Offener Theismus: Ein Überblick

Von Manuel Becker

Allwissenheit, Offener Theismus, Theologie
Vor 2 Tagen

War­um lässt Gott Leid zu? Ist alles, was geschieht, Got­tes Wil­le? Ist Gott wirk­lich all­mäch­tig und all­wis­send? All die­se Fra­gen beant­wor­tet der Offe­ne The­is­mus auf eine logi­sche und ein­zig­ar­ti­ge Wei­se. Die­ser Arti­kel ver­hilft Ihnen in 15 Min. einen Über­blick zu gewinnen. 

Die klassische Sicht

Die klas­si­sche Sicht auf Gott, wie sie gewöhn­lich in der christ­li­chen Theo­lo­gie ver­tre­ten wird, betont Got­tes All­wis­sen­heit, All­macht und Unver­än­der­lich­keit. Gott kennt nicht nur alles, was gegen­wär­tig geschieht, son­dern auch alles, was in der Ver­gan­gen­heit war und in der Zukunft sein wird. Die­se Sicht geht davon aus, dass Got­tes Wis­sen voll­kom­men ist, ein­schließ­lich der zukünf­ti­gen Ent­schei­dun­gen und Hand­lun­gen frei­er Geschöpfe.

In man­chen christ­li­chen Tra­di­tio­nen ist die­se Sicht eng mit der Vor­stel­lung ver­knüpft, dass Gott alles vor­her­be­stimmt hat. Die gesam­te Welt­ge­schich­te – ein­schließ­lich jedes ein­zel­nen Ereig­nis­ses und jeder mensch­li­chen Ent­schei­dung – wird als Aus­druck von Got­tes sou­ve­rä­nem Wil­len gese­hen. Nach die­ser Auf­fas­sung ver­läuft alles nach Got­tes Plan, den er sou­ve­rän koor­di­niert und regiert, um letzt­lich sei­ne Zie­le zu erreichen.

Das Problem der klassischen Sicht

Obwohl die klas­si­sche Sicht auf Gott weit­ver­brei­tet ist, gibt es ver­schie­de­ne Her­aus­for­de­run­gen und Pro­ble­me, die mit die­ser Per­spek­ti­ve ein­her­ge­hen. Eines der zen­tra­len Pro­ble­me betrifft die Fra­ge nach der mensch­li­chen Frei­heit und der Ver­ant­wor­tung. Wenn Gott alles vor­her­be­stimmt hat und die gesam­te Geschich­te genau nach sei­nem Wil­len ver­läuft, stellt sich die Fra­ge, ob der Mensch tat­säch­lich frei han­deln kann. Wenn jede Ent­schei­dung letzt­lich Teil von Got­tes fest­ge­leg­tem Plan ist, wie kön­nen wir dann wirk­lich für unse­re Ent­schei­dun­gen ver­ant­wort­lich sein?

Ein wei­te­res Pro­blem ist die Fra­ge nach dem Bösen und dem Leid in der Welt. Wenn Gott alles sou­ve­rän kon­trol­liert, muss er auch für all das Leid und die Unge­rech­tig­keit in der Welt ver­ant­wort­lich sein. Dies wirft schwie­ri­ge Fra­gen über Got­tes Güte und Gerech­tig­keit auf. Wie kann ein lie­ben­der und gerech­ter Gott Leid und Böses nicht nur zulas­sen, son­dern auch in sei­nen Plan inte­grie­ren? Für vie­le bleibt die­se Span­nung schwer zu lösen.

Hin­zu kommt die Her­aus­for­de­rung der Bezie­hung zwi­schen Gott und den Men­schen. Wenn Gott alles bereits vor­her­be­stimmt hat und die Zukunft unver­än­der­lich ist, ent­steht die Fra­ge, wel­chen Ein­fluss unse­re Gebe­te, Ent­schei­dun­gen und Hand­lun­gen wirk­lich auf ihn haben können.

Ein wei­te­rer kri­ti­scher Punkt ist die bibli­sche Dar­stel­lung von Got­tes Han­deln. In vie­len Tex­ten der Bibel sehen wir, wie Gott auf Ereig­nis­se reagiert, sei­ne Mei­nung ändert oder von mensch­li­chem Ver­hal­ten beein­flusst wird (z. B. in 1. Mose 6,6–7; 2. Mose 32,14; Jona 3,10; Amos 7,1–6). Sol­che Pas­sa­gen schei­nen nicht mit der klas­si­schen Vor­stel­lung eines voll­kom­men unver­än­der­li­chen und zeit­lo­sen Got­tes übereinzustimmen.

Zusam­men­ge­fasst: Die klas­si­sche Sicht auf Gott wirft schwie­ri­ge Fra­gen zur mensch­li­chen Frei­heit, zum Pro­blem des Bösen, zur Dyna­mik von Gebet und Bezie­hung sowie zur bibli­schen Dar­stel­lung von Got­tes Wesen und Han­deln auf. Die­se Her­aus­for­de­run­gen wer­den durch den Offe­nen The­is­mus an eini­gen Stel­len bes­ser adres­siert und er bie­tet vie­len Chris­ten über­zeu­gen­de­re Ant­wor­ten als die klas­si­sche Perspektive.

Was ist offener Theismus?

Gottes Wesen ist Liebe

Der Offe­ne The­is­mus ist eine theo­lo­gi­sche Sicht­wei­se, die davon aus­geht, dass Lie­be nicht nur ein Attri­but Got­tes ist, son­dern das, was Gott in sei­nem inners­ten Wesen ist. Alle ande­ren Eigen­schaf­ten Got­tes sind ein Aus­druck sei­ner Lie­be, dies umfasst sei­nen Zorn, sein rich­ten­des Han­deln und sei­ne Gerech­tig­keit. Got­tes Lie­be möch­te sich ver­schen­ken. Des­halb schuf Gott die Welt, um uns ein­zu­la­den und hin­ein­zu­neh­men in die Lie­be, die in der Tri­ni­tät herrscht (Rice 2020:29).

(Mehr zum The­ma „Got­tes Wesen ist Lie­be“ fin­den Sie in mei­nem Arti­kel zu Wil­fried Här­les Dog­ma­tik und zum Cha­rak­ter Got­tes.)

Liebe schenkt Freiheit

Damit ech­te Lie­be mög­lich ist, schenk­te Gott den Men­schen Frei­heit selbst Ent­schei­dun­gen zu tref­fen. Denn Lie­be kann nicht erzwun­gen wer­den; sie muss frei­wil­lig sein. Dies impli­ziert, dass Gott nicht der allei­ni­ge Ver­ur­sa­cher des­sen ist, was in der Welt geschieht. Die Ent­schei­dun­gen und Hand­lun­gen der Men­schen tra­gen eben­so zum Lauf der Geschich­te bei wie Got­tes eige­nes Handeln.

Dies alles bedeu­tet, dass Gott nicht jedes Detail kon­trol­liert, was in der Welt geschieht. Son­dern ganz im Gegen­teil: die Zukunft ist offen und nicht vor­her­be­stimmt. Die Ent­schei­dun­gen, die wir tref­fen, bestim­men, wie die Zukunft aus­se­hen wird. Dadurch, dass sein Wesen Lie­be ist, mani­pu­liert und kon­trol­liert er nicht. Dadurch ist Gott limi­tiert in sei­nem Wir­ken (Rice 2020:29).

Die Allmacht Gottes im Offenen Theismus

Dem­nach wider­spricht der Offe­ne The­is­mus dem tra­di­tio­nel­len Ver­ständ­nis von Got­tes All­macht, wel­ches behaup­tet, dass Gott ein­fach alles tun und machen kann, was er will. Im Offe­nen The­is­mus sind Got­tes Mög­lich­kei­ten zu wir­ken durch sein Wesen der Lie­be limi­tiert. Gott kann sei­nem eige­nen Wesen nicht untreu wer­den (2 Tim 2,13), dem­entspre­chend gibt es Din­ge, die Gott nicht machen kann, weil sie sei­nem Wesen der Lie­be wider­spre­chen. Die Bibel nennt ver­schie­de­ne Bei­spie­le von Din­gen, die Gott nicht tun kann: „Gott kann nicht lügen“ (Titus 1,2), „Gott kann nicht ver­sucht wer­den“ (Jako­bus 1,13), „Gott wird nicht müde“ (Jesa­ja 40,28).

Die Allwissenheit Gottes im Offenen Theismus

Ver­tre­ter des Offe­nen The­is­mus glau­ben, dass Got­tes All­wis­sen­heit bedeu­tet, dass er alles weiß, was es aktu­ell zu wis­sen gibt. Gott weiß alles, was in der Ver­gan­gen­heit war und in der Gegen­wart ist. Aber auf­grund der ech­ten Ent­schei­dungs­frei­heit des Men­schen sind die Din­ge, die in der Zukunft gesche­hen, noch nicht fest­ge­legt und des­halb ist die Zukunft offen. Ein oft ver­wen­de­tes Bild ist, dass Gott die Zukunft als ein Netz­werk von Mög­lich­kei­ten kennt, aber wel­che Rou­te gewählt wird, ist nicht wiss­bar. Gott kann zwar auf­grund sei­ner Erfah­rung mit Men­schen und dem Wis­sen über alle Umstän­de sehr gut abschät­zen, wie sich Men­schen ent­schei­den wer­den, aber 100 % sicher kann er die Zukunft nicht vor­aus­sa­gen (Meis­ter & Dew 2017:60).

Der in Beziehung lebende Gott

Der Offe­ne The­is­mus betont Got­tes Bezie­hung zur Schöp­fung. Er will mit uns Men­schen Hand in Hand arbei­ten, um sei­nen Wil­len zu ver­wirk­li­chen und Leid zu bekämp­fen. Gott ist ein Part­ner inmit­ten allen Leids, der mit­füh­lend und trös­tend wirkt. Man­che Ver­tre­ter des Offe­nen The­is­mus glau­ben sogar, dass auch Gott sich ent­wi­ckelt und Neu­es lernt und nicht unver­än­der­lich ist (Rice 2020:30).

Fazit: Die Kernideen des Offenen Theismus auf den Punkt gebracht

Der Offe­ne The­is­mus betont, dass Got­tes Wesen voll­kom­me­ne Lie­be ist, die ohne Zwang wirkt. Gott kann sei­nem Wesen nicht untreu wer­den. Dies führt dazu, dass wir Men­schen ech­te Ent­schei­dungs­frei­heit haben, aber auch dazu, dass Gott in sei­ner All­macht und All­wis­sen­heit zu einem gewis­sen Maß limi­tiert ist.

Ein notwendiger Disclaimer: Prozesstheologie, Offener Theismus und relationale Theologie

Die The­ma­tik des Offe­nen The­is­mus ist kom­ple­xer, als sie auf den ers­ten Blick scheint. Wäh­rend ich in die­sem Arti­kel ver­su­che, die Kern­ge­dan­ken des Offe­nen The­is­mus ver­ständ­lich und zugäng­lich dar­zu­stel­len, möch­te ich dar­auf hin­wei­sen, dass ich dabei ver­ein­fa­che. Jede Ver­ein­fa­chung birgt das Risi­ko, wich­ti­ge Nuan­cen zu über­se­hen, und es mag Leser geben, die mit bestimm­ten Aspek­ten mei­ner Beschrei­bung nicht ein­ver­stan­den sind.

Die Wahr­heit ist, dass der offe­ne The­is­mus Teil eines grö­ße­ren theo­lo­gi­schen Spek­trums ist, das meh­re­re ver­wand­te Ansät­ze umfasst. Zwei Begrif­fe, die in Ver­bin­dung mit dem offe­nen The­is­mus oft gebraucht wer­den, sind rela­tio­na­le Theo­lo­gie und Pro­zess­theo­lo­gie. Der Begriff „rela­tio­na­le Theo­lo­gie“ wur­de stark von Tho­mas Jay Oord geprägt und dient als Über­be­griff, unter dem die Pro­zess­theo­lo­gie und der Offe­ne The­is­mus zusam­men­ge­fasst wer­den kön­nen (Oord 2021: Appendix).

Unterschiede: Offener Theismus und Prozesstheologie

Hier ist eine Tabel­le, die die Unter­schie­de ver­ein­facht, aber über­sicht­lich darstellt:

Merk­mal Offe­ner Theismus Pro­zess­theo­lo­gie
Got­tes Wesen Gott ist Lie­be, sou­ve­rän und unver­än­der­lich in sei­nem Wesen der Liebe. Gott ist Lie­be und ent­wi­ckelt sich dyna­misch weiter.
Zukunft Offen, aber Gott kennt alle Mög­lich­kei­ten und reagiert sou­ve­rän dar­auf. Er kennt den Aus­gang der Welt­ge­schich­te, auch wenn die genau­en Details des Weges dort­hin nicht fest­ge­legt sind. Offen, Gott kennt kei­ne abso­lu­te Zukunft und ist Teil eines fort­lau­fen­den Pro­zes­ses. Er weiß nicht, wie genau die Welt­ge­schich­te aus­ge­hen wird.
Got­tes Macht Gott ist all­mäch­tig, aber er ent­schei­det sich, sei­ne Macht ein­zu­gren­zen, um dem Men­schen wah­re Frei­heit geben zu können. Got­tes All­macht bedeu­tet, dass er alles tun kann, was mit sei­nem Wesen der Lie­be ver­ein­bar ist. Das bedeu­tet, dass er man­che Din­ge nicht tun kann. Er arbei­tet eng mit sei­ner Schöp­fung zusammen.
Got­tes Wissen Gott weiß alles, was bis zu die­sem Moment wiss­bar ist, die Zukunft sieht er als unzäh­li­ge poten­zi­el­le Möglichkeiten. Got­tes Wis­sen ist eben­falls im Fluss und ent­wi­ckelt sich, da die Zukunft nicht feststeht.
Bezie­hung zur Schöpfung Gott inter­agiert dyna­misch mit der Schöp­fung, bleibt aber souverän. Gott und die Schöp­fung ste­hen in einem gegen­sei­ti­gen, sym­bio­ti­schen Prozess.
Phi­lo­so­phi­sche Basis Biblisch-theo­lo­gisch geprägt, ver­sucht, sich stark auf die Bibel zu stützen. Phi­lo­so­phisch geprägt.
Ver­ständ­nis von Leid Gott lässt Leid zu, weil er nicht kon­trol­lie­rend ein­greift, son­dern mit uns zusam­men­ar­bei­tet, um es zu überwinden. Gott kann Leid nicht abschaf­fen, weil sein Wesen der Lie­be sei­ne Wirk­mög­lich­kei­ten limi­tiert. Leid ist Teil des Pro­zes­ses, durch den Gott und die Schöp­fung gemein­sam wachsen.
Got­tes Plan Gott hat einen Plan, der fle­xi­bel genug ist, um mensch­li­che Ent­schei­dun­gen einzubeziehen. Es gibt kei­nen fes­ten gött­li­chen Plan; alles ent­wi­ckelt sich pro­zess­haft. Gott wirkt kon­ti­nu­ier­lich, um Gutes her­vor­zu­brin­gen, inner­halb sei­ner Möglichkeiten.

Die Über­gän­ge zwi­schen die­sen Ansät­zen sind flie­ßend, und es ist schwer, kla­re Gren­zen zu zie­hen. Jede Ver­all­ge­mei­ne­rung kann irre­füh­rend sein, da die genau­en Posi­tio­nen von Autor zu Autor unter­schied­lich sind. Ich ermu­ti­ge daher, bei der Lek­tü­re die­ses Arti­kels die­se Kom­ple­xi­tät im Kopf zu behal­ten und sich selbst tie­fer mit den The­men aus­ein­an­der­zu­set­zen, um die Viel­falt der Per­spek­ti­ven bes­ser zu verstehen.

Warum ist der Offene Theismus wichtig? Die Stärken des Offenen Theismus.

Der Offe­ne The­is­mus bie­tet Ant­wor­ten auf eini­ge der drän­gends­ten theo­lo­gi­schen Fra­gen und Pro­ble­me, die Chris­ten seit Jahr­hun­der­ten beschäf­ti­gen. Er bringt eine Per­spek­ti­ve ins Spiel, die Got­tes Lie­be und Gerech­tig­keit in den Mit­tel­punkt stellt und dabei die mensch­li­che Frei­heit ernst nimmt. Hier sind die zen­tra­len Punkte:

Gott ist nie der Verursacher von Bösem:

Nach dem Offe­nen The­is­mus ist Got­tes Wesen rei­ne Lie­be, ohne Dun­kel­heit oder Schat­ten (vgl. Jako­bus 1,17). Gott ver­ur­sacht weder Böses, noch arbei­tet er mit ihm zusam­men. Dadurch wird Gott von jeg­li­cher Mit­schuld am Leid der Welt entlastet.

Die Freiheit des Menschen wird bewahrt:

Der Offe­ne The­is­mus betont, dass der Mensch ech­te Ent­schei­dungs­frei­heit hat – nicht eine schein­ba­re Frei­heit inner­halb von Got­tes fest­ge­leg­tem Plan. Die­se Frei­heit bedeu­tet zugleich ech­te Ver­ant­wor­tung, wodurch der Mensch Wür­de und Bedeu­tung erhält, statt ledig­lich eine Mario­net­te gött­li­cher Vor­her­be­stim­mung zu sein.

Eine nachvollziehbare Antwort auf das Problem des Leids:

In der klas­si­schen Sicht könn­te Gott das Böse sou­ve­rän stop­pen, ent­schei­det sich aber oft dage­gen – was ihn zumin­dest indi­rekt mit­schul­dig erschei­nen lässt. Der Offe­ne The­is­mus argu­men­tiert hin­ge­gen, dass Gott auf­grund sei­nes Wesens der nicht-kon­trol­lie­ren­den Lie­be das Böse in die­ser Welt nicht ohne die Mit­wir­kung der Men­schen über­win­den kann. Er arbei­tet mit uns zusam­men, um Leid und Unrecht zu bekämp­fen, statt es eigen­hän­dig zu lösen.

Gott ist dynamisch und reagiert:

Der Offe­ne The­is­mus har­mo­niert mit den zahl­rei­chen Bibel­stel­len, in denen Gott sei­ne Mei­nung ändert (z. B. 2. Mose 32,14; Jona 3,10). Er zeigt, dass Gott aktiv auf die Ent­schei­dun­gen der Men­schen ein­geht und eine ech­te Bezie­hung mit ihnen führt.

Eine Beziehung der Zusammenarbeit:

Got­tes möch­te mit uns zusam­men­zu­ar­bei­ten. Die­se Per­spek­ti­ve gibt den Men­schen nicht nur Ver­ant­wor­tung, son­dern auch einen tie­fen Sinn: Wir sind ein­ge­la­den, gemein­sam mit Gott an der Über­win­dung des Bösen und der Hei­lung der Welt zu arbeiten.

Ein liebevolles Gottesbild:

Der offe­ne The­is­mus stellt ein Got­tes­bild dar, das mit den tiefs­ten mensch­li­chen Sehn­süch­ten nach einem gerech­ten und lie­ben­den Gott über­ein­stimmt. Es zeigt Gott als einen, der nie­mals Böses will, son­dern stets das Bes­te für sei­ne Geschöp­fe sucht.

Zusam­men­ge­fasst bie­tet der Offe­ne The­is­mus eine theo­lo­gisch durch­dach­te und biblisch fun­dier­te Sicht­wei­se, die Got­tes Wesen, die Frei­heit des Men­schen und die Rea­li­tät des Leids mit­ein­an­der in Ein­klang bringt.

Was ist schwierig? Die drei häufigsten Kritikpunkte am Offenen Theismus.

Wie jede theo­lo­gi­sche Per­spek­ti­ve steht auch der Offe­ne The­is­mus in der Kri­tik. Im Fol­gen­den sind eini­ge der häu­figs­ten Ein­wän­de dar­ge­stellt, zusam­men mit mög­li­chen Ant­wor­ten, die Ver­tre­ter des Offe­nen The­is­mus dar­auf geben:

1. „Der Offene Theismus predigt einen schwachen Gott, der nicht fähig ist, zu helfen und zu tun, was er will.“

Ant­wort: Ver­tre­ter des offe­nen The­is­mus räu­men ein, dass Gott in sei­ner Mög­lich­keit zu hel­fen durch sein Wesen der nicht-kon­trol­lie­ren­den Lie­be ein­ge­grenzt ist. Doch gera­de das macht ihn stark. Ein Gott, der mit Gewalt und Kon­trol­le regiert, ist nicht bewun­derns­wert – das kann jeder Dik­ta­tor. Kraft, die auf Gewalt und Kon­trol­le basiert, ist schwach und basiert auf den Wer­ten der Welt.

Die wah­re Stär­ke Got­tes liegt dar­in, dass er durch Lie­be regiert, nicht durch Zwang. Lie­be ist kei­ne Schwä­che, son­dern die stärks­te Macht. Auch wenn in die­ser Welt viel Leid geschieht und nicht alles gerecht ist, dür­fen wir dar­auf ver­trau­en, dass Gott eines Tages für Gerech­tig­keit sor­gen wird. Er wird im Gericht mit Wahr­heit rich­ten und für Recht für jeden Men­schen sor­gen. Durch die Macht der Lie­be wird er schluss­end­lich sein Ziel erreichen.

2. „Wenn die Zukunft offen ist, was bedeutet das für die Prophetien in der Bibel und wie kann Gott versprechen, dass am Ende alles gut wird?“

Ant­wort: Pro­phe­tie ist viel­schich­ti­ger als oft ange­nom­men. In der Bibel ist sie nur sel­ten eine prä­zi­se Vor­her­sa­ge der Zukunft, son­dern häu­fig eine War­nung, Ein­la­dung oder Bedin­gung (z. B. Jona 3,10). Gott weiß alles, was es bis jetzt zu wis­sen gibt, und kann Mus­ter in mensch­li­chem Ver­hal­ten erken­nen, die ihm erlau­ben, mit gro­ßer Genau­ig­keit abzu­schät­zen, was pas­sie­ren wird. Das bedeu­tet nicht, dass die Zukunft voll­stän­dig vor­her­be­stimmt ist, son­dern dass Gott sou­ve­rän genug ist, um sei­ne Zie­le zu errei­chen, selbst wenn die Zukunft offen ist. Sein Ver­spre­chen, dass am Ende alles gut wird (Offen­ba­rung 21,4), basiert auf der Gewiss­heit, dass er durch die Macht der Lie­be sein Ziel errei­chen wird.

3. „Die Bibel sagt, dass Gott allmächtig, allwissend und unveränderlich ist.“

Ant­wort: Ver­tre­ter des Offe­nen The­is­mus stim­men zu, dass Gott all­mäch­tig, all­wis­send und unver­än­der­lich ist – aber die­se Begrif­fe müs­sen im Licht der gesam­ten Bibel ver­stan­den wer­den. Die Schrift zeigt, dass es Din­ge gibt, die Gott nicht tun kann, weil sie sei­nem Wesen der Lie­be wider­spre­chen (z. B. lügen, Titus 1,2). Got­tes All­macht bedeu­tet, dass er alles tun kann, was mit sei­nem Wesen der Lie­be ver­ein­bar ist. Sei­ne All­wis­sen­heit umfasst alles, was bis zu die­sem Moment zu wis­sen ist. Din­ge, die noch nicht gesche­hen sind, sind kei­ne Rea­li­tät und man kann sie daher (noch) nicht wis­sen. Unver­än­der­lich ist Gott in sei­nem Wesen der Lie­be, doch durch die Inter­ak­ti­on mit der Welt gewinnt er neu­es Wis­sen und reagiert auf neue Entwicklungen.

Fazit

Der Offe­ne The­is­mus bie­tet durch­dach­te und hilf­rei­che Ant­wor­ten auf vie­le schwie­ri­ge theo­lo­gi­sche Fra­gen. Beson­ders im Umgang mit The­men wie mensch­li­cher Frei­heit, dem Pro­blem des Leids und der Dyna­mik der Bezie­hung zwi­schen Gott und Mensch eröff­net er Per­spek­ti­ven, die Got­tes Lie­be und Gerech­tig­keit in den Mit­tel­punkt stel­len. Gleich­zei­tig gibt es berech­tig­te Kri­tik­punk­te, die zei­gen, dass man­che Fra­gen noch nicht abschlie­ßend beant­wor­tet sind.

Mei­ne Emp­feh­lung – ganz im Sin­ne der Jah­res­lo­sung aus 1. Thes­sa­lo­ni­cher 5,21: „Prüft alles, und das Gute behal­tet.“ Es lohnt sich, sich gut über den Offe­nen The­is­mus zu infor­mie­ren, die Gedan­ken sorg­fäl­tig zu prü­fen und das Gute anzu­neh­men und das Schlech­te abzulehnen.

Buchempfehlungen

Da der Offe­ne The­is­mus ein noch rela­tiv jun­ges theo­lo­gi­sches Kon­zept ist, kön­nen wir erwar­ten, dass zukünf­ti­ge Bücher und Dis­kus­sio­nen eini­ge der offe­nen Fra­gen wei­ter ver­tie­fen und klä­ren wer­den. Für den Ein­stieg emp­feh­le ich fol­gen­de Wer­ke, die bereits jetzt eine Grund­la­ge zu dem The­ma bieten:

God of the Pos­si­ble von Gre­go­ry A. Boyd. Eine ver­ständ­li­che Ein­füh­rung, die sich auf die bibli­schen Grund­la­gen des offe­nen The­is­mus konzentriert.

Gott kann auch nicht alles“ von Jason Lie­sen­dahl. Ein soli­der Über­blick, der sich auf die Pro­zess­theo­lo­gie konzentriert.

Gott kann das nicht!“ von Jay Oord. Eine kom­pak­te Ein­füh­rung, die sich auf die Fra­ge nach dem Leid konzentriert.

Gott hat kei­nen Plan für dein Leben“ von Manu­el Schmid. Eine leicht ver­ständ­li­che Ein­füh­rung, die eine gro­ße Hil­fe ist für alle, die ver­zwei­felt ver­su­chen her­aus­zu­fin­den, was Got­tes Wil­le für ihr Leben ist.

Die­se Bücher kön­nen hel­fen, die zen­tra­len Gedan­ken des offe­nen The­is­mus bes­ser zu ver­ste­hen und kri­tisch zu reflek­tie­ren. In die­sem Sin­ne: Las­sen Sie sich auf die span­nen­de Rei­se ein, Got­tes Wesen und Han­deln tie­fer zu erkunden.

Bibliografie

Rice, Richard. 2020. The Future of Open The­ism: From Ante­ce­dents to Oppor­tu­ni­ties. Dow­ners Gro­ve: IVP Academic.

Meis­ter, C. und Dew, J.K., Jr. (Hrsg.) God and the Pro­blem of Evil: Five Views. Dow­ners Gro­ve: IVP Aca­de­mic (Spec­trum Mul­ti­view Books).

Oord, Tho­mas Jay. 2021. Open and rela­tio­nal theo­lo­gy. Sacra­Sa­ge Press.


Keine Logos-News mehr verpassen!

Manuel Becker

Über den Autor

Manuel arbeitet als Gemeindegründer unter einer der 25 größten unerreichten Völkergruppen weltweit. Wenn seine vier Kinder ihn nicht gerade auf Trab halten, liest er gern theologische Bücher oder nutzt Logos, um sich in die Bibel zu vertiefen. Jetzt, wo sein MA-Studium an der Akademie für Weltmission abgeschlossen ist, plant er bald einen PhD in Theologie dranzuhängen. Er ist der Autor des beliebten Kinderbuchs „Der große Sieg“, welches das Evangelium in einer packenden Bildergeschichte für Jung und Alt illustriert.

Kommentar hinterlassen

Your email address will not be published. Required fields are marked

{"email":"Email address invalid","url":"Website address invalid","required":"Required field missing"}

Logos Basic jetzt auf deutsch herunterladen

Kostenfrei - Bibelstudium wie nie zuvor!