Rezension: Die Apokalypse heute lesen

Die Johannesoffenbarung heute lesen. Eine Rezension.

Wenn man heu­te die Apo­ka­lyp­se liest, ist man im bes­ten Fal­le ver­wirrt. Im schlimms­ten Fall ist man ein­ge­schüch­tert und ent­mu­tigt. Damit dies nicht geschieht, lohnt sich ein kur­zer Blick in die­se prä­gnan­te Lese­hil­fe zum letz­ten Buch der Bibel. War­um die­ses Buch also kein Kom­men­tar sein will, kei­ne theo­lo­gi­schen Kennt­nis­se vor­aus­setzt und in eine deutsch­spra­chi­ge Lücke springt, möch­te ich Ihnen in den nächs­ten 5 Minu­ten erklären.

Eine Lesehilfe zur Apokalypse

Das letz­te Buch der Bibel scheint trotz anfäng­li­cher Fra­gen bei der Kano­ni­sie­rung eine der brei­tes­ten Wir­kungs­ge­schich­ten gehabt zu haben. Bis heu­te begeg­nen wir den Inhal­ten die­ses Buches in unse­rem All­tag. Sei es das „A und O” (exis­ten­zi­ell wich­ti­ge) einer Hand­lung oder der Song „the man comes around“ von John­ny Cash. Die ers­ten Ver­se die­ses Buches sind in der einen oder ande­ren Form sehr bekannt. Doch was bedeu­te­ten die Ver­se für die Adres­sa­ten im ers­ten Jahr­hun­dert und was kön­nen wir in unse­re Zeit mit­neh­men? Eine mög­li­che Ant­wort gibt der Autor und evan­ge­li­sche Theo­lo­ge Dr. theol. habil. Micha­el Heymel in die­ser Lesehilfe.

Zum Inhalt dieser Lesehilfe

In „Die Johan­nes­of­fen­ba­rung heu­te lesen gelingt es Micha­el Heymel, die kom­ple­xe The­ma­tik der Offen­ba­rung ver­ständ­lich zu ver­mit­teln. In meh­re­ren Schrit­ten gibt er dem Leser Ori­en­tie­rungs­hil­fen an die Hand, die Offen­ba­rung selbst zu lesen und zu ver­ste­hen. Die­se vier Hil­fen sol­len im Fol­gen­den kurz vor­ge­stellt werden.

Wirkungsgeschichte

Heymel legt gro­ßen Wert dar­auf, die Wir­kungs­ge­schich­te die­ses Buches zu skizzieren:

Wer sie [die Johan­nes­of­fen­ba­rung] heu­te liest, tritt ein in eine Geschich­te unzäh­li­ger Lek­tü­ren in ver­schie­de­nen Spra­chen, Kul­tu­ren und Lebens­wel­ten, die längst in gegen­sei­ti­gem Aus­tausch ste­hen“ (S.10).

Die Kennt­nis die­ser Geschich­ten ermög­licht einen sinn­vol­len und krea­ti­ven Zugang zu die­sem rät­sel­haf­ten Buch. Dar­über hin­aus hel­fen die­se Aus­le­gungs­ge­schich­ten vor der Bewah­rung, „eine bestimm­te Aus­le­gung als die allein rich­ti­ge und daher auch für heu­te gül­ti­ge zu betrach­ten“ (S. 10). Nicht zuletzt erwähnt Heymel auch die Auf­nah­me der Apo­ka­lyp­se in Musik (Frank Mar­tins „in ter­ra pax“) und Lite­ra­tur (Dan­tes „Gött­li­che Komödie“).

4 klassische Typen der Auslegung

Anhand die­ser Wir­kungs­ge­schich­te unter­schei­det Heymel auch die klas­si­schen vier her­me­neu­ti­schen Metho­den für die Apo­ka­lyp­se des Johan­nes. Er unter­schei­det in eine über­zeit­li­che (idea­lis­ti­sche), kir­chen­ge­schicht­li­che (prä­te­ris­ti­sche), end­ge­schicht­li­che (futu­ris­ti­sche) und schließ­lich in die von ihm bevor­zug­te zeit­ge­schicht­li­che Aus­le­gung. Letz­te­re ver­sucht, die Bot­schaft der Offen­ba­rung zuerst im 1. Jahr­hun­dert zu ver­or­ten, bevor dann all­fäl­li­ge wei­te­re Anwen­dun­gen ins Spiel kommen.

Hä? Ich verstehe nur Bahnhof!

Wer nach die­sen Zei­len noch mehr über die­se Aus­le­gungs­va­ri­an­ten erfah­ren will, darf sich ger­ne beim Neu­tes­ta­ment­ler G. K. Bea­le und sei­nem bewähr­ten Kom­men­tar ins Detail lesen (ab S. 81). Falls Ihnen eng­lisch­spra­chi­ge Lite­ra­tur Mühe macht, schafft Logos Ihnen nun Abhil­fe, mit dem KI-Über­set­zungs­tool von DeepL und Goog­le Trans­la­te. Es ist ab Logos 10 Sil­ber (für Desktop/​Web) und Bron­ze (nur mobil) verfügbar. 

Einleitungsfragen

Spä­tes­tens bei den Ein­lei­tungs­fra­gen (ab S. 37) merkt man die Tra­di­ti­on des Autors. Auch wenn der Autor ver­schie­de­ne Aus­le­gungs­va­ri­an­ten anbie­tet, ist er selbst von der his­to­risch-kri­ti­schen Metho­de durch­drun­gen. Nach die­ser Metho­de sei es unmög­lich, den Ver­fas­ser der Apo­ka­lyp­se mit dem Evan­ge­lis­ten Johan­nes in Ver­bin­dung zu brin­gen (Söding, S. 17). Aber Heymel ist offen für sei­ne Tra­di­ti­on: Er hält es für mög­lich, dass der Jün­ger und Evan­ge­list sowohl das Johan­nes­evan­ge­li­um als auch die Apo­ka­lyp­se ver­fasst hat. Die defi­ni­ti­ve Ver­fas­ser­schaft und ande­re Fra­gen lässt er jedoch offen.

Auslegung der Apokalypse

Auf kom­pak­ten 20 Sei­ten legt Heymel schließ­lich die Offen­ba­rung aus. Das Buch­the­ma „ein Buch christ­li­cher Hoff­nung gegen die Angst“ (Heymel, S. 61) dient ihm immer wie­der als Refe­renz­punkt für die Aus­le­gung. Die­ses an der Ober­flä­che krat­zen hat das Ziel, dass Sie als Leser selbst ange­spornt wer­den über die Inhal­te nach­zu­den­ken. Somit ist dem Ziel des Ver­la­ges auch Rech­nung getra­gen, denn es soll ja bewusst nur eine Lese­hil­fe sein, kein exege­ti­scher Kommentar.

Theologischer Verlag Zürich

Kom­pakt und ver­ständ­lich füh­ren die Bücher der Rei­he „bibel heu­te lesen“ in ein bibli­sches Buch ein. Theo­lo­gie, Musik, Lite­ra­tur und Kunst: Lese­rin­nen und Leser erhal­ten Ein­blick in die fas­zi­nie­ren­de Wir­kungs­ge­schich­te bibli­scher Tex­te. Kom­pe­tent zei­gen Autorin­nen und Autoren, wie man die Bibel heu­te lesen kann. Bis­her bei Logos erschie­nen: das Johan­nes­evan­ge­li­um, der Bericht von Mar­kus, der ers­te Johan­nes­brief und eben die Johan­nes­of­fen­ba­rung.

Die Brücke ins 21. Jahrhundert schlagen

In den letz­ten bei­den Kapi­teln des Buches geht es schließ­lich um die Pra­xis. Weil die Johan­nes Apo­ka­lyp­se zum Kanon gehört, muss sie eine Bot­schaft für uns haben. Und die­se Bot­schaft zeigt Heymel für den west­li­chen Chris­ten in sechs Punk­ten zur per­sön­li­chen Anwen­dung auf. Auch wenn wir nicht unter aku­ter Ver­fol­gung lei­den, ruft uns das Buch zur Wach­sam­keit und Beharr­lich­keit in der Nach­fol­ge Jesu auf (Offb 14,1–5).

Heymel schließt sein Buch mit fünf frucht­ba­ren Anre­gun­gen für geist­li­che Lei­te­rin­nen und Lei­ter, Pas­to­rin­nen und Pas­to­ren und alle Inter­es­sier­ten, die das Buch nicht allein lesen wol­len. Wie das Buch und sei­ne Bot­schaft all­tags­re­le­vant wer­den kön­nen, erläu­tert er in die­sen bei­den Schlusskapiteln.

Fazit dieser Lesehilfe

Die Lek­tü­re die­ser Lese­hil­fe hat mich in zwei­er­lei Hin­sicht beson­ders gefreut. Zum einen ist sie sehr kom­pakt auf­ge­baut und prä­gnant geschrie­ben. Das macht die Lek­tü­re flüs­sig und ange­nehm. Zum ande­ren sind die prak­ti­schen Über­le­gun­gen für den west­lich gepräg­ten Leser sehr ergie­big und inspi­rie­rend (Heymel, S. 117–129). Was ich ver­misst habe, ist die oben schon ange­spro­che­ne Mög­lich­keit einer Kom­bi­na­ti­on der Aus­le­gungs­me­tho­den. Gera­de wenn man bei der Apo­ka­lyp­se kon­se­quent nur eine Metho­de anwen­det, wird die Aus­le­gung an man­chen Stel­len schnell inkon­se­quent oder wider­sprüch­lich. Was ich mir als evan­ge­li­kal gepräg­ter Christ noch mehr gewünscht hät­te, wäre die Ein­be­zie­hung evan­ge­li­ka­ler Theo­lo­gen, vor allem im ein­lei­tungs­wis­sen­schaft­li­chen Bereich. Um die­ses klei­ne Defi­zit aus­zu­glei­chen, möch­te ich mit der Dar­stel­lung mei­ner Lieb­lings­kom­men­ta­re zur Apo­ka­lyp­se schließen.

Mein offener, verknüpfter Ansatz

Obwohl ich vie­le Grün­de für die zeit­ge­schicht­li­che Aus­le­gung der Offen­ba­rung aner­ken­ne, sehe ich kei­nen zwin­gen­den Grund, ihr allein zu fol­gen. Viel­mehr lese ich die Apo­ka­lyp­se Abschnitt für Abschnitt und ent­schei­de dann, wel­cher Typ am bes­ten anzu­wen­den ist. Der Vor­teil die­ser Vari­an­te ist, man wird jedem Abschnitt indi­vi­du­ell gerecht. Her­me­neu­tisch gese­hen wer­den Sie auch so die wenigs­ten Pro­ble­me bei der Aus­le­gung bekommen.

Meine Lieblingskommentare

  • NIV (Appli­ca­ti­on Com­men­ta­ry) von Craig S. Kee­ner (Er zeich­net sich durch eine gute Kennt­nis des römisch-hel­le­nis­ti­schen Umfel­des des Neu­en Tes­ta­ment aus).
  • HTA (His­to­risch-Theo­lo­gi­sche Aus­le­gung) von Ger­hard Mai­er (sehr guter und aktu­el­ler exege­ti­scher Kom­men­tar in deut­scher Sprache)
  • The Book of Reve­la­ti­on von G. K. Bea­le (sehr pro­fun­de exege­ti­sche Erkennt­nis­se und Ein­be­zug­nah­me des Alten Testaments)

Verwendete Werke

Heymel, M. (2018). Die Johan­nes­of­fen­ba­rung heu­te lesen. Zürich: Theo­lo­gi­scher Ver­lag Zürich.

Söding, T. (2015). Das Buch mit sie­ben Sie­geln. Exege­se der Johan­nes­of­fen­ba­rung. Bochum: Ruhr-Uni­ver­si­tät Bochum.

Bea­le, G. K. (1999). The Book of Reve­la­ti­on. The New Inter­na­tio­nal Greek Tes­ta­ment Com­men­ta­ry | NIGTC. Grand Rapids: Eerdmans.

Mai­er, G. (2015). Die Offen­ba­rung des Johan­nes. His­to­risch-Theo­lo­gi­sche-Aus­le­gung. Wit­ten; Gies­sen: SCM R.Brockhaus; Brun­nen Verlag.

Geschrieben von
Joshua Ganz

Joshua ist als Jugendpastor in der Nordostschweiz tätig. Aktuell studiert er systematische Theologie auf dem Master-Level und plant einen MTh. In der Schweizer Armee dient er als Armeeseelsorger. Er liebt Theologie, sein Rennrad und Kaffee. Am liebsten alles miteinander, oder zumindest nacheinander ;)

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