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Einführung in die Etymologie des Neuen Testaments
Synonyme gibt es in den meisten, vielleicht sogar in allen Sprachen. Worte wie „reden, sprechen, sagen“ zum Beispiel. Wer sich aber genauer mit einer Sprache beschäftigt, der weiß auch, dass Synonyme zwar bedeutungsähnlich sind, aber nicht genau die gleiche Bedeutung haben. Verschiedene Worte geben eben verschiedene Bedeutungsnuancen wieder.
Wenn die Bibel das inspirierte Wort Gottes ist, mit der Tendenz zur Verbalinspiration, dann kann das Vorhandensein von Synonymen im hebräisch/griechischen Grundtext einen nicht gleichgültig lassen. Der Heilige Geist hatte sicherlich Gründe dafür, an einer bestimmten Stelle ein ganz bestimmtes Wort zu verwenden.
Richard Ch. Trench (1807–1886)
Der frühere Erzbischof von Dublin, Richard Chevenix Trench, gab 1854 zum ersten Mal sein Synonyms of the New Testament heraus, das mehrere Neuauflagen erlebte und u. a. ins Französische und Deutsche übersetzt wurde (dt. Tübingen 1907). In diesem Buch vergleicht er ausgesuchte Synonyme miteinander und weist auf die jeweiligen Unterschiede hin. 101 Artikel zu mehr als doppelt so vielen Wörtern sowie 17 Kurzbesprechungen anderer Synonyme sind in seinem Werk enthalten. Trench zieht dabei nicht nur die infrage kommenden biblischen Verweisstellen zurate, sondern auch außerbiblische, zeitgenössische Stellen bis hin zu Werken des klassischen Griechisch.
Beispiel für Synonyme im Neuen Testament: κόσμος, (kosmos) αἰών (aioon)
Ein Beispiel dieser Artikel sei hier kurz besprochen (Zitate aus der deutschen Ausgabe). Trench beginnt hier mit dem Vergleich englischer Übersetzungen der beiden Worte κόσμος (kosmos) und αἰών (aioon). Κόσμος (kosmos) wird dabei bis auf eine Ausnahme im NT immer mit „world“ wiedergegeben, während dies auf αἰών (aioon) nur mit einer größeren Zahl von Ausnahmen zutrifft.
Im Anschluss untersucht er die Herkunft des Wortes κόσμος (kosmos) von κόμειν (komein) und geht zunächst auf die Bedeutungsgeschichte in der griechischen Sprache ein. Im Folgenden definiert er den neutestamentlichen κόσμος als den
- „äußeren Rahmen dessen, worin der Mensch lebt und sich bewegt, der für ihn da ist und dessen moralischen Mittelpunkt er bildet […]
- weiterhin die Menschen selbst, die Gesamtzahl der in der Welt lebenden Personen […]
- und dann[…] ethisch gefasst alle, die nicht zur Kirche gehören, die entfremdet sind von dem Leben aus Gott und durch böse Werke feindlich gegen ihn“.
Dann folgt die Etymologie von αἰών und ihre Geschichte. Trench leitet das Wort von ἄω (aoo), ἄημι (aämi), atmen, ab. Primär bedeutet das Wort die Zeit „in ihrer ungebrochenen Dauer“, oft die Lebenszeit eines Menschen. Eine sekundäre Bedeutung, die hinzugetreten ist, bezeichnet „den Gang und Lauf der Weltbegebenheiten“. Er zitiert dazu Windischmann, wonach αἰών (aioon) „nicht bloß als Zeit gefasst werden“ darf, sondern „alles in der Zeit befangene“ begreift, „die Welt und ihre Herrlichkeit, die Menschen und ihr natürliches unerlöstes Tun und Treiben in sich“, sodass sich die Bedeutung „Zeitalter“ nahelegt, das vom Genius des Zeitalters, dem Zeitgeist, beherrscht ist. Dem entspricht später das lateinische Wort saeculum.
Zum Schluss des Artikels, der in der englischen Ausgabe von S. 218–219 reicht, benennt Trench dann noch zwei Bibelstellen (Heb 1,2 und 11,3), für die die angeführten Unterscheidungen nicht passen und er gibt einige Erklärungen dazu. Am Ende des Artikels stehen noch (zeitgenössische) Literaturangaben zum weiterführenden Studium, hier zwei deutsche Werke.
Fazit
Die Frage ist berechtigt, ob solche etymologischen Untersuchungen überhaupt einen Wert haben, da es ja „nur“ um die griechische Sprache geht, während die neutestamentlichen Protagonisten überwiegend aramäisch und hebräisch gedacht haben. Doch dem Heiligen Geist hat es gefallen, das Neue Testament in Griechisch entstehen zu lassen, das ist für jegliche neutestamentliche Forschung der Ausgangspunkt. Abgesehen davon, dass sich die etymologischen Stränge über das Griechische hinaus oft auch folgerichtig ins Hebräische ziehen, müssen wir davon ausgehen, dass der Heilige Geist jedes Wort durch den jeweiligen Schreiber genauso gesetzt hat, wie es von Gott beabsichtigt war.
Das Werk von Trench war für mich eine wertvolle Einführung in die Fragen der Etymologie des Neuen Testaments. Es sensibilisierte mich für eine Binsenweisheit: Dass im Grunde genommen jedes Wort ein ihm eigenes Bedeutungsfeld hat. Durch dieses Bedeutungsfeld ist es von anderen Worten verschieden, auch wenn es mit einzelnen Worten eine große Übereinstimmung aufweisen kann. Trench kann hier enorm helfen, uns für die Wichtigkeit der Wortbedeutungen zu sensibilisieren und dadurch tiefer in den Text einzudringen als zuvor möglich gewesen war.
Den „Trench“ gibt es als Logos-Ressource in Englisch unter: https://www.logos.com/product/6553/synonyms-of-the-new-testament.
Eine Werkedition ist in Vorbereitung unter: https://www.logos.com/product/24993/the-works-of-richard-chenevix-trench#033
Weiterführendes
Der „Trench“ bietet einen bemerkenswerten Umfang beim Vergleich von Worten und der Bestimmung der Bedeutung von Synonymen. Manche wichtige Worte wird man dagegen vermissen. Dafür bietet der Assistent „Wortstudie“ im Logos-Programm eine gute Hilfe. Mit diesem tollen Tool kann man zunächst herausfinden, welche hebräischen oder griechischen Begriffe das deutsche Wort übersetzt, oder welche hebräischen Begriffe den Worten der Septuaginta oder des griechischen Neuen Testaments zugrunde liegen. Überhaupt konzentriert sich der „Trench“ auf die griechische Sprache und lässt das Hebräische eher selten zu Wort kommen. Hier ist also der „Wortstudie“-Assistent eine wertvolle Ergänzung.