Warum lässt Gott Leid zu? Ist alles, was geschieht, Gottes Wille? Ist Gott wirklich allmächtig und allwissend? All diese Fragen beantwortet der Offene Theismus auf eine logische und einzigartige Weise. Dieser Artikel verhilft Ihnen in 15 Min. einen Überblick zu gewinnen.
Inhalt
- Die klassische Sicht
- Das Problem der klassischen Sicht
- Was ist offener Theismus?
- Ein notwendiger Disclaimer: Prozesstheologie, Offener Theismus und relationale Theologie
- Warum ist der Offene Theismus wichtig? Die Stärken des Offenen Theismus.
- Was ist schwierig? Die drei häufigsten Kritikpunkte am Offenen Theismus.
- 1. „Der Offene Theismus predigt einen schwachen Gott, der nicht fähig ist, zu helfen und zu tun, was er will.“
- 2. „Wenn die Zukunft offen ist, was bedeutet das für die Prophetien in der Bibel und wie kann Gott versprechen, dass am Ende alles gut wird?“
- 3. „Die Bibel sagt, dass Gott allmächtig, allwissend und unveränderlich ist.“
- Fazit
- Buchempfehlungen
- Bibliografie
Die klassische Sicht
Die klassische Sicht auf Gott, wie sie gewöhnlich in der christlichen Theologie vertreten wird, betont Gottes Allwissenheit, Allmacht und Unveränderlichkeit. Gott kennt nicht nur alles, was gegenwärtig geschieht, sondern auch alles, was in der Vergangenheit war und in der Zukunft sein wird. Diese Sicht geht davon aus, dass Gottes Wissen vollkommen ist, einschließlich der zukünftigen Entscheidungen und Handlungen freier Geschöpfe.
In manchen christlichen Traditionen ist diese Sicht eng mit der Vorstellung verknüpft, dass Gott alles vorherbestimmt hat. Die gesamte Weltgeschichte – einschließlich jedes einzelnen Ereignisses und jeder menschlichen Entscheidung – wird als Ausdruck von Gottes souveränem Willen gesehen. Nach dieser Auffassung verläuft alles nach Gottes Plan, den er souverän koordiniert und regiert, um letztlich seine Ziele zu erreichen.
Das Problem der klassischen Sicht
Obwohl die klassische Sicht auf Gott weitverbreitet ist, gibt es verschiedene Herausforderungen und Probleme, die mit dieser Perspektive einhergehen. Eines der zentralen Probleme betrifft die Frage nach der menschlichen Freiheit und der Verantwortung. Wenn Gott alles vorherbestimmt hat und die gesamte Geschichte genau nach seinem Willen verläuft, stellt sich die Frage, ob der Mensch tatsächlich frei handeln kann. Wenn jede Entscheidung letztlich Teil von Gottes festgelegtem Plan ist, wie können wir dann wirklich für unsere Entscheidungen verantwortlich sein?
Ein weiteres Problem ist die Frage nach dem Bösen und dem Leid in der Welt. Wenn Gott alles souverän kontrolliert, muss er auch für all das Leid und die Ungerechtigkeit in der Welt verantwortlich sein. Dies wirft schwierige Fragen über Gottes Güte und Gerechtigkeit auf. Wie kann ein liebender und gerechter Gott Leid und Böses nicht nur zulassen, sondern auch in seinen Plan integrieren? Für viele bleibt diese Spannung schwer zu lösen.
Hinzu kommt die Herausforderung der Beziehung zwischen Gott und den Menschen. Wenn Gott alles bereits vorherbestimmt hat und die Zukunft unveränderlich ist, entsteht die Frage, welchen Einfluss unsere Gebete, Entscheidungen und Handlungen wirklich auf ihn haben können.
Ein weiterer kritischer Punkt ist die biblische Darstellung von Gottes Handeln. In vielen Texten der Bibel sehen wir, wie Gott auf Ereignisse reagiert, seine Meinung ändert oder von menschlichem Verhalten beeinflusst wird (z. B. in 1. Mose 6,6–7; 2. Mose 32,14; Jona 3,10; Amos 7,1–6). Solche Passagen scheinen nicht mit der klassischen Vorstellung eines vollkommen unveränderlichen und zeitlosen Gottes übereinzustimmen.
Zusammengefasst: Die klassische Sicht auf Gott wirft schwierige Fragen zur menschlichen Freiheit, zum Problem des Bösen, zur Dynamik von Gebet und Beziehung sowie zur biblischen Darstellung von Gottes Wesen und Handeln auf. Diese Herausforderungen werden durch den Offenen Theismus an einigen Stellen besser adressiert und er bietet vielen Christen überzeugendere Antworten als die klassische Perspektive.
Was ist offener Theismus?
Gottes Wesen ist Liebe
Der Offene Theismus ist eine theologische Sichtweise, die davon ausgeht, dass Liebe nicht nur ein Attribut Gottes ist, sondern das, was Gott in seinem innersten Wesen ist. Alle anderen Eigenschaften Gottes sind ein Ausdruck seiner Liebe, dies umfasst seinen Zorn, sein richtendes Handeln und seine Gerechtigkeit. Gottes Liebe möchte sich verschenken. Deshalb schuf Gott die Welt, um uns einzuladen und hineinzunehmen in die Liebe, die in der Trinität herrscht (Rice 2020:29).
(Mehr zum Thema „Gottes Wesen ist Liebe“ finden Sie in meinem Artikel zu Wilfried Härles Dogmatik und zum Charakter Gottes.)
Liebe schenkt Freiheit
Damit echte Liebe möglich ist, schenkte Gott den Menschen Freiheit selbst Entscheidungen zu treffen. Denn Liebe kann nicht erzwungen werden; sie muss freiwillig sein. Dies impliziert, dass Gott nicht der alleinige Verursacher dessen ist, was in der Welt geschieht. Die Entscheidungen und Handlungen der Menschen tragen ebenso zum Lauf der Geschichte bei wie Gottes eigenes Handeln.
Dies alles bedeutet, dass Gott nicht jedes Detail kontrolliert, was in der Welt geschieht. Sondern ganz im Gegenteil: die Zukunft ist offen und nicht vorherbestimmt. Die Entscheidungen, die wir treffen, bestimmen, wie die Zukunft aussehen wird. Dadurch, dass sein Wesen Liebe ist, manipuliert und kontrolliert er nicht. Dadurch ist Gott limitiert in seinem Wirken (Rice 2020:29).
Die Allmacht Gottes im Offenen Theismus
Demnach widerspricht der Offene Theismus dem traditionellen Verständnis von Gottes Allmacht, welches behauptet, dass Gott einfach alles tun und machen kann, was er will. Im Offenen Theismus sind Gottes Möglichkeiten zu wirken durch sein Wesen der Liebe limitiert. Gott kann seinem eigenen Wesen nicht untreu werden (2 Tim 2,13), dementsprechend gibt es Dinge, die Gott nicht machen kann, weil sie seinem Wesen der Liebe widersprechen. Die Bibel nennt verschiedene Beispiele von Dingen, die Gott nicht tun kann: „Gott kann nicht lügen“ (Titus 1,2), „Gott kann nicht versucht werden“ (Jakobus 1,13), „Gott wird nicht müde“ (Jesaja 40,28).
Die Allwissenheit Gottes im Offenen Theismus
Vertreter des Offenen Theismus glauben, dass Gottes Allwissenheit bedeutet, dass er alles weiß, was es aktuell zu wissen gibt. Gott weiß alles, was in der Vergangenheit war und in der Gegenwart ist. Aber aufgrund der echten Entscheidungsfreiheit des Menschen sind die Dinge, die in der Zukunft geschehen, noch nicht festgelegt und deshalb ist die Zukunft offen. Ein oft verwendetes Bild ist, dass Gott die Zukunft als ein Netzwerk von Möglichkeiten kennt, aber welche Route gewählt wird, ist nicht wissbar. Gott kann zwar aufgrund seiner Erfahrung mit Menschen und dem Wissen über alle Umstände sehr gut abschätzen, wie sich Menschen entscheiden werden, aber 100 % sicher kann er die Zukunft nicht voraussagen (Meister & Dew 2017:60).
Der in Beziehung lebende Gott
Der Offene Theismus betont Gottes Beziehung zur Schöpfung. Er will mit uns Menschen Hand in Hand arbeiten, um seinen Willen zu verwirklichen und Leid zu bekämpfen. Gott ist ein Partner inmitten allen Leids, der mitfühlend und tröstend wirkt. Manche Vertreter des Offenen Theismus glauben sogar, dass auch Gott sich entwickelt und Neues lernt und nicht unveränderlich ist (Rice 2020:30).
Fazit: Die Kernideen des Offenen Theismus auf den Punkt gebracht
Der Offene Theismus betont, dass Gottes Wesen vollkommene Liebe ist, die ohne Zwang wirkt. Gott kann seinem Wesen nicht untreu werden. Dies führt dazu, dass wir Menschen echte Entscheidungsfreiheit haben, aber auch dazu, dass Gott in seiner Allmacht und Allwissenheit zu einem gewissen Maß limitiert ist.
Ein notwendiger Disclaimer: Prozesstheologie, Offener Theismus und relationale Theologie
Die Thematik des Offenen Theismus ist komplexer, als sie auf den ersten Blick scheint. Während ich in diesem Artikel versuche, die Kerngedanken des Offenen Theismus verständlich und zugänglich darzustellen, möchte ich darauf hinweisen, dass ich dabei vereinfache. Jede Vereinfachung birgt das Risiko, wichtige Nuancen zu übersehen, und es mag Leser geben, die mit bestimmten Aspekten meiner Beschreibung nicht einverstanden sind.
Die Wahrheit ist, dass der offene Theismus Teil eines größeren theologischen Spektrums ist, das mehrere verwandte Ansätze umfasst. Zwei Begriffe, die in Verbindung mit dem offenen Theismus oft gebraucht werden, sind relationale Theologie und Prozesstheologie. Der Begriff „relationale Theologie“ wurde stark von Thomas Jay Oord geprägt und dient als Überbegriff, unter dem die Prozesstheologie und der Offene Theismus zusammengefasst werden können (Oord 2021: Appendix).
Unterschiede: Offener Theismus und Prozesstheologie
Hier ist eine Tabelle, die die Unterschiede vereinfacht, aber übersichtlich darstellt:
Merkmal | Offener Theismus | Prozesstheologie |
---|---|---|
Gottes Wesen | Gott ist Liebe, souverän und unveränderlich in seinem Wesen der Liebe. | Gott ist Liebe und entwickelt sich dynamisch weiter. |
Zukunft | Offen, aber Gott kennt alle Möglichkeiten und reagiert souverän darauf. Er kennt den Ausgang der Weltgeschichte, auch wenn die genauen Details des Weges dorthin nicht festgelegt sind. | Offen, Gott kennt keine absolute Zukunft und ist Teil eines fortlaufenden Prozesses. Er weiß nicht, wie genau die Weltgeschichte ausgehen wird. |
Gottes Macht | Gott ist allmächtig, aber er entscheidet sich, seine Macht einzugrenzen, um dem Menschen wahre Freiheit geben zu können. | Gottes Allmacht bedeutet, dass er alles tun kann, was mit seinem Wesen der Liebe vereinbar ist. Das bedeutet, dass er manche Dinge nicht tun kann. Er arbeitet eng mit seiner Schöpfung zusammen. |
Gottes Wissen | Gott weiß alles, was bis zu diesem Moment wissbar ist, die Zukunft sieht er als unzählige potenzielle Möglichkeiten. | Gottes Wissen ist ebenfalls im Fluss und entwickelt sich, da die Zukunft nicht feststeht. |
Beziehung zur Schöpfung | Gott interagiert dynamisch mit der Schöpfung, bleibt aber souverän. | Gott und die Schöpfung stehen in einem gegenseitigen, symbiotischen Prozess. |
Philosophische Basis | Biblisch-theologisch geprägt, versucht, sich stark auf die Bibel zu stützen. | Philosophisch geprägt. |
Verständnis von Leid | Gott lässt Leid zu, weil er nicht kontrollierend eingreift, sondern mit uns zusammenarbeitet, um es zu überwinden. | Gott kann Leid nicht abschaffen, weil sein Wesen der Liebe seine Wirkmöglichkeiten limitiert. Leid ist Teil des Prozesses, durch den Gott und die Schöpfung gemeinsam wachsen. |
Gottes Plan | Gott hat einen Plan, der flexibel genug ist, um menschliche Entscheidungen einzubeziehen. | Es gibt keinen festen göttlichen Plan; alles entwickelt sich prozesshaft. Gott wirkt kontinuierlich, um Gutes hervorzubringen, innerhalb seiner Möglichkeiten. |
Die Übergänge zwischen diesen Ansätzen sind fließend, und es ist schwer, klare Grenzen zu ziehen. Jede Verallgemeinerung kann irreführend sein, da die genauen Positionen von Autor zu Autor unterschiedlich sind. Ich ermutige daher, bei der Lektüre dieses Artikels diese Komplexität im Kopf zu behalten und sich selbst tiefer mit den Themen auseinanderzusetzen, um die Vielfalt der Perspektiven besser zu verstehen.
Warum ist der Offene Theismus wichtig? Die Stärken des Offenen Theismus.
Der Offene Theismus bietet Antworten auf einige der drängendsten theologischen Fragen und Probleme, die Christen seit Jahrhunderten beschäftigen. Er bringt eine Perspektive ins Spiel, die Gottes Liebe und Gerechtigkeit in den Mittelpunkt stellt und dabei die menschliche Freiheit ernst nimmt. Hier sind die zentralen Punkte:
Gott ist nie der Verursacher von Bösem:
Nach dem Offenen Theismus ist Gottes Wesen reine Liebe, ohne Dunkelheit oder Schatten (vgl. Jakobus 1,17). Gott verursacht weder Böses, noch arbeitet er mit ihm zusammen. Dadurch wird Gott von jeglicher Mitschuld am Leid der Welt entlastet.
Die Freiheit des Menschen wird bewahrt:
Der Offene Theismus betont, dass der Mensch echte Entscheidungsfreiheit hat – nicht eine scheinbare Freiheit innerhalb von Gottes festgelegtem Plan. Diese Freiheit bedeutet zugleich echte Verantwortung, wodurch der Mensch Würde und Bedeutung erhält, statt lediglich eine Marionette göttlicher Vorherbestimmung zu sein.
Eine nachvollziehbare Antwort auf das Problem des Leids:
In der klassischen Sicht könnte Gott das Böse souverän stoppen, entscheidet sich aber oft dagegen – was ihn zumindest indirekt mitschuldig erscheinen lässt. Der Offene Theismus argumentiert hingegen, dass Gott aufgrund seines Wesens der nicht-kontrollierenden Liebe das Böse in dieser Welt nicht ohne die Mitwirkung der Menschen überwinden kann. Er arbeitet mit uns zusammen, um Leid und Unrecht zu bekämpfen, statt es eigenhändig zu lösen.
Gott ist dynamisch und reagiert:
Der Offene Theismus harmoniert mit den zahlreichen Bibelstellen, in denen Gott seine Meinung ändert (z. B. 2. Mose 32,14; Jona 3,10). Er zeigt, dass Gott aktiv auf die Entscheidungen der Menschen eingeht und eine echte Beziehung mit ihnen führt.
Eine Beziehung der Zusammenarbeit:
Gottes möchte mit uns zusammenzuarbeiten. Diese Perspektive gibt den Menschen nicht nur Verantwortung, sondern auch einen tiefen Sinn: Wir sind eingeladen, gemeinsam mit Gott an der Überwindung des Bösen und der Heilung der Welt zu arbeiten.
Ein liebevolles Gottesbild:
Der offene Theismus stellt ein Gottesbild dar, das mit den tiefsten menschlichen Sehnsüchten nach einem gerechten und liebenden Gott übereinstimmt. Es zeigt Gott als einen, der niemals Böses will, sondern stets das Beste für seine Geschöpfe sucht.
Zusammengefasst bietet der Offene Theismus eine theologisch durchdachte und biblisch fundierte Sichtweise, die Gottes Wesen, die Freiheit des Menschen und die Realität des Leids miteinander in Einklang bringt.
Was ist schwierig? Die drei häufigsten Kritikpunkte am Offenen Theismus.
Wie jede theologische Perspektive steht auch der Offene Theismus in der Kritik. Im Folgenden sind einige der häufigsten Einwände dargestellt, zusammen mit möglichen Antworten, die Vertreter des Offenen Theismus darauf geben:
1. „Der Offene Theismus predigt einen schwachen Gott, der nicht fähig ist, zu helfen und zu tun, was er will.“
Antwort: Vertreter des offenen Theismus räumen ein, dass Gott in seiner Möglichkeit zu helfen durch sein Wesen der nicht-kontrollierenden Liebe eingegrenzt ist. Doch gerade das macht ihn stark. Ein Gott, der mit Gewalt und Kontrolle regiert, ist nicht bewundernswert – das kann jeder Diktator. Kraft, die auf Gewalt und Kontrolle basiert, ist schwach und basiert auf den Werten der Welt.
Die wahre Stärke Gottes liegt darin, dass er durch Liebe regiert, nicht durch Zwang. Liebe ist keine Schwäche, sondern die stärkste Macht. Auch wenn in dieser Welt viel Leid geschieht und nicht alles gerecht ist, dürfen wir darauf vertrauen, dass Gott eines Tages für Gerechtigkeit sorgen wird. Er wird im Gericht mit Wahrheit richten und für Recht für jeden Menschen sorgen. Durch die Macht der Liebe wird er schlussendlich sein Ziel erreichen.
2. „Wenn die Zukunft offen ist, was bedeutet das für die Prophetien in der Bibel und wie kann Gott versprechen, dass am Ende alles gut wird?“
Antwort: Prophetie ist vielschichtiger als oft angenommen. In der Bibel ist sie nur selten eine präzise Vorhersage der Zukunft, sondern häufig eine Warnung, Einladung oder Bedingung (z. B. Jona 3,10). Gott weiß alles, was es bis jetzt zu wissen gibt, und kann Muster in menschlichem Verhalten erkennen, die ihm erlauben, mit großer Genauigkeit abzuschätzen, was passieren wird. Das bedeutet nicht, dass die Zukunft vollständig vorherbestimmt ist, sondern dass Gott souverän genug ist, um seine Ziele zu erreichen, selbst wenn die Zukunft offen ist. Sein Versprechen, dass am Ende alles gut wird (Offenbarung 21,4), basiert auf der Gewissheit, dass er durch die Macht der Liebe sein Ziel erreichen wird.
3. „Die Bibel sagt, dass Gott allmächtig, allwissend und unveränderlich ist.“
Antwort: Vertreter des Offenen Theismus stimmen zu, dass Gott allmächtig, allwissend und unveränderlich ist – aber diese Begriffe müssen im Licht der gesamten Bibel verstanden werden. Die Schrift zeigt, dass es Dinge gibt, die Gott nicht tun kann, weil sie seinem Wesen der Liebe widersprechen (z. B. lügen, Titus 1,2). Gottes Allmacht bedeutet, dass er alles tun kann, was mit seinem Wesen der Liebe vereinbar ist. Seine Allwissenheit umfasst alles, was bis zu diesem Moment zu wissen ist. Dinge, die noch nicht geschehen sind, sind keine Realität und man kann sie daher (noch) nicht wissen. Unveränderlich ist Gott in seinem Wesen der Liebe, doch durch die Interaktion mit der Welt gewinnt er neues Wissen und reagiert auf neue Entwicklungen.
Fazit
Der Offene Theismus bietet durchdachte und hilfreiche Antworten auf viele schwierige theologische Fragen. Besonders im Umgang mit Themen wie menschlicher Freiheit, dem Problem des Leids und der Dynamik der Beziehung zwischen Gott und Mensch eröffnet er Perspektiven, die Gottes Liebe und Gerechtigkeit in den Mittelpunkt stellen. Gleichzeitig gibt es berechtigte Kritikpunkte, die zeigen, dass manche Fragen noch nicht abschließend beantwortet sind.
Meine Empfehlung – ganz im Sinne der Jahreslosung aus 1. Thessalonicher 5,21: „Prüft alles, und das Gute behaltet.“ Es lohnt sich, sich gut über den Offenen Theismus zu informieren, die Gedanken sorgfältig zu prüfen und das Gute anzunehmen und das Schlechte abzulehnen.
Buchempfehlungen
Da der Offene Theismus ein noch relativ junges theologisches Konzept ist, können wir erwarten, dass zukünftige Bücher und Diskussionen einige der offenen Fragen weiter vertiefen und klären werden. Für den Einstieg empfehle ich folgende Werke, die bereits jetzt eine Grundlage zu dem Thema bieten:
„God of the Possible“ von Gregory A. Boyd. Eine verständliche Einführung, die sich auf die biblischen Grundlagen des offenen Theismus konzentriert.
„Gott kann auch nicht alles“ von Jason Liesendahl. Ein solider Überblick, der sich auf die Prozesstheologie konzentriert.
„Gott kann das nicht!“ von Jay Oord. Eine kompakte Einführung, die sich auf die Frage nach dem Leid konzentriert.
„Gott hat keinen Plan für dein Leben“ von Manuel Schmid. Eine leicht verständliche Einführung, die eine große Hilfe ist für alle, die verzweifelt versuchen herauszufinden, was Gottes Wille für ihr Leben ist.
Diese Bücher können helfen, die zentralen Gedanken des offenen Theismus besser zu verstehen und kritisch zu reflektieren. In diesem Sinne: Lassen Sie sich auf die spannende Reise ein, Gottes Wesen und Handeln tiefer zu erkunden.
Bibliografie
Rice, Richard. 2020. The Future of Open Theism: From Antecedents to Opportunities. Downers Grove: IVP Academic.
Meister, C. und Dew, J.K., Jr. (Hrsg.) God and the Problem of Evil: Five Views. Downers Grove: IVP Academic (Spectrum Multiview Books).
Oord, Thomas Jay. 2021. Open and relational theology. SacraSage Press.