Brauche ich in Logos wirklich unterschiedliche Textausgaben?

Von paulmurdoch

Tipps
Oktober 1, 2018

Urtexte vergleichen

Es gibt vie­le Grün­de, par­al­lel mit unter­schied­li­chen Text­aus­ga­ben eines bibli­schen Tex­tes in der Urspra­che zu arbei­ten (NT Grae­ce, Maso­re­ti­scher Text, Sep­tuag­in­ta). Ich zei­ge exem­pla­risch eini­ge in Logos ver­füg­ba­re Text­aus­ga­ben der grie­chi­schen Septuaginta. 

Die im deut­schen Sprach­raum weit ver­brei­te­te Aus­ga­be von Alfred Rahlfs ist der Text, nach dem bei uns am meis­ten zitiert und der auch für das Stu­di­um bzw. das Examen ver­wen­det wird. Die­se Aus­ga­be ist auch in der Stutt­gar­ter Stu­di­en­samm­lung (17 Bde.) erhält­lich. Dort heißt sie „Sep­tuag­in­ta: SESB Edi­ti­on with Appa­ra­tus“. Wer das Basis­pa­ket „Logos 7 Bron­ze“ hat, besitzt z.B. „The Old Tes­ta­ment in Greek accor­ding to the Sep­tuag­int“ von Hen­ry Bar­clay Swete.

Wie die verschiedenen Textausgaben in Logos aufbereitet sind

Die unter­schied­li­chen Sep­tuag­in­ta-Aus­ga­ben haben ihre eige­ne Text­ge­schich­te. Das ist nicht Gegen­stand die­ses Bei­trags, es genügt der Hin­weis, dass Rahlfs die moderns­te kri­ti­sche Text­form dar­stellt. Swe­tes „Cam­bridge Sep­tuag­int“ basiert auf dem Text des Codex Vati­ca­nus als Haupt­text, weil die­ser der ältes­te erhal­te­ne (fast) voll­stän­di­ge Text war. Die lacu­nae (feh­len­den Pas­sa­gen) wur­den ergänzt aus Unicialhandschriften.

Außer­dem stellt Swe­tes Aus­ga­be Text­pas­sa­gen, die in Gedicht­form abge­fasst sind, typo­gra­fisch als sol­che dar. Bren­ton hat sei­ne Aus­ga­be, die übri­gens nicht mor­pho­lo­gisch ver­linkt ist, als zwei­spra­chi­ge Ver­si­on kon­zi­piert. Wer jedoch „The Lex­ham Ana­ly­ti­cal Lexi­con of the Sep­tuag­int“ sein Eigen nennt, fin­det die meis­ten For­men über „nach­schla­gen“.

Wichtige Unterschiede

Die Funk­tio­na­li­tät der Logos Biblio­thek beruht in wei­ten Tei­len auf für den User zunächst nicht sicht­ba­ren Infor­ma­tio­nen, die als sog. „Tags“ mit den Wör­tern der Tex­te ver­linkt sind. Die­se Infor­ma­tio­nen betref­fen z. B. die gram­ma­ti­ka­li­sche Form des Wor­tes (Mor­pho­lo­gie). Han­delt sich um ein Haupt- oder Zeit­wort, Adverb oder Adjek­tiv, Ein­zahl oder Mehr­zahl, aktiv oder pas­siv, Ver­gan­gen­heit, Gegen­wart oder Zukunft u.s.w.

Die grund­le­gends­te Infor­ma­ti­on ist dabei das „Lem­ma“. Mit dem Lem­ma meint man in der Lexi­ko­gra­fie und Lin­gu­is­tik die Grund­form eines Wor­tes. Das ist also jene Wort­form, unter der man einen Begriff oder Verb in einem Nach­schla­ge­werk fin­det. Wenn ich „Völ­ker“ in einem Wör­ter­buch oder Lexi­kon nach­schla­gen woll­te, müss­te ich wis­sen, dass die Grund­form – das Lem­ma – „Volk“ und nicht etwa das Wort „Völ­ker“ ist.

Logos hat in mor­pho­lo­gisch ver­link­ten Wer­ken sowohl die gram­ma­ti­ka­li­sche Form des Wor­tes, als auch das Lem­ma für alle gram­ma­ti­ka­li­schen For­men eines Wor­tes als Meta­da­ten gespei­chert. Die Ver­lin­kung kann aber unter­schied­lich rea­li­siert wer­den. Dazu gleich mehr.

Die Ver­lin­kung der Mor­pho­lo­gie und Lem­ma Tags der Aus­ga­be „Sep­tuag­in­ta: SESB Edi­ti­on with Appa­ra­tus“ ist wie die Aus­ga­be von Rahlfs „Sep­tuag­in­ta: Mor­pho­lo­gi­cal­ly Tag­ged Edi­ti­on | LXX“ rein grie­chisch und fin­det beim Rechts­klick auf ein Wort über die Ver­lin­kung in der Rubrik „Lem­ma“ pas­sen­de Ein­trä­ge in Grie­chisch-Wör­ter­bü­chern und Lexi­ka. Man­che Aus­ga­ben machen das aber anders. Das kann für die exege­ti­sche Arbeit sehr hilf­reich sein. Eini­ge geben auch gleich die ver­link­ten Lem­ma­ta in Deutsch wie­der. Somit hat man gleich die Über­set­zung eines Wor­tes zur Hand.

Warum unterschiedliche Textausgaben nutzen?

Der ers­te Grund, ver­schie­de­ne Text­aus­ga­ben zu ver­wen­den, liegt darin:

1. Die zugrundeliegende Morphologie unterscheidet sich

Beim Rechts­klick auf ein Wort im Text wird das Akti­ons­fens­ter auf­ge­ru­fen, mit vie­len Infor­ma­tio­nen und Mög­lich­kei­ten sich wei­te­re Infor­ma­tio­nen anzei­gen zu lassen.

Im mitt­le­ren Teil der rech­ten Spal­te die­ses Fens­ters sehen wir die mor­pho­lo­gi­sche Infor­ma­ti­on zu dem Wort βοηθηθῆναι: @V- – API (Verb, Aorist, Pas­siv, Infi­ni­tiv wer­den hier ange­ge­ben, um Wort­form, Beu­gung, For­men­be­stim­mung, Zeit etc. zu bestim­men). Dar­un­ter steht die Grund­form des Verbs: βοηθέω. Wenn man dar­auf klickt, hat man in der lin­ken Spal­te eine gan­ze Rei­he von Optio­nen, die­ses Wort zu stu­die­ren. Was hier aber fehlt, ist Infor­ma­ti­on dazu, was für ein hebräi­sches Wort im über­setz­ten Text gestan­den hat.

Ähn­lich ver­hält es sich mit der im eng­li­schen Sprach­raum bekann­ten Aus­ga­be der Sep­tuag­in­ta von Brenton.

Rahlfs Septuaginta: Morphologically Tagged Edition - LXX - Logos-Bibelsoftware
Rahlfs Sep­tuag­in­ta: Mor­pho­lo­gi­cal­ly Tag­ged Edition

Es gibt aber von Logos auf­be­rei­te­te LXX-Aus­ga­ben, wel­che die grie­chi­schen Lem­ma­ta auch mit den hebräi­schen oder ara­mäi­schen ver­knüp­fen. Dann wer­den mit einem Rechts­klick auf ein Wort die im maso­re­ti­schen Text der hebräi­schen Bibel zugrun­de lie­gen­de hebräi­sche oder ara­mäi­sche Begrif­fe ange­zeigt. Die­se Funk­tio­na­li­tät gilt sowohl für Rahlfs Sep­tuag­in­ta mit „Logos-Mor­pho­lo­gie“ als auch für die Aus­ga­be von Swe­te. Das gibt in unse­rem Bei­spiel sofort Aus­kunft dar­über, wel­ches hebräi­sche Wort mit βοηθηθῆναι in der Sep­tuag­in­ta an die­ser Stel­le über­setzt wur­de, näm­lich עוּז.

Swete: The Old Testament in Greek according to the Septuagint LXX - Septuaginta - Logos-Bibelsoftware
Swe­te: The Old Tes­ta­ment in Greek accor­ding to the Septuagint

Natür­lich kann man sich den Text inter­li­ne­ar grie­chisch-hebrä­isch anzei­gen las­sen (z.B. durch das her­vor­ra­gen­de Tool von Ema­nu­el Tov „The Par­al­lel Ali­gned Hebrew-Ara­maic and Greek Texts of Jewish Scrip­tu­re – Alex­an­dri­nus and Theo­do­ton Vari­ants“, oder durch die Par­al­lel­an­zei­ge-Funk­ti­on in Logos bei einer unter­stütz­ten Aus­ga­be (mit Logos Mor­pho­lo­gie) wie Rahlfs Sep­tuag­int with Logos Morphology.

Wer aber nicht für jeden grie­chi­schen Begriff das hebräi­sche Pen­dant braucht, wird das Lesen wesent­lich ange­neh­mer fin­den ohne die inter­li­nea­re Dar­stel­lung, die – wo benö­tigt – eine bril­lan­te Hil­fe ist, aber für das Lesen des Urtexts etwas kom­pli­zier­ter ist (s. Bild).

In mei­nem Fall möch­te ich nur in ein­zel­nen Fäl­len wis­sen, was für ein hebräi­scher Begriff oder Verb hin­ter dem grie­chi­schen Text zugrun­de lag.

Emanuel Tovs „The Parallel Aligned Hebrew-Aramaic and Greek Texts of Jewish Scripture - Alexandrinus and Theodoton Variants“ - LXX - Septuaginta - Interlinear - Logos Bibelsoftware
Ema­nu­el Tovs „The Par­al­lel Ali­gned Hebrew-Ara­maic and Greek Texts of Jewish Scrip­tu­re – Alex­an­dri­nus and Theo­do­ton Variants“

Swete: The Old Testament in Greek according to the Septuagint Interlinear - LXX - Septuaginta - Logos-Bibelsoftware
Swe­te: The Old Tes­ta­ment in Greek accor­ding to the Septuagint

Ande­re Grün­de für die Ver­wen­dung ver­schie­de­ner Textausgaben:

2. Die Möglichkeit zur Darstellung als interlinearen Text

Nicht alle Aus­ga­ben ver­fü­gen über die Mög­lich­keit, den Text inter­li­ne­ar dar­zu­stel­len. Ob die Inter­li­ne­ar­funk­ti­on bei einem Werk vor­han­den ist, erkennt man an zwei Sym­bo­len in der Menü­leis­te des Fensters.

Wenn man auf das rich­ti­ge Icon klickt, wird das Fens­ter unter­teilt und im unte­ren Teil zei­len­wei­se der Text in inter­li­nea­ren Form dargestellt:

Swete: The Old Testament in Greek according to the Septuagint Interlinear - LXX - Septuaginta - Logos Bibelsoftware

Klickt man hin­ge­gen auf das Sym­bol,  wird das gesam­te Fens­ter auf die inter­li­nea­re Dar­stel­lung umgestellt:

Swete: The Old Testament in Greek according to the Septuagint Interlinear - LXX - Septuaginta - Logos Bibelsoftware

Die Dar­stel­lung lässt sich beim Kli­cken auf das Sym­bol an die eige­nen Bedürf­nis­se anpas­se, etwa auch so:

3. Die Verknüpfung mit einem textkritischen Apparat

Wis­sen­schaft­li­che Appa­ra­te zu den Aus­ga­ben des bibli­schen Tex­tes in den Urspra­chen geben Auf­schluss über die Unter­schie­de in den ver­schie­de­nen Hand­schrif­ten. Das ist ein sehr kom­ple­xes Feld, auf das hier nicht näher ein­ge­gan­gen wer­den kann. Es genü­ge der Hin­weis, dass es dabei dar­um geht, dem Exege­ten Ein­sicht zu gewäh­ren in die Text­va­ri­an­ten, damit er sich selbst ein Urteil bil­den kann, wel­che Vari­an­te am ehes­ten dem Urtext ent­spricht. Dazu gehört natür­lich sehr viel Fach­kennt­nis. Logi­scher­wei­se ver­fü­gen nicht alle Text­aus­ga­ben über einen wis­sen­schaft­li­chen Appa­rat. Man­che sind aber dar­auf spe­zia­li­siert, so z. B. für das NT die ver­schie­de­nen Nestle/​Aland Aus­ga­ben, für die LXX an vor­ders­ter Front „Rahlfs Sep­tuag­in­ta: SESB Edi­ti­on with Appa­ra­tus and Alter­na­te Texts“, die dar­aus erwach­se­ne ulti­ma­ti­ve Göt­tin­gen Sep­tuag­int (67 vols., uner­läss­lich für For­schungs­zwe­cke: https://​www​.logos​.com/​p​r​o​d​u​c​t​/​4​9​5​1​/​g​o​t​t​i​n​g​e​n​-​s​e​p​t​u​a​g​int $699.99), oder The Old Tes­ta­ment in Greek accor­ding to the Sep­tuag­int (Appa­ra­tus) von Swete:

LXX - Septuaginta - Interlinear - Logos Bibelsoftware

Und schließ­lich liegt der aller­wich­tigs­te (und für Ken­ner der LXX offen­sicht­li­che) Grund:

4. In den am Anfang erwähnten verschiedenen Texttraditionen

Die zugrun­de­lie­gen­de Text­tra­di­ti­on der jewei­li­gen Aus­ga­ben unter­schei­den sich. Das erkennt man an dem, was wie­der­ge­ge­ben oder weg­ge­las­sen wur­de. Das wäre aber ein ande­res, span­nen­des und viel grö­ße­res The­ma, das hier nicht erör­tert wer­den kann …

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