In diesem Artikel verfolge ich zwei Fragen:
- Warum sollte ich mich überhaupt mit den Schriften der Kirchenväter befassen?
- Wie kann mir das Handbuch der Patristik von Michael Fiedrowicz dabei nützlich sein?
Inhalt
Bei Adam und Eva anfangen
Folgende Situation kommt Ihnen vielleicht bekannt vor: Sie sind über eine theologische oder biblische Frage gestolpert. Vielleicht hat sie auch jemand in der Gemeinde gestellt. Und jetzt versuchen Sie diese Frage zu klären. Sie durchforschen die Bibel – vielleicht mithilfe von Logos. Sie lesen vielleicht in einem theologischen Standardwerk oder einem Kommentar. Man will ja nicht bei Adam und Eva anfangen und diese Frage ganz ohne Vorwissen beantworten. Das ist sicher sinnvoll. Wir profitieren von den tollen Hilfsmitteln und Büchern, die uns zur Verfügung stehen. Unnötige Arbeit und Fehler frustrieren.
Es ist aber häufig doch gut – im übertragenen Sinne – bei Adam und Eva zu beginnen:
Nämlich in der Kirchen- und Theologiegeschichte. Als Christen haben wir nicht nur ein paar Jahrzehnte Forschung, auf die wir zurückblicken können. Wir haben 2000 Jahre Geschichte der Kirche – mit all ihren Fehlern und all ihren genialen Denkern. Es lohnt sich, die Gedanken derer kennenzulernen, die uns im Glauben vorangegangen sind. Und gerade die sogenannten Väter (hier meint man meist die Schriftsteller und Theologen der ersten 500 Jahre der Kirchengeschichte) lohnen sich aus mehreren Gründen besonders:
- Sie sind besonders nah dran an der Zeit Jesu: Die Väter lebten noch in demselben politischen Reich, derselben Kultur und oft auch in derselben Gegend, in der Jesus und die Apostel gewirkt haben. Manches, was uns sehr fremd und fern erscheint, lag ihnen noch nahe.
- Sie ringen um wichtige Dinge: Weil der christliche Glaube noch jung war, musste er sich erst gegen alle möglichen Verirrungen und Angriffe durchsetzen. Die Väter mussten also die grundlegenden Fragen des Glaubens (z. B. Wer ist Gott? Wer ist Jesus? Wie verstehen wir die Schrift?) klären. Gerade im nachchristlichen Westeuropa scheint es mir, dass genau diese Grundlagen wieder stark angegriffen sind.
- Sie sind besonders weit weg von unserer Lebenswelt: Jede Zeit hat ihre Besonderheiten, durch die wir die Bibel und den Glauben wahrnehmen. C.S. Lewis schreibt in einem Vorwort zu einer Ausgabe von „De Incarnatione“ des Kirchenvaters Athanasius: „Jedes Zeitalter hat seine eigene Perspektive. Es ist besonders gut darin, bestimmte Wahrheiten zu sehen und neigt besonders zu bestimmten Fehlern. Deswegen brauchen wir Bücher, die die charakteristischen Fehler unserer Zeit korrigieren. Und das bedeutet vor allem alte Bücher.“ (C.S. Lewis, On the reading of old books in: God in the Docks) Sicher begegnen wir in den Schriften der Väter auch ihren blinden Punkten. Aber sie weisen uns auch erfrischend auf die unseren hin!
Wozu ein Quellenband der Kirchenväter?
Ein Quellenband ist eine sortierte Sammlung von Auszügen aus verschiedenen Werken. Welche Vorteile bietet das?
- Die Übersetzung bietet einen Zugang zu Texten in den alten Sprachen, auch wenn Sie sie nicht beherrschen. Das ist bei den Vätern meist Griechisch, Latein oder Syrisch.
- Die Sortierung kann helfen, schnell passende Auszüge zu finden. Das erleichtert dann auch den tieferen Einstieg – vielleicht auch in das Original.
- Die Vorauswahl ermöglicht es, mit den Vätern in Kontakt zu kommen, ohne sich durch die Massen der Quellen wühlen zu müssen. Sie müssen auch kein Experte sein, um die interessanten Stellen zu finden und einzuordnen.
Manche Quellenbände sortieren nach den Lehrthemen der klassischen Dogmatik. Sie bringen also z. B. Quellen zu den Themen: Gott, Schöpfung, Erlösung, Heiligung und Vollendung. Fiedrowicz folgt einer etwas anderen Logik: Er folgt den großen Themen, die für die Zeit der Väter prägend ist. Damit nutzt er also ihre eigene Systematik. Das ist ein nachvollziehbarer und lohnenswerter Ansatz. Allerdings findet man so vielleicht nicht auf Anhieb die passende Rubrik, wenn man eine dogmatische Frage verfolgt. Andererseits lädt diese Sortierung dazu ein, die Väter auf ihrem eigenen Territorium kennenzulernen. Begleitend dazu hält Logos auch die „Theologie der Kirchenväter“ von Fiedrowicz bereit.
Wie kann ich mit dem Werk arbeiten?
Das Handbuch der Patristik gruppiert seine Quellen nach neun Themenfeldern (A‑I), mit einer übersichtlichen, feineren Gliederung unter jedem Punkt. Jede Einheit beginnt mit einem kurzen kirchenhistorischen und inhaltlichen Überblick über das Thema sowie Literaturhinweisen. Darauf folgen dann die fortlaufend nummerierten Quellen mit Quellenangabe und deutscher Übersetzung.
Die Quellenangabe beinhaltet den Autor (z. B. Clemens von Rom) mit Titel (z. B. epistula ad Corinthios) und Fundstelle. Dazu gibt es Hinweise auf die Herkunft der Übersetzung.
Wie bei Logos gewohnt sind die Quellenangaben mit den entsprechenden Werken verlinkt, sodass man mit einem Klick in andere vorhandene Quelleneditionen oder Übersetzungen springen kann. Besonders hilfreich ist die Angabe der Datierung zu jedem Text. So kann man sie auf den ersten Blick zeitlich einordnen, ohne ein Patristikexperte zu sein. Die Übersetzung folgt jeweils anerkannten philologischen Editionen und ist durchweg gut verständlich.
Hilfreich für die Arbeit mit dem Werk ist auch das Personen- und Begriffsregister am Ende (in Logos mit hilfreichen Sprungmarken versehen). Hier kann man schnell bspw. alle Stellen von Augustinus oder alle Stellen zum Thema Inkarnation finden.
Zum Autor
Professor Michael Fiedrowicz ist ein (katholischer) Kirchenhistoriker an der Universität Trier. Er ist Spezialist für Alte Kirche (Patristik). Neben dem Handbuch der Patristik hat er auch eine Theologie der Kirchenväter geschrieben, die auf Deutsch bereits die zweite Auflage erreicht hat und in mehreren Sprachen (Polnisch, Italienisch) erschienen ist.
Fazit
Das Handbuch der Patristik ist ein solides, umfangreiches Nachschlagewerk. Es ist für Theologen, Theologiestudenten und Interessierte geeignet. Gerade in Verbindung mit der Theologie der Kirchenväter kann es einen fundierten Einstieg in die Patristik bieten. Die Kategorisierung und Register ermöglichen es, auf verschiedenen Wegen passende Texte zu finden. Die kurzen Einleitungen helfen die Texte einzuordnen, sind allerdings auf recht hohem akademischem Niveau verfasst.
Übrigens, das Handbuch der Patristik ist ab Logos 9 Diamand im Paket enthalten, mit allen Logos-Funktionen sowie zahlreichen anderen Ressourcen und Tools für das Bibelstudium.