Joseph Ratzinger: „Jesus von Nazareth” – eine Rezension

Von Manuel Becker

Buchrezension, Rezension
Vor 2 Monaten

Ver­wir­rend! Viel wur­de vor­ge­schla­gen und viel wur­de ver­mu­tet, wer der his­to­ri­sche Jesus wirk­lich war. In sei­nem impo­san­ten drei­bän­di­gen Werk „Jesus von Naza­reth“ beant­wor­tet Joseph Ratz­in­ger vie­le der aktu­el­len Fra­gen und ver­sucht den his­to­ri­schen Jesus in Har­mo­nie mit dem Jesus der Evan­ge­li­en zu brin­gen. Ver­schaf­fen Sie sich in 8 Min. einen Über­blick über Ratz­in­gers impo­san­tes Werk. 

Joseph Ratzinger: Der historische Jesus und eine neue Hermeneutik

Jesus von Naza­reth“ ist ein bemer­kens­wer­tes Buch von Joseph Ratz­in­ger, bes­ser bekannt als Papst Bene­dikt XVI. Es wur­de im Jahr 2007 ver­öf­fent­licht. In die­sem Buch unter­nimmt der Autor eine intel­lek­tu­ell anspruchs­vol­le und theo­lo­gisch tief­grün­di­ge Rei­se durch das Leben, die Leh­ren und die Bedeu­tung von Jesus Chris­tus. Das drei­bän­di­ge Werk ist geschrie­ben mit dem Ziel,

Gestalt und Bot­schaft Jesu in sei­nem öffent­li­chen Wir­ken dar­zu­stel­len und dazu zu hel­fen, dass leben­di­ge Bezie­hung zu ihm wach­sen kann. (2007:23)

Die Evan­ge­li­en pro­kla­mie­ren Jesus als den Sohn Got­tes. Das Buch adres­siert die moder­nen Fragen:

Ist das glaub­wür­dig? Wur­den nicht dem »his­to­ri­schen Jesus« erst nach­träg­lich Wor­te und Taten zuge­schrie­ben, die ihn in ein gött­li­ches Licht rücken? (Klap­pen­text)

Eines der Anlie­gen Ratz­in­gers ist, den Jesus der Evan­ge­li­en als den wah­ren Jesus, den „his­to­ri­schen Jesus“ darzustellen.

Ich bin über­zeugt und hof­fe, auch die Leser kön­nen sehen, dass die­se Gestalt [der Jesus der Evan­ge­li­en] viel logi­scher und auch his­to­risch betrach­tet viel ver­stän­di­ger ist, als die Rekon­struk­tio­nen, mit denen wir in den letz­ten Jahr­zehn­ten kon­fron­tiert wur­den. (Klap­pen­text)

Dies ver­sucht er zu errei­chen, indem er zwei ganz unter­schied­li­che Wei­sen von Her­me­neu­tik mit­ein­an­der ver­bin­det: die chris­to­lo­gisch-kano­ni­sche Her­me­neu­tik und die his­to­risch-kri­ti­sche Hermeneutik.

  • Chris­to­lo­gisch-kano­ni­sche Her­me­neu­tik: eine theo­lo­gi­sche Aus­le­gung, die in Jesus Chris­tus den Schlüs­sel der gan­zen Bibel sieht und die­se von ihm her als Ein­heit betrach­tet: Ein­zel­ne Tex­te wer­den im Rah­men des gan­zen Bibel­ka­nons interpretiert.
  • His­to­risch-kri­ti­sche Her­me­neu­tik: wis­sen­schaft­li­che Erfor­schung der Ent­ste­hungs­ge­schich­te von bibli­schen Schrif­ten sowie ihre kri­ti­sche Ana­ly­se (Text‑, Quellen‑, Gattungs‑, Redaktions‑, Lite­rar-Tra­di­ti­ons­kri­tik) nach ihrem ursprüng­li­chen Sinn.

Jede der zwei Her­me­neu­ti­ken hat Stär­ken, birgt aber auch Gefah­ren. Des­halb schlägt Ratz­in­ger eine neue Her­me­neu­tik vor, die die bes­ten Sei­ten der bei­den Ansät­ze verbindet.

Auf dem Buch fin­det sich als Autor „Joseph Ratz­in­ger Bene­dikt XVI.“ Damit will Ratz­in­ger deut­lich machen, dass es sich um eine pri­va­te Ver­öf­fent­li­chung und nicht um eine päpst­li­che Ver­laut­ba­rung handelt.

Prolog

Der Pro­log (der chro­no­lo­gisch als letz­tes ver­öf­fent­licht wur­de, aber trotz­dem nicht als drit­ter Band gese­hen wer­den soll­te) ist der kür­zes­te und wid­met sich haupt­säch­lich den Kind­heits­ge­schich­ten von Jesus. Joseph Ratz­in­ger beschäf­tigt sich mit der Fra­ge nach der Her­kunft Jesu und der Ankün­di­gung der Geburt Jesu. Er dis­ku­tiert die Fra­ge, ob die Jung­frau­en­geburt ein Mythos ist und beleuch­tet dann die Geburt Jesu genau­er. Dabei dis­ku­tiert er die Iden­ti­tät der Stern­deu­ter, stellt Über­le­gun­gen zum Geburts­ort Jesu an (ver­mut­lich eher eine Art Grot­te als ein Stall) und unter­sucht die Bedeu­tung des Ster­nes, die Hul­di­gung Jesu und die Flucht Jesu nach Ägyp­ten.

In einem abschlie­ßen­den Epi­log teilt er sei­ne Gedan­ken zur Geschich­te vom zwölf­jäh­ri­gen Jesus im Tempel.

Band 1

Band 1 von „Jesus von Naza­reth“ wid­met sich haupt­säch­lich den Lebens­jah­ren Jesu zwi­schen sei­ner Tau­fe und der Ver­klä­rung. Eini­ge wich­ti­ge Kern­the­men des ers­ten Ban­des sind::

  1. Die his­to­ri­sche Ein­ord­nung Jesu: Ratz­in­ger betont die Wich­tig­keit, Jesus, sein Leben und sei­ne Leh­re im his­to­ri­schen und kul­tu­rel­len Kon­text sei­ner Zeit zu ver­ste­hen. Daher beschäf­tigt er sich mit der poli­ti­schen und reli­giö­sen Situa­ti­on im 1. Jahr­hun­dert Palästinas.
  2. Die Tau­fe Jesu: Ein bedeu­ten­der Teil des Buches ist der Tau­fe Jesu im Jor­dan gewid­met. Ratz­in­ger beleuch­tet die theo­lo­gi­sche Bedeu­tung die­ses Ereig­nis­ses und betont die Wich­tig­keit der Trinität–die Offen­ba­rung von Gott als Vater, Sohn und Hei­li­ger Geist.
  3. Die Ver­su­chung Jesu in der Wüs­te: Ratz­in­ger ana­ly­siert die Ver­su­chun­gen, denen Jesus aus­ge­setzt war, und betont die Bedeu­tung von deren Zurück­wei­sung als Sieg über die Mäch­te des Bösen.
  4. Das Reich Got­tes: Ratz­in­ger erläu­tert Jesu zen­tra­le Bot­schaft von der Ankunft des Rei­ches Got­tes. Er hebt Jesu geis­ti­ge und mes­sia­ni­sche Inter­pre­ta­ti­on des Rei­ches Got­tes her­vor, die nicht mit poli­ti­schen Erwar­tun­gen ver­wech­selt wer­den sollte.
  5. Die Berg­pre­digt: Der Autor ana­ly­siert aus­führ­lich die Berg­pre­digt, in der Jesus sei­ne mora­li­schen Leh­ren und ethi­schen Grund­sät­ze ver­kün­det. Hier­bei betont Ratz­in­ger die radi­ka­le For­de­rung nach Lie­be, Fein­des­lie­be und Vollkommenheit.
  6. Die Wun­der Jesu: Ratz­in­ger unter­sucht eini­ge der Wun­der Jesu und inter­pre­tiert sie als Zei­chen des kom­men­den Rei­ches Got­tes und der Gött­lich­keit Jesu.
  7. Die Jün­ger Jesu: Der Autor beleuch­tet die Aus­wahl und das Leben der Jün­ger Jesu, ins­be­son­de­re von Petrus und Andre­as. Er betont die Bedeu­tung der per­sön­li­chen Beru­fung und Bezie­hung zu Jesus.

Ratz­in­ger dis­ku­tiert unter ande­rem das Vater­un­ser, die Bot­schaft der Gleich­nis­se, die gro­ßen johannei­schen Bil­der, das Petrus­be­kennt­nis, die Ver­klä­rung und die Selbst­aus­sa­gen Jesu. Der ers­te Band von „Jesus von Naza­reth“ bie­tet eine tief­ge­hen­de theo­lo­gi­sche Ana­ly­se der Anfangs­pha­se von Jesu Leben und Leh­ren und legt den Grund­stein für die wei­ter­füh­ren­den Über­le­gun­gen im nach­fol­gen­den Band.

Band 2

Der zwei­te Band kon­zen­triert sich auf die Lei­dens­ge­schich­te und die Auf­er­ste­hung Jesu Chris­ti. Ratz­in­ger erläu­tert sei­ne Gedan­ken rund um das Herz­stück des Chris­ten­tums: War­um muss­te Jesus ster­ben? Was bedeu­tet die Auf­er­ste­hung Jesu für uns? Hier sind ein paar der Kernthemen:

  1. Die Ein­lei­tung zur Pas­si­on: Ratz­in­ger beginnt mit einer ein­füh­ren­den Ana­ly­se der Pas­si­ons­ge­schich­te und betont die theo­lo­gi­sche Bedeu­tung des Lei­dens und Ster­bens Jesu für die Menschheit.
  2. Geth­se­ma­ne und das Gebet Jesu: Der Autor wid­met sich aus­führ­lich dem Gebet Jesu im Gar­ten von Geth­se­ma­ne. Er hebt die inne­ren Kämp­fe und die Hin­ga­be Jesu her­vor, die in die­sem Moment zum Aus­druck kommen.
  3. Die Ver­haf­tung und Ver­ur­tei­lung Jesu: Ratz­in­ger beschäf­tigt sich mit den recht­li­chen und theo­lo­gi­schen Aspek­ten der Ver­haf­tung und Ver­ur­tei­lung Jesu durch die reli­giö­sen und poli­ti­schen Auto­ri­tä­ten sei­ner Zeit.
  4. Die Pas­si­on und die Kreu­zi­gung: Der Autor beleuch­tet die kör­per­li­chen und geis­ti­gen Qua­len, die Jesus wäh­rend sei­ner Pas­si­on und wäh­rend der Kreu­zi­gung erlitt. Er betont die Süh­ne und Erlö­sung, die durch Jesu Opfer am Kreuz gebracht wurden.
  5. Die Auf­er­ste­hung: Ratz­in­ger behan­delt aus­führ­lich das zen­tra­le christ­li­che Dog­ma der Auf­er­ste­hung Jesu Chris­ti von den Toten. Er erklärt die theo­lo­gi­sche Bedeu­tung die­ses Ereig­nis­ses und sei­ne Aus­wir­kun­gen auf den christ­li­chen Glauben.
  6. Die Hoff­nung der Auf­er­ste­hung: Ratz­in­ger betont die Hoff­nung, die die Auf­er­ste­hung Jesu für die Chris­ten bringt, und wie sie die Art und Wei­se, wie sie ihr Leben füh­ren, beeinflusst.
  7. Die Bedeu­tung der Kir­che: Der Autor schließt den Band mit einer Betrach­tung über die Rol­le der Kir­che als Gemein­schaft der Gläu­bi­gen, die die Bot­schaft von Jesu Lei­den, Tod und Auf­er­ste­hung ver­kün­det und weiterträgt.

Der zwei­te Band von „Jesus von Naza­reth“ bie­tet eine tief­ge­hen­de theo­lo­gi­sche Refle­xi­on über die Pas­si­on, den Tod und die Auf­er­ste­hung Jesu Chris­ti und legt dar, wie die­se Ereig­nis­se das Fun­da­ment des christ­li­chen Glau­bens bilden.

Fazit

Jesus von Naza­reth“ ist eine span­nen­de, wenn auch nicht ganz leich­te Lek­tü­re. Immer wie­der bezieht sich Ratz­in­ger auf bekann­te und auch teil­wei­se weni­ger bekann­te Theo­lo­gen und schafft es lei­der nicht immer, sei­nen kirch­li­chen Fremd­wort­schatz für Lai­en zu vereinfachen.

Ein gigan­ti­sches Werk wie die­se drei Bän­de ist immer ein gemisch­tes Paket. Es ist gefüllt mit span­nen­den neu­en Gedan­ken, aber auch mit umstrit­te­nen Vor­schlä­gen. Libe­ra­le Theo­lo­gen kri­ti­sie­ren, dass Ratz­in­ger zu kon­ser­va­tiv ist und moder­ne Erkennt­nis­se igno­riert. So manch ein Evan­ge­li­ka­ler könn­te sich über die Bedeu­tung ärgern, die Maria gege­ben wird, oder sich dar­an sto­ßen, dass Ratz­in­ger Jesus als eine Art uni­ver­sa­len Ret­ter zeich­net, der alle Men­schen und sei­ne gan­ze Schöp­fung ret­ten wird. Zugleich argu­men­tiert Ratz­in­ger in vie­len Punk­ten sehr öku­me­nisch, sodass das Werk des Paps­tes eben­falls in evan­ge­li­ka­len Krei­sen gele­sen wird.

Am Ende des Ban­des befin­den sich außer­dem ein kom­men­tier­tes Lite­ra­tur­ver­zeich­nis des Autors sowie ein Glos­sar über theo­lo­gi­sche Begrif­fe, ein Sach- und ein Namens­re­gis­ter, ein Regis­ter der erwähn­ten Bibel­stel­len und ein Abkür­zungs­ver­zeich­nis, wel­che das Lesen des Buches für ein brei­te­res Publi­kum leich­ter machen.

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Die­se Logos-Aus­ga­be ent­hält den voll­stän­di­gen Text des drei­tei­li­gen Wer­kes, wie er in Band 6/​1 der Gesam­mel­ten Schrif­ten abge­druckt ist.

Bibliografie

Ratz­in­ger, Joseph. 2007. Jesus von Naza­reth: Von der Tau­fe im Jor­dan bis zur Ver­klä­rung: Ers­ter Teil. Her­der Verlag.

Manuel Becker

Über den Autor

Manuel arbeitet als Gemeindegründer unter einer der 25 größten unerreichten Völkergruppen weltweit. Wenn seine 4 Kinder ihn nicht gerade auf Trab halten, dann liebt er es theologische Bücher in seiner freien Zeit zu lesen, zu fotografieren oder seine Logos-Bücherei zu erweitern. Aktuell studiert er nebenher an der Akademie für Weltmission in Korntal und hofft 2023 sein MA-Studium zu beenden. Er ist der Autor von dem beliebten Kinderbuch „Der große Sieg“.

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  1. Im Rah­men einer Abschluss­ar­beit habe ich dazu­mal eben­so eine Rezen­si­on über den ers­ten Band geschrie­ben. Wie hier auch ange­deu­tet, fin­den sich tat­säch­lich vie­le inter­es­san­te und poten­ti­ell denk­rah­men­spren­gen­de Argu­men­te – gra­de für Evan­ge­li­ka­le – in Ratz­in­gers Werk. Aber eben auch eini­ge Katho­li­zis­men, die für Pro­tes­tan­ten eher stö­rend wir­ken, und, wegen der logi­schen Argu­men­tie­rung, sogar ver­wir­rungs­stif­tend für nicht gefes­tig­te Gläu­bi­ge sein können.
    Ins­ge­samt aber lesenswert.
    M.D.

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