Logos nutze ich vor allem für exegetische Arbeiten und auch als Bibliothek, gerade für Nachschlagewerke. Hauptsächlich arbeite ich aber in der historischen Theologie. Ist Logos auch dafür hilfreich? Welche Funktionen kann ich nutzen? Die Ergebnisse meines Erkundungszuges finden Sie hier.
Logos ist ein extrem hilfreiches Werkzeug für exegetische Arbeit. Das wird wohl kaum jemand bestreiten, der Logos je benutzt hat. Daneben kann man es als Unterstützung für viele Aspekte der pastoralen Arbeit nutzen. Für den einen oder anderen ist es einfach eine digitale Bibliothek. Mein Promotionsprojekt hat zwar durchaus exegetische Berührungspunkte. Da profitiere ich von der Kernkompetenz von Logos. Der Schwerpunkt meiner Arbeit liegt aber in der Patristik. Deshalb stellte sich für mich die Frage:
Was bringt Logos also für die Arbeit in der historischen Theologie mit? Dieser Frage gehe ich im Folgenden nach und schaue dazu zuerst die Funktionen an, die Logos mitbringt. In einem zweiten Schritt gebe ich einen kurzen Überblick über hilfreiche Werke, die über Logos zur Verfügung stehen.
Inhalt
Logos Funktionen & Ressourcen
Zeitleiste
Historische Arbeit hat etwas mit zeitlichen Abläufen zu tun. Da drängt sich geradezu die “Erweiterte Zeitleiste” auf. Sie finden sie unter dem Menüpunkt „Werkzeuge“ im Abschnitt „Recherche“.
Der Zeitstrahl, der sich nun öffnet, ist ein mächtiges Tool. Er bildet Tausende von Datenpunkten aus der eigenen Bibliothek chronologisch ab. Man kann den Zeitabschnitt eingrenzen oder nach einem Stichwort suchen. Eine kurze Suche nach dem Stichwort “Konzil” stellt z. B. eine Reihe Konzilien vom Apostelkonzil in Jerusalem bis zum Vatikanum II dar. (Hier sieht man, dass die Daten einen westkirchlichen Schwerpunkt haben, da alle ostkirchlichen Konzilien nach dem großen Schisma fehlen).
Als weitere Möglichkeit findet man unter dem Menü-Icon diverse Filter: Zeige mir z. B. nur Ereignisse mit Bezug zu Jerusalem oder zu einer bestimmten Person. Hier bemerkt man schnell, dass diese Filter einen stark bibelwissenschaftlichen Fokus haben und kirchengeschichtliche Daten bisher sehr sparsam verschlagwortet wurden. Sehr hilfreich sind aber die Filter nach Sachgebiet und Ereignistyp. Hier kann man z. B. nur kirchengeschichtliche Daten anzeigen lassen oder bestimmte Datensätze ausblenden, bspw. die Datierungen bestimmter Handschriften. So reduziert man schnell die Komplexität des Zeitstrahls und gewinnt einen nützlichen Überblick.
Der Ereignistyp bietet eine granulare Filterung: Wenn ich mir bspw. nur die Kategorien „Einzelpersonen“, „Kirchengeschichtliche Themen” und „Natur“ anzeigen lasse, kann man schön sehen, wie sich das Leben von John Wyclif, diverse Pestwellen und der Eintrag „Die christliche Bibel wird in viele Sprachen übersetzt” zeitlich überschneiden.
Jeder Eintrag führt per Rechtsklick auch zu weiterführenden Ressourcen und kann so als Einstieg in weiterführende Recherche genutzt werden.
Anmerkungen zu den Daten:
Logos aggregiert die Daten für die Anzeige aus diversen Quellen, die manchmal auch fragwürdige oder nicht neutrale Angaben abbilden. So findet sich ein stark wertend formulierter Eintrag über das „finstere Mittelalter“. Die Zeit der Frauenordination wird ab dem Jahr 1637 datiert, während man historisch erst im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert von einer nennenswerten Bewegung in einigen westlichen Teilen des Protestantismus in dieser Frage sprechen kann. Das ist im Prinzip erstmal kein Problem des Tools, sondern der zugrunde gelegten Daten. Gerade wenn es sich um Epochen oder thematische Einträge handelt, sollte man also die Daten auch mal kritisch hinterfragen.
Atlas
Der Atlas (Werkzeuge → Recherche) bietet leider nur Daten für das erste Jahrhundert nach Christus. Daher ist er bisher nur begrenzt von Nutzen für kirchengeschichtliche Recherchen. Sobald hier Datensätze angeboten werden, sollte man hier weiterdenken.
Listen & Übersichten
Der Mehrwert von Logos gegenüber einer einfachen digitalen Bibliothek liegt vor allem in der Verknüpfung strukturierter Daten. Und hier findet sich auch so einiges Nützliches für den Kirchenhistoriker. Einige Beispiele:
- Themen der Kirchengeschichte
- Listen aus der Kirchengeschichte
- Die ökumenischen Konzilien
Darüber hinaus bietet der Einstieg über das Faktenbuch oder den Themenassistenten bei vielen Stichwörtern einen nützlichen Überblick über weiterführende Ressourcen im Logos-Universum.
Morph-Suche
Die Suchfunktion in Logos ist eine der großen Hilfen mit der unermesslichen Fülle an Informationen in den digitalen Ressourcen. Ich will hier nur kurz auf die morphologische Suche eingehen.
Auch kirchengeschichtliche Primärquellen wie die Patrologia graeca oder die Apostolischen Väter sind in Logos mit morphologischen Datensätzen verknüpft. Deshalb kann man sie ebenso durchsuchen, wie den griechischen Text des Neuen Testaments oder der Septuaginta. So kann man bspw. die Vorkommen eines bestimmten Lemmas, einer Wurzel oder einer bestimmten flektierten Form (oder Kombination daraus) suchen. In der Ergebnisansicht „Analyse“ werden dann alle strukturierten Daten aufbereitet angezeigt: Die genaue Form samt allen grammatikalischen Bestimmungen, das Lemma, der Kontext und das Werk. Besonders cool: In exegetischen Werken ist hin und wieder sogar der Bibeltext referenziert, sodass man in der Übersicht schon sieht, zu welchem Abschnitt das Suchergebnis gehört.
Übrigens: Im Abschnitt „Korpussuche”, der z. B. im Assistenten „Wortstudie“ zu finden ist, kann ebenfalls eine Lemma-Suche über morphologische Quellentexte außerhalb der Bibel gestartet werden.
Wer bereits mit der Morph-Suche etwas vertraut ist, wird dieses extrem mächtige Werkzeug zu schätzen wissen. Hier gilt aber, wie überall: Die Ergebnisse in Logos sind abhängig davon, welche Werke überhaupt mit einem Morphologiedatensatz ausgestattet wurden.
Visuelle Filter
Die morphologischen Datensätze erlauben es außerdem, die ganze Bandbreite der Funktion visuelle Filter zu nutzen. Der Bibeltext bietet zwar noch deutlich mehr Verschlagwortung über die Morphologie hinaus, jedoch lässt sich aus den morphologischen Daten durchaus einiges bewerkstelligen. Letztlich kann man hier jede Morph-Suche visuell markieren und passend kombinieren. Das finde ich bspw. bei Übersetzungen hilfreich, um z.B. direkt alle Verbformen markiert zu bekommen oder alle Nominative etc.
Maschinelle Übersetzung
Wenn man mit lateinischen Texten arbeitet, kann man die neue „KI-Übersetzung“ für eine Erstübersetzung nutzen. Dazu markiert man den Abschnitt und wählt dann aus dem Kontextmenü „übersetzen“ aus. Achtung: die Übersetzung (von Google) ist höchstens rudimentär: Sie eignet sich für einen ersten Eindruck oder für einen Überblick, wenn man nicht so gut Latein kann. Auch wenn die Ergebnisse teils recht flüssig lesbar sind, muss unbedingt beachtet werden, dass dies keine philologisch verlässliche Übersetzung ist! Gerade in theologischen Texten bringt diese Funktion z. T. krude Übersetzungen zuwege.
Als Bibliothek
Zuletzt ist natürlich Logos einfach eine gigantische, durchsuchbare Bibliothek. Gerade wenn man auch in englischer Sprache liest, bietet sich eine Fülle an kirchengeschichtlichen Werken und Quellen. Im Folgenden will ich ein paar Werke hervorheben, die ich besonders hilfreich finde. Dafür fokussiere ich mich größtenteils auf originalsprachliche Quellen (und deutsche/englische Übersetzungen) und auf deutsche Sekundärliteratur.
Quellen
- Die Patrologia Graeca (PG)
Die Patrologia Graeca ist die umfassendste Sammlung griechischer Schriften der Kirchenväter. Auch wenn einige Texte bereits in neueren, genaueren Editionen vorliegen, ist es doch ein gewaltiger Nutzen, all diese Texte durchsuchbar und digital zu haben (s. o.). In Logos gibt es bisher nur die Bände 1–18, die aber die besonders wichtigen vornizänischen Schriften (90–325 n.Chr.) abdecken. - Apostolische Väter
Diese zweisprachige Ausgabe enthält die wichtigsten frühen christlichen Schriften. Für diese Werke sollte man möglichst nicht mehr auf die PG zurückgreifen, weil diese Edition deutlich genauer ist und mehr Manuskripte berücksichtigt. Außerdem erhält man eine qualitativ hochstehende deutsche Übersetzung. - Ancient Commentary on Scripture
Was haben die frühen Christen zu dieser oder jener Bibelstelle gedacht? Was man sich sonst mühsam zusammensuchen müsste, ist im ACCS bereits aufbereitet. Entlang des Bibeltextes listen die Herausgeber einschlägige Passagen aus den antiken Quellen in englischer Übersetzung auf.
Achtung: Dies ist immer nur eine subjektive Selektion der Kirchenväterliteratur. Der Fokus richtet sich z. T. recht stark nach dem jeweiligen Editor des Teilbandes. Auch sollte man bedenken, dass die Auszüge zuweilen in einem Kontext stehen, der nicht primär ein Bibelkommentar ist. Als Erstüberblick und Einstieg ist dieses Werk aber von unschätzbarem Wert. - Bibliothek der Kirchenväter
Die umfangreichste Übersetzung der Väterschriften auf Deutsch bietet die bereits ca. 100 Jahre alte BKV-Reihe. Die Logos-Ausgabe versammelt exegetische Werke aus dieser Reihe. Zwar kann man die gemeinfreie Reihe auch kostenlos online lesen, Logos bietet aber die Integration in die eigene exegetische Arbeit: Man kann sich direkt die relevanten Passagen zu einem Bibeltext anzeigen lassen, z.B. über den Bibelstellenassistenten. - Fathers of the Church
Sucht man eine Übersetzung eines Kirchenvätertextes, der noch nicht auf Deutsch vorliegt, hat man große Chancen, ihn bereits in der großartigen Reihe „Fathers of the Church” auf Englisch zu finden. - Ancient Christian Texts
Diese Reihe ergänzt einige weitere wichtige exegetische Werke. - Luthers Studienausgaben (lat.-dt. /dt.-dt.)
Die zweisprachigen Studienausgaben der Evangelischen Verlagsanstalt Leipzig sind ganz hervorragende Quellenbände für die wichtigsten Schriften Luthers. Sie sind ein absolutes Highlight in den deutschen Ressourcen von Logos.
Sekundärliteratur
- Fiedrowicz: Quellenhandbuch /Theologie der Kirchenväter
Für den Einstieg in die Patristik hat Michael Fiedrowicz zwei brillante Bände vorgelegt: Der eine bietet thematisch sortierte Auszüge aus den Quellen in deutscher Übersetzung, der andere eine Einführung in die Theologie der Kirchenväter. - Herders Lexikon der Kirchengeschichte
Dieses Werk ist eine Kompaktausgabe des beliebten Lexikons für Theologie und Kirche, fokussiert auf das Thema Kirchengeschichte. Ein hochqualitatives Nachschlagewerk!
Fazit
Die Königsdisziplin von Logos ist nach wie vor das exegetische Feld. Aber es taugt durchaus als (unterstützendes) Werkzeug in der historisch-theologischen Arbeit. Dies mag umso mehr gelten, je jüngere Epochen man untersucht, da hier z. T. weit mehr Quellen bereitstehen. Für meinen Schwerpunkt in der Patristik bringt Logos vor allem die Kraft seiner philologischen Werkzeuge für die griechische Sprache mit. Man darf hoffen, dass besonders das Angebot an gut aufbereiteten Primärquellen in Zukunft noch deutlich ausgeweitet wird!