Christliche Ethik ist ein spannendes, heißes und vermintes Gebiet. Während früher die Dogmatik als das Gebiet der Streitfragen galt, ist es heute die Ethik in den christlichen Kirchen und Gemeinden. Früher zerbrachen christliche Kirche an der Frage der Dogmatik, sowie an der Frage der Taufe oder des Verständnisses des Abendmahls, heute gibt es bereits Spannungen und Trennungen von Gemeinden aufgrund der Ethik.
Inhalt
Ein Wandel in der Zeit
Dietrich Bonhoeffer konnte zu seiner Zeit noch in seiner Ethik schreiben:
„Nur selten mag eine Generation jeder theoretischen und programmatischen Ethik so uninteressiert gegenübergestanden haben wie die unsere. Die akademische Frage eines ethischen Systems erscheint als die überflüssigste aller Fragen.“ (Bonhoeffer, Ethik, S. 62).
Heute kann dies nicht mehr gesagt werden. Im Gegenteil. Christliche Ethik steht häufig im Mittelpunkt von umstrittenen Debatten in der Theologie und den christlichen Gemeinden.
Daher ist es umso erfreulicher, dass mit den Ethik Bänden von Helmuth Burkhardt nun ein fundierter Entwurf bei Logos erscheint! Um es vorweg zu nehmen: Ich halte den Entwurf von Burkhardt für die beste deutschsprachige Ethik, die aktuell (2023) auf dem Buchmarkt ist. Burkhardt legt einen fundierten Gesamtentwurf dar, welcher durchdacht, theologisch sauber und von einer stringenten Argumentation durchzogen ist. Künftige Gesamt-Entwürfe einer Ethik werden die schwere Aufgabe haben, aus seinem Schatten hervorzustechen. Für mich gehört Burkhardt mit seiner Ethik in die Reihe der großen theologischen Ethiker wie Helmut Thielicke, Klaus Bockmühl und Emil Brunner.
Wer ist Helmut Burkhardt?
Helmut Burkhardt ist vor allem als Dozent für Systematische Theologie am Theologischen Seminar St. Chrischona bekannt. Auch war Burkhardt Gründungsvorsichtender des Arbeitskreises für evangelikale Theologie und somit ein prägender Theologe im deutschsprachigen evangelikal /pietistischen Kontext.
Anfang 2022 verstarb Helmut Burkhardt im Alter von 83 Jahren. Er wurde in der damaligen deutschen Stadt Breslau geboren. Als Zwanzigjähriger kam er durch die „Fackelträger“ zum Glauben. Er studierte in Kiel und Tübingen evangelische Theologie. Der bekannte Neutestamentler Otto Michel sollte prägend für ihn sein. Burkhardt begann seinen Dienst in der Landeskirche von Eutin. Später war Burkhardt ein Referent der „Pfarrer-Gebetsbruderschaft“. In dieser Zeit gab es intensive Auseinandersetzungen mit der Entmythologisierung von Bultmann.
Burkhardt wurde auch zu einem der Herausgeber der Zeitschrift „Theologische Beiträge“, welche bis heute eine große Reichweite hat. Bekannt wurde Burkhardt auch durch die Herausgabe und Mitarbeit an verschiedenen Lexika. So war er der Herausgeber vom „Evangelischen Lexikon für Theologie und Gemeinde“, dem allgemein verständlichen Lexikon „Das grosse Bibellexikon“ und das „Evangelische Gemeindelexikon“. Auch war Burkhardt im Beirat der „Theologischen Verlagsgemeinschaft“, welche theologisch fundierte evangelikale /pietistische theologische Bücher herausgab. Burkhardt wurde im Jahr 1988 promoviert. Seine Doktorarbeit trug den Titel „Die Inspiration heiliger Schriften bei Philo von Alexandrien“.
Nach einer Begegnung mit dem einflussreichen Ethiker Klaus Bockmühl, wurde Burkhardt im Jahr 1977 dessen Nachfolger als Dozent am Theologischen Seminar St. Chrischona, an welchem er bis 2008 lehrte und somit ganze Generationen von Pastoren, Prediger und Missionare prägte.
Für seine Ethik bekam Burkhardt viele positive Rückmeldungen über die Grenzen der Konfessionen hinaus. So schrieb dazu der frühere Ratsvorsitzender der EKD Dr. Bedford-Strohm zum Band II/1:
„Die Lektüre dieses Buches lohnt sich …, nicht nur, weil B. an vielen Stellen biblische Einsichten für die Ethik fruchtbar macht, sondern auch, weil er sich erfolgreich bemüht, enge Glaubens- und Denkhorizonte zu erweitern und dennoch eine klare Orientierungsgrundlage zu vermitteln.“ (Veröffentlicht in der Theologischen Literaturzeitung)
Der Aufbau der Ethik Reihe
Die Ethik von Helmut Burkhardt ist in drei Bände in vier Teilbände unterteilt. Im ersten Band legt Burkhardt die Grundlagen der Ethik, wo er über die Fundamentalethik schreibt. Im zweiten Band, welches in zwei Teilbänden veröffentlicht wurde, geht Burkhardt auf das gute Handeln ein, also auf die Material-Ethik. Band III behandelt dann noch die spezifisch christliche Material-Ethik.
Was will Ethik im Allgemeinen
Worum geht es in der Ethik? Ethik stellt sich die Frage, was gutes Handeln ist. Oder um es mit Burkhardt zu sagen: „Ethik ist die Lehre vom Verhalten des Menschen.“ (Burkhardt, Einführung in die Ethik, S. 15).
Wie Burkhardt auch ganz grundsätzlich aufzeigt, gibt es in der Ethik zwei verschiedene Ansätze. Es gibt die normative Ethik und die deskriptive Ethik. So kommt es bei der Wahl zwischen den beiden Ansätzen darauf an, ob man in der Aufgabe der Ethik die Begründung von Prinzipien und Normen sieht, oder ob Ethik die Aufgabe hat, zum Verstehen der moralischen Praxis anzuleiten. Burkhardt vertritt die normative Ethik. Bei ihm geht es um die Frage, wie das richtige Verhalten aussieht. Er schreibt:
„In der Regel dagegen wird Ethik als normativ verstanden. Ihre Frage ist dann nicht: Wie verhält der Mensch sich? sondern: wie soll sich der Mensch verhalten? Nicht: Welches ist faktisch in der Regel das Verhalten des Menschen? sondern: Welches Verhalten ist das rechte Verhalten? Ethik bleibt nicht bei der (möglicherweise schlechten) Wirklichkeit stehen, sondern geht weiter zur Wahrheitsfrage. Die Wahrheit ist aber immer verpflichtend. … Ethik ist die Lehre vom Leben des Menschen unter dem Gesichtspunkt seiner Verantwortung für dessen rechte Gestaltung.“ (Burkhardt, Einführung in die Ethik, S. 16).
Helmut Burkhardt zeigt einfach und verständlich auf, wie sich Ethik in Fundamentalethik und Materialethik (bei welcher es noch die spezifisch christliche /die Reich Gottes Ethik gibt) aufteilt. Während die Fundamentalethik sich die Frage stellt, wie der Mensch das gute Tun erkennt und wie der Mensch tun kann, was als das Gute erkannt wurde, stellt sich die Material-Ethik die Frage, was der Mensch zu tun hat, damit sein Handeln gut sein soll.
Säkulare Ansätze der Ethik
In seinem Band zur Fundamentalethik beschreibt Burkhardt zunächst die verschiedensten Ethikentwürfe. Er geht hier auf sämtliche säkulare Ethikansätze ein und unterzieht sie einer kritischen Würdigung. So beschreibt er die positivistische Ethik, die utilitaristische Ethik, die naturrechtliche Ethik und die Situationsethik. Er stellt die jeweiligen Entwürfe sauber und fair dar, beschreibt ihre Begründung, würdigt ihre Wahrheitsmomente und beschreibt auch die Problematik des jeweiligen Ansatz. Bei der positivistischen und situationsethischen Ethik nimmt Burkhardt wahr, dass sie die Geschichtlichkeit des Lebens und der Situation wahrnehmen. Beim naturrechtlichen Ansatz sieht er die Bindung an gewisse objektive Norm positiv an. Der utilitaristische Ansatz hat den positiven Aspekt und begründet die inhaltliche Orientierung und Motivation.
In seinen Ausführungen zur Materialethik diskutiert Burkhardt auch säkulare Ergebnisse der Ethik und beschreibt die Unterschiede zu einer christlichen, bzw. theozentrischen Ethik. Dies wird unter Anderem an der prominenten Frage der Abtreibung deutlich, in welcher Burkhardt auch auf die Argumentation des australischen Ethikers Peter Singer und anderen säkularen Ethikansätzen ausführlich eingeht.
Wozu benötigen wir Ethik in der Theologie?
Braucht es eine spezifisch christliche Ethik? In der christlichen Existenz gehören Glauben und Leben zusammen. Wahrer Glaube fordert das richtige Leben und das richtige Leben, bzw. das richtige Tun, benötigt den wahren Glauben. Eine Trennung von Glauben und Leben ist nicht vorhergesehen. In der Theologie gehören daher christliche Dogmatik und christliche Ethik zusammen. Christliche Ethik und christliche Dogmatik sind voneinander zu unterscheiden, aber sie können nicht voneinander getrennt werden. So folgt die christliche Ethik auf die Dogmatik. Die Dogmatik ist die Grundlage der Ethik und die Ethik ist die Konsequenz aus der zu Ende gedachten Dogmatik. So schreibt auch Helmut Burkhardt:
„Grundsätzlich gehören also Dogmatik und Ethik unlösbar zusammen. Entsprechend ist eine einheitliche Darstellung der ganzen christlichen Lehre immer wieder wünschenswert. Die unterschiedlichen Aspekte, die je in Dogmatik und Ethik zum Zuge kommen, können aber auch, vor allem aus praktischen Gründen (geschlossene Darstellung der durch den je gemeinsamen spezifisch dogmatischen oder ethischen Aspekt verbundenen Fragen), eine getrennte Darstellung rechtfertigen, die aber nie die sachliche Zusammengehörigkeit vergessen darf. Deshalb muss die Dogmatik immer auch ethische Fragen mit im Blick haben, die Ethik dogmatische Fragen.“ (Burkhardt, Einführung in die Ethik, S. 25).
Interessanterweise wird der Zusammenhang von Dogmatik und Ethik unter anderem bei Karl Barth in seiner Kirchlichen Dogmatik deutlich. In dieser Dogmatik finden sich regelmäßig ethische Implikationen und Ausführungen wieder und zeigen somit die Untrennbarkeit von beiden theologischen Disziplinen. In der evangelikalen geprägten Ethik (6 Bände) von Thomas Schirrmacher finden sich dagegen regelmäßig dogmatische Ausführungen und Exkurse wieder.
Die theozentrische Ethik
Helmut Burkhardt vertritt den Ansatz einer theozentrischen Ethik. Dies hat zur Folge, dass es bei Burkhardt in der christlichen oder theozentrischen Ethik darum geht, dass der Mensch den Willen Gottes erkennt und tut. Christliche Ethik, so Burkhardt, hat eine offenbarungsgeschichtliche Begründung und sie nimmt ernst, dass der Mensch für die Ethik auf Gottes Anrede und Weisung angewiesen ist.
Das leitende Motiv
Das Motto der theozentrischen Ethik lautet: „Richtig handelt, wer dem Willen Gottes entsprechend handelt.“ (Burkhardt, Einführung in die Ethik, S. 49). Dieser Ansatz fragt somit, was der Wille Gottes ist, welcher in der Bibel bezeugt und offenbart wird. Burkhardt schreibt:
„Während alle bisher behandelten ethischen Entwürfe im Vorletzten steckenbleiben und damit in Unklarheit und Unverbindlichkeit verharren, gründet sich christliche Ethik im Letzten, alles Begründenden und Umfassenden, in Gott, der nach biblischem Zeugnis ein redender, sich und damit seinem Willen mitteilender Gott ist, grundlegend in seinen Geboten (vgl. unter C I), universal in der Schöpfung (vgl. unten C II), aber auch in individueller Lebensführung durch den Geist (vgl. unten C III). Damit gewinnt christliche Ethik zugleich Klarheit und letzte Verbindlichkeit.“ (Burkhardt, Einführung in die Ethik, S. 50).
Burkhardt geht auch auf die Anfragen zur theozentrischen Ethik ein. Die Frage lautet, ob nicht deshalb etwas von Gott gewollt ist, weil es gut ist. Burkhardt dreht diesen Ansatz um und zeigt, dass Gott als souveräner Schöpfer der Herr über alles ist. Somit ist das, was Gott für gut erklärt, gut, weil Gott selbst gut ist. Er schreibt weiter:
„Der Widerstand gegen eine theologische Begründung von Ethik ist in der Neuzeit zusätzlich verschärft durch das auf Autonomie bedachte moderne Bewußtsein. Es steht im prinzipiellen Gegensatz zu den aus einer theozentrischen Ethik sich ergebenden Gedanken des Gehorsams. Individuelle menschliche Freiheit ist der höchste Wert, in dem Menschsein sich verwirklicht.“ (Burkhardt, Einführung in die Ethik, S. 51)
Geschichtliche Begründung und Ebenbildlichkeit
Anschließend beschreibt Burkhardt die geschichtstheologische Begründung der Ethik. In diesem Kapitel behandelt er die Gesetze im Alten Testament, ihre wichtigsten Inhalte, die entsprechenden Folgerungen daraus und die Reflexion der alttestamentlichen Gesetze im Zeugnis des Neuen Testaments.
Im nächsten Teil geht Burkhardt auf die schöpfungstheologische Begründung der Ethik ein. Hier geht Helmut Burkhardt auf Fragen von Gesetz und Schöpfung, auf das Naturrecht und auf die grundlegende Lehre vom Menschen als Ebenbild Gottes ein. Burkhardt legt dar wie der Mensch als Gottes Ebenbild im gefallenen Zustand Sünder und Geschöpf Gottes ist, er diskutiert mit Barth über die Frage der Ebenbildlichkeit und kommt zu einem stimmigen Gesamtbild. Im Rahmen der Schöpfung spricht er auch die Funktion und Eigenart des menschlichen Gewissens an und reflektiert diese.
Die Ziel der theozentrischen Überlegung
Nachdem Helmut Burkhardt die Handlungsfreiheit des Menschen beschrieben hat, zieht er daraus die Konsequenzen. So ist der Mensch das Subjekt der Ethik, das Objekt der Ethik und die Menschlichkeit des Menschen ist das Ziel der allgemeinen Ethik.
In einem weiteren Teil geht Burkhardt auf die Frage der Sünde und Erlösung ein. Auch die Möglichkeit einer spezifisch christlichen Ethik wird von der Eschatologie herkommend begründet. Das Christsein und das Christwerden wird als eine Voraussetzung hierfür aufgezeigt und in ihren Bedeutungen dargelegt. Burkhardt legt hier auch verschiedene Ansätze der Heiligung dar und begründet ein realistisches Verständnis der Heiligung, welches das Leben im Geist beschreibt.
Als konstantes Element im Erkennen von Gottes Willen zeigt Burkhardt den Willen Gottes, welcher in den Büchern der Bibel aufgeschrieben wurde. Burkhardt schreibt:
„Als Ausdruck der Schöpfungsordnung und deshalb allgemeingültiger Norm ist der Dekalog selbstverständlich auch für jeden Christen verpflichtend und Grundlage aller christlicher Ethik. Der Glaube an Christus löst uns keineswegs von dieser Verpflichtung (Mt 5,17; vgl. die ausdrückliche Rezeption des Dekalogs in Mt 15,4; 19,18f; Römer 13,9; Eph 6,2), sondern vertieft sie eher noch. 1. Formal vertieft sich die Verpflichtung insofern, als der Gehorsam gegen die Gebote nicht mehr nur auf die natürlichen Kräfte des Menschen angewiesen ist, sondern aus der Dankbarkeit für die erfahrene Gnade lebt (Röm 8,4).… 2. Inhaltlich kommt es zur Vertiefung des Gesetzes durch die Konzentration auf das Liebesgebot (Mt 22,34–40; Röm 13,9f; Gal 5,14) und seine radikale Auslegung vor allem in der Bergpredigt, bis hin zum Gebot der Feindesliebe (Mt 5,44; vgl. 1.Kor 13). … Neben dem Dekalog und als seine Interpretation treten in der apostolischen Paränese des Neuen Testaments vor allem die sog. Haustafel.“ (Burkhardt, Einführung in die Ethik, S. 151).
Anschließend zeigt Burkhardt auf, wie der Mensch in der Schrift Gottes Willen durch Vorbilder erkennen kann. So wird Jesus als das ultimative Vorbild dargestellt, welchem in einer Nachfolge Ethik zu folgen ist. Burkhardt beschreibt auch das Vorbild von Glaubenden, sieht aber auch die Grenzen dieses Ansatzes.
Die Materialethik bei Helmut Burkhardt
In zwei Bänden in drei Teilbänden geht Burkhardt auf die Material-Ethik ein. Band II umfasst die Material-Ethik im Allgemeinen.
Teilband I in Band II
Hier geht er im ersten Teilband anhand der 10 Gebote vor. Aufgeteilt in eine Religionsethik und eine Humanethik wird die Ethik entfaltet. Auch die heute eher kontrovers debattierten Fragen der Humanethik, wie die der Lebensethik, der Frage nach der Todesstrafe, nach Krieg und Frieden, sowie der Wehrdienstverweigerung werden behandelt. Burkhardt geht auch auf sensible Fragen wie die der Sterbehilfe, der Organtransplantation und der Abtreibung ein. In seinen Ausführungen zur Sozialethik beschreibt er die Funktion der Familie und der Eltern und der Familienethik. Eine durchaus spannende Frage ist bei Burkhardt auch die Frage nach der Demokratie und des Problems vom Widerstand gegen die Staatsgewalt.
Teilband II in Band II
Im zweiten Teilband des zweiten Bandes schreibt Burkhardt über die Sexualethik, die Wirtschaftsethik, die Umweltethik und die Kulturethik. Gründlich geht Burkhardt hier auf die Frage der Sexualität ein. Er beschreibt die Ganzheitlichkeit der Sexualität und ihre problematischen Vereinseitigungen in Sexismus und Feminismus. Burkhardt beschreibt das Verhältnis der Geschlechter zueinander, mit ihren jeweiligen Eigenschaften und Unterschieden und geht auch auf das Verhältnis von Mann und Frau zueinander ein. Er beschreibt die bejahende Sicht der biblischen Schriften zur Sexualität, welche ein inhaltliches Kennzeichen der Ehe ist. Er begründet die ethische Position der Monogamie, bejaht die Lebenslänglichkeit der Ehe und begründet auch ihre Institutionalität.
Aufgrund seiner bejahenden und positiven Sicht über Sexualität und Ehe, kommt Burkhardt im Einklang mit den biblischen Schriften zu dem Ergebnis, dass die Ehe der Ort für diese ist und somit schließt er Sexualität außerhalb, sprich vor oder neben einer Ehe aus. Es zeichnet seine Ethik auch aus, dass er spannungsgeladene Themen wie die der Ehescheidung und Wiederheirat, aber auch die Frage der Ehelosigkeit und der Homosexualität nicht ausspart, sondern sachlich, unaufgeregt und theozentrisch behandelt.
Ein großer Teil betrifft auch die Naturethik, bzw. die Wirtschaftsethik Hier geht er auf die Frage nach Eigentum und Reichtum, sowie Armut ein. Er behandelt sowohl Fragen nach Schulden und Zinsen, aber auch gleichzeitig Fragen der Bildung. Ein sehr aktuelles Thema ist auch die Umweltethik, welche Burkhardt hier verfasst hat. Hier beschreibt Burkhardt die Verantwortung gegenüber der Gefährdung der Umwelt und bezeichnet dies als eine ethische Herausforderung. Wohlgemerkt, Burkhardt veröffentlichte diese Ausführungen im Jahr 2008. In diesen Ausführung geht Burkhardt auf die Verantwortung des Einzelnen mit seinem Verhalten gegenüber der Umwelt ein, aber auch auf die Frage nach Verantwortlichkeit im Gebiet der Politik. Burkhardt schreibt:
„Das Bewusstsein der menschlichen Verantwortung für die Umwelt sollte zunächst im Verhalten jedes Einzelnen konkret werden. Auch wenn er keinen unmittelbaren Einfluss auf die großen umweltpolitischen Entscheidungen hat, kann er doch seine eigene Verantwortung nicht einfach auf die anonymen Mächte Staat und Wirtschaft abwälzen. Er ist vielmehr in seinem privaten Umfeld auch selbst zu einem umweltschützenden Verhalten herausgefordert. … Es ist gut, wenn der Einzelne im privaten Bereich ökologische Verantwortung wahrnimmt. Aber das ist natürlich nicht genug. Die ökologische Problematik reicht über den privaten Bereich hinaus und bedarf deshalb politischer Regelung.” (Burhkardt, Ethik Band II/2, S. 212–213)
Auch eine Tierethik wird bei Burkhardt angesprochen. Abgeschlossen wird Band II, die allgemeine Material-Ethik durch Ausführungen über die Kunst.
Band III
Im Band III der Ethik beschreibt Helmut Burkhardt die spezifisch christliche Materialethik. Hier geht es um eine Reich-Gottes-Ethik, die nochmals enger für den Glaubenden und die Gemeinde definiert wurde. Im ersten Teil des Buches geht Burkhardt exegetisch durch die spezifisch christlichen Ethik-Anweisungen im Neuen Testament durch und behandelt diese ausführlich. Hier werden Fragen der Ethik in der Gemeinde untereinander, in der Mission, des Gebets und der Diakonie behandelt. Bei der Mission und Diakon beschreibt Burkhardt zu Recht, dass sie zum einen eine Einheit bilden und zum anderen zu unterscheiden sind. Burkhardt schreibt:
“Die eine Liebe Christi gibt also beide Aufträge: Mission und Diakonie. Mission wird durch Herausforderungen des konkreten Lebens immer auch mit diakonischem Handeln verbunden sein, ebenso die Diakonie, bei aller nötigen Zurückhaltung, mit missionarischem Zeugnis. Aber beide Aufträge setzen doch unterschiedliche Akzente. Deshalb sollten auch die sie jeweils tragenden Personen und Institutionen diese unterschiedlichen Akzente in ihrer Zielsetzung und damit auch in der praktischen Arbeit klar zum Ausdruck bringen.” (Burkhardt, Ethik Band III, S. 300).
Ein gesamter Eindruck
Wenn die drei Bände der Ethik von Helmut Burkhardt betrachtet werden, dann ergibt sich hieraus eine überzeugende und bibelgebundene Sicht auf die Frage des Lebens, der Handlung und des Guten, das der Mensch tut. Aufgrund seiner soliden theologischen Argumentation, seiner guten Verständlichkeit und gleichzeitig seiner Kompaktheit ist dieser Entwurf eine enorm wertvolle Ressource für Theologinnen und Theologen, sowohl im Studium, als auch im pastoralen Dienst.
Wer einen guten Überblick über eine solide pietistisch /evangelikale Ethik sich verschaffen möchte, kommt an Burkhardt nicht vorbei, da er aus dieser theologischen Tradition den gründlichsten und gleichzeitig kompetentesten Entwurf liefert, der mir aus dem deutschsprachigen Raum bekannt ist. Die Beschäftigung mit der Ethik von Helmut Burkhardt verhütet auch gewisse Strohmann-Argumente gegenüber einer pietistisch /evangelikalen Ethik, welche diese zu Unrecht einen naiven Biblizismus vorwirft. Daher wünsche ich dieser Ethik eine weite Verbreitung. Sowohl innerhalb der pietistischen und evangelikalen Welt, als auch außerhalb dieser Frömmigkeitsrichtungen.
Auch für interessierte Gläubige aus den Kirchen und Gemeinden liefert diese Ethik eine verständliche und hilfreich Darlegung und Hilfestellung.
Mein Wunsch für diese Ethik Bände ist, dass sie noch von weiteren Generationen von Christen und Theologen genutzt, debattiert und gelesen werden. Die Verfügbarkeit des Werkes mit allen Bänden in Logos ist daher nicht nur zu begrüßen, sondern ein wichtiger Schritt, um dieses Werk auch digital zugänglich zu machen!