffnet mit einem Vorwort und einem Abkürzungsverzeichnis. Am Schluss ist ein Autoren‑, Sach- und Bibelstellenregister angehängt.
Herausgeber der AT-Theologie
Herausgeber dieser evangelikalen AT-Theologie sind Herbert H. Klement und Julius Steinberg. Julius Steinberg ist Ihnen eventuell bereits bekannt für sein aktueller „Hohelied Kommentar”, für den er eine anschauliche und moderne Übersetzung des Hohelieds geschrieben hat. Er ist ein deutscher Theologe und Professor für Altes Testament und Hebräisch an der theologischen Hochschule Ewersbach. Herbert H. Klement ist deutscher Theologe und emeritierter Professor für Altes Testament an der Staatsunabhängigen theologischen Hochschule Basel.
Die vierzehn theologischen Aufsätze
Mit den beiden Herausgeber haben Forscherinnen und Forscher am Band zu folgenden Themen mitgewirkt (in der Reihenfolge der Aufsätze):
- Julius Steinberg mit dem Aufsatz: „Dimensionen alttestamentlicher Theologie“
- Stefan Felber: „Typologie als Denkform biblischer Theologie“
- Torsten Uhlig: „Zur Bedeutung des Alten Testaments für Christen“
- Gerhard Maier: „Heilsgeschichte und Geschichte“
- Hendrik J. Koorevaar: „Eine strukturelle Theologie von Exodus –Levitikus – Numeri“
- Hartmut Schmid: „Könige – Struktur und Theologie“
- Thomas Renz: „Hesekiel – Aufbau und Theologie“
- Julius Steinberg: „Die Chronik – eine ‚Theologie‘ des Alten Testaments“
- Herbert H. Klement: „Krieg und Frieden im Alten Testament“
- Julius Steinberg: „Eine Theologie der alttestamentlichen Weisheit“
- Hetty Lalleman: „Ethik des Alten Testaments“
- Siegbert Riecker: „Segen für die Völker. Gottes Mission im Alten Testament“
- Herbert H. Klement: „Alttestamentlich-theologische Aspekte zur Rolle des Königs in Israel“
- Sylvain Romerowski: „Opfer und Versöhnung im Alten Testament“.
Eine Theologie erarbeiten ja, aber wie?
Wie soll der Bibelleser vorgehen, um die einzelnen Texte des Alten Testaments in ihrer Einzigartigkeit zum Sprechen zu bringen? Wie kann daraus ein theologisches Gesamtbild entstehen, das in sich geschlossen ist und zugleich das Alte Testament als Ganzes umfasst?
Grundsätzlich kann alttestamentliche Theologie in drei verschiedenen Dimensionen entfaltet werden, nämlich in der systematischen, der historischen und der literarischen Dimension. Oft wird in der Fachliteratur eine Mischung dieser drei Ansätzen benutzt. In diesem Sammelband werden jedoch nur der systematische und der literarische Ansatz genutzt.
Erste Möglichkeit einer AT-Theologie: Ein literarisch-theologischer Ansatz
Der zweite Teil des Bandes beinhaltet vier Aufsätze nach diesem Schema. Nach diesem kanonischen Schema werden vorwiegend einzelne Bücher und ihre enthaltenen Botschaften untersucht. Man geht also vom Text aus und kommt so auf Glaubensaussagen und theologische Standpunkte. Dieses induktive Vorgehen hat den Vorteil, den Text und seine enthaltene Botschaft selbst zu hören. Einzelne Bücher des Kanons werden literaturwissenschaftlich untersucht, um ihre theologische Botschaft zu erarbeiten. Bibelkommentare beispielsweise verfahren oft nach diesem Ansatz.
Zweite Möglichkeit einer AT-Theologie: Ein systematischer Ansatz
Der letzte Teil des Buches und somit Aufsatz Nummer 9–14 behandeln Themen systematisch. Das heißt, ein Thema wie etwa Mission wird durch das ganze AT hindurch untersucht. Es wird also die Frage beantwortet: Was sagt das Alte Testament zu Mission? Auch wenn in Josefs Geschichte im ersten Buch der Bibel das Wort Mission nicht vorkommt, ist es wohl implizit vorhanden. Gott hat einen Plan mit den Menschen, der über das Volk von Jakob hinausgeht. Somit ist dieser Ansatz ein umfassender.
Die Problematik oder Gefahr liegt dann darin, dass einzelne Bücher der Bibel zu wenig Beachtung finden. Beim systematischen Ansatz greift man auf Themen und Raster zurück, die deduktiv an die Bibel herangetragen werden. So wird zum Beispiel das AT auf die Lehre von Gott untersucht. Beim Buch Ruth angekommen, schält man die Ergebnisse für diese Lehre hinaus, dabei geht jedoch die Botschaft des Buches als ganzes verloren. Wie sie sehen, kann und soll so ein Ansatz hilfreich sein. Er wird jedoch dann gefährlich, wenn man ihn allein einsetzt. Er soll und darf zusammen mit den beiden anderen Ansätzen benutzt werden. Ein solcher Ansatz findet man meist bei Dogmatiken und Glaubenslehren.
Dritte Möglichkeit einer AT-Theologie: Ein historischer Ansatz
Der wohl am wenigsten beliebte Ansatz ist der historische. Darin wird ein übergeordnetes Thema an ein Teil der Bibel herangetragen. So könnte man fragen: Was ist die Theologie des Petrus? Oder was beinhaltet die Prophetie von Nathan? Bei solch einem historischen Ansatz wird zwar ein Thema deduktiv vorgegeben, jedoch nur dort untersucht, wo es im biblischen Bericht auch vorkommt. Steinberg beschreibt die Schwierigkeit dieses Ansatzes:
„Auch hier ergibt sich allerdings eine Schwierigkeit: Die von der biblischen Theologie behandelten historischen Themen scheinen, besonders wenn es um das Alte Testament geht, für unseren heutigen Glauben oft nicht direkt relevant zu sein.“ (Steinberg, S. 19)
Also auch hier: Der Ansatz dürfte allein nur wenig Sinn machen. Bei einigen Themen mag er sogar eine hohe Berechtigung haben, jedoch nur historisch vorzugehen würde auch bedeuten, die beiden anderen Ansätze nicht zu beachten.
Vierte Möglichkeit: die Mischung aller Ansätze
Wie ich versucht habe zu zeigen, liegt in der Mischung dieser Ansätze das höchste Potenzial. Einige Themen wie das Land oder die Stellvertretung der Opfer machen Sinn, systematisch untersucht zu werden. Der literarische Ansatz wird zum Beispiel einsatzfähig beim Buch Ruth oder beim Buch Esther, wo man mit solchem eine große Fülle an Botschaften gewinnt, welche sonst kaum zu finden sind. Somit sollte man sich nie nur einem Ansatz verschreiben und immer offen sein für eine andere Methodik.
Benutzung dieser und anderer AT-Theologien
Zum Schluss möchte ich Ihnen noch einige Tipps mit auf den Weg geben, wie man dieser Sammelband und andere Theologien des AT’s gewinnbringend lesen und benutzen kann.
- Erstmals, lesen Sie breit. Benutzen Sie in Ihrer Arbeit oder Predigtvorbereitung nicht nur ein Werk, sondern mehrere. Dies gilt für Dogmatiken, Kommentare und dergleichen. Anhand dieser Mischung hat man nicht nur unterschiedliche Positionen entdeckt, sondern auch unterschiedliche Methoden!
- Trauen Sie sich, ihre eigene Theologie zu erarbeiten. Was meine ich damit? Nehmen Sie ein Thema, welches Sie interessiert und forschen Sie anhand eines der in diesem Artikel oder dem Buch kennengelernten Ansatzes. Schreiben Sie Ihre Erkenntnisse in ein Dokument. Solch ein Vorgehen mag für Sie selbst gewinnbringend sein, oder auch für Ihre nächste Themenpredigt!
- Schnuppern Sie in ein Kapitel rein, welches für Sie interessant erscheint. Die Mitbearbeiter des Bandes machen es Ihnen leicht zu erkennen, welchem Ansatz sie folgen und warum sie dies tun.
Wenn Sie, wie ich, dass Sammelband gewinnbringend fanden, aber eben noch weitere Ansätze tiefer kennenlernen wollen, möchte ich Ihnen noch zwei Literaturvorschläge machen. Für einen umfassend historischen Ansatz ist das Themenbuch von Reinhard Gregor Kratz zu empfehlen. Anders, aber nicht schlechter bietet Horst Dietrich Preuss eine umfassende AT-Theologie mit vorwiegend systematischem Blickfeld.