Logos für die historische Theologie?!

Von Jens Binfet

März 27, 2023

Logos nut­ze ich vor allem für exege­ti­sche Arbei­ten und auch als Biblio­thek, gera­de für Nach­schla­ge­wer­ke. Haupt­säch­lich arbei­te ich aber in der his­to­ri­schen Theo­lo­gie. Ist Logos auch dafür hilf­reich? Wel­che Funk­tio­nen kann ich nut­zen? Die Ergeb­nis­se mei­nes Erkun­dungs­zu­ges fin­den Sie hier.

Logos ist ein extrem hilf­rei­ches Werk­zeug für exege­ti­sche Arbeit. Das wird wohl kaum jemand bestrei­ten, der Logos je benutzt hat. Dane­ben kann man es als Unter­stüt­zung für vie­le Aspek­te der pas­to­ra­len Arbeit nut­zen. Für den einen oder ande­ren ist es ein­fach eine digi­ta­le Biblio­thek. Mein Pro­mo­ti­ons­pro­jekt hat zwar durch­aus exege­ti­sche Berüh­rungs­punk­te. Da pro­fi­tie­re ich von der Kern­kom­pe­tenz von Logos. Der Schwer­punkt mei­ner Arbeit liegt aber in der Patris­tik. Des­halb stell­te sich für mich die Frage:

Was bringt Logos also für die Arbeit in der his­to­ri­schen Theo­lo­gie mit? Die­ser Fra­ge gehe ich im Fol­gen­den nach und schaue dazu zuerst die Funk­tio­nen an, die Logos mit­bringt. In einem zwei­ten Schritt gebe ich einen kur­zen Über­blick über hilf­rei­che Wer­ke, die über Logos zur Ver­fü­gung stehen.

Logos Funktionen & Ressourcen

Zeitleiste

His­to­ri­sche Arbeit hat etwas mit zeit­li­chen Abläu­fen zu tun. Da drängt sich gera­de­zu die “Erwei­ter­te Zeit­leis­te” auf. Sie fin­den sie unter dem Menü­punkt „Werk­zeu­ge“ im Abschnitt „Recher­che“.

Der Zeit­strahl, der sich nun öff­net, ist ein mäch­ti­ges Tool. Er bil­det Tau­sen­de von Daten­punk­ten aus der eige­nen Biblio­thek chro­no­lo­gisch ab. Man kann den Zeit­ab­schnitt ein­gren­zen oder nach einem Stich­wort suchen. Eine kur­ze Suche nach dem Stich­wort “Kon­zil” stellt z. B. eine Rei­he Kon­zi­li­en vom Apos­tel­kon­zil in Jeru­sa­lem bis zum Vati­ka­num II dar. (Hier sieht man, dass die Daten einen west­kirch­li­chen Schwer­punkt haben, da alle ost­kirch­li­chen Kon­zi­li­en nach dem gro­ßen Schis­ma fehlen).

Als wei­te­re Mög­lich­keit fin­det man unter dem Menü-Icon diver­se Fil­ter: Zei­ge mir z. B. nur Ereig­nis­se mit Bezug zu Jeru­sa­lem oder zu einer bestimm­ten Per­son. Hier bemerkt man schnell, dass die­se Fil­ter einen stark bibel­wis­sen­schaft­li­chen Fokus haben und kir­chen­ge­schicht­li­che Daten bis­her sehr spar­sam ver­schlag­wor­tet wur­den. Sehr hilf­reich sind aber die Fil­ter nach Sach­ge­biet und Ereig­nis­typ. Hier kann man z. B. nur kir­chen­ge­schicht­li­che Daten anzei­gen las­sen oder bestimm­te Daten­sät­ze aus­blen­den, bspw. die Datie­run­gen bestimm­ter Hand­schrif­ten. So redu­ziert man schnell die Kom­ple­xi­tät des Zeit­strahls und gewinnt einen nütz­li­chen Überblick.

Der Ereig­nis­typ bie­tet eine gra­nu­la­re Fil­te­rung: Wenn ich mir bspw. nur die Kate­go­rien „Ein­zel­per­so­nen“, „Kir­chen­ge­schicht­li­che The­men” und „Natur“ anzei­gen las­se, kann man schön sehen, wie sich das Leben von John Wyclif, diver­se Pest­wel­len und der Ein­trag „Die christ­li­che Bibel wird in vie­le Spra­chen über­setzt” zeit­lich überschneiden.

Jeder Ein­trag führt per Rechts­klick auch zu wei­ter­füh­ren­den Res­sour­cen und kann so als Ein­stieg in wei­ter­füh­ren­de Recher­che genutzt werden.

Anmer­kun­gen zu den Daten:

Logos agg­re­giert die Daten für die Anzei­ge aus diver­sen Quel­len, die manch­mal auch frag­wür­di­ge oder nicht neu­tra­le Anga­ben abbil­den. So fin­det sich ein stark wer­tend for­mu­lier­ter Ein­trag über das „fins­te­re Mit­tel­al­ter“. Die Zeit der Frau­en­or­di­na­ti­on wird ab dem Jahr 1637 datiert, wäh­rend man his­to­risch erst im aus­ge­hen­den 19. und begin­nen­den 20. Jahr­hun­dert von einer nen­nens­wer­ten Bewe­gung in eini­gen west­li­chen Tei­len des Pro­tes­tan­tis­mus in die­ser Fra­ge spre­chen kann. Das ist im Prin­zip erst­mal kein Pro­blem des Tools, son­dern der zugrun­de geleg­ten Daten. Gera­de wenn es sich um Epo­chen oder the­ma­ti­sche Ein­trä­ge han­delt, soll­te man also die Daten auch mal kri­tisch hinterfragen.

Atlas

Der Atlas (Werk­zeu­ge → Recher­che) bie­tet lei­der nur Daten für das ers­te Jahr­hun­dert nach Chris­tus. Daher ist er bis­her nur begrenzt von Nut­zen für kir­chen­ge­schicht­li­che Recher­chen. Sobald hier Daten­sät­ze ange­bo­ten wer­den, soll­te man hier weiterdenken.

Listen & Übersichten

Der Mehr­wert von Logos gegen­über einer ein­fa­chen digi­ta­len Biblio­thek liegt vor allem in der Ver­knüp­fung struk­tu­rier­ter Daten. Und hier fin­det sich auch so eini­ges Nütz­li­ches für den Kir­chen­his­to­ri­ker. Eini­ge Beispiele:

  • The­men der Kirchengeschichte
  • Lis­ten aus der Kirchengeschichte
  • Die öku­me­ni­schen Konzilien

Dar­über hin­aus bie­tet der Ein­stieg über das Fak­ten­buch oder den The­men­as­sis­ten­ten bei vie­len Stich­wör­tern einen nütz­li­chen Über­blick über wei­ter­füh­ren­de Res­sour­cen im Logos-Universum.

Morph-Suche

Die Such­funk­ti­on in Logos ist eine der gro­ßen Hil­fen mit der uner­mess­li­chen Fül­le an Infor­ma­tio­nen in den digi­ta­len Res­sour­cen. Ich will hier nur kurz auf die mor­pho­lo­gi­sche Suche eingehen.

Auch kir­chen­ge­schicht­li­che Pri­mär­quel­len wie die Pat­ro­lo­gia grae­ca oder die Apos­to­li­schen Väter sind in Logos mit mor­pho­lo­gi­schen Daten­sät­zen ver­knüpft. Des­halb kann man sie eben­so durch­su­chen, wie den grie­chi­schen Text des Neu­en Tes­ta­ments oder der Sep­tuag­in­ta. So kann man bspw. die Vor­kom­men eines bestimm­ten Lem­mas, einer Wur­zel oder einer bestimm­ten flek­tier­ten Form (oder Kom­bi­na­ti­on dar­aus) suchen. In der Ergeb­nis­an­sicht „Ana­ly­se“ wer­den dann alle struk­tu­rier­ten Daten auf­be­rei­tet ange­zeigt: Die genaue Form samt allen gram­ma­ti­ka­li­schen Bestim­mun­gen, das Lem­ma, der Kon­text und das Werk. Beson­ders cool: In exege­ti­schen Wer­ken ist hin und wie­der sogar der Bibel­text refe­ren­ziert, sodass man in der Über­sicht schon sieht, zu wel­chem Abschnitt das Such­ergeb­nis gehört.

Übri­gens: Im Abschnitt „Kor­pus­su­che”, der z. B. im Assis­ten­ten „Wort­stu­die“ zu fin­den ist, kann eben­falls eine Lem­ma-Suche über mor­pho­lo­gi­sche Quel­len­tex­te außer­halb der Bibel gestar­tet werden.

Wer bereits mit der Morph-Suche etwas ver­traut ist, wird die­ses extrem mäch­ti­ge Werk­zeug zu schät­zen wis­sen. Hier gilt aber, wie über­all: Die Ergeb­nis­se in Logos sind abhän­gig davon, wel­che Wer­ke über­haupt mit einem Mor­pho­lo­gie­da­ten­satz aus­ge­stat­tet wurden.

Visuelle Filter

Die mor­pho­lo­gi­schen Daten­sät­ze erlau­ben es außer­dem, die gan­ze Band­brei­te der Funk­ti­on visu­el­le Fil­ter zu nut­zen. Der Bibel­text bie­tet zwar noch deut­lich mehr Ver­schlag­wor­tung über die Mor­pho­lo­gie hin­aus, jedoch lässt sich aus den mor­pho­lo­gi­schen Daten durch­aus eini­ges bewerk­stel­li­gen. Letzt­lich kann man hier jede Morph-Suche visu­ell mar­kie­ren und pas­send kom­bi­nie­ren. Das fin­de ich bspw. bei Über­set­zun­gen hilf­reich, um z.B. direkt alle Verb­for­men mar­kiert zu bekom­men oder alle Nomi­na­ti­ve etc.

Maschinelle Übersetzung

Wenn man mit latei­ni­schen Tex­ten arbei­tet, kann man die neue „KI-Über­set­zung“ für eine Erst­über­set­zung nut­zen. Dazu mar­kiert man den Abschnitt und wählt dann aus dem Kon­text­me­nü „über­set­zen“ aus. Ach­tung: die Über­set­zung (von Goog­le) ist höchs­tens rudi­men­tär: Sie eig­net sich für einen ers­ten Ein­druck oder für einen Über­blick, wenn man nicht so gut Latein kann. Auch wenn die Ergeb­nis­se teils recht flüs­sig les­bar sind, muss unbe­dingt beach­tet wer­den, dass dies kei­ne phi­lo­lo­gisch ver­läss­li­che Über­set­zung ist! Gera­de in theo­lo­gi­schen Tex­ten bringt die­se Funk­ti­on z. T. kru­de Über­set­zun­gen zuwege.

Als Bibliothek

Zuletzt ist natür­lich Logos ein­fach eine gigan­ti­sche, durch­such­ba­re Biblio­thek. Gera­de wenn man auch in eng­li­scher Spra­che liest, bie­tet sich eine Fül­le an kir­chen­ge­schicht­li­chen Wer­ken und Quel­len. Im Fol­gen­den will ich ein paar Wer­ke her­vor­he­ben, die ich beson­ders hilf­reich fin­de. Dafür fokus­sie­re ich mich größ­ten­teils auf ori­gi­nal­sprach­li­che Quel­len (und deutsche/​englische Über­set­zun­gen) und auf deut­sche Sekundärliteratur.

Quellen

  • Die Pat­ro­lo­gia Grae­ca (PG)
    Die Pat­ro­lo­gia Grae­ca ist die umfas­sends­te Samm­lung grie­chi­scher Schrif­ten der Kir­chen­vä­ter. Auch wenn eini­ge Tex­te bereits in neue­ren, genaue­ren Edi­tio­nen vor­lie­gen, ist es doch ein gewal­ti­ger Nut­zen, all die­se Tex­te durch­such­bar und digi­tal zu haben (s. o.). In Logos gibt es bis­her nur die Bän­de 1–18, die aber die beson­ders wich­ti­gen vor­nizä­ni­schen Schrif­ten (90–325 n.Chr.) abdecken.
  • Apos­to­li­sche Väter
    Die­se zwei­spra­chi­ge Aus­ga­be ent­hält die wich­tigs­ten frü­hen christ­li­chen Schrif­ten. Für die­se Wer­ke soll­te man mög­lichst nicht mehr auf die PG zurück­grei­fen, weil die­se Edi­ti­on deut­lich genau­er ist und mehr Manu­skrip­te berück­sich­tigt. Außer­dem erhält man eine qua­li­ta­tiv hoch­ste­hen­de deut­sche Übersetzung.
  • Anci­ent Com­men­ta­ry on Scrip­tu­re
    Was haben die frü­hen Chris­ten zu die­ser oder jener Bibel­stel­le gedacht? Was man sich sonst müh­sam zusam­men­su­chen müss­te, ist im ACCS bereits auf­be­rei­tet. Ent­lang des Bibel­tex­tes lis­ten die Her­aus­ge­ber ein­schlä­gi­ge Pas­sa­gen aus den anti­ken Quel­len in eng­li­scher Über­set­zung auf.
    Ach­tung: Dies ist immer nur eine sub­jek­ti­ve Selek­ti­on der Kir­chen­vä­ter­li­te­ra­tur. Der Fokus rich­tet sich z. T. recht stark nach dem jewei­li­gen Edi­tor des Teil­ban­des. Auch soll­te man beden­ken, dass die Aus­zü­ge zuwei­len in einem Kon­text ste­hen, der nicht pri­mär ein Bibel­kom­men­tar ist. Als Erst­über­blick und Ein­stieg ist die­ses Werk aber von unschätz­ba­rem Wert.
  • Biblio­thek der Kir­chen­vä­ter
    Die umfang­reichs­te Über­set­zung der Väter­schrif­ten auf Deutsch bie­tet die bereits ca. 100 Jah­re alte BKV-Rei­he. Die Logos-Aus­ga­be ver­sam­melt exege­ti­sche Wer­ke aus die­ser Rei­he. Zwar kann man die gemein­freie Rei­he auch kos­ten­los online lesen, Logos bie­tet aber die Inte­gra­ti­on in die eige­ne exege­ti­sche Arbeit: Man kann sich direkt die rele­van­ten Pas­sa­gen zu einem Bibel­text anzei­gen las­sen, z.B. über den Bibelstellenassistenten.
  • Fathers of the Church
    Sucht man eine Über­set­zung eines Kir­chen­vä­ter­tex­tes, der noch nicht auf Deutsch vor­liegt, hat man gro­ße Chan­cen, ihn bereits in der groß­ar­ti­gen Rei­he „Fathers of the Church” auf Eng­lisch zu finden.
  • Anci­ent Chris­ti­an Texts
    Die­se Rei­he ergänzt eini­ge wei­te­re wich­ti­ge exege­ti­sche Werke.
  • Luthers Stu­di­en­aus­ga­ben (lat.-dt. /​dt.-dt.)
    Die zwei­spra­chi­gen Stu­di­en­aus­ga­ben der Evan­ge­li­schen Ver­lags­an­stalt Leip­zig sind ganz her­vor­ra­gen­de Quel­len­bän­de für die wich­tigs­ten Schrif­ten Luthers. Sie sind ein abso­lu­tes High­light in den deut­schen Res­sour­cen von Logos.

Sekundärliteratur

  • Fied­ro­wicz: Quel­len­hand­buch /​Theo­lo­gie der Kir­chen­vä­ter
    Für den Ein­stieg in die Patris­tik hat Micha­el Fied­ro­wicz zwei bril­lan­te Bän­de vor­ge­legt: Der eine bie­tet the­ma­tisch sor­tier­te Aus­zü­ge aus den Quel­len in deut­scher Über­set­zung, der ande­re eine Ein­füh­rung in die Theo­lo­gie der Kirchenväter.
  • Her­ders Lexi­kon der Kir­chen­ge­schich­te
    Die­ses Werk ist eine Kom­pakt­aus­ga­be des belieb­ten Lexi­kons für Theo­lo­gie und Kir­che, fokus­siert auf das The­ma Kir­chen­ge­schich­te. Ein hoch­qua­li­ta­ti­ves Nachschlagewerk!

Fazit

Die Königs­dis­zi­plin von Logos ist nach wie vor das exege­ti­sche Feld. Aber es taugt durch­aus als (unter­stüt­zen­des) Werk­zeug in der his­to­risch-theo­lo­gi­schen Arbeit. Dies mag umso mehr gel­ten, je jün­ge­re Epo­chen man unter­sucht, da hier z. T. weit mehr Quel­len bereit­ste­hen. Für mei­nen Schwer­punkt in der Patris­tik bringt Logos vor allem die Kraft sei­ner phi­lo­lo­gi­schen Werk­zeu­ge für die grie­chi­sche Spra­che mit. Man darf hof­fen, dass beson­ders das Ange­bot an gut auf­be­rei­te­ten Pri­mär­quel­len in Zukunft noch deut­lich aus­ge­wei­tet wird!


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Jens Binfet

Über den Autor

Der Autor Jens Binfet ist Doktorand an der Universität Wien. Er hat ein Anliegen, Theologie für die Kirche und den einzelnen Menschen zugänglich zu machen.

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