Meine Kinder schauen mich verwundert an, wenn ich ihnen erzähle, dass Deutschland einmal ein geteiltes Land war, mit einer Mauer, die Berlin in zwei Teile geteilt hat. Wenn meine Kinder heute nach Berlin fahren, merken sie davon nichts mehr. Aber manche Probleme zwischen Ost und West versteht man besser, wenn man sich mit der geschichtlichen Tatsache beschäftigt, dass es West- und Ostdeutschland gab.
Auch in der Bibel ist man verwirrt, wenn man beim Lesen vielen verschiedenen Königen begegnet. Wenn man aber verstanden hat: Auch Israel war eine Zeit lang ähnlich wie Deutschland zweigeteilt, kann man die Berichte besser einordnen. Es sind diese Hintergründe, die helfen, die Bedeutung von Bibeltexten tiefer zu erfassen. Gerade wenn wir uns mit den Hintergründen beschäftigen, erleben wir beim Bibellesen den einen oder anderen „Aha-Effekt“.
Deshalb ist es bei der Vorbereitung für eine Predigt sehr wichtig, sich nicht nur mit dem Text selbst zu beschäftigen, sondern auch nach den Hintergründen zu fragen. Relevant für die Auslegung sind vor allem die politischen und kulturellen Hintergründe sowie das intensive Fragen nach den Umständen, in denen dieser Text geschrieben worden ist. Auch die Frage nach geografischen Gegebenheiten kann uns sehr nahe an die geschilderte Situation heranbringen, auch wenn wir Tausende Jahre später leben. In diesem Blog möchte ich mich zunächst auf die politische Situation und die kulturellen Hintergründe konzentrieren.
Inhalt
Die politische Situation
Wer das Alte Testament liest, erlebt Szenarien der Bedrohung mit. Hiskia wird von Salmanassar von Assur bedroht (2Kö 18,9). Belsazar wird von den Persern überfallen, als David aus Juda offensichtlich im Staatsdienst der Babylonier steht. “Wie kommt der dorthin?”, ist eine Frage, die sich unweigerlich stellt. Nehemia bemüht sich, die Mauer Jerusalems aufzubauen und muss dabei manchen Widerstand überwinden. Offensichtlich sind die Juden zu dieser Zeit nicht mehr die Herren im Land. Im Neuen Testament sind die Ausführungen um die Geburt Jesu auch bemerkenswert. Anscheinend muss der Befehl eines römischen Kaisers Augustus in Israel befolgt werden. Das lässt vermuten, dass Israel nicht mehr souverän war.
Auch wenn manche dieser politischen Umstände uns geläufig sind, leuchtet schnell ein, dass die Kenntnis der politischen Machtverhältnisse sehr wichtig sein kann, um die Situation gut zu verstehen und deshalb auch entsprechende heutige Vergleiche bringen zu können. Wenn der assyrische König zum Beispiel vor den Toren Jerusalems steht, sieht sich Hiskia nicht mit einem gleichwertigen Gegner, sondern mit einer Weltmacht konfrontiert. Damit wird Gottes Eingreifen noch größer, weil Gott den Gegner Assyrien bezwingt, dem sich bis dahin niemand erfolgreich in den Weg stellen konnte.
Kulturelle Hintergründe
Wenn wir kulturellen Hintergründe verstanden haben, sehen wir manche Berichte in einem anderen Licht. Gott schließt mit Abraham einen Bund, indem Abraham Tiere zerteilt, die jeweils zusammengehörenden Teile gegenüberlegt und zwischen ihnen eine kleine Gasse freilässt (1Mo 15,19). Dann fällt Abraham in den Schlaf und Gott geht sichtbar in der Feuersäule zwischen den Tierhälften hindurch. Warum schließt Gott seinen Bund mit Abraham auf eine so seltsame Art und Weise? Der entscheidende Hinweis kommt aus Jer 34,18f. Dort lesen wir, dass die Obersten von Juda auch zwischen Tierhälften hindurch gegangen sind und Gott dabei etwas versprochen haben. Sie haben es nicht gehalten und Gott droht an, sie genauso wie die Tiere zu behandeln – auch sie sollen entzweigeschnitten werden. Damit werden der kulturelle Hintergrund dieser Praxis und die Bedeutung solch eines Bundes deutlich. Gott zeigt Abraham gewissermaßen: „Wenn ich dir meinen Bund nicht halte, Abraham, dann kannst du mich so wie diese Tiere auseinanderschneiden”. Abraham selbst geht übrigens nicht durch die Tierhälften hindurch. Er hätte Gott den Bund nicht halten können.
Vielleicht wundert es uns, dass die Bibel berichtet: Lot saß im Tor von Sodom (1Mo 19,1). Normalerweise sitzt man ja auf einer Bank im Park – aber doch nicht unter einem Stadttor. In der damaligen Zeit wurden hier aber die für die Stadt wesentlichen Entschlüsse gefasst. Auch der rechtliche Teil der Familiengeschichte von Boas und Ruth wird vor Zeugen im Tor der Stadt verhandelt (Ruth 4,1). Wenn also Lot im Tor von Sodom saß, wird deutlich, dass er am politischen Geschehen der Stadt teilnahm und demzufolge eine gewisse Anerkennung hatte. Da die Menschen in Sodom aber sehr gottlos lebten, liegt die Vermutung nahe, dass Lot seinen Glauben nicht aktiv bekannt hat. Damit hätte er sich sicher zum Außenseiter gemacht.
In der bekannten Geschichte vom verlorenen Sohn bekommt der Heimgekehrte vom Vater gute Kleidung, einen Ring und Sandalen (Lk 15,22). Wer die Kultur kennt, versteht, dass jedes dieser aufgezählten Dinge deutlich macht, dass der Vater sein Kind wieder völlig annimmt. Der Ring (vielleicht ein Siegelring) war ein Symbol dafür, dass der Sohn wieder in der Autorität des Vaters handeln darf. Sandalen wurden normalerweise nicht von Sklaven getragen, sondern von den führenden Familien und deren Kindern. Diese Handlungen haben also eine klare Botschaft, die der versteht, der in der Kultur lebt oder sich mit den Hintergründen beschäftigt hat.
Es fällt in Lk 22,17 auf, dass Jesus seinen Jüngern einen Kelch gibt, bevor er ihnen beim Abendmahl das Brot gibt. Dann wird anschließend wieder von dem Kelch nach dem Mahl geredet. Beim genauen Lesen des Textes fällt auf, dass es sich hier offensichtlich um zwei verschiedene Kelche handelt. Bei der Beschäftigung mit dem kulturellen Hintergrund erfährt man, dass die Juden zur Zeit Jesu das Passahmahl mit vier verschiedenen Kelchen feierten. Mit diesem Wissen im Hinterkopf leuchtet es auch ein, dass Lukas betont, Jesus gab ihnen den Kelch nach dem Mahl. Damit kann man sicher sagen, dass Jesus den Kelch der „Erlösung“ nimmt und ihm eine andere Bedeutung gibt. Denn dieser Kelch wurde direkt nach dem Passahmahl gereicht. Noch später wird Jesus seinen Jüngern gemäß der Tradition den Kelch der „Annahme“ geben. Davon lesen wir nichts in den Evangelien. Aber von zwei Evangelisten wird erwähnt, dass Jesus mit seinen Jüngern hinaus an den Ölberg ging, als sie das Loblied gesungen hatten. Das war der übliche Abschluss des Passah – man sang gemeinsam die Psalmen 113–118 als Loblied.
Das sind nur einige Beispiele, die zeigen sollen, wie wichtig es ist, die Kultur zu kennen, auf die die Bibel immer wieder Bezug nimmt.
Recherche des politischen und kulturellen Hintergrundes mit Logos
Um die politischen und kulturellen Hintergründe zu verstehen, sind natürlich gute Kommentare eine große Hilfe. Aber nicht jeder Kommentar geht darauf ein und bei manchen Kommentaren sind die politischen und kulturellen Informationen in einen langen Fließtext eingebunden, den man mehr oder weniger lesen muss. Da man oft nur begrenzte Zeit hat, wünscht sich mancher, schneller an konkrete Informationen zu kommen, um mehr über bestimmte Hintergründe zu erfahren.
Logos biete eine gute Möglichkeit, sich schnell einen Überblick über politische und kulturelle Hintergründe zu verschaffen. Ein sehr gutes Werkzeug hierfür ist der Assistent “Textauslegung”. Hier braucht man nur unter der entsprechenden Überschrift z.B. “kultureller Kontext” sich die verschiedenen Schlagworte anzuschauen, um die Stellen im Text zu erkennen, bei denen der kulturelle Kontext sehr wichtig ist. Außerdem bekommt man mit der Hilfe des Assistenten “Textauslegung” und denen dort hinterlegten Links schon viele Antworten zum kulturellen Kontext. Hier spart man viel Zeit und erhält doch fundierte Informationen.
Wer noch weiter graben möchte, kann bei Logos (je nach Version) verschiedene Lexika einsehen. Zum Beispiel das „Lexikon zur Bibel” oder das “Calwer Bibellexikon”. Auch englische Lexikas werden angeboten. Mit Hilfe dieser Ressourcen können zu jedem Bibelvers schnell weitere interessante Hintergrundinformationen angezeigt werden, um den Text dadurch besser zu verstehen.
Dieses erworbene Wissen hilft, den Text auszulegen und für den Alltag des Hörers anzuwenden. Nur muss der Ausleger beim Lesen des Textes aktiv nach politischen und kulturellen Hintergründen fragen, um diese nicht zu übersehen und die entsprechenden Hilfsmittel bei Logos dann auch nutzen.