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„Die Fragen nach Identität, Sexualität und gesellschaftlichen Normen prägen unsere Zeit wie kaum ein anderes Thema. Carl R. Trueman untersucht in seinem Buch, wie sich diese Konzepte historisch und philosophiegeschichtlich entwickelt haben und welche Auswirkungen sie heute haben. Wie genau kam es zu dieser Transformation?” Wie kam es beispielsweise dazu, dass der Satz „Ich identifiziere mich als eine Frau, die in einem Männerkörper gefangen ist“ kein Aufsehen mehr erregt? Wie kommt es dazu, dass er heute in der breiten, westlichen Gesellschaft eher normal ist? Unsere Urgroßväter hätte so einen Satz stark irritiert. Was hat sich geändert? Wie ist es dazu gekommen, dass eine traditionelle Ansicht über Sexualität und Identität in einigen Ländern geächtet, als diskriminierend und strafbar behandelt wird? Diese und weitere Fragen aus dem Buch “Fremde neue Welt: Wie Philosophen und Aktivisten Identität umdefiniert und die sexuelle Revolution entfacht haben” von Carl R. Trueman werden Ihnen in den nächsten 17 Minuten dieser Rezension genauer dargelegt.
Ein Kommentar vorab: Dieses Buch behandelt brisante Themen. Für eine differenzierte und fundierte Darstellung ist der Blogbeitrag zu kurz. Ich teile weder voll die Meinung des Autors noch lehne ich das Gesellschaftsbild, das er in diesem Buch analysiert, komplett und konsequent ab.
Wenn Sie sich also eine Meinung zu diesem Thema bilden wollen, lesen Sie mehr als diesen Blog, lesen Sie sein Buch, lesen Sie andere Bücher zu diesem Thema. Wenn Sie Fragen haben, zögern Sie nicht, diese in den Kommentaren zu stellen.
Infos zum Buch
Der reformierte und evangelikale Kirchenhistoriker Carl R. Trueman (Grove City College) verfasste im Jahr 2020 das auch auf Deutsch erhältliche Buch Der Siegeszug des modernen Selbst: Kulturelle Amnesie, expressiver Individualismus und der Weg zur sexuellen Revolution. Aufgrund hoher Anfrage nach einem zugänglicheren Werk ließ er zuerst das Hörbuch und dann 2022 einen kürzeren Band folgen, der in dieser Rezension näher betrachtet wird: Fremde neue Welt: Wie Philosophen und Aktivisten Identität umdefiniert und die sexuelle Revolution entfacht haben. (Ursprünglich ist das Buch als Strange New World: How Thinkers and Activists Redefined Identity and Sparked the Sexual Revolution bei Crossway erschienen). Beide Bücher wurden vom Verbum Medien Verlag in Zusammenarbeit mit dem Netzwerk Evangelium 21 auf Deutsch veröffentlicht.
Trueman meint, tief in die Philosophiegeschichte eintauchen zu müssen, um die eingangs gestellten Fragen sinnvoll beantworten zu können. Mit mehr als 500 Seiten für sein erstes Werk hat er dies sicherlich gründlich getan. Um seine Erkenntnisse einem breiteren Leserkreis zugänglich zu machen, hat er seine Gedanken im neuen Buch prägnanter und weniger ausführlich niedergeschrieben.
Wer sollte das Buch lesen?
Nach Pfarrer Ulrich Parzany sollten diejenigen das Buch lesen, „die die rapiden Veränderungen verstehen wollen, die sich in unserer Gesellschaft gegenwärtig vollziehen. Selbstverständlich sind wir Christen daran beteiligt und davon betroffen“ (S. 8). Da wir als Christen der Welt zugewandt sein sollten, darf es uns nicht egal sein, was gerade „en vogue“ ist. Nicht, dass wir die Meinung der breiten Gesellschaft zu übernehmen oder komplett zu verwerfen hätten. Wenn wir jedoch auf unser Gegenüber eingehen wollen, um ihnen die beste Botschaft der Welt zu übermitteln, sollten wir verstehen, wie unser Gegenüber denkt.
Genau davon handelt dieses Buch. Und somit sollte jeder, der von gewissen politischen Entscheiden überrascht ist und der mehr über die Auswirkungen der 68er-Bewegung und dessen philosophischen Herkunft erfahren will, dieses Buch lesen. Es ist gewissermaßen eine Bauanleitung für das westliche Denken im 21. Jahrhundert. Und dieses findet nachvollziehbarerweise außerhalb und innerhalb der Kirchenmauern statt. Nun möchte ich Ihnen einen Kurzüberblick des Buches vorstellen.
Überblick über den Inhalt
17. und 18. Jahrhundert (erstes und zweites Kapitel)
Das in neun Kapitel gegliederte Buch ordnet sich historisch. Während das erste Kapitel lediglich als Einleitung und Begriffsdefinitionen dient, beginnt beim zweiten Kapitel die Geschichte dieser „Sexuellen Revolution“, wie Trueman sie nennt. Über Descartes, Rousseau und die Romantiker (1795–1848) kommt er zum Schluss, dass die kultivierte Gesellschaft damals schlecht war und dass man laut Rousseau mehr auf seinen Instinkt hören sollte. Das heißt, man solle auf seine innere Stimme hören. Man soll das, was man denkt, auch aussprechen. In einem gewissen Sinne geht es also um Authentizität. Wer offenbar so redet und lebt, wie es mit der Persönlichkeit übereinstimmt, ist „echt“ und lebt „besser“.
Wir verstehen nun besser, warum der Politiker, der sich daneben benimmt und eine vulgäre Sprache benutzt, beliebter ist als der höfliche Typ. In einer Welt, in der man so ist, wie die eigene Stimme einem sagt, gilt man als authentisch. Der andere stellt nur eine öffentliche Persona dar und handelt privat möglicherweise nicht so, wie er in der Öffentlichkeit erscheint. In Bezug auf die Themen sexuelle Identität und Authentizität folgert Truman entsprechend: Eine transsexuelle Person, die als Mann geboren wurde, aber behauptet, eine Frau zu sein, ist zu verehren. Denn sie bringt die äußere Vorstellung endlich mit der inneren Realität in Einklang (S. 57).
19. Jahrhundert (Drittes Kapitel)
Im dritten Kapitel untersucht Carl R. Trueman die Ideen von Marx, Nietzsche und Oscar Wilde und zeigt, wie sie die heutige Kultur beeinflusst haben. Philosophen wie Marx und Nietzsche verwarfen transzendente Moral und prägten eine Weltanschauung, die Sexualität und Identität politisierte:
- Marx’ Einfluss: Er betont, dass soziale Beziehungen im Kern ökonomisch sind, was dazu führt, dass alles politisch wird. Dies hat zur Politisierung vieler gesellschaftlicher Themen geführt.
- Marx und Nietzsche: Beide lehnen eine feste, transzendente Moral ab. Für Marx dient Moral der Aufrechterhaltung des ungerechten Wirtschaftssystems, während Nietzsche sie als Werkzeug der Unterdrückung sieht. Beide betrachten Religion als hinderlich für wahre Freiheit.
- Nietzsche und Wilde: Nietzsche propagiert künstlerische Selbsterschaffung, um sich von konventioneller Moral zu befreien. Wilde verkörpert diese Idee als hedonistischer Künstler, für den Vergnügen und Ästhetik zentrale Werte sind.
Die Ideen dieser Denker haben zu der heutigen Vorstellung geführt, dass die menschliche Natur keine feste moralische Struktur hat. Moral ist kontextabhängig, und Selbstinszenierung, besonders in den sozialen Medien, ist weit verbreitet. Diese Entwicklungen sind oft von einer sexuellen Rebellion geprägt, was zum Thema des nächsten Kapitels überleitet.
Ausgehendes 20. Jahrhundert (Viertes bis sechstes Kapitel)
In diesen Kapitel analysiert Trueman die Rolle von Sigmund Freud in der Entwicklung des modernen Selbstverständnisses. Freud hat das psychologisierte Selbst, das durch Rousseau und die Romantiker geprägt wurde, mit einer sexuellen Dimension versehen. Für Freud ist die sexuelle Begierde zentral für die Identität eines Menschen; Sex wird nicht mehr als Handlung, sondern als Daseinszustand betrachtet. Dadurch gewinnen Begriffe wie „heterosexuell“, „schwul“ oder „bisexuell“ mehr und mehr an Bedeutung, unabhängig von tatsächlicher sexueller Erfahrung. Somit funktioniert laut Trueman der alte Spruch „Liebe den Sünder, hasse die Sünde“ heutzutage nicht mehr. Da homosexuelle Handlungen nicht bloß Handlungen sind, sondern zum Wesen, zur Identität des Akteurs gehören.
Wilhelm Reich und seine Nachfolger zeigen die politischen Konsequenzen dieser Entwicklung auf. Wenn das sexuelle Verlangen (und die sexuelle Orientierung) die Identität eines Menschen definiert, wird die Art und Weise, wie die Gesellschaft mit diesem Verlangen umgeht, zu einer politischen Frage. Die Unterdrückung weitet sich nun auch auf psychologische Aspekte aus, was Auswirkungen auf sexuelle Normen, Kindererziehung und gesellschaftliche Einstellungen hat. Sobald Identität psychologisch verstanden wird, können Worte und Gedanken, die diese Identitäten angreifen, als schädlich angesehen werden, was Auswirkungen auf traditionelle Freiheiten wie Religions- und Redefreiheit hat.
Exkurs: Progressive Entwicklungen und traditionelle Auslegung
Viele christliche Gemeinden vertreten die Ansicht, dass für eine Trauung jeweils ein Mann und eine Frau sich zusammentun, mit der Absicht, ein Leben lang zusammenzubleiben. Wenn nun traditionelle Gemeinden durch die Bibel auf den Schluss kommen, dass sexuell ausgelebte Homosexualität nicht im ursprünglichen Willen Gottes liegt, könnte und wird das für homosexuell auslebende Menschen (ob gläubig-religiös oder nicht) einen Anstoß sein. Man fühlt sich dann nicht mehr als Mensch gewürdigt. So gibt es bereits in vielen europäischen Staaten politische Wettkämpfe darum, ob die Ehe staatsrechtlich nur zwischen Mann und Frau oder eben auch gleichgeschlechtlich definiert wird. Im Falle einer Öffnung dieser Gesetze kann das starke Auswirkungen auf einzelne Pfarrer/Pastoren haben. Besonders dann, wenn der eigene Verband, Pfarrei oder Kirche nicht dieselbe Meinung teilt wie man selbst. Zudem wird es zunehmend schwierig, sich auf die traditionelle Sichtweise zu beharren, da es dann schnell als “homophob” abgestempelt wird.
Diese Fragen rund um Sexualität, Identität und biblische Lehren sind zweifellos heikel und werfen tiefgehende moralische, gesellschaftliche und theologische Fragen auf. Auf der einen Seite steht die traditionelle christliche Sichtweise, die die Ehe als göttliche Ordnung zwischen Mann und Frau versteht, und auf der anderen Seite die zunehmend lautere und breitere Akzeptanz von gleichgeschlechtlichen Beziehungen, die auch innerhalb der Kirche immer mehr zur Diskussion steht. Für viele homosexuelle oder queere Menschen, insbesondere innerhalb der christlichen Gemeinschaft, kann der Gegensatz zwischen biblischer Lehre und persönlicher Identität zu einem ernsthaften inneren Konflikt führen. Dieser Konflikt ist nicht nur emotional und spirituell, sondern hat auch gesellschaftspolitische Implikationen. Die Herausforderung für Christen besteht darin, respektvoll und verständnisvoll miteinander umzugehen, auch wenn unterschiedliche Überzeugungen und Haltungen existieren.
Dabei geht es nicht nur um die Frage, wie die Bibel zu Sexualität steht, sondern auch darum, wie wir als Gesellschaft und als Christen lernen können, einander in unseren Unterschiedlichkeiten anzunehmen und respektvoll zu behandeln. Die Debatten über Homosexualität und Geschlecht sind weit mehr als nur theologische Streitfragen – sie betreffen das Leben vieler Menschen auf sehr persönliche Weise und verlangen einen sensiblen, differenzierten Dialog. Es bleibt zu hoffen, dass solche Gespräche in einer Atmosphäre des Respekts, der Nächstenliebe und des Verständnisses geführt werden, ohne vorschnelle Urteile und Stigmatisierung. Das Thema wird uns noch lange beschäftigen, und es ist entscheidend, dass wir in der Lage sind, sowohl die biblische Wahrheit als auch die menschliche Realität anzuerkennen und miteinander in einen offenen, respektvollen Dialog zu treten.
Trueman geht auf den Einfluss von Philosophen wie Freud und Nietzsche ein, die das Selbst als psychologisch und nicht mehr als moralisch oder religiös orientiert betrachteten. Die gesellschaftliche Veränderung, die zur zunehmenden Anerkennung von Homosexualität und Transgender-Rechten geführt hat, ist nicht nur das Resultat der politischen Kämpfe von Aktivisten, sondern auch einer tiefgreifenden philosophischen Umgestaltung. Für Transgender-Menschen, deren Identität auf dem Gefühl beruht, im falschen Körper geboren worden zu sein, ist die Transgender-Bewegung eine Möglichkeit, ihre eigene Identität zu finden. Christen stehen dieser Bewegung unterschiedlich gegenüber: Während konservative Christen dazu tendieren, die Transgender-Idee als unbiblisch und falsch abzulehnen, gibt es auch eine wachsende Anzahl von Christen, die sich inmitten dieser Veränderung für einen respektvollen Umgang mit Transgender-Personen aussprechen und gleichzeitig betonen, dass Identität in Christus mehr zählt als das biologische Geschlecht.
Diese Perspektiven sind nicht nur relevant für eine Auseinandersetzung mit den historischen und philosophischen Wurzeln der sexuellen Revolution, sondern stellen sich direkt den realen Fragen von Betroffenen. Es ist wichtig zu erkennen, dass unterschiedliche christliche Gruppen in Bezug auf Homosexualität und Transgender-Themen unterschiedliche Meinungen vertreten, und dass diese Fragen nicht nur theoretische Bedeutung haben, sondern das tägliche Leben und den Umgang mit Menschen prägen.
An diesem Punkt könnte man auch die Frage stellen: Was bedeutet es für einen homosexuellen oder transgender Menschen, in einer christlichen Gemeinschaft zu leben, wenn die Haltung der Kirche in dieser Frage nicht eindeutig oder gar feindlich ist? Das Buch bietet in dieser Hinsicht einen wertvollen Beitrag, indem es zur Reflexion einlädt – auch wenn es, wie bei vielen theologischen Themen, unterschiedliche Auffassungen gibt, was die Bibel in Bezug auf Sexualität und Geschlecht lehrt.
Identitätsanker
Im fünften Kapitel erklärt Trueman, warum es zum Bruch vieler Traditionen gekommen ist. Der Zusammenbruch traditioneller Identitätsanker wie Religion, Nation und Familie habe zur Hinwendung zum inneren Selbst geführt. Der technologische Fortschritt fördert die Vorstellung, dass die Natur und die Welt formbares Material ist, das nach Belieben geformt werden kann. Der Verlust einer sogenannten heiligen Ordnung verstärkt diesen Subjektivismus.
Die sexuelle Freiheit, gefördert durch Verhütungsmittel, die Pornoindustrie und die Sozialwissenschaften, wird als zentral für ein glückliches Leben angesehen. Eliten in Politik, Bildung, Kultur und Wirtschaft treiben diese Ideologie voran, entschlossen, die traditionellen Werte hinter sich zu lassen. Das expressive, sexuelle Selbst der modernen Kultur ist vielleicht keine zwingende Entwicklung, aber all diese Faktoren machen es zu einer plausiblen und erklärbaren Folge.
Trueman erklärt, dass traditionelle Identitätsanker wie Nation, Kirche und Familie im ausgehenden 20. Jahrhundert schwächer wurden, wodurch der Körper als letzte Quelle stabiler Identität diente. Früher musste man sich nicht über sein Geschlecht entscheiden, da es als unveränderliche Tatsache galt. Heute ist das Selbst jedoch vollständig formbar, und selbst der Körper ist im Fluss, was zu einer fundamentalen Unsicherheit führt.
Diese Instabilität hat zu einem Anstieg von Depressionen und Ängsten geführt, obwohl der Wohlstand und die Sicherheit im Westen größer sind als je zuvor. Die Suche nach Identität und Zugehörigkeit wird in der heutigen Welt besonders herausfordernd. Die LGBTQ+-Bewegung bietet eine neue Art von Identität und Gemeinschaft, die den Menschen ein Gefühl von Zugehörigkeit und Sicherheit vermittelt. Die vorherrschenden Erzählungen und gesellschaftlichen Eliten fördern eine Identität, die stark auf sexueller Orientierung basiert und stellen sexuelle Erfüllung als zentralen Bestandteil eines erfüllten Lebens dar. Diese Narrative verleihen den Anliegen von marginalisierten Gruppen moralischen Status und erschweren es, sich gegen sie zu positionieren.
21. Jahrhundert (siebtes bis neuntes Kapitel)
Trueman beschreibt, wie die LGBTQ+-Bewegung seit den 2000er-Jahren an Einfluss gewonnen hat. Die Bewegung hat sich von einer marginalen Gruppe zu einer dominierenden Kraft in der kulturellen und politischen Landschaft entwickelt. Diese Entwicklung ist gekennzeichnet durch eine zunehmende Anerkennung und rechtliche Absicherung von LGBTQ+-Rechten. Ein zentraler Punkt ist die Ausweitung der Definition von Geschlecht und sexueller Identität, die von traditionellen binären Vorstellungen abweicht und zunehmend fluide betrachtet wird. Trueman betont, dass die LGBTQ+-Bewegung nicht nur rechtliche Fortschritte gemacht hat, sondern auch tiefgreifende kulturelle Veränderungen bewirkt hat. Die Themen rund um Geschlecht und Sexualität sind nun zentraler Bestandteil des öffentlichen Diskurses und beeinflussen Bereiche wie Bildung, Medien und Politik.
Trueman untersucht, wie sich die LGBTQ+-Bewegung auf Freiheiten wie Religions- und Redefreiheit auswirkt. Er sagt, dass die Anerkennung von LGBTQ+-Rechten zu Konflikten mit traditionellen religiösen und moralischen Überzeugungen geführt hat. Die Diskussion um Trans-Rechte hat dazu geführt, dass sich Befürworter und Gegner dieser Rechte immer weniger verstehen. Trueman sagt, dass es immer schwieriger wird, in der Öffentlichkeit zu sagen, dass man bestimmte Aspekte der LGBTQ+-Politik nicht gut findet. Man wird dann schnell als intolerant oder diskriminierend angesehen. Diese Entwicklung hat große Auswirkungen auf die Meinungsfreiheit und die Rechte von religiösen Gemeinschaften.
Im letzten Kapitel dieses Buches blickt Trueman in die Zukunft und spekuliert über die möglichen Entwicklungen im Bereich der sexuellen Identität und der LGBTQ+-Rechte. Er warnt vor den möglichen langfristigen Konsequenzen, insbesondere im Hinblick auf die weitere Fragmentierung der Gesellschaft und die Herausforderungen für traditionelle Institutionen wie Familie und Religion. Trueman hebt hervor, dass die weitreichenden Veränderungen in der Gesellschaft nicht nur kulturelle, sondern auch rechtliche und soziale Folgen haben könnten. Er ist besorgt, dass die fortschreitende Anpassung an neue Geschlechtsidentitäten und sexuelle Normen zu einem tieferen Verständnis von Identität und Zugehörigkeit führen könnte, das bestehende gesellschaftliche Strukturen infrage stellt.
Fazit
Das Buch von Carl R. Trueman, „Fremde neue Welt: Wie Philosophen und Aktivisten Identität umdefiniert und die sexuelle Revolution entfacht haben“, bietet einen tiefgehenden und aufschlussreichen Überblick über die Entwicklungen, die zu unserer modernen Sicht auf Identität und Sexualität geführt haben. Trueman gelingt es, komplexe historische und philosophische Prozesse anschaulich und verständlich zu vermitteln, was das Buch zu einer wertvollen Lektüre für jeden macht, der die kulturellen und politischen Veränderungen des 21. Jahrhunderts besser verstehen möchte. Besonders beeindruckend ist seine Fähigkeit, die Entwicklung der modernen Identitätskonzepte zu beleuchten und die Einflüsse großer Denker wie Rousseau, Marx und Nietzsche aufzuzeigen.
Trumans Ansatz ermöglicht es den Lesern, sich mit den dargestellten Inhalten kritisch auseinanderzusetzen und selbst zu reflektieren, wie die Weltanschauungen des 21. Jahrhunderts entstanden sind und welche Herausforderungen sie mit sich bringen. Das Anliegen des Autors ist es, Wissen zu vermitteln, das als Grundlage für ein fundiertes Gespräch über Identität, Kultur und Glaube dient – unabhängig davon, ob man seine Perspektiven teilt oder nicht. Auf diese Weise eröffnet er einen Raum für Dialog und Nachdenken, der sowohl für Christen als auch für Nichtchristen von großem Wert sein kann.
Dieser Ansatz eröffnet nicht nur eine wertvolle Grundlage für eine kritische Auseinandersetzung, sondern spricht auch Christen an, die in ihrem Umfeld oder in ihrer eigenen Biografie existenziell von Themen wie Homosexualität oder Transgender betroffen sind. Unabhängig davon, ob homosexuelle oder transgender Gefühle ausgelebt werden, bleibt die Frage der Identität ein tief persönliches Thema, das von vielen mit dem Glauben und biblischen Überzeugungen verknüpft wird. Truemans Werk bietet diesen Menschen eine Analyse, die hilft, die kulturellen und philosophischen Einflüsse zu verstehen, die solche Identitätsfragen prägen – unabhängig davon, ob man seine Perspektiven teilt oder nicht.
Jedoch empfinde ich als größte Schwäche des Buches, dass die komplexen philosophischen Konzepte, die diese Entwicklungen prägen, nur oberflächlich behandelt werden. Die detaillierte Auseinandersetzung mit den Werken der großen Philosophen fehlt, und es werden nur wenige direkte Zitate verwendet, was das tiefergehende Verständnis der philosophischen Grundlagen erschwert. Natürlich ist diese Auseinandersetzung in Trumans ausführlicherem Werk komplett und detailliert vorhanden. Jedoch werden Leser, welche sich für die Kurzfassung entscheiden, hier und dort überfordert werden.
Trotz dieser nachvollziehbaren Lücke kann ich das Buch empfehlen, da es auf prägnante Weise die historischen und kulturellen Zusammenhänge darstellt und wichtige Denkanstöße bietet. Für Christen, die sich mit der kulturellen Transformation und deren Auswirkungen auf die Kirche auseinandersetzen möchten, liefert dieses Buch eine hilfreiche Analyse. Es zeigt, warum ein tiefes Verständnis der heutigen Identitätskultur notwendig ist, um meinen Nachbarn, den Lehrer meiner Kinder oder den Uniprofessor besser zu verstehen und mit ihnen in einen wertvollen Dialog zu treten.
Trueman hat es meiner Meinung nach geschafft, die Auswirkungen und die Herkunft gewisser philosophischen und politischen Strömungen differenziert zu beleuchten und in den Kontext der Bibel zu stellen. Und zwar unabhängig davon, zu welcher positiven oder negativen Einordnung man kommt. Truemans Anliegen ist es nicht, zu bewerten. Er möchte vielmehr anderen Menschen zeigen, wie das postmoderne 21. Jahrhundert denkt.Und das ist ihm aus meiner Sicht gut gelungen.
„Wie kommt es dazu, dass er heute völlig normal ist? Was hat sich geändert?”
Es ist NICHT normal, sondern es wird verlangt diese Dinge als „normal” zu definieren und zu akzeptieren. Abtreibungen, Scheidungen und sexuelle Varianten außerhalb der (normalen= biblischen) Ehe sollen ad absurdum geführt werden und den Boden für noch weitere Machenschaften ebnen.
Dies sei modern, doch die Geschichte zeigt es anders. Diese Zustaände gab es in Sodom id Gomorrah ebenso, wie in anderen „Zivilisationen” und sie führten nie in eine glorreiche Zukunft.
Umso mehr ist es an uns, hier die Herzen der Menschen zu gewinnen, uns zu multiplizieren und die Gemeinde mit der heilsamen Lehre zu nähren und zu heilen. Wir sind nicht Richter, sondern Zeugen der wirklich guten Nachricht.
Was „normal” ist, hat DER, der uns geschaffen hat bereits definiert.
Hallo Holger
Ich habe ja nicht gesagt, dass du es als normal ansehen musst. Ich habe lediglich gezeigt, dass Trueman die westliche Gesellschaft so erlebt aktuell. Was dies dann in der Praxis für Änderungen mit sich bringt und dass die dann ausserhalb des biblischen Spektrums liegen, steht auf einem anderen Blatt. Aber wie du sagst, wir dürfen die Gesellschaft aktiv positiv mitprägen und unsere Mitmenschen lieben als christlicher Grundauftrag.
Gruss