Anmerkung der Redaktion: Zum 73. Todestag des großen deutschen Theologen und Märtyrers Dietrich Bonhoeffer sind wir sehr stolz darauf, die wissenschaftliche Gesamtausgabe seiner Werke zur Vorbestellung verfügbar machen zu können. Die Werke Bonhoeffers werden damit erstmals in digitalem Format verfügbar. Für Bonhoeffer-Liebhaber umso wertvoller, da die gedruckte Ausgabe derzeit nur in Einzelbänden ist. Die 17 Bände enthalten Bonhoeffer-Klassiker wie Nachfolge, Widerstand und Ergebung, Gemeinsames Leben oder seine Ethik, dazu Briefwechsel und Predigten aus der gesamten Zeit seines Wirkens.
Zu diesem besonderen Anlass haben wir den von theoblog.de bekannten Theologen Ron Kubsch gebeten, uns in einem Gastbeitrag seinen Weg zu und mit Dietrich Bonhoeffer zu schildern.
„Dietrich Bonhoeffer ist darum glaubwürdig, weil sein Denken und Leben eine Einheit bilden“, haben die Herausgeber eines Buches über den deutschen Theologen einmal gesagt.¹ Das stimmt. Ich selbst bekam Zugang zu Bonhoeffers Schriften, weil sein Lebenszeugnis eine bemerkenswerte Anziehungskraft auf mich ausübte. Der Mann, der 1906 in eine gut situierte Professorenfamilie hineingeboren wurde, hat später unter dem nationalsozialistischen Régime nicht nur über die „Nachfolge“ geschrieben, sondern sie selbst unter schwierigsten Bedingungen durchbuchstabiert.
Als Adolf Hitler 1933 die Macht ergriff, erkannte er auf Anhieb die Bedrohung und reihte sich in den kirchlichen Widerstand ein. Er bezog Stellung zur „Judenfrage“ und übernahm eine leitende Funktion bei der Predigerausbildung innerhalb der Bekennenden Kirche. Im April 1943 wurde er wegen seiner Einlassungen in die Widerstandsbewegung verhaftet und in das Wehrmachtsgefängnis Berlin-Tegel gesteckt. Am 9. April 1945, vor genau 73 Jahren, also einen Monat vor der Kapitulation der Wehrmacht, ist er schließlich zusammen mit anderen Widerstandskämpfern im KZ Flossenbürg am Galgen hingerichtet worden.
Das glaubwürdige Leben Bonhoeffers hat mich zu seinen Schriften geführt. Ich begann sie zu lieben und greife noch heute immer wieder gern auf sie zurück. Zuerst las ich die Briefe und Aufzeichnungen, die er im Gefängnis schrieb und die von seinem Freund Eberhard Bethge nach dem Krieg veröffentlicht wurden. Widerstand und Ergebung zeigt uns einen sensiblen Mann, der über tiefgehende theologische Fragen nachsann und unheilvolle Weltereignisse nüchtern reflektierte.
Bewegend finde ich, wie sehr Bonhoeffer seine Familie schätzte. „Damals habe ich nicht gewußt, was in der kalten Luft der Gefangenschaft die Wärme, die von der Liebe einer Frau und einer Familie ausgeht, bedeutet und wie gerade in solchen Zeiten der Trennung das Gefühl der unbedingten Zusammengehörigkeit noch wächst“, schrieb er am 24. Juni 1943.
Die Briefe wiesen mich zur Ethik, die zwischen 1940 und 1943 entstand. Sie ist zwar Fragment geblieben, nimmt allerdings den Leser in das leidenschaftliche Ringen um ein verantwortliches Leben mit hinein. Bonhoeffers Lehre über das Letzte und Vorletzte bestärkte mich darin, dass das christliche Menschenbild keinen Pessimismus kultiviert, sondern einen realistischen Blick für das Leben im Hier und Jetzt freilegt und begründet. In Bonhoeffers Worten: „Die letzte verantwortliche Frage ist nicht, wie ich mich heroisch aus der Affäre ziehe, sondern wie eine kommende Generation weiterleben soll“.²
Ein besonders enges Verhältnis entwickelte ich zu den Werken Nachfolge und Gemeinsames Leben. Die Ernsthaftigkeit und die bestechend klare Sprache, mit der Bonhoeffer formuliert, binden meine Aufmerksamkeit immer wieder bis auf’s Äußerte.
Dass die 17 Bände zählende historisch-kritische Ausgabe der Werke Dietrich Bonhoeffers nun unter Logos verfügbar gemacht werden soll, erfüllt mich mit großer Freude. Dietrich Bonhoeffers Schriften haben diese Entscheidung verdient. Ich hoffe, dass sie auf diesem Wege noch viele Leser herausfordern.
¹ P. Zimmerling u. R. Mayer, Dietrich Bonhoeffer heute, 1992, S. 7.
² DBW, Bd. 8, 1998, S. 25.