Christus Victor: das Kreuz als Triumph über den Feind

Von Manuel Becker

Christus Victor, Kreuztheologie
Vor 2 Monaten

Sieg! Das ers­te Jahr­tau­send fei­er­ten die Chris­ten das Kreuz pri­mär als den Sieg Jesu über böse Mäch­te. Lesen Sie in 15 Min. selbst, war­um das Chris­tus-Vic­tor-Ver­ständ­nis des Kreu­zes wich­tig ist und als über­ge­ord­ne­ter Rah­men ver­stan­den wer­den soll­te für das Werk Jesu am Kreuz

Der Streit um das Kreuz

In mei­nem ers­ten Arti­kel habe ich neun Mög­lich­kei­ten vor­ge­stellt, wie der Tod Jesu am Kreuz ver­stan­den wer­den kann. Kurz und knapp habe ich ver­sucht ver­schie­de­ne Argu­men­te für und gegen die jewei­li­ge Sicht­wei­se zu skiz­zie­ren. Zum Schluss des Arti­kels habe ich vor­ge­schla­gen, dass nicht eine Sicht­wei­se allein das Werk Jesu exklu­siv erklä­ren kann, son­dern dass viel­mehr ver­schie­de­ne Sicht­wei­sen unter­schied­li­che Aspek­te des Kreu­zes beleuchten.

Die Bil­der, die wir im NT zur Erklä­rung des Kreu­zes fin­den, kon­zen­trie­ren sich

auf fünf Berei­che des öffent­li­chen Lebens in der Anti­ke: das Gericht (z.B. Recht­fer­ti­gung), die Welt des Han­dels (z.B. Erlö­sung), per­sön­li­che Bezie­hun­gen (z.B. Ver­söh­nung), der Got­tes­dienst (z.B. Opfer) und das Schlacht­feld (z.B. Tri­umph über das Böse) (Green 2006:166).

Die­se ver­schie­de­nen Bil­der zei­gen, dass Jesus durch sein Leben, sei­nen Tod und sei­ne Auf­er­ste­hung eine Viel­zahl an Pro­ble­men gelöst hat.

Unter ande­rem hat Gott durch Chris­tus den Teu­fel und sei­ne Gefolg­schaft besiegt (Hebr 2,14; 1 Joh 3,8), die end­gül­ti­ge Wahr­heit über sich selbst offen­bart (Röm 5,8, vgl. Joh 14,7–10), alles mit sich ver­söhnt (2 Kor 5,18–19; Kol 1,20–22) und uns die Sün­den ver­ge­ben (Apg 13,38; Eph 3,8). Joh 14,7–10); ver­söhn­te alle Din­ge, ein­schließ­lich der Men­schen, mit sich selbst (2Kor 5,18–19; Kol 1,20–22); ver­gab uns unse­re Sün­den (Apg 13,38; Eph 1,7); heil­te uns von unse­rer sün­den­ge­plag­ten Natur (1Petr 2,24); goss sei­nen Geist auf uns aus und befä­hig­te uns, in Bezie­hung zu ihm zu leben (Röm 8,2–16); und gab uns ein Bei­spiel, dem wir fol­gen sol­len (Eph 5,1–2; 1Petr 2,21). (Boyd 2006:23)

In die­sem Arti­kel will ich das Chris­tus-Vic­tor-Motiv im Detail beleuch­ten, weil es, mei­ner Mei­nung nach, in der deut­schen Lite­ra­tur etwas zu kurz kommt, obwohl es die domi­nan­te Sicht­wei­se, des ers­ten Jahr­tau­sends war und sich wie ein roter Faden durch die Bibel zieht.

Was bedeutet Christus Victor?

Aulén, einer der bekann­tes­ten Ver­tre­ter des Chris­tus-Vic­tor-Motivs, beschreibt die­sen Deu­tungs­an­satz wie folgt:

Das zen­tra­le The­ma ist die Auf­fas­sung vom Sühnop­fer als einem gött­li­chen Kon­flikt und Sieg; Chris­tus – der Sie­ger – kämpft und tri­um­phiert über die bösen Mäch­te der Welt, die „Tyran­nen”, unter denen die Mensch­heit lei­det, und in ihm ver­söhnt Gott die Welt mit sich selbst. (:4) Das Werk Chris­ti ist in ers­ter Linie ein Sieg über die Mäch­te, die die Mensch­heit in Knecht­schaft hal­ten: Sün­de, Tod und der Teu­fel. (…) Der Sieg Chris­ti schafft eine neue Rea­li­tät, die ihrer Herr­schaft ein Ende setzt und die Men­schen von ihrer Herr­schaft befreit. (2003:20)

Das Christus-Victor-Motiv in der Bibel

Das Chris­tus-Vic­tor-Motiv zieht sich wie ein roter Faden von Gene­sis bis zur Offen­ba­rung durch die Bibel.

Der Satan als der Herrscher der Welt

Um die Not­wen­dig­keit des Sie­ges Jesus über die Mäch­te ver­ste­hen zu kön­nen, muss man erst das Pro­blem ver­ste­hen, wel­ches die Bibel aufzeigt.

Als Satan Jesus anbot, ihm alle Rei­che der Welt zu geben (Mt 4,8), war das eine ech­te Ver­su­chung, denn Satan herrscht tat­säch­lich über all die­se Rei­che. Jesus selbst bezeich­ne­te Satan drei­mal als den Herr­scher die­ser Welt (Johan­nes 12,31; 14,30; 16,11). Die­se Welt ist das Reich der Fins­ter­nis (Johan­nes 1,5). Jesus iden­ti­fi­zier­te eine ver­krüp­pel­te Frau als vom Teu­fel gefes­selt (Lukas 13,16). Jesus schrieb Krank­hei­ten und kör­per­li­che Gebre­chen kon­se­quent den bösen Mäch­ten zu (Lukas 8,29; 11,14; 13,11; Mar­kus 9,25). Die gro­ße Zahl dämo­ni­scher Beses­sen­hei­ten, von denen in den Evan­ge­li­en berich­tet wird, deu­tet auf eine Welt hin, die „von Dämo­nen durch­drun­gen ist, deren zer­stö­re­ri­scher Ein­fluss all­ge­gen­wär­tig ist“ (Boyd 2009:103). In Lukas 11,21–22 ver­gleicht Jesus Satan mit einem star­ken Mann, der sein Eigen­tum bewacht: die Men­schen, die unter sei­ner Macht ste­hen (Apos­tel­ge­schich­te 26,18).

Pau­lus bezeich­ne­te Satan als „den Gott die­ser Welt“ (2 Kor 4,4) und „den Fürs­ten der Macht der Luft“ (Eph 2,2; ELB). Der Ver­stand der Ungläu­bi­gen ist von Satan ver­blen­det (2 Kor 4,4). Wäh­rend Pau­lus klar­stell­te, dass Jesus die bösen Mäch­te besiegt hat (Kol 1,13; 2,15), beton­te er den­noch, dass Chris­ten mit bösen Mäch­ten im Krieg ste­hen (Eph 6,12–17). Johan­nes stellt fest, dass die­se Welt „unter der Macht des Bösen“ steht (1 Joh 5,19).

Fazit: Die­se Welt soll­te als eine Welt ver­stan­den wer­den, die von bösen geist­li­chen Wesen unter der Füh­rung Satans bevöl­kert ist, wel­cher „die gan­ze Welt als Gei­sel genom­men und sich selbst als den ille­gi­ti­men Gott des gegen­wär­ti­gen Zeit­al­ters ein­ge­setzt hat“ (Boyd, 2009:101).

Die erste Messias-Prophetie

Gott hat die Men­schen erschaf­fen und ihnen Auto­ri­tät gege­ben, um in Part­ner­schaft mit ihm die­se Welt zu regie­ren. Aber statt gemein­sam mit Gott zu regie­ren, haben wir gegen ihn und sei­nen Weg rebel­liert. Durch unse­re Rebel­li­on ist die­se Welt unter die Herr­schaft des Satans und der Sün­de gekom­men. Direkt im Anschluss an unse­re Rebel­li­on ver­heißt Gott bereits, wie er (durch den zukünf­ti­gen Ret­ter) das Pro­blem lösen wird. Gott ver­spricht, dass er den Kopf der Schlan­ge zer­tre­ten wer­de (Gene­sis 3,15). Die aller­ers­te mes­sia­ni­sche Pro­phe­zei­ung nennt das Ziel von Got­tes Erlö­sungs­werk: die Ver­nich­tung des Satans (und damit die Aus­rot­tung von allem Bösen).

Das Böse im Alten Testament

Im Alten Tes­ta­ment wird das Böse in Form von feind­se­li­gen Gewäs­sern (Gen 1,2; Ps 29,3; Spr 8,29; Hiob 9,8; Hab 3,10), kos­mi­schen Mons­tern (Ps 74,10–14) und rebel­li­schen Göt­tern (Dan 10; Ps 82) dar­ge­stellt. Die­se Dar­stel­lun­gen sind ein­deu­tig von der übli­chen mytho­lo­gi­schen Bild­spra­che des Alten Ori­ents beein­flusst. Den­noch ver­mit­teln sie auf ein­dring­li­che Wei­se das Ver­ständ­nis, dass die Erde und ihre Bewoh­ner in einem kos­mi­schen Kriegs­ge­biet leben. Die Ord­nung im Kos­mos und die Erhal­tung Isra­els hän­gen davon ab, dass Gott gegen die­se bösen kos­mi­schen Kräf­te kämpft.

Jesus und das Christus-Victor-Motiv

In Mar­kus 10,45 erklärt Jesus sei­ne Auf­ga­be dar­in, „dass er die­ne und sein Leben gebe als Löse­geld für vie­le“ (LUT 2017). Das Wort Löse­geld (λύτρον lytron) ist in dem Kon­text „einen Sklaven/​Gefangenen frei­kau­fen“ zu ver­ste­hen. Jesus erklär­te sei­nen Tod und sei­ne Auf­er­ste­hung also pri­mär als einen Akt der Befrei­ung aus Skla­ve­rei. Die­ses Motiv wie­der­holt sich mehr­fach in den Evangelien.

Jesus gab uns kein abs­trak­tes theo­lo­gi­sches Kon­strukt, um sei­nen Tod zu ver­ste­hen, son­dern er gab uns ein Mahl. Jesus erklär­te sei­nen Jün­gern die Bedeu­tung sei­nes Todes beim Pas­sah­mahl. Das Pas­sah­fest wur­de gefei­ert zur Erin­ne­rung an den Aus­zug der Israe­li­ten aus der Skla­ve­rei in Ägyp­ten (der soge­nann­te Exodus). Jesus hat den Exodus als Kon­text gewählt, in dem wir sei­nen Tod und sei­ne Auf­er­ste­hung ver­ste­hen sol­len. Jesus hat durch sei­nen Tod und sei­ne Auf­er­ste­hung einen neu­en Exodus ermög­licht. Aber von wel­cher Skla­ve­rei müs­sen wir befreit werden?

In Joh 12,31 erklärt Jesus, dass er durch sei­nen Tod den „Fürst die­ser Welt“ hin­aus­wer­fen wird (ELB). Wie bereits erwähnt, beschreibt die Bibel uns Men­schen als Skla­ven des Herr­schers die­ser Welt und sei­ner Mäch­te. Als Skla­ven die­ser bösen Mäch­te sind wir eben­falls Gefan­ge­ne des Todes (Hebr 2,14–15) und der Sün­de (Joh 8,34; Röm 6,17). Jesus kam, um die­se dunk­len Mäch­te zu ent­mach­ten und uns dadurch aus deren Skla­ve­rei zu befreien.

In Lukas 11,21–22 wird Jesus als der­je­ni­ge beschrie­ben, der den star­ken Mann (Satan) fes­selt und ihm sein Eigen­tum weg­nimmt, näm­lich die Welt, die Satan unter sei­ne Gewalt gebracht hat.

In Mat­thä­us 12:22–29 wird berich­tet, wie Jesus einen taub-stum­men Mann von einem bösen Geist befreit und ihn dadurch heilt. Die­se Hei­lung zeigt Jesu Macht über alle bösen Mäch­te. Im Anschluss erklär­te Jesus, dass sei­ne Hand­lun­gen, ins­be­son­de­re das Aus­trei­ben von Dämo­nen, das Kom­men des Rei­ches Got­tes mani­fes­tiert (Vers 28). Er ver­wen­det dazu das Bild eines star­ken Man­nes, der einen ande­ren star­ken Mann fes­selt und ihm sein Eigen­tum weg­nimmt. In die­ser Ana­lo­gie reprä­sen­tiert Satan den star­ken Mann, der die Men­schen in sei­ner Herr­schaft gefan­gen hält. Jesus hin­ge­gen ist der­je­ni­ge, der mit der Kraft Got­tes den star­ken Mann, also Satan, besiegt und ihm die­je­ni­gen weg­nimmt, die er in sei­ner Gefan­gen­schaft hält.

Die­se Ver­se ver­deut­li­chen, dass wann immer Jesus Leu­te heil­te und Dämo­nen aus­trieb, er sie aus der Gewalt des Fein­des befrei­te und dadurch sein König­reich auf­rich­te­te. Die­ses Ver­ständ­nis des Diens­tes Jesus fin­det sich immer wie­der durch das Neue Tes­ta­ment hindurch.

Hier­zu ist der Sohn Got­tes offen­bart wor­den, damit er die Wer­ke des Teu­fels ver­nich­tet. (1 Joh 3,8 ELB)

Jesus von Naza­reth, wie Gott ihn mit Hei­li­gem Geist und mit Kraft gesalbt hat, der umher­ging und wohl­tat und alle heil­te, die von dem Teu­fel über­wäl­tigt waren, denn Gott war mit ihm. (Apg 10,38 ELB)

Paulus und das Christus-Victor-Motiv

Neben den häu­fi­gen Hin­wei­sen auf Satan und Dämo­nen im gesam­ten Neu­en Tes­ta­ment fin­den wir bei Pau­lus Hin­wei­se auf ande­re geist­li­che Mäch­te. So lesen wir bei Pau­lus von „Herr­schern“, „Fürs­ten­tü­mern“, „Mäch­ten“ und „Gewal­ten“ (Röm 8,38; 13,1; 1 Kor 2,6.8; 15,24; Eph 1,21; 2,2; 3,10; 6,12; Kol 1,16; 2,10.15). All die­se, gegen Gott rebel­lie­ren­de Mäch­te, hat Jesus „völ­lig ent­waff­net und sie öffent­lich zur Schau gestellt“. Chris­tus hat Tri­umph über sie gehal­ten (Kol 2,15 ELB).

Jesus hat „uns geret­tet aus der Macht der Fins­ter­nis und ver­setzt in das Reich des Soh­nes“ (Kol 1,13 ELB).

In 1.Korinther 15,3–5 fin­den wir eine Art Mini­zu­sam­men­fas­sung des Evan­ge­li­ums der ers­ten Chris­ten. Pau­lus lei­tet die­se Ver­se damit ein, dass er das wei­ter­gibt, was er selbst emp­fan­gen hat, was auf ein fes­tes Bekennt­nis hin­weist, wel­ches wahr­schein­lich aus­wen­dig gelernt und benutzt wur­de um das Evan­ge­li­um zusammenzufassen.

Die Stel­le gibt uns einen ent­schei­den­den Hin­weis dar­auf, wie wir den Tod und die Auf­er­ste­hung Jesu ver­ste­hen müs­sen, näm­lich „gemäß der Schrift“. Eine Deu­tung des Todes Jesu und sei­ner Auf­er­ste­hung, wel­che nicht die gro­ße Geschich­te und die The­men des AT berück­sich­tigt, ist gefährlich.

Gala­ter 1,4 ver­wen­det eine ähn­li­che For­mu­lie­rung wie in 1. Korin­ther 15,3 und hilft uns den „für unse­re Sün­den gestor­ben“ (V.3) Teil bes­ser zu verstehen:

…der sich selbst für unse­re Sün­den hin­ge­ge­ben hat, damit er uns her­aus­reißt aus der gegen­wär­ti­gen bösen Welt nach dem Wil­len unse­res Got­tes und Vaters… (ELB)

Durch Jesu Tod und Auf­er­ste­hung sind wir von der gegen­wär­ti­gen Welt und dem Bösen, der sie beherrscht, befreit. Dies passt her­vor­ra­gend zu den gro­ßen The­men des AT, in wel­ches Jesus sei­nen eige­nen Tod setzt. Wie bereits erwähnt, beschreibt Jesus sei­nen Tod im Abend­mahl als einen neu­en Exodus. Jesus befrei­te uns von den geist­li­chen dunk­len Mäch­ten, die uns ver­sklavt haben. Damit erfüllt er die ers­te Mes­si­as-Pro­phe­tie, dass er der Schlan­ge den Kopf zer­tre­ten wird, ganz vom Anfang des AT (Gen 3,15).

Weitere Stellen im NT

In der ers­ten Pre­digt der Apos­tel, auch als Pfingst­pre­digt bekannt, zitiert Petrus Psalm 110,1.

Der Herr sag­te zu mei­nem Herrn: Set­ze dich an mei­ne rech­te Sei­te, bis ich dei­ne Fein­de zum Sche­mel für dei­ne Füße gemacht habe. (Apg 2,34–35 NGÜ)

Die­ser Vers ver­heißt, dass der Mes­si­as als König herr­schen und all sei­ne Fein­de unter­wer­fen wird. Die häu­fi­ge Erwäh­nung die­ser Stel­le im Neu­en Tes­ta­ment zeigt, dass das Ver­ständ­nis des Sie­ges über die dunk­len Mäch­te ein zen­tra­les Deu­tungs­mo­tiv der ers­ten Chris­ten war.

Auch im Hebrä­er­brief wird Jesu Tod als das Mit­tel beschrie­ben, durch wel­ches er den Teu­fel ent­mach­te­te und uns aus der Skla­ve­rei befreite.

So konn­te er durch den Tod den ent­mach­ten, der mit Hil­fe des Todes sei­ne Macht aus­übt, näm­lich den Teu­fel, 15 und konn­te die, deren gan­zes Leben von der Angst vor dem Tod beherrscht war, aus ihrer Skla­ve­rei befrei­en. (Hebr 2,14–15 NGÜ)

Und schluss­end­lich spricht Offen­ba­rung 12,9–11 dann von dem end­gül­ti­gen Sieg über den Teu­fel und sei­nem dunk­len Königreich.

Christus Victor und die Kirchenväter

Das Christs-Vic­tor-Motiv zieht sich nicht nur durch die gesam­te Bibel, son­dern war das domi­nan­te Ver­ständ­nis des Kreu­zes des ers­ten Jahr­tau­sends und wur­de erst dann durch die Satis­fak­ti­ons­theo­rie von Anselm in den Hin­ter­grund gedrängt. Vie­le der Kir­chen­vä­ter wie Orig­e­nes, Atha­na­si­us, Basi­li­us der Gro­ße, Gre­gor von Nyssa, Gre­gor von Nazi­an­zus, Kyrill von Alex­an­dri­en, Kyrill von Jeru­sa­lem und Chry­sosto­mus, sie alle beschrei­ben das Werk Jesu als Sieg über die dunk­len Mäch­te in ihren Schrei­ben (Aulen 2003:37).

Ire­nae­us (130–202 n. Chr.), einer der frühs­ten Kir­chen­vä­ter, beschreibt sein Ver­ständ­nis des Kreu­zes wie folgt:

…aber durch den zwei­ten Men­schen hat er den Star­ken gebun­den und sei­ne Güter geraubt und den Tod ver­nich­tet und dem Men­schen, der dem Tod unter­wor­fen war, das Leben gebracht. Denn Adam war des Teu­fels Besitz gewor­den, und der Teu­fel hielt ihn in sei­ner Gewalt, indem er ihn zu Unrecht betrog und ihn durch das Ange­bot der Unsterb­lich­keit dem Tod unter­warf. (Adv. Hær., III., 23. 1)

Augus­ti­nus (354–430 n. Chr.) schreibt:

Und wo der Teu­fel etwas tun konn­te, da wur­de er von allen Sei­ten besiegt. Wäh­rend er vom Kreuz die Macht erhielt, den Leib des Herrn äußer­lich zu töten, wur­de auch die inne­re Macht, durch die er uns fest­hielt, durch das Kreuz getö­tet. (…) Und des­halb hat der Herr um unse­ret­wil­len den Tri­but an den Tod gezahlt, der ihm nicht zustand, damit der Tod, der ihm zustand, uns nicht scha­de. (…) und des­halb hat er [Jesus] die Fürs­ten­tü­mer und Mäch­te offen bloß­ge­stellt und in sich selbst zuver­sicht­lich über sie tri­um­phiert. (De Tri­ni­ta­te 4.13.17)

Den Sieg Jesu verwirklichen

Ein Haupt­ar­gu­ment, wel­ches oft ange­führt wird, gegen das Chris­tus-Vic­tor-Ver­ständ­nis ist, dass die­se Welt nicht reflek­tiert, dass die dunk­len Mäch­te besiegt sind. Im Gegen­teil, das vie­le Leid in der Welt, deu­tet dar­auf hin, dass Satan wirk­lich der Fürst die­ser Welt und unge­hin­dert am Werk ist. Wie lässt sich das Leid der Welt mit dem Sieg Jesu vereinbaren?

Ein Bild, das mir hilft, die­sen Zusam­men­hang zu ver­ste­hen, ist das Bild des D‑Days. Nach­dem die alli­ier­ten Trup­pen erfolg­reich in Frank­reich gelan­det waren, war klar, dass Hit­ler den Zwei­ten Welt­krieg ver­lie­ren wür­de. Obwohl der Sieg in Reich­wei­te lag, muss­ten den­noch wei­te­re Kämp­fe aus­ge­tra­gen wer­den, bis die Deut­schen schließ­lich kapi­tu­lier­ten und die end­gül­ti­ge Nie­der­la­ge besie­gelt wurde.

Durch das Kreuz und sei­ne Auf­er­ste­hung besie­gel­te Jesus das Schick­sal der bösen Mäch­te. Die end­gül­ti­ge Nie­der­la­ge Satans ist sicher. Aber es ist die Kir­che, die dazu beru­fen ist, die­se Rea­li­tät in die­ser Welt zu rea­li­sie­ren (Eph 3,10). Jesus hat alle Macht, aber er hat uns die Auf­ga­be gege­ben, alle Natio­nen zu Jün­gern zu machen (Matt 28:18–20). Unter der sieg­rei­chen Auto­ri­tät Chris­ti ist die Kir­che auf­ge­ru­fen, die bösen Mäch­te in die­ser Welt zu bekämp­fen und zu stür­zen, so wie Jesus es getan hat.

Gott regiert und erlöst den Kos­mos nicht allein, son­dern hat den Men­schen ein ech­tes Mit­spra­che­recht in die­ser Welt gege­ben. N.T. Wright fasst es fol­gen­der­ma­ßen zusammen:

Gott hat sei­ne Welt so geord­net, dass sein eige­nes Wir­ken in die­ser Welt durch die Men­schen, die sein Eben­bild wider­spie­geln, geschieht. Das ist, glau­be ich, der Kern des­sen, dass wir nach Got­tes Eben­bild geschaf­fen sind. Gott beab­sich­tigt, dass sei­ne wei­se, schöp­fe­ri­sche, lie­ben­de Gegen­wart und Macht durch sei­ne mensch­li­chen Geschöp­fe in die Welt reflek­tiert – abge­bil­det, wenn Sie so wol­len – wer­den. Er hat uns als sei­ne Ver­wal­ter für das Pro­jekt der Schöp­fung ein­ge­setzt. Nach der Kata­stro­phe der Rebel­li­on und der Kor­rup­ti­on hat er in die Bot­schaft des Evan­ge­li­ums die Tat­sa­che ein­ge­baut, dass er die Men­schen durch das Wir­ken Jesu und die Kraft des Geis­tes dazu aus­rüs­tet, bei der Wie­der­her­stel­lung des Pro­jekts mit­zu­hel­fen (2009:96).

Christus Victor erklärt das was nicht das wie

Das Wesent­li­che, das berück­sich­tigt wer­den muss, ist, dass das Chris­tus-Vic­tor-Motiv beschreibt, was Jesus erreicht hat – näm­lich den Sieg über die Mäch­te, die uns ver­sklavt haben -, aber die genaue Art und Wei­se, wie dies gesche­hen ist, bleibt offen. Das Chris­tus-Vic­tor-Motiv dient als über­ge­ord­ne­ter Rah­men, der erklärt, was Jesus durch sein Werk am Kreuz erreicht hat, wäh­rend alle ande­ren Süh­ne­theo­rien ver­su­chen, genau­er zu erläu­tern, wie die Erlö­sung genau funk­tio­niert. Daher ist das Chris­tus-Vic­tor-Motiv beson­ders gut mit ande­ren Süh­ne­theo­rien ver­ein­bar und kann sich gut mit ihnen kom­bi­nie­ren lassen.

Fazit: Argumente für Christus Victor

Ich den­ke, es gibt vie­le schlag­kräf­ti­ge Grün­de (adap­tiert von Boyd 2006:46–48), wes­halb wir das Kreuz und die Auf­er­ste­hung pri­mär als Sieg über die bösen Mäch­te, die uns ver­sklavt haben, ver­ste­hen sollten.

1. Chris­tus Vic­tor ist das ein­zi­ge Modell, das der Zen­tra­li­tät des Motivs des Sie­ges Chris­ti über Satan im Neu­en Tes­ta­ment voll gerecht wird.

2. Chris­tus Vic­tor zieht sich wie ein roter Faden durch die Bibel und war das vor­herr­schen­de Modell im ers­ten Jahr­tau­send der Kirchengeschichte.

3. Die­ses Modell bringt das Leben, den Tod und die Wie­der­auf­er­ste­hung in einer sinn­vol­len Wei­se in Ein­klang. Bei all die­sen Din­gen geht es letzt­lich um eines: die Errich­tung der Herr­schaft Got­tes, indem die Herr­schaft Satans und der Mäch­te durch die Kraft der selbst­auf­op­fern­den Lie­be besiegt wird.

4. Chris­tus Vic­tor erklärt am ver­ständ­lichs­ten, wie das Werk Chris­ti dem Men­schen, den ihm ursprüng­lich zuge­dach­ten Platz der Herr­schaft auf der Erde zurück­gibt, ein Punkt, der im Mit­tel­punkt der bibli­schen Geschich­te steht (Gen 1,26–28; 2 Tim 2,12; Offb 5,10).

5. Die­ses Modell bie­tet vie­le Vor­tei­le, um eine sinn­vol­le Ant­wort auf die Theo­di­zee-Fra­ge zu finden.

6. Die­se Sicht ruft Chris­ten dazu auf, sich der Rebel­li­on Chris­ti gegen die bösen Mäch­te anzu­schlie­ßen. Die Chris­tus-Vic­tor-Per­spek­ti­ve inspi­riert Jün­ger Jesu zu einem Leben der Hei­li­gung, was dem Zeit­geist widersteht.

7. Als über­ge­ord­ne­tes Ver­ständ­nis des Kreu­zes ist es am bes­ten kom­bi­nier­bar mit ande­ren Süh­ne­theo­rien.

Bibliografie

Aulén, Gus­taf. Chris­tus Vic­tor: An His­to­ri­cal Stu­dy of the Three Main Types of the Idea of Ato­ne­ment. Über­setzt von A. G. Hebert, Wipf & Stock, 2003.

Boyd, Gre­go­ry A. „Chris­tus Vic­tor View“. The Natu­re of the Ato­ne­ment: Four Views, her­aus­ge­ge­ben von James K. Beil­by und Paul R. Eddy, IVP Aca­de­mic, 2006.

Boyd, G.A. ‘God at War’. In: Win­ter, R.D. and Hawt­hor­ne, S.C. eds. Per­spec­ti­ves on the World Chris­ti­an Move­ment: A Reader. 4th ed. Pasa­de­na: Wil­liam Carey Libra­ry. 2009. 100–111.

Green, Joel B. „Kalei­do­sco­pic View“. The Natu­re of the Ato­ne­ment: Four Views, her­aus­ge­ge­ben von James K. Beil­by und Paul R. Eddy, IVP Aca­de­mic, 2006.

Wright, N. T. „Buil­ding for the king­dom“. In: Win­ter, R.D. and Hawt­hor­ne, S.C. eds. Per­spec­ti­ves on the World Chris­ti­an Move­ment: A Reader. 4th ed. Pasa­de­na: Wil­liam Carey Libra­ry. 2009.

Manuel Becker

Über den Autor

Manuel arbeitet als Gemeindegründer unter einer der 25 größten unerreichten Völkergruppen weltweit. Wenn seine 4 Kinder ihn nicht gerade auf Trab halten, dann liebt er es theologische Bücher in seiner freien Zeit zu lesen, zu fotografieren oder seine Logos-Bücherei zu erweitern. Aktuell studiert er nebenher an der Akademie für Weltmission in Korntal und hofft 2023 sein MA-Studium zu beenden. Er ist der Autor von dem beliebten Kinderbuch „Der große Sieg“.

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