Chiasmen im Alten Testament (Teil 2)

Von Michael Lauth

Altes Testament, AT, Chiasmen, Chiasmus, Parallelismus, Stilmittel, Strukturen
Vor 2 Wochen

In Teil 1 die­ser Rei­he haben wir uns Chi­as­men im AT von der Vers­ebe­ne bis zu Buch­tei­len ange­se­hen. Nun wen­den wir uns die­sem Auf­bau in gan­zen Büchern zu.

Chiastischer Aufbau ganzer Bücher

Wie heißt es doch im ers­ten Brief an die Korin­ther: „Denn Gott ist nicht (ein Gott) der Unord­nung, …“ (1Kor 14:33). Die Schöp­fung beinhal­tet eine Ord­nung: „So spricht der HERR, der die Son­ne gesetzt hat zum Licht für den Tag, die Ord­nun­gen des Mon­des und der Ster­ne zum Licht für die Nacht, …“ (Jer 31:35) und sogar die Auf­er­ste­hung geschieht nach einer Ord­nung bzw. Abtei­lungs­wei­se: „Jeder aber in sei­ner eige­nen Ord­nung [Abtei­lung]: (der) Erst­ling, Chris­tus; sodann die, wel­che Chris­tus gehö­ren bei sei­ner Ankunft;“ (1Kor 15:23). So fin­det sich auch in der Hei­li­gen Schrift Ord­nun­gen, denen wir in eini­gen Aspek­ten nach­ge­hen wollen.

Chiasmen im AT: Das Buch Richter

Beim Lesen des Rich­ter­bu­ches fällt auf, dass es in dem ein­lei­ten­den Abschnitt einen Bruch gibt. So fängt Kapi­tel 1 Vers 1 mit den Wor­ten an: „Und es geschah nach dem Tod Josu­as, da befrag­ten die Söh­ne Isra­el den HERRN und sagten:“

In Kapi­tel 2:6 lesen wir über­ra­schend: „Und Josua ent­ließ das Volk, und die Söh­ne Isra­el gin­gen hin, jeder in sein Erb­teil, um das Land in Besitz zu nehmen.“

Wir haben es hier mit zwei Ein­lei­tun­gen zu tun, die zwei ver­schie­de­ne The­men adressieren.

Ers­te Ein­lei­tung (1:1 – 2:5): Nach dem Tod Josu­as befra­gen die Israe­li­ten zwar den Herrn, ver­sa­gen aber dann in der Bekämp­fung der Bewoh­ner des Lan­des, die sie ver­trei­ben sollten.

Zwei­te Ein­lei­tung (2:6 – 3:6): Josua ent­lässt das Volk und die nach­fol­gen­den Gene­ra­tio­nen fan­gen an, den Herrn zu ver­las­sen und den ver­schie­de­nen Göt­zen des Lan­des zu die­nen. Sie ver­fal­len dem Götzendienst.

Die letz­ten Kapi­tel 17 – 21 befas­sen sich nicht mit Fein­den, die das Volk Isra­el bedrän­gen und den Rich­tern, die Ret­tung brin­gen, son­dern schil­dern zwei Ent­wick­lun­gen unter dem Volk.

Der ers­te Schluss­teil (17:1 – 18:31) beschreibt, wie sich ein Mann ein Göt­zen­bild macht und anschlie­ßend der Stamm Dan die­sem geschnitz­ten Bild dient. Ein gan­zer Stamm ver­fällt dem Götzendienst!

Der zwei­te Schluss­teil (19:1 – 21:25) beschreibt, wie eine schreck­li­che Sün­de in einer Stadt Ben­ja­mins zur Ver­samm­lung und Befra­gung des Herrn und schließ­lich zum Kampf gegen den Stamm Ben­ja­min führt. Isra­el bekämpft nicht mehr den Feind, son­dern sich untereinander!

Damit erhal­ten wir für Ein­lei­tung und Schluss den nach­fol­gend dar­ge­stell­ten Aufbau.

Einleitung und Schluss im Buch der Richter

A) Pro­log 1 (Ri 1:1 – 2:5): Die Stäm­me Isra­els ver­sam­meln sich, Befra­gung des Herrn und Ver­sa­gen beim Kampf gegen die Bewoh­ner des Landes

B) Pro­log 2 (Ri 2:6 – 3:6): Die Israe­li­ten ver­las­sen den Herrn und ver­fal­len dem Götzendienst

C) Haupt­teil (Ri 3:6 – 16:31)

B‘) Epi­log 1 (Ri 17:1 – 18:31): Der Göt­zen­dienst geht von einer Fami­lie aus und wird Bestand­teil eines gan­zen Stammes

A‘) Epi­log 2 (19:1 – 21:25): Die Stäm­me Isra­els ver­sam­meln sich, Befra­gung des Herrn und Kampf gegen Ben­ja­min, einem Stamm aus ihrer Mitte

Der Hauptteil des Buches

Wir haben hier durch die­sen Auf­bau ein kräf­ti­ges Indiz dafür, dass wir es auch im Haupt­teil des Buches mit einer beson­de­ren Struk­tu­rie­rung zu tun haben. Par­al­le­le Gedan­ken und Moti­ve ver­bin­den die ers­te Ein­lei­tung (1:1–2:5) mit dem zwei­ten Schluss (19:1–21:25), und eben­so die zwei­te Ein­lei­tung (2:6–3:6) mit dem ers­ten Epi­log (17:1–18:31). Damit wird schon auf den geist­li­chen Nie­der­gang hin­ge­wie­sen, der im Volk Isra­el stattfindet.

Der Haupt­teil des Buches (3:7–16:31) zeigt eine struk­tu­rier­te Zusam­men­stel­lung durch Wie­der­ho­lung von Wor­ten und Phra­sen, die als ste­reo­ty­pe For­meln bezeich­net wer­den. Die auf­fäl­ligs­te Rede­wen­dung ist: „Und die Söh­ne Isra­el taten, was böse war in den Augen Jah­wes“, die fast jeden Bericht inner­halb des Haupt­teils ein­lei­tet. Die­se ste­reo­ty­pe For­mel sug­ge­riert, dass der Schrei­ber die ein­zel­nen Erzäh­lun­gen geschickt ver­bun­den hat, um eine theo­lo­gi­sche Aus­sa­ge damit herauszustellen.

Tabelle mit der Liste der aufgeführten Richter

Rich­ter Kapi­tel Unter­drü­cker
1. Otni­el 3:5–11 Meso­po­ta­mi­en
2. Ehud 3:12–30 Moa­bi­ter
3. Scham­gar 3:31 Phi­lis­ter
4. Debo­ra 4–5 Kanaa­ni­ter
5. Gideon 6–8 Midia­ni­ter
6. Abim­e­lech 9 (Abim­e­lech selbst)
7. Tola 10:1.2 nicht genannt (Frie­dens­zeit)
8. Jair 10:3–5 nicht genannt (Frie­dens­zeit)
9. Jef­tah 11–12:7 Ammo­ni­ter
10. Ibzan 12:8.9 nicht genannt (Frie­dens­zeit)
11. Elon 12:11.12 nicht genannt (Frie­dens­zeit)
12. Abdon 12:13–15 nicht genannt (Frie­dens­zeit)
13. Sim­son 13–16 Phi­lis­ter

Die Hauptberichte

Inner­halb des Haupt­teils des Buches las­sen sich sie­ben Haupt­be­rich­te iden­ti­fi­zie­ren (in der Tabel­le in Fett­schrift). Sie begin­nen mit der o.g. For­mu­lie­rung „Und die Söh­ne Isra­el taten, was böse war in den Augen Jah­wes“. Die ein­zi­ge Aus­nah­me bil­det der Bericht über Abim­e­lech, um den Leser dadurch direkt dar­auf hin­zu­wei­sen, dass die­ser selbst das Pro­blem ist. Es sind par­al­le­le Merk­ma­le zwi­schen die­sen Berich­ten zu erken­nen, so dass die­ses Buch eine sorg­fäl­tig zusam­men­ge­stell­te Struk­tur wider­spie­gelt. Den Mit­tel­punkt hat die­ses Buch im Bericht über Gideon in Kapi­tel 6:1–8:32.

In Ver­bin­dung mit dem gesam­ten Buch zeigt der Gideon-Bericht den Brenn­punkt, denn er stellt den bedeut­sa­men Wan­del in der Qua­li­tät der Rich­ter dar, die Isra­el dien­ten. Es ist ein fort­schrei­ten­der Nie­der­gang vom Posi­ti­ven begin­nend mit Otni­el und bis zum Ver­fall bei Sim­son zu beob­ach­ten. Otni­el ist ein nahe­zu idea­ler Rich­ter mit einem Leben in gro­ßer Über­ein­stim­mung mit sei­ner Beru­fung, wäh­rend uns am Ende in Sim­son ein Rich­ter vol­ler Gegen­sät­ze zwi­schen Nasi­rä­er­tum in der Kraft des Geis­tes Got­tes und sei­nem prak­ti­schen Leben begeg­net. Gott benutzt jeden Rich­ter, ob stark oder schwach, um sei­nen Wil­len aus­zu­füh­ren und Isra­els Befrei­ung zu erreichen. 

Gideon steht irgend­wie zwi­schen die­sen bei­den Typen von Rich­tern und reprä­sen­tiert den Wen­de­punkt von „bes­se­ren“ Rich­tern zu „schwä­che­ren“ Rich­tern. Er kämpft am Anfang gegen den Göt­zen­dienst und führt ihn am Ende sei­ner Lauf­bahn wie­der ein. Wie leuch­tet auf der ande­ren Sei­te die Gna­de Got­tes auf, die in Hebr 11,32 unter den Glau­bens­hel­den Gideon, Barak, Jef­tah und Sim­son auf­zählt, und damit deut­lich macht, dass in die­sen Män­nern ech­ter Glau­be war.

Parallelen zwischen den Richtern

Otniel – Simson

Wenn wir uns die sie­ben Rich­ter genau­er anse­hen, ent­de­cken wir eine Fort­set­zung der chi­as­ti­schen Struk­tur, die wir bereits in der Ein­lei­tung und dem Schluss des Buches gefun­den haben. Ver­glei­chen wir den ers­ten und letz­ten Rich­ter mit­ein­an­der, so sehen wir bei Otni­el geist­li­che Kraft, ein Inter­es­se am ver­hei­ße­nen Land sowie eine vor­bild­li­che Ehe mit Ach­sa, sei­ner Frau. Er nimmt Kir­jat-Arba (Hebron) ein und erhält durch sei­ne Frau die obe­ren und unte­ren Quel­len zum Erb­teil hin­zu. Am Ende begeg­net uns in Sim­son ein mora­lisch ver­dor­be­ner, ego­zen­tri­scher Rich­ter. Als Nasi­rä­er in Hin­ga­be an Gott zu leben und so den Feind zu über­win­den war sei­ne gro­ße Stär­ke, die er aber von sei­nen Lüs­ten gelei­tet, immer wie­der aufs Spiel setzt. Auf die­se Wei­se lässt er sich sogar mit den Fein­den des Vol­kes ein, statt sie zu bekämp­fen und sei­nem Volk Befrei­ung zu schen­ken. So bewahr­hei­tet sich die Ankün­di­gung sei­ner Per­son in Ri 13:5 „… und er wird anfan­gen, Isra­el aus der Hand der Phi­lis­ter zu retten.”

Ehud – Jeftah

Unter Ehud gelingt es dem Volk, die Fein­de zu schla­gen und hin­ter den Jor­dan zu ver­trei­ben. Wir lesen in Kap. 3:28 „So zogen sie hin­ab, ihm nach, und nah­men den Moa­bi­tern die Fur­ten des Jor­dan und lie­ßen nie­man­den hin­über­ge­hen.“ D.h. die über­quer­ba­ren Stel­len des Flus­ses wur­den von den Israe­li­ten besetzt, so dass der Feind nicht mehr ins Land kom­men konnte.

Bei Jef­tah dage­gen sehen wir, wie es zum Streit mit den Män­nern von Ephra­im kommt und er sei­nen eige­nen Brü­dern die Fur­ten des Jor­dan nimmt (Kap12:5). Rein äußer­lich geschieht das Glei­che – die Fur­ten wer­den besetzt – aber jetzt, um die eige­nen Volks­ge­nos­sen zu schla­gen und nicht mehr die Fein­de Israels!

Debora – Abimelech

Barak hat nicht den Mut, allei­ne gegen die Fein­de zu zie­hen und daher fällt die Ehre, den Feind geschla­gen zu haben, einer Frau zu. Jael durch­bohrt den Kopf des Feld­haupt­manns Sis­e­ra mit einem Zelt­pflock und so wer­den die Kanaa­ni­ter gedemütigt.

Bei Abim­e­lech fehlt der sonst übli­che Hand­lungs­rah­men, um uns auf die Beson­der­heit die­ses Rich­ters auf­merk­sam zu machen. Er ist ein Mann, der sich selbst zum Rich­ter gemacht hat und auf grau­sa­me Wei­se über sei­ne Brü­der herrscht. Der Feind ist in die­sem Fall der Rich­ter selbst, denn er ist nicht von Gott ein­ge­setzt wor­den, son­dern hat sich selbst zum Füh­rer des Vol­kes gemacht. Auch hier ist es eine Frau, die sei­nem Regi­ment ein Ende macht. Sie wirft einen Mühl­stein an sei­nen Kopf und sein Schä­del wird zerschmettert.

Gideon – Zentrum und Wendepunkt

In Gideon haben wir einen Rich­ter vor uns, der einen guten Anfang gemacht hat. Mit Got­tes Hil­fe gelingt es ihm, dem Göt­zen­dienst in sei­ner Stadt ein Ende zu machen und anschlie­ßend die Fein­de ver­nich­tend zu schla­gen. Im Zen­trum des Buches wird auf die zen­tra­le Auf­ga­be von Füh­rern des Vol­kes hin­ge­wie­sen, für Nah­rung zu sor­gen. Dar­auf weist uns der Engel des HERRN hin, der Gideon beim Aus­schla­gen des Wei­zens beob­ach­tet (Ri 6:11). Des­halb wird Gideon auch nicht als ein Fels­bro­cken gese­hen, der in das Lager Midi­ans rollt, son­dern als ein Laib Gers­ten­brot!

Gideon steht irgend­wie zwi­schen den bei­den Typen von Rich­tern und reprä­sen­tiert den Wen­de­punkt von „bes­se­ren“ Rich­tern zu „schwä­che­ren“ Rich­tern. Am Ende sei­ner Geschich­te sehen wir, wie er aus der Beu­te ein Ephod anfer­ti­gen lässt und die Israe­li­ten zum Göt­zen­dienst ver­führt wer­den. Auch wenn er selbst (nach außen hin) nicht über das Volk herr­schen woll­te, so hat er doch einem sei­ner Söh­ne den Namen Abim­e­lech gege­ben, was „mein Vater ist König“ heißt!

Chiasmen in der Struktur des Gideon-Berichts

A) Pro­log: Die Situa­ti­on Isra­els Ri 6:1–10

B) Beru­fung zur Ret­tung Isra­els Ri 6:11–32

C) Die Vor­be­rei­tung zum Kampf Ri 6:33–7:18

B’) Die Aus­wir­kung der Ret­tung, der Sieg über Midi­an Ri 7:19–8:21

A’) Epi­log: Gideons Leben danach Ri 8:22–32

Chiasmen in der Struktur des Richterbuches:

A) Pro­log I (1:1–2:5) [Ver­samm­lung der Stäm­me, Befra­gung Jahwes]

B) Pro­log II (2:6–3:6) [Die Israe­li­ten fal­len in Götzendienst]

C) Otni­el (3:7–11) [vor­bild­li­che Ehe]

D) Ehud (3:12–31) [nimmt dem Feind die Fur­ten des Jordan]

E) Debora/​Barak (4:1–5:31) [Der Feind fällt durch eine Frau]

F) Gideon (6:1–8:32) [Wen­de­punkt Götzendienst]

E’) Abim­e­lech (8:33–10:5) [Er fällt durch eine Frau]

D’) Jef­tah (10:6–12:15) [nimmt Ephra­im die Fur­ten des Jordan]

C’) Sim­son (13:1–16:31) [fal­sche Ehe und Hurerei]

B’) Epi­log I (17:1–18:31) [Ein gan­zer Stamm fällt in Götzendienst]

A’) Epi­log II (19:1–21:25) [Stäm­me Ver­samm­lung, Befra­gung Jahwes]

Chiasmen im AT: Klagelieder

Literarische Form

Ren­ke­ma 1 bemerkt Fol­gen­des zur Struktur: 

Die alt­tes­ta­ment­li­chen Dich­ter schrie­ben ihre Tex­te nicht auf die­sel­be Wei­se, wie sie durch moder­ne Exege­ten gele­sen und aus­ge­legt wer­den: Ver­s­wei­se, begin­nend mit 1:1 usw. Nicht sel­ten führt dies zu einer ver­s­wei­sen Aus­le­gung, ohne viel Augen­merk auf den Zusam­men­hang und das Gan­ze. Die alt­tes­ta­ment­li­che Poe­sie kam jedoch anders zustan­de. Die Dich­ter ent­war­fen ein Rah­men­werk, mach­ten Ein­tei­lun­gen, for­mu­lier­ten The­men und Schwer­punk­te mit Bezug auf den Stoff, den sie aus­ar­bei­ten wollten.“

Das Buch Kla­ge­lie­der ist im Wesent­li­chen aus drei ver­schie­de­nen lite­ra­ri­schen Sti­len auf­ge­baut (Akro­sti­chon, Kla­ge­form, Parallelismus/​Chiasmus). Das Buch ist sym­me­trisch (chi­as­tisch) auf­ge­baut, wobei die Lie­der um das mitt­le­re Lied (Kapi­tel 3) ange­ord­net sind. Kapi­tel 1 fin­det sei­ne Ent­spre­chung in Kapi­tel 5, eben­so ähneln sich die Kapi­tel 2 und 4 the­ma­tisch. Das Zen­trum (Kapi­tel 3) wird dabei durch das drei­fa­che Akro­sti­chon noch beson­ders hervorgehoben.

A) Alphabetische Reihenfolge (Akrostichon)

Die Kla­ge­lie­der sind in Gedicht­form geschrie­ben. Gedich­te wer­den nicht wie in der euro­päi­schen Dicht­kunst durch Reim, Rhyth­mus und Vers­maß gekenn­zeich­net, son­dern z.B. durch Alli­te­ra­ti­on (Stab­reim = Wort­an­fän­ge lau­ten gleich), Par­al­le­lis­mus oder Akrosticha. 

Die Kla­ge­lie­der bestehen aus fünf ein­zel­nen Lie­dern oder Gedich­ten, ent­spre­chend der Ein­tei­lung in fünf Kapi­tel. Die ers­ten vier Lie­der sind Akro­sticha, d.h. die Anfangs­buch­sta­ben der Stro­phen fol­gen der Ord­nung des hebräi­schen Alpha­bets (sie­he auch die Psal­men 9, 10, 25, 34, 37, 111, 112, 119 und 145). Da das hebräi­sche Alpha­bet aus 22 Buch­sta­ben besteht, haben wir in jedem Lied 22 Stro­phen. Das fünf­te Lied besteht auch aus 22 Ver­sen, die aber nicht dem Alpha­bet fol­gen. Das mitt­le­re Lied (Kapi­tel 3) stellt dabei eine Beson­der­heit dar. Auch die ein­zel­nen Zei­len der 22 Stro­phen begin­nen mit dem Buch­sta­ben, mit dem die Stro­phe anfängt, so dass die ers­ten drei Ver­se mit dem Buch­sta­ben Aleph begin­nen, die Ver­se 4–6 mit dem Beth usw., wes­halb die­ses Lied auch 66 Ver­se hat.

Kapi­tel 1 2 3 4 5
Ver­se pro Kap. 22 22 66 22 22
Zei­len pro Vers 3 3 2 2 1

B) Chiasmus (konzentrische Struktur, Antiparallelismus)

Das Buch ist sym­me­trisch (chi­as­tisch) auf­ge­baut, wobei die Lie­der um das mitt­le­re Lied (Kapi­tel 3) ange­ord­net sind. Kapi­tel 1 fin­det sei­ne Ent­spre­chung in Kapi­tel 5, eben­so ähneln sich die Kapi­tel 2 und 4 the­ma­tisch. Das Zen­trum (Kapi­tel 3) wird dabei durch das drei­fa­che Akro­sti­chon noch beson­ders hervorgehoben.

Kapi­tel 1: Jeru­sa­lem beklagt als wei­nen­de Wit­we ihren Zustand (Ver­wüs­tung Jerusalems)

Kapi­tel 2: Das Gericht Got­tes über die Stadt

Kapi­tel 3: Ein Unschul­di­ger lei­det im Gericht (Ant­wort Jeremias)

Kapi­tel 4: Der Zorn Got­tes über die Stadt

Kapi­tel 5: Stadt/​Volk wen­det sich mit Kla­ge und Bit­te zu Gott (Ant­wort Jerusalems)

Die Struktur in Kurzform:

Chiasmen im Alten Testament

Chiasmen in den Klageliedern

Die Struktur ausführlich:

Kap 1: Ver­wüs­tung und Elend der Stadt Jeru­sa­lem (Zustand nach der Zerstörung)

a) Beschrei­bung der Stadt als wei­nen­de Wit­we (1–11)
b) Kla­ge der Stadt selbst (12–22)

Kap 2: Got­tes Gericht über die Stadt (Situa­ti­on wäh­rend der Zerstörung)

a) Beschrei­bung der Zer­stö­rung Jeru­sa­lems (1–10)
b) Der Pro­phet spricht über Jeru­sa­lem und zur Stadt (11–17)
c) Auf­ruf zum Gebet durch den Pro­phe­ten (18–19)
d) Gebet der Stadt bzw. des Vol­kes (20–22)

Kap 3: Die Kla­ge des wei­nen­den, unschul­di­gen Propheten

a) Kla­ge über sei­ne per­sön­li­chen Lei­den (1–18)
b) Kur­zes Gebet (19–20)
c) Neue Hoff­nung (21–39)
d) Auf­ruf zur Kla­ge (40–47)
e) Kla­ge des Pro­phe­ten (48–54)
f) Kur­zes Gebet (55–56)
g) Neue Hoff­nung und Gebet mit neu­er Gewiss­heit (57–66)

Kap 4: Die Stadt als ver­dun­kel­tes Gold (Situa­ti­on wäh­rend der Zerstörung)

a) Der Gegen­satz zwi­schen frü­her und heu­te (1–10)
b) Der Zorn Got­tes wegen der Sün­de der Pries­ter und Pro­phe­ten (11–16)
c) Ver­geb­li­che Hoff­nung (17–20)
d) Ver­gel­tung an Edom und Trost für Isra­el (20–22)

Kap 5: Die Stadt als Bit­ten­de (Zustand nach der Zerstörung)

a) Gebet zu Gott, um ihrer elen­den Umstän­de zu geden­ken (1–18)
b) Gebet um Wie­der­her­stel­lung (19–22)

Ausblick

Damit haben wir uns nun etwas aus­führ­li­cher mit Chi­as­men im Alten und Neu­en Tes­ta­ment beschäf­tigt, wobei das wirk­lich nur eine klei­ne Ein­füh­rung in die­ses rie­si­ge The­ma sein konn­te. Logos gibt uns Hilfs­mit­tel an die Hand, sol­che Struk­tu­ren zu hin­ter­le­gen und beim Bibel­stu­di­um dar­auf zugrei­fen zu kön­nen. Wie man das machen kann, wer­de ich in einem wei­te­ren Blog zeigen.

Literaturhinweise

Jud­ges, David Goo­ding, Myrt­le­field Trust

  1. Ren­ke­ma Dr. J., Klaa­glie­de­ren, KOK – Kam­pen, Sei­te 50 (Metho­de)


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Michael Lauth

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