Endlich: Das dreibändige Theologische Wörterbuch zu den Qumrantexten (ThWQ) ist nun vollständig und in digitaler Form für Logos erhältlich. Damit ist ein einzigartiges und für die biblische Theologie hoch relevantes Werk in die Bibliothek von Logos integriert worden. Spoiler Alarm: Obwohl das ThWQ durchaus seinen Preis hat, ist es sein Geld auf jeden Fall wert!
Inhalt
Was ist das ThWQ eigentlich?
Das ThWQ ist ein theologisches Wörterbuch, das alle in den Höhlen vom Toten Meer gefundenen Texte im Blick auf die darin enthaltenen Wörter untersucht.
Der Name ist dabei Programm. Das ThWQ ist einerseits ein Wörterbuch, weil es den Fokus auf die einzelnen Wörter der Qumrantexte und ihre Semantik legt. Andererseits ist das ThWQ dezidiert ein theologisches Wörterbuch, weil es weniger an der rein lexikalischen Übersetzung oder der hebräischen (bzw. aramäischen) Sprachgeschichte interessiert ist, als vielmehr an der theologischen Botschaft und Bedeutung hinter den Wörtern.
Das ThWQ ist damit das Begleitwerk zum wohl wichtigsten theologischen Standardwörterbuch für das Alte Testament, dem Theologischen Wörterbuch zum Alten Testament (ThWAT) – das ebenfalls als digitale Logos-Ressource erhältlich ist.
Welches Ziel verfolgt das ThWQ?
Nachdem die Texte von Qumran in den letzten Jahrzehnten in mühevoller Kleinstarbeit rekonstruiert, entziffert und editiert wurden, zielt das ThWQ nun darauf ab, die inhaltliche Erforschung der Texte voranzutreiben und ihre theologische Botschaft zu erheben. Konkret will das ThWQ (siehe Einleitung, V):
- das Vokabular der Qumrantexte, seine semantischen Valenzen und Verschiebungen weitgehend vollständig aufnehmen;
- die Fortentwicklung der hebräischen und aramäischen Sprache analysieren;
- das Nachleben und die Rezeption alttestamentlicher Vorgaben im damaligen Judentum darstellen;
- den so aufbereiteten Wurzelboden für das Urchristentum und das rabbinische Judentum deutlich machen;
- eine präzisere Profilierung der verschiedenen theologischen Strömungen des damaligen Judentums ermöglichen und
- eine „Theologie von Qumran“ im Spannungsfeld von Hebräischer Bibel, Neuem Testament und rabbinischem Judentum erheben.
Das übergeordnete Ziel ist es also, die Theologie- und Literaturgeschichte der sogenannten „zwischentestamentlichen Zeit” am Beispiel der Qumrangemeinschaft darzustellen und mittels Verweisen auf Primärquellen zugänglich zu machen.
Warum ist das ThWQ für Exegese und Theologie hoch relevant?
Das ThWQ ist für die biblische Exegese und auch die Judaistik von enormer Bedeutung – primär aus den folgenden vier Gründen.
- Mit dem ThWQ liegt erstmals ein theologisches Wörterbuch vor, das die Gesamtheit der Qumrantexte hinsichtlich theologisch wichtiger Wörter untersucht. Ein vergleichbares Werk gibt es bisher nicht.
- Viele alt- und neutestamentliche Wörterbücher beziehen sich auf die Handschriften vom Toten Meer eher marginal und meist nur deshalb, um die Bedeutung eines Wortes im alttestamentlichen bzw. neutestamentlichen Kontext zu erhellen. Das ThWQ fokussiert sich hingegen ganz auf die zwischentestamentliche Zeit und den Kontext der Qumrangemeinschaft selbst und malt gerade dadurch die genuinen Charakteristika frühjüdischer Theologie vor Augen.
- Das ThWQ vermittelt ein umfassendes und vor allem durch Primärquellen dokumentiertes Bild des antiken Judentums. Damit hilft es, den Kontext und die Theologie besser zu verstehen, in die die neutestamentlichen Texte hineinsprechen.
- Das ThWQ schließt – und das ist der wichtigste Punkt – die „theologische Lücke” zwischen Altem und Neuem Testament. Bestimmte theologische Vorstellungsfelder (wie z.B. Auferstehung; Messiaserwartung; Apokalyptik; Ekklesiologie, etc.) sind in der Hebräischen Bibel nur in Frühstadien zu erkennen, dafür aber um so prominenter im Neuen Testament vorhanden. Durch den einzigartigen Fokus auf die zwischentestamentliche Zeit selbst, macht das ThWQ deutlich, welche theologiegeschichtlichen Entwicklungen diese Epoche zwischen dem Abschluss des Alten und dem Beginn des Neuen Testaments geprägt haben. Das ThWQ ist folglich eine Art theologischer Brücke zwischen Erstem und Zweitem Testament.
Insgesamt ist das ThWQ also vor allem deshalb so relevant, weil es der präziseren Erfassung von Theologie und Literatur des Frühjudentums und damit des Kontextes der neutestamentlichen Urgemeinde dient. Es zeigt die Verbindunglinien zwischen der ausgehenden Theologie des Alten und der Botschaft des Neuen Testaments
Wie ist das ThWQ aufgebaut?
Das ThWQ beinhaltet neben einer knappen Einleitung ca. 1000 Artikel zu hebräischen bzw. aramäischen Lemmata. Dabei berücksichtigt das Wörterbuch sämtliche Qumrantexte (darunter über 200 Bibelhandschriften) und enthält ein weitgehend vollständiges Vokabular in Bezug auf die Schriftrollen vom Toten Meer.
Die Struktur der einzelnen Artikel ist nicht einheitlich, lehnt sich aber im Allgemeinen an das Muster des Theologischen Wörterbuchs zum Alten Testament (ThWAT) an:
- Abschnitt 1: Semantik und Verteilung (sowohl in der Hebräischen Bibel, als auch in den Qumrantexten)
- Abschnitt 2: Bedeutung und Vorkommen in nicht-theologischen Kontexten
- Abschnitt 3: Bedeutung und Vorkommen in theologischen Kontexten
Jeder Wörterbuchartikel enthält Informationen zu folgenden Bereichen: Wortvorkommen und ‑statistiken; Synonyme und Antonyme; diachrone Darstellung des Wortgebrauchs; Vergleich mit dem alttestamentlichen, neutestamentlichen und rabbinischen Sprachgebrauch; Erörterung profaner, religiöser und theologischer Bedeutungsbereiche, Literaturhinweise.
Welche Vorteile hat die Logos-Version des ThWQ ?
Die digitale Logosversion des ThWQ hat eine ganze Reihe an Vorteilen gegenüber einer gedruckten Ausgabe.
Intuitives Wahrnehmen des ThWQ
Gerade bei einem Wörterbuch, das von Natur aus nicht zu jedem hebräischen /aramäischen Wort des Alten Testaments einen Eintrag enthält, hilft die digitale Ressource, um das ThWQ überhaupt wahrzunehmen. Anstatt auf Verdacht hin in den drei Bänden des gedruckten Wörterbuchs zu suchen, reicht ein kurzer Blick in die Infobox.
Atemberaubende Geschwindigkeit und Markierungen
Ein weiterer Vorteil der digitalen Ausgabe liegt nicht nur in der atemberaubenden Geschwindigkeit, mit der man einen Eintrag im ThWQ nachschlagen kann, sondern vor allem auch in der automatischen Markierung von aktiven Bibelstellen oder Lemmata. Sind beim visuellen Filter „Aktive Bibelstellen hervorheben” und „Aktive Lemmata markieren” aktiviert, so wird beides vollkommen automatisch angezeigt. Eine enorme Erleichterung für die Praxis.
Umfassende Suchfunktion innerhalb des ThWQ
Was früher ein Buchindex nur teilweise und unter hohem Arbeitsaufwand leisten konnte, ist in der elektronischen Version ein Kinderspiel. Möchte man z.B. alle Stellen im ThWQ finden, die etwas zur Messiasvorstellung in den Qumrantexten aussagen, so hilft die einfach Suche nach „messia*” („messia*” deshalb, um nicht nur das Wort „Messias”, sondern auch Wörter wie „messianisch” und „messianisches” usw. zu finden). Als Ergebnis bekommt man 445 markierte Belegstellen, die nun der Reihe nach erforscht werden können. Schneller und unkomplizierter geht es nicht.
Einfacher und direkter Zugang zu Primärquellen
Der größte Vorteil einer digitalen Bibliothek ist die Möglichkeit der Verlinkung – und die nutzt das ThWQ intensiv. Jeder Qumrantext, auf den sich das ThWQ bezieht, ist durch einen Klick erreichbar – vorausgesetzt man hat die entsprechenden Ressourcen in seiner Bibliothek. Mit dieser Möglichkeit können Bedeutung und Semantik der einzelnen Worte auf einfache Art und Weise an den Primärquellen selbst überprüft und validiert werden.
Übrigens: Für die biblischen Qumrantexte empfehlen sich die Qumran Biblical Dead Sea Scrolls sowie The Dead Sea Scrolls Bible. Für die nicht-biblischen Texte sind hingegen The Dead Sea Scrolls: A New Translation und The Dead Sea Scrolls Study Edition die erste Wahl.
Wie hilft das ThWQ zum Verständnis der Bibel? – Zwei Beispiele
Zwei kurze Beispiele zeigen die Relevanz des ThWQ für Exegese und Theologie.
Beispiel 1 – Bund
Eine der großen roten Linien der Bibel ist das Rede vom „Bund”. Schlägt man im ThWQ das Stichwort „neuer Bund” (ברית חדשה) nach, so liefert das Wörterbuch eine ganze Reihe an nützlichen Informationen. Unter anderem wird deutlich, dass der neue Bund „zu den bekanntesten Aspekten der qumranischen Bundestheologie gehört”, dass für die Qumrangemeinde „der Bund der Gemeinschaft und Israel in der Endzeit identisch werden” und sie sich folglich als gegenwärtige Realität des neuen Bundes verstehen.
Gleichzeitig ist in den Schriftrollen vom Toten Meer erkennbar, dass der neue Bund – im Gegensatz zu den universalen Verheißungen des Alten Testaments – auf eine kleine Gruppe von Auserwählten beschränkt ist. „Die Mitglieder verstehen sich als ein auserwähltes Volk, ausgesondert aus Israel: Erwählte aus Erwählten.”
All das macht deutlich, dass das Neue Testament im Blick auf die gegenwärtige Realität des neuen Bundes in starker Kontinuität zur frühjüdischen Theologie steht. Andererseits zeigt sich aber auch, dass sich die neutestamentlichen Autoren hinsichtlich der Reichweite des neuen Bundes ganz bewusst an der Universalität des Alten Testaments und nicht an der Abgrenzungsmentalität der Qumrangemeinschaft orientieren.
Beispiel 2 – Messias
Ähnliche Augenöffner sind im Artikel über das Wort „Messias” (מָשִׁיחַ) zu finden. Das ThWQ diskutiert ausführlich die Frage, ob die Qumrantexte zwei verschiedene Messiasse erwarten: einen priesterlichen Messias aus Aaron und einen Messias Israels. Die meisten Texte scheinen das nahezulegen und werfen dadurch ein neues Licht auf die Messiaserwartung im antiken Judentum. Darüber hinaus macht der Artikel zum Beispiel auch deutlich, dass sich in einem bemerkenswerten Abschnitt von 1QSa auf die Zeit bezogen wird, „wenn Gott den Messias bei ihnen zeugt“ (1QSa 2,11f.).
Obwohl die Rekonstruktion schwierig ist, gibt diese Qumranhandschrift eine klare Vorlage für die damals schon vorhandene Idee, dass Gott den Messias zeugt. Die Verbindung zur Botschaft der Evangelien ist offensichtlich.
Fazit
Das ThWQ ist ein hervorragendes Werkzeug für alle, die die „theologische Brücke” zwischen Erstem und Zweiten Testament überqueren wollen. Es hilft ungemein, die großen zusammenhängenden Linien der Heiligen Schrift und den Kontext der neutestamentlichen Botschaft besser zu verstehen. Das Wörterbuch ist wissenschaftlich solide, einfach zu nutzen und theologisch relevant. Die digitale Ausgabe des ThWQ bietet noch dazu einen einfachen und unkomplizierten Zugang zu den Primärquellen, also den Qumranhandschriften selbst. Fazit: Das ThWQ ist absolut empfehlenswert!