Einleitung in das Neue Testament: Evangelien und Apostelgeschichte

Von Johannes Traichel

März 6, 2023

Eine Rezension von Johannes Traichel

Armin Baum hat mit sei­ner Ein­lei­tung in das Neue Tes­ta­ment ein neu­es Stan­dard­werk für die neu­tes­ta­ment­li­che Theo­lo­gie ver­fasst. Es ist ein Stan­dard­werk, dass anders als manch eine gewöhn­li­che Ein­lei­tun­gen auf­ge­baut ist und gleich­zei­tig durch sei­ne Gründ­lich­keit und gut nach­zu­voll­zie­hen­de Argu­men­ta­ti­ons­fol­gen ver­ständ­lich und über­zeu­gend die Wege sei­ner Mei­nungs­bil­dung auf­zeigt. Das Buch behan­delt in einer beacht­li­chen Aus­führ­lich­keit (das Werk hat einen Umfang von ca. 960 Sei­ten) die Grund­fra­gen zur Erfor­schung der Evan­ge­li­en und der Apos­tel­ge­schich­te, sowie die Vor­aus­set­zun­gen hier­zu. Erschie­nen ist sein Buch im Jahr 2017 im Brun­nen Ver­lag Gie­ßen, als Teil der Theo­lo­gi­schen Ver­lags­ge­mein­schaft (TVG).

Der Autor

Dr. Armin Baum, Jahr­gang 1965, ist Pro­fes­sor und Pro­rek­tor für For­schung an der Frei­en Theo­lo­gi­schen Hoch­schu­le Gie­ßen und dane­ben auch Adjunct Pro­fes­sor für Neu­es Tes­ta­ment an der ETF Leu­ven. Armin Baum gilt als einer der füh­ren­den Neu­tes­ta­ment­ler in der deutsch­spra­chi­gen evan­ge­li­kal gepräg­ten Theo­lo­gie. Er ist der Ver­fas­ser einer Viel­zahl von (auch all­ge­mein­ver­ständ­li­chen) theo­lo­gi­schen Schrif­ten. Bekannt ist Armin Baum auch in christ­li­chen Gemein­den durch sei­ne all­ge­mein­ver­ständ­li­chen Vor­trä­ge, wel­che in der Media­thek von „Glau­ben­Denken“ ver­öf­fent­licht wer­den, in wel­chen Armin Baum her­aus­for­dern­de Fra­gen der Theo­lo­gie (ins­be­son­de­re im Bezug auf das Neue Tes­ta­ment) beantwortet. 

Die von Armin Baum ver­fass­te Ein­lei­tung dage­gen dürf­te eher nicht für die brei­te All­ge­mein­heit in den Gemein­den abzie­len, son­dern viel­mehr als ein Fach­buch für Theo­lo­gin­nen und Theo­lo­gen sein, bzw. für Theo­lo­gie­stu­die­ren­de, die ihre Kennt­nis­se in dem Fach­ge­biet ver­tie­fen und auch bis­he­ri­ge Erkennt­nis­se hin­ter­fra­gen las­sen wol­len. Sei­ne Ein­lei­tung ins Neue Tes­ta­ment umfasst einen aus­führ­li­chen ein­lei­ten­den Teil, in wel­chem Armin Baum aus­führ­lich eine Grund­la­gen­ar­beit ablie­fert, bevor er zu den Ein­lei­tungs­fra­gen der Evan­ge­li­en und der Apos­tel­ge­schich­te übergeht. 

Dies dürf­te sein Werk von ande­ren Ein­lei­tun­gen, wie die Ein­lei­tung von Udo Schnel­le (aus dem klas­sisch his­to­risch kri­ti­schen Bereich) oder die Ein­lei­tung in das Neue Tes­ta­ment von Erich Mau­er­ho­fer (aus dem kon­ser­va­tiv-evan­ge­li­ka­len Bereich) unterscheiden.

Der Aufbau der Einleitung in das Neue Testament

Armin Baum unter­sucht in sei­nem ein­lei­ten­den Teil ausführlich 

  • die Spra­che der Geschichts­bü­cher (Teil A), danach wen­det er sich 
  • dem Erzähl­stil der Geschichts­bü­cher zu (Teil B), worauf 
  • eine Unter­su­chung der Ver­fas­ser­an­ga­ben der Geschichts­bü­cher (Teil C) folgt. Anschlie­ßend behan­delt er 
  • die Fra­ge nach der Gat­tung der Evan­ge­li­en (Teil D). 
  • Die Evan­ge­li­en und Geschichts­bü­cher behan­delt Armin Baum in den Tei­len E‑J. Hier geht Baum auch auf die berühm­te syn­op­ti­sche Fra­ge ein. 
  • Im Teil K geht Armin Baum aus­führ­lich auf die Ent­ste­hungs­zeit der Geschichts­bü­cher ein und behan­delt auch die mit die­sen Fra­gen ver­bun­de­nen welt­an­schau­li­chen Fragestellungen.

Die Sprache der Geschichtsbücher

Armin Baum beschäf­tigt sich recht aus­führ­lich mit der Spra­che des Neu­en Tes­ta­ments. Er unter­sucht das sti­lis­ti­sche Ver­mö­gen der Evan­ge­li­en und den Ein­fluss von semi­ti­schen Fremd­wör­ter auf das Neue Tes­ta­ment. Den Armin Baum ist der Mei­nung: „Die semi­ti­schen Fremd­wör­ter in den neu­tes­ta­ment­li­chen Geschichts­bü­chern sagen mehr über den semi­ti­schen Sprach­hin­ter­grund Jesu und sei­ner Gesprächs­part­ner aus als über den der Evan­ge­lis­ten.“ (S. 10). 

Auf­grund der Spra­che und den semi­ti­schen Rede­wen­dun­gen von Jesus kommt Armin Baum zum Ergeb­nis, dass Jesus auch semi­tisch­spra­chig war und einen ara­mäi­schen und hebräi­schen Sprach­in­ter­grund hat­te. Baum schließt sich Gui­do Bal­tes an und schreibt: „Jesus dürf­te min­des­tens drei Spra­chen gespro­chen haben: Grie­chisch mit der römi­schen Ver­wal­tung und Juden aus der west­li­chen Dia­spo­ra, Ara­mä­isch mit den Bewoh­nern Gali­lä­as und Juden aus der öst­li­chen Dia­spo­ra und Hebrä­isch nicht nur mit den Jeru­sa­le­mer Schrift­ge­lehr­ten, son­dern auch mit der Land­be­völ­ke­rung Judä­as und Sama­ri­as“ (Sei­te 16–17).

Der Erzählstil der Geschichtsbücher

Im Teil B geht Armin Baum auf den Erzähl­stil der Evan­ge­li­en und der Apos­tel­ge­schich­te ein. Er behan­delt die Par­al­le­lis­men in den Reden von Jesus und auch den Epi­so­den­stil und auch der Rede­stoff, die Dia­lo­ge und Funk­tio­nen der Reden wer­den behan­delt. In die­sem Teil gibt Armin Baum auch eini­ge Bei­spie­le und fügt auch Sta­tis­ti­ken an. Er ver­gleicht den Erzähl­stil der Geschichts­bü­cher mit Sti­len in der anti­ken Lite­ra­tur, wie aus der grie­chi­schen und römi­schen Welt, aber auch aus der alt­tes­ta­ment­li­chen Lite­ra­tur und mit rab­bi­ni­schen Gleich­nis­sen. 

Die literarische Gattung der Evangelien

Armin Baum behan­delt auch die Fra­ge nach der lite­ra­ri­schen Form der Evan­ge­li­en. Er dis­ku­tiert ob und wenn ja wie, die Evan­ge­li­en als anti­ke Bio­gra­phien ver­stan­den wer­den können.

Die Grund­fra­ge bzw. die zu klä­ren­de Grund­fra­ge ist gemäß Armin Baum: „ob es sich bei den Evan­ge­li­en um anti­ke Bioi bzw. Bio­gra­phien (2) oder um Wer­ke sui gene­ris (1) han­delt. Zum ande­ren wird dis­ku­tiert, ob sie der paga­nen Hoch­li­te­ra­tur bzw. der paga­nen Volks­li­te­ra­tur ange­hö­ren (II) oder der alt­tes­ta­ment­lich-jüdi­schen bzw. der rab­bi­nisch-jüdi­schen Lite­ra­tur nahe­ste­hen (III).“ (S. 120)

Die Beant­wor­tung von die­sen Fra­gen ist durch­aus kei­ne Neben­sa­che, son­dern hat weit­rei­chen­de Bedeu­tung für das theo­lo­gi­sche Ver­ständ­nis. Prä­gend für die (deutsch­spra­chi­ge) Theo­lo­gie ist im Gewis­sen Sin­ne das was Albe­recht Diels schrieb (und Baum zitiert): „Jeder Theo­lo­gie­stu­dent wird schon im ers­ten Semes­ter davor gewarnt, die vier kano­ni­schen Evan­ge­li­en als Lebens­be­schrei­bun­gen Jesu, als Bio­gra­phien zu lesen“ Eine Alter­na­ti­ve bie­tet die Sicht­wei­se, die auch der frü­he­re Papst Bene­dikt VXI, Joseph Ratz­in­ger ver­tritt der in sei­nem Buch über Jesus schrieb: „Für mei­ne Dar­stel­lung Jesu bedeu­tet dies vor allem, dass ich den Evan­ge­li­en traue. […] Ich den­ke, dass gera­de die­ser Jesus – der der Evan­ge­li­en – eine his­to­risch sinn­vol­le und stim­mi­ge Figur ist.“ (Ratz­in­ger, Jesus, S. 20f).

Armin Baum fasst die Ent­wick­lung und die Vor­läu­fer für die Sicht zusam­men, dass man in den Evan­ge­li­en kei­ne Bio­gra­phien sehen kön­ne. Er star­tet mit David Fried­rich Strauß über den er schreibt: 

Um die Mit­te des 19. Jahr­hun­derts eröff­ne­te David Fried­rich Strauß sein zwei­tes Jesus­buch (für das deut­sche Volk) mit der The­se, über den Chris­tus des Glau­bens kön­ne man kei­ne Bio­gra­phie schrei­ben. Die kirch­li­che Leh­re von sei­ner Per­son (dem mensch­ge­wor­de­nen Got­tes­sohn) und sei­nem Werk (dem Ster­ben und Auf­er­ste­hen zur Erlö­sung der Mensch­heit) kom­me als Gegen­stand einer (his­to­ri­schen) Lebens­be­schrei­bung bzw. Bio­gra­phie nicht infra­ge. Denn der Chris­tus des Glau­bens ste­he über den Natur­ge­set­zen und damit außer­halb der his­to­ri­schen Wirk­lich­keit. „Der kirch­li­che Chris­tus ist kein Gegen­stand für eine Bio­gra­phie“. (S. 120) 

Auch über den prä­gen­den Neu­tes­ta­ment­ler des vor­he­ri­gen Jahr­hun­derts, den Mar­bur­ger Theo­lo­gen Rudolf Bult­mann, geht Armin Baum bei der Gat­tungs­fra­ge der Evan­ge­li­en ein. So schreibt Bult­mann, dass man die Evan­ge­li­en nicht zur Gat­tung der Bio­gra­phien rech­nen darf, son­dern es viel­mehr eine „ori­gi­nal christ­li­che Schöp­fung“ sei (Bult­mann, Geschich­te der syn­op­ti­schen Tra­di­ti­on S. 399–400. 418). Rudolf Bult­mann begrün­det sei­ne Sicht damit, dass er einen sehr gerin­gen Rea­li­täts­be­zug in den Evan­ge­li­en sieht. Viel­mehr sol­lend, gemäß Rudolf Bult­mann, die Evan­ge­li­en als eine „erwei­ter­te Kul­tus­le­gen­de“ ver­stan­den wer­den, wel­che als Ergän­zung und Ver­an­schau­li­chung des christ­li­chen Keryg­mas die­nen. Baum fol­gert: „Für Bult­manns Gat­tungs­be­stim­mung war der (mythi­sche) Inhalt der Evan­ge­li­en wich­ti­ger als ihre lite­ra­ri­sche Gestalt.“ (S. 121)

Armin Baum legt aus­führ­lich dar, war­um er den bio­gra­phi­schen Cha­rak­ter als vor­han­den sieht. (Hier unter­schei­det er sich von der weit ver­brei­te­ten Ein­lei­tung von Udo Schnel­le, wel­cher das Evan­ge­li­um als „eine Gat­tung sui gene­ris, die kei­ner Ober­gat­tung zuge­ord­net wer­den kann“ ver­steht.) Baum stellt den Ansatz von Rudolf Bult­mann in Fra­ge und schreibt: 

Ohne die von Bult­mann (im Anschluss an Strauß) getrof­fe­ne Vor­aus­set­zung, Gott hand­le nur im Rah­men der Natur­ge­set­ze, zu pro­ble­ma­ti­sie­ren, müs­sen sowohl sei­ne Argu­men­ta­ti­on zum Rea­li­täts­be­zug anti­ker Bio­gra­phien als auch die von ihm und ande­ren ver­wen­de­ten for­ma­len Kri­te­ri­en als his­to­risch frag­wür­dig bezeich­net wer­den.“ (S. 122) 

Er legt über­zeu­gend dar, war­um er eine ande­re Posi­ti­on ver­tritt. Baum stellt auch in Fra­ge, dass die Evan­ge­li­en voll­stän­dig aus den christ­li­chen Got­tes­diens­ten ent­wach­sen wären, bzw. bezeich­net die­se The­se als his­to­risch frag­wür­dig. So schreibt er: „Der The­se vom christ­li­chen Kult als Quel­le der Evan­ge­li­en fehlt es an his­to­ri­scher Evi­denz. Die Evan­ge­lis­ten haben ihre Jesus­bü­cher wie ande­re anti­ke Bio­gra­phen aus den münd­li­chen und schrift­li­chen Mit­tei­lun­gen von Augen­zeu­gen zusam­men­ge­stellt.“ (S. 124)

Die Evan­ge­li­en sieht Baum als eine bio­gra­phi­sche Misch­form, in wel­chen eine Viel­falt von lite­ra­ri­schen Ein­flüs­sen vor­han­den sind. Armin Baum schreibt, dass die Leser der Evan­ge­li­en ver­schie­de­ne Gat­tungs­merk­ma­le bemer­ken muss­ten, wel­che aber eigen­stän­di­ge Bio­gra­phien waren. Die­se Bio­gra­phien wur­den anonym und frei von Autoren­re­fle­xio­nen ver­fasst. Anhand der Beschrei­bung von alt­tes­ta­ment­li­cher Geschichts­schrei­bung kommt Armin Baum zu fol­gen­den Ergeb­nis: „Die neu­tes­ta­ment­li­chen Evan­ge­li­en sind Bio­gra­phien Jesu im alt­tes­ta­ment­lich-rab­bi­ni­schen Stil mit leich­ten grie­chisch-römi­schen Ein­schlä­gen.“ (S. 145)

Die Verfasserangaben der Evangelien und der Apostelgeschichte

Armin Baum geht in Teil C auf die Ver­fas­ser­an­ga­ben der Geschichts­bü­cher ein. Hier behan­delt er den Ursprung der Über­schrif­ten der Evan­ge­li­en, wel­che die Ver­fas­ser ange­ben sol­len und behan­delt dabei auch alter­na­ti­ve Erklä­rungs­mo­del­le und deren Vor­han­den­sein in den Hand­schrif­ten. Armin Baum legt dar wie die Ver­fas­ser­an­ga­ben bei den Evan­ge­li­en und der Apos­tel­ge­schich­te bei den frü­hen Kir­chen­vä­tern gese­hen wur­den. So behan­delt er die Fra­ge, war­um die neu­tes­ta­ment­li­che Geschichts­bü­cher als anony­me Lite­ra­tur ver­fasst wur­de und stellt den Ver­gleich mit der alt­tes­ta­ment­li­chen Geschichts­schrei­bung auf. Er kommt zu fol­gen­den Ergebnis: 

Indem die neu­tes­ta­ment­li­chen Erzäh­ler ihre Wer­ke namen­los ver­fass­ten, stell­ten sie sich bewusst in die Tra­di­ti­on der alt­tes­ta­ment­li­chen Geschichts­schrei­bung. Wie ihre alt­tes­ta­ment­li­chen Vor­bil­der woll­ten sie durch die Anony­mi­tät ihrer Wer­ke ihrem Stoff, den Erzäh­lun­gen über das Leben Jesu (und die Aus­brei­tung der frü­hen Jesus­be­we­gung), höchs­te Prio­ri­tät ein­räu­men und als Autoren­per­sön­lich­kei­ten mög­lichst weit­ge­hend hin­ter ihrem Stoff ver­schwin­den.“ (S. 98). 

Die Autoren ver­stan­den sich mit die­sem Stil­mit­tel als ver­gleichs­wei­se unbe­deu­ten­de Ver­mitt­ler der Inhal­te. Dem Inhalt der Evan­ge­li­en, bzw. der Apos­tel­ge­schich­te soll durch die­sen Stil die vol­le Auf­merk­sam­keit gewid­met wer­den und nicht auf die Ver­fas­ser gelenkt wer­den. Daher kann Baum fol­gen: „Hin­ter der Anony­mi­tät der Evan­ge­li­en steht eine star­ke Über­zeu­gung von der Prio­ri­tät des Stof­fes.“ (S. 100)

Armin Baum und die synoptischen Evangelien

Bei der Behand­lung der syn­op­ti­schen Fra­ge stellt Baum sämt­li­che gän­gi­ge Hypo­the­sen vor. Über Les­sing, Schlei­er­ma­cher und Weis­se, stellt er auch den Ansatz von Hen­gel und James Dunn dar.

Bei den syn­op­ti­schen Evan­ge­li­en geht Armin Baum von einer rela­ti­ven Mar­kus­prio­ri­tät aus. Aller­dings legt Baum gleich­zei­tig gro­ßen Wert dar­auf, dass die Evan­ge­li­en im Kon­text von einer anti­ken Gedächt­nis­kul­tur ent­stan­den sind. Die­se Gedächt­nis­kul­tur zeich­net sich gemäß Armin Baum dadurch aus, dass dem mensch­li­chen Erin­ne­rungs­ver­mö­gen eine domi­nie­ren­de Rol­le zuzu­er­ken­nen sei. Baum ver­tritt die The­se, dass die Ver­fas­ser der syn­op­ti­schen Evan­ge­li­en nicht nur auf schrift­li­che, son­dern eben auch aus münd­li­chen Quel­len zurück­ge­grif­fen haben, wel­che durch die Gedächt­nis­kul­tur ermög­licht wur­den. Baum zeigt auch anhand von Bei­spie­len wie weit die nach­weis­ba­ren Gedächt­nis­leis­tun­gen gehen, wie unter ande­rem auch Misch­na und Midrasch und der Tal­mud von Per­so­nen aus­wen­dig rezi­tiert wer­den konnten.

Baum kommt zu dem Ergeb­nis, dass das Mar­kus­evan­ge­li­um vom Rei­se­be­glei­ter des Apos­tel Petrus ver­fasst wur­de, wel­cher Johan­nes Mar­kus ist. Das lukani­sche Dop­pel­werk schreibt Armin Baum Lukas, dem Rei­se­be­glei­ter vom Pau­lus zu. Wäh­rend er das Johan­nes­evan­ge­li­um dem Apos­tel Johan­nes als wahr­schein­lichs­ten Autor zuschreibt, lässt er die Fra­ge beim Mat­thä­us­evan­ge­li­um offen, wer hier der Autor ist. Beim Mat­thä­us­evan­ge­li­um ist es auf­grund einer nicht zurei­chen­den Quel­len­la­ge der­zeit nicht mög­lich her­aus­zu­fin­den, von wem das grie­chi­sche Mat­thä­us­evan­ge­li­um stammt und ob es hier­für eine semi­ti­sche Ori­gi­nal­fas­sung gab. 

Der historische Wert der Evangelien

Armin Baum geht auch auf die Fra­ge des his­to­ri­schen Werts der Evan­ge­li­en ein. Baum ver­tritt, wie bereits dar­ge­legt, dass die Evan­ge­li­en eine bio­gra­phi­sche Misch­form sind, die star­ke Ähn­lich­kei­ten zu den alt­tes­ta­ment­li­chen Geschichts­wer­ken auf­wei­sen. So ver­weist er auch auf das anti­ke Kon­zept von his­to­ri­scher Authen­ti­zi­tät und dar­auf, dass weder in der jüdi­schen Geschichts­schrei­bung (wie sie sich im Alten Tes­ta­ment zeigt) noch in der grie­chi­schen bzw. römi­schen Geschichts­schrei­bung der Anspruch erho­ben wur­de, dass durch die direk­te Rede der Ori­gi­nal­wort­laut wie­der­ge­ge­ben wur­den. Wenn der Inhalt zutref­fend para­phra­siert wur­de galt die­se direk­te Rede als authen­tisch. Die­se Ver­ständ­nis dürf­te grund­le­gend sein um die ver­schie­de­nen For­mu­lie­run­gen in den Evan­ge­li­en ein­ord­nen zu können.

Die Datierung der Evangelien

Bei der Fra­ge nach der Datie­rung der Evan­ge­li­en ver­weist Baum auf das Zusam­men­tref­fen der neu­tes­ta­ment­li­chen Ein­lei­tungs­wis­sen­schaf­ten mit den welt­an­schau­li­chen Ein­schät­zun­gen. Dies betrifft ins­be­son­de­re die Fra­ge ob eine Vor­her­sa­ge von zukünf­ti­gen Ereig­nis­sen, wie sie die Tem­pel­zer­stö­rung durch die Römer 70 nach Chris­tus war, mög­lich sei, oder ob dies ein Hin­wei­se auf eine spä­te­re Ver­fas­ser­schaft sei. Baum schreibt hierzu: 

Wer es für aus­ge­schlos­sen hält, dass Gott, der die Zukunft kennt, sei­nen Boten gele­gent­lich einen klei­nen Aus­schnitt der Zukunft ent­hüllt, wird die syn­op­ti­schen Evan­ge­li­en frü­hes­tens 70 n.Chr. datie­ren. Wer (wie ich) vom Got­tes­bild des Alten und Neu­en Tes­ta­ments bzw. von einem offe­nen Got­tes­bild aus­geht, wird dem von Ire­nä­us mit­ge­teil­ten Zeit­fens­ter, den 60er Jah­ren des 1. Jahr­hun­derts, den Vor­zug geben.“ (S. 914)

Bei der Datie­rungs­fra­ge behan­delt Armin Baum auch aus­führ­lich den papy­ro­lo­gi­schen Befund und dis­ku­tiert das Zeug­nis des Kir­chen­va­ters Ire­nä­us von Lyon.

Armin Baum kommt auf­grund der Sum­me der Über­le­gun­gen zu dem Ergeb­nis, dass die Ent­ste­hung und Ver­brei­tung der syn­op­ti­schen Evan­ge­li­en in den 60er Jah­ren des 1. Jahr­hun­derts lie­gen dürf­te. Zu die­sen Zeit­punkt war die Not­wen­dig­keit vor­han­den die über­lie­fer­ten Ereig­nis­se und Reden Jesu schrift­lich fest­zu­hal­ten. Die Ent­ste­hung der Apos­tel­ge­schich­te lässt sich gemäß Baum mit dem zwei­jäh­ri­gen Rom­auf­ent­halt von Pau­lus in Ver­bin­dung brin­gen, wel­cher von 60–62 n.Chr. statt­fand. Da der Bericht zu die­ser Zeit abrupt endet dürf­te die Annah­me nahe lie­gen, dass die Apos­tel­ge­schich­te kurz danach ver­öf­fent­licht wurde. 

Beim Johan­nes­evan­ge­li­um dage­gen scheint die Datie­rung etwas her­aus­for­dern­der als in der Apos­tel­ge­schich­te zu sein. Sie könn­te vor dem Jüdi­schen Krieg geschrie­ben wor­den sein (auf­grund der prä­sen­ti­schen Anga­be über den Teich Bethes­da mit den fünf Säu­len­hal­len), aber die­se Argu­men­ta­ti­on ist für Baum nicht zwin­gend. Auch ob die Papy­rus­hand­schrif­ten (P52) eine Datie­rung des Johan­nes­evan­ge­li­ums im 1. Jahr­hun­dert erfor­dert dürf­te umstrit­ten sein. Baum weist dar­auf hin, dass das Johan­nes­evan­ge­li­um bei den alt­kirch­li­chen Autoren in der Chro­no­lo­gie immer den letz­ten Platz ein­nahm. Ein genau­es Jahr oder Jahr­zehnt wur­de nicht genannt.

Der Gebrauch dieser Einleitung ins Neue Testament

Nach der Vor­stel­lung von der Struk­tur und des Inhalts des Buches stellt sich die Fra­ge: Für wel­che Per­so­nen­grup­pe eig­net sich die Ein­lei­tung von Armin Baum? Für Leh­ren­de im Bereich des Neu­en Tes­ta­ments dürf­te die­ses Werk eine Pflicht­lek­tü­re sein, vor allem auch da Armin Baum fun­dier­te Ansät­ze für sei­ne The­sen bil­det, die der­zeit nicht zwin­gend die Mehr­heits­mei­nung in den neu­tes­ta­ment­li­chen Bibel­wis­sen­schaf­ten darstellen. 

Für Stu­die­ren­de der Theo­lo­gie dürf­te die­ses Werk mei­ner Mei­nung nach als eine Ergän­zungs­lek­tü­re hilf­reich sein. Zuerst wür­de ich emp­feh­len eine kom­pak­te­re Ein­lei­tung zu lesen und die­se dann mit den Ergeb­nis­sen bei Armin Baum zu ver­glei­chen oder das Werk von Baum zur Ver­tie­fung von Fra­gen zu Nut­zen. Selbst­ver­ständ­lich fin­den sämt­li­che Theo­lo­gen inter­es­san­te und span­nen­de neue Argu­men­te und Ansät­ze in die­sem Werk. Per­so­nen aus dem evan­ge­li­ka­len Spek­trum dürf­ten über vie­le der Ergeb­nis­se sehr glück­lich sein und von den aus­führ­li­chen Begrün­dun­gen von Armin Baum ange­tan sein.

Ins­ge­samt lässt sich sagen, dass die­ses Werk ein Mei­len­stein in den neu­tes­ta­ment­li­chen Ein­lei­tungs­wis­sen­schaf­ten dar­stellt. Es ist ein Werk dem ich nicht nur eine wei­te Ver­brei­tung (beson­ders in den Fach­krei­sen) wün­sche, son­dern das auch das Poten­zi­al hat die For­schung nach­hal­tig zu prä­gen und neu auszurichten.

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Johannes Traichel

Über den Autor

Johannes Traichel ist Pastor der FeG in Donaueschingen.
Der Theologe verfasste die Bücher "Die christliche Taufe" (2020) und "Evangelikale und Homosexualität" (2022). Hinzu kommen Aufsätze in Themenbänden, die sich mit der Systematischen Theologie beschäftigen.
Dazu ist Traichel ein begeisterter und leidenschaftlicher Kaffeetrinker.

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