Sogleich schrie der Vater des Kindes: Ich glaube; hilf meinem Unglauben! (Markus 9,24)
Der Ausruf eines verzweifelten Vaters, der mit seinem Latein am Ende ist – das ist der Text der Jahreslosung 2020. Es ist zugleich eine Antwort auf eine Aufforderung Jesu: “Alle Dinge sind möglich dem, der glaubt”. Und das ist wieder eine Antwort auf die Bitte des Vaters: “Wenn du etwas kannst, wenn es in deinen Möglichkeiten steht, dann…”
Ohne Jesus können wir nichts
Es ist eine vorwitzige Bitte an Jesus mit einem Schuss Unverschämtheit: “Wenn du etwas kannst, dann hilf uns.” Nicht nur: Ihm, dem besessenen Sohn. Nicht nur der Sohn leidet, auch der Vater leidet unter der Situation. Wie die blutflüssige Frau hat er sicherlich schon alles probiert, aber nichts hat geholfen. Es ist hoffnungslos. Und doch gibt der Vater die Hoffnung nicht auf. Als er von Jesus hört, geht er mit seinem Sohn sofort zu ihm. Aber Jesus ist nicht da. Nur einige seiner Jünger. Er bittet sie um Heilung, aber sie schaffen es nicht. Schließlich kommt Jesus wieder. Er kommt vom Berg der Verklärung. Gerade hat Gott ihn vor seinen Jüngern als seinen Sohn bestätigt. Gerade hat Gott seine Jünger dazu aufgefordert: Ihn sollt ihr hören, nicht mehr zuerst Mose, nicht mehr zuerst Elia, sondern Jesus, meinen geliebten Sohn. Jesus ist die erste Adresse für unsere Hoffnung und für unsere Hoffnungslosigkeit.
Aber davon weiß der Vater nichts. Was auf dem Berg geschehen ist, ist ja zunächst geheim. Jesus kommt zurück zu den übrigen Jüngern und trifft sie am Scherbenhaufen ihrer Unzulänglichkeit. Sie können den Geist nicht austreiben. Ohne Jesus können sie nichts. Auch wir nicht. Was wir an Dingen in der Nachfolge Jesu vollbringen, die Dinge von Ewigkeitswert, das war der Herr, der es durch uns getan hat.
Jesus, wenn du kannst…
Jetzt wendet sich der Vater an Jesus selbst. Und er hat keine uneingeschränkte Hoffnung mehr. Wie auch, nach all den enttäuschten Hoffnungen, die er durchleiden musste. Er schränkt seine Bitte ein: Wenn du kannst, dann hilf uns. Jesus gibt ihm zur Antwort: Was heißt, “wenn du kannst”? Wie schränkst du deine Bitte ein? Wenn ich nicht kann, warum bittest du mich überhaupt. Wenn ich aber kann – wozu die Einschränkung? Wofür hältst du mich überhaupt? Alles ist möglich für den, der glaubt.
Jesus sagt damit zwei Dinge. Erstens: Ich glaube uneingeschränkt, unbehindert, unbegrenzt daran, dass der Vater alles kann. Kein Schatten fällt auf meinen Glauben. Selbst im Garten Gethsemane werde ich nicht daran glauben, dass Gott etwas nicht kann. Ich werde beten: Vater, alles ist dir möglich. Wenn du willst. Das ist die Einschränkung. Nicht wenn du kannst. Alles ist Gott möglich. Und wer das glaubt, dem sind ebenfalls alle Dinge möglich. Denn er verfügt über die unendlichen Möglichkeiten Gottes. Und damit zweitens: Entscheidend für dich ist nicht, ob ich kann, sondern ob du glaubst, dass ich kann. Wenn du glaubst, dass ich kann, dann ist dir alles möglich. Alle Dinge. Fürchte dich nicht. Glaube nur.
Ich glaube, aber…
Der Vater ist verzweifelt. Er hat eine tiefe Ehrlichkeit, und einen tiefen Realitätssinn. Er hat den Glauben an die Heilung seines Sohnes verloren. Er kann nicht glauben, dass es noch einmal besser wird. Wenn es auf seine Glaubensstärke ankommt – dann hat sein Sohn keine Chance. Aber er soll ja auch nicht glauben, dass sein Glaube seinen Sohn wieder gesund macht. Er soll glauben, dass Jesus ihn gesund machen kann. Aber selbst das kann er nicht. Er weiß, dass sein Glaube nicht reicht. Sein Unglaube ist zu groß.
“Ich glaube” – das ist der verzweifelte Ruf des Vaters: Ich will glauben, ich will alles tun, was nötig ist, dass mein Sohn wieder gesund wird. Aber mein Glaube reicht nicht aus. Deshalb: “Hilf meinem Unglauben!” Das heißt: Hilf mir, dass mein Unglaube in Glaube verwandelt wird! Hilf mir, dass mein Unglaube nicht den Ausschlag gibt über deine Entscheidung. Hilf mir, dass mein Glaube, der so schwach ist, die Oberhand gewinnt über meinen Unglauben.
Glaube ist nicht nur vermuten, meinen, annehmen. Glaube ist, wie es im Hebräerbrief heißt, eine feste Zuversicht auf das, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man (noch) nicht sieht. Glaube ist ein sich Verlassen auf ein Wort, einen Menschen. Verlassen in diesem Sinne heißt, nicht nur darüber sinnieren, ob das Eis hält, ob die Brücke stabil genug ist, ob das Flugzeug wirklich fliegen kann, ob das Essen wirklich gesund und ungefährlich ist. Glaube heißt, das Eis betreten, die Brücke überqueren, in das Flugzeug einsteigen, das Essen zu sich nehmen. Glaube ist Vertrauen in Aktion. Jesus glauben heißt, sich auf sein Wort zu verlassen. Davon auszugehen, dass sein Wort die Wahrheit ist. Den Weg gehen, den er mir weist. Meinen scheinbar sicheren Standpunkt zu verlassen und seinen Standpunkt einzunehmen, wenn er uns sagt, er sei der richtige und unserer sei unsicher. Das sinkende Schiff verlassen und in das schwankende Rettungsboot überzuwechseln. Wenn wir glauben, stellen wir uns zu Jesus. Vertrauen wir uns ihm an. Folgen ihm, wo immer er hingeht.
Nur den wenigsten wird ein solcher Glaube geschenkt, dass sie von null auf hundert sofort gehen können, dass sie Jesus sofort und in allen Dingen uneingeschränkt vertrauen. Die meisten – und dazu gehöre ich auch – haben einen Glaubensweg vor sich. Ich vertraue Jesus in einer kleineren Sache, bitte ihn, und wage dann den Schritt, den er mir zeigt. Dadurch gewinne ich Vertrauen. Als Nächstes gehe ich vielleicht ein etwas größeres Wagnis ein. Wenn ich auch hier die Erfahrung mache, dass Jesus mich trägt, werde ich vielleicht immer mutiger werden, immer zuversichtlicher, und lerne immer mehr, auf dem Grund Jesus zu stehen. Mein Glaube wächst. Mein Vertrauen vermehrt sich. Mein Unglaube gegenüber Jesus schwindet. In der Regel sind das Schritte, die ich gehe, und die mir immer deutlicher zeigen, dass auf Jesus Verlass ist. Ich kann nun Glaubensschritte tun, die ich vor einigen Jahren noch nicht hätte tun können. Jesus wächst in mir. Er wird bedeutender, wichtiger als alles andere. Das ist der natürliche Weg des Glaubenswachstums, in der Nachfolge Jesu.
Der Vater kann noch keine so große Sprünge machen. Sein Glaube ist erst am Anfang. Er reicht nicht aus, um Jesus völlig zu vertrauen. Das weiß er. Darum bittet er Jesus mit dem Mut der Verzweiflung: “Ich glaube, hilf meinem Unglauben.” Mehre mir den Glauben. Gib mir sozusagen einen Glaubenskredit. Ich kann selber nicht so glauben, wie ich eigentlich sollte. Auch er sagt dadurch zwei Dinge aus: Erstens: Glaube ist letztlich ein Geschenk, ein Ergebnis des wachsenden Vertrauens zu Jesus. Er ist ein Geschenk, weil er mir dadurch gegeben wird, dass Jesus mein Vertrauen nicht enttäuscht. Und er sagt zweitens: Ich glaube, dass du meinen Glauben mehren kannst. Ich glaube, dass du das Defizit meines Unglaubens dadurch ausgleichen kannst, dass du mir einen Glaubenskredit gibst, einen Vorschuss auf das, was ich noch nicht kann. Du wirst mich nicht zurückweisen, weil ich noch nicht habe, was ich brauche, damit du meinen Sohn heilst. Wer dich bittet, dem gibst du. Das hast du in der Bergpredigt gesagt. Darauf vertraut der Vater. Und sein Vertrauen wird nicht enttäuscht.
Fazit
Die Jahreslosung will uns dazu einladen, um Wachstum zu bitten für unseren Glauben. Das Ziel unseres Lebens als Christ ist die Nachfolge. Das Ziel der Nachfolge ist, dass wir vertrauter werden mit Jesus, dass wir uns ihm mehr und mehr anvertrauen, dass unser Glaube an ihn größer wird, weil wir aus Erfahrung mit ihm lernen, ihm mehr und mehr zu vertrauen. Manchmal reicht unser Glaube noch nicht aus. Dann dürfen wir ihn um einen Vorschuss, einen Glaubenskredit bitten, damit unser Unglaube verkleinert wird durch das Geschenk des Glaubens. Gerade durch diese Investition wird unser Glaube wachsen, wenn wir lernen: Auf Jesus ist Verlass. Deshalb kann ich mich auf ihn verlassen.
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Über den Autor: Martin Schröder, Jahrgang 1961, ist evangelischer Diplomtheologe, Religionslehrer an öffentlichen Schulen und beschäftigt sich intensiv mit den biblischen Ursprachen. Außerdem ist er in der Gemeindeleitung des Württ. Christusbundes in der Nähe seines Wohnortes und als Laienprediger unterwegs.
Vielen Dank! Und noch ein Hinweis: Dank der vielen Kommentare auf Logos konnte ich recht umfangreiche Vorüberlegungen zur Jahreslosung zusammenstellen, die eigene Recherchen zur Vorbereitung einer Bibelarbeit oder eines Themas zur Jahreslosung abkürzen oder erweitern können. Dies kann heruntergeladen werden unter:
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Gottes Segen wünscht
Stephan Zeibig