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Jesu gewaltigste Rede aller Zeiten
Die Bergpredigt (Mt 5–7) ist die wohl bekannteste Predigt von Jesus. Diese Predigt hält Jesus vor einer Volksmenge, die ihm gefolgt ist. Doch ein interessantes Detail übersehen wir beim Lesen der Bergpredigt häufig: Im engsten Kreis seiner Zuhörer sitzen zuvorderst Jesu Jünger.
Mithilfe der Suchfunktion von Logos möchte ich zeigen, dass sich dieses Detail als Muster durch die Evangelien zieht. Anhand der Ergebnisse können wir anschließend konkrete Schlüsse daraus ziehen. Der folgende Beitrag soll zeigen, wie Sie solche Erkenntnisse in Logos auch selbst gewinnen können, und er möchte Sie dazu motivieren, selbst zu forschen.
Was lernen wir aus Parallelstellen und wie finden wir sie?
Bei seiner Bergpredigt hatte Jesus viele Zuhörer, das macht Matthäus am Ende deutlich (7,28). Trotzdem ist die Bergpredigt zuerst auch eine Botschaft an seine Jünger (5,1f.). Aber was beabsichtigt Jesus mit seinen Jüngern?
Der Auslöser der Bergpredigt ist doch Jesus’ Blick auf die Volksmenge: „Als er aber die Volksmengen sah …“ (gr. Ἰδὼν δὲ τοὺς ὄχλους). Wo ist der Zusammenhang?
Man kann darüber mutmaßen, die Frage lädt aber geradezu dazu ein, der Sache tiefer auf den Grund zu gehen. Da eine Untersuchung des direkten Kontexts keine weiteren Erkenntnisse zutage fördert, suchen wir in einem zweiten Schritt nach Parallelstellen.
In den meisten Fällen finden wir diese einfach im Textabschnitt-Assistenten. Aber an dieser Stelle ist die Formulierung im griechischen Text ist in logischer Hinsicht so ungewöhnlich, dass sich die Frage stellt, ob wir dasselbe Muster auch an anderen Stellen finden können.
Tatsächlich lässt sich über die Suchfunktion von Logos schnell ermitteln, dass dieser Satzteil genau so nur noch ein weiteres Mal vorkommt, und zwar in Mt 9,36.
Gehen Sie dazu folgendermaßen vor. (1) Markieren Sie den Satzteil ihrem griechischen Neuen Testament. (2) Öffnen Sie mit der rechten Maustaste das Kontextmenü. (3) Rechts sollte der ausgewählte Text markiert sein, links wählen Sie den Menüpunkt „Durchsuchen: dieses Werk“.
Mt 9,35–38 leitet Jesus’ zweite große Rede im Matthäusevangelium ein, die Aussendungsrede. In 9,36 bekommen wir einen Einblick in das Herz von Jesus. Er sah die Not der Volksmengen, „weil sie erschöpft und verschmachtet waren wie Schafe, die keinen Hirten haben.“ Jesus wurde innerlich bewegt.
Vergleicht man Mt 5,1 und 9,36 miteinander, werden mehrere Parallelen deutlich.
- In beiden Fällen gehen Heilungen voraus (4,23f; 9,32f).
- In beiden Fällen hat Jesus den Blick für die Not der Menschen (5,1; 9,36). Im Gegensatz zu 5,1 wird in 9,36 explizit von der Not gesprochen. Aber auch in 5,1 reagiert er auf das Volk und es ist anzunehmen, dass er auf ihre Not reagiert.
- In beiden Fällen reagiert Jesus darauf, indem er die Jünger lehrt (5,1b; 9,39).
Während Jesus in Israel wirkte, heilte er Menschen von Krankheiten, befreite sie von Dämonen und sprach Sündenvergebung zu. Der Schlüssel dafür, der Not nachhaltig zu begegnen, lag für ihn aber darin, seine Jünger auszurüsten. Die Jünger sind jetzt wiederum aufgefordert, der Not der Menschen zu begegnen.
Suche nach Parallelen: Satzglied-Suche
Die beiden genannten Verse sind die einzigen, in denen genau dieser Satzteil vorkommt. Aber natürlich können zwei Verse kein abschließendes Bild darüber vermitteln, wie Jesus den Menschen begegnet ist. Die Satzglied-Suche eignet sich dazu, weitere relevante Parallelstellen zu finden. Im bereits geöffneten Suchfeld klicken Sie dazu auf das Feld Satzglied. (Die Satzglied-Suche ist nicht in jedem Paket enthalten.)
Es ist bereits eingestellt, dass wir in Alle Textpassagen im The Greek New Testament: SBL Edition in die Suche einbeziehen wollen. Wenn Sie z. B. nur die Parallelen bei Matthäus angezeigt bekommen wollen, können Sie das einfach ändern.
Die Suchformel
Mit der Satzglied-Suche können Sie auf einfache Weise nach Bibelversen suchen, die bestimmte Kriterien erfüllen. Die angezeigten Beispiele sind hier derzeit leider noch auf Englisch zu sehen. Wenn Sie allerdings auf Hilfe zur Suche: Logos Hilfe klicken, werden Ihnen die Suchbegriffe in deutscher Sprache angezeigt und erklärt.
Im Rahmen unseres Anliegens interessieren wir uns für Bibelverse, die drei Kriterien erfüllen.
- Jesus soll der Handelnde sein (also das Subjekt). Das wird in der Satzglied-Suche so dargestellt: Subjekt:Jesus.
- Das Hauptverb des Satzes soll dem in Mt 5,1 entsprechen, also sehen. Um alle Formen des Verbs in die Suche einzubeziehen, brauchen wir das zu Grunde liegende Lemma, also die Grundform des Verbs. Das Lemma finden Sie, indem Sie mit der rechten Maustaste auf das Verb im Grundtext klicken. Achten Sie hier auf das Kreissymbol neben dem griechischen Wort.
Hier wird von Logos εἶδον angezeigt. Das mag Sie überraschen, da hier normalerweise ein Verb in der Präsenz-Form steht und εἶδον als Aorist des unregelmäßigen Verbs ὁράω gilt. Das blenden wir für den Moment allerdings aus. Um nach allen Formen des Verbs εἶδον zu suchen, müssen Sie folgendes eingeben: Verb-Lemma:εἶδον. Wenn Sie ganz sicher sein wollen, dass sie nicht nur die Aorist-Formen finden wollen, können sie stattdessen auch allen Hauptverben einbeziehen, die auf die Wurzel ὁράω zurückgehen. Das können Sie, indem sie Verb-Wurzel:οραω eingeben.
3. Als letztes Kriterium soll gelten, dass die Volksmenge (gr. ὄχλος) das Objekt ist. Das geht folgendermaßen: Objekt-Lemma:ὄχλος.
Für die endgültige Abfrage müssen Sie die drei Elemente mit UND verknüpfen, also: Subjekt:Jesus UND Verb-Lemma:εἶδον UND Objekt-Lemma:ὄχλος.[1]
Das lernen wir aus den Parallelen
Außer den beiden bereits bekannten Versen zeigt das Suchergebnis drei weitere Verse bei Matthäus an und zwei bei Markus.
Mt 8,18 weist tatsächlich enge Parallelen zu 5,1 und 9,36 auf. Das gleiche, schon beobachtete Muster taucht hier wieder auf:
(1) Es gehen Heilungen voraus (8,16f).
(2) Jesus hat den Blick für die Not der Menschen (8,18).
(3) Jesus reagiert darauf, indem er etwas über Jüngerschaft lehrt. Jesus spricht hier nicht direkt die Jünger an, aber es ist naheliegend, dass sie dabei waren (8,23). In seinem hervorragenden Kommentar zum Matthäusevangelium fasst Osborne die Botschaft der Verse folgendermaßen zusammen:
„Here Jesus replicates 5:1 in his apparent desire to get away from the crowds. His interest is in discipleship rather than evangelism at this point.“[2]
Mt 9,23 scheint für unsere Zwecke uninteressant. Die Volksmenge ist beim Haus von Jairus versammelt, um den Tod von Jairus’ Tochter zu beweinen, nicht um Jesus zu sehen.
Mt 14,14 ist schon interessanter. Die Volksmenge hört, dass Jesus in der Nähe ist, und kommt, ihn zu sehen (14,13). Jesus begegnet ihrer Not, indem er viele heilt (14,14) und alle mit Nahrung versorgt (14,15–21). In der Brotvermehrung nimmt Jesus sich ganz offensichtlich direkt der Not der Menschen an. Sie wird allerdings auch eine Lektion für die Jünger. Er fordert sie in ihrem Glauben heraus und versorgt die Volksmenge durch ihre Hände (vgl. 16,9).
Mk 6,34 gibt den Bericht von Markus zur Brotvermehrung wieder. Der Unterschied ist im Wesentlichen der, dass Matthäus vorangehend die Heilungen betont, Markus die Predigt von Jesus. Die beiden Evangelisten legen hier einen anderen Fokus, ohne dass man daraus einen Widerspruch konstruieren muss. Wie Matthäus macht Markus jedenfalls deutlich, dass Jesus sich der Not der Volksmenge direkt annimmt. Zudem beabsichtigt Jesus, seine Jünger zu lehren (vgl. 6,32).
Mk 9,14 berichtet, wie Jesus nach seiner Verklärung mit Petrus, Johannes und Jakobus zu seinen übrigen Jüngern stößt. Die Volksmenge ist um die Jünger versammelt und einer von ihnen bittet sie um die Heilung seines Sohnes. Den Jüngern gelingt es nicht, ihn zu heilen. Jesus greift ein und vollbringt die Heilung (9,25–27). Wieder begegnet Jesus der Not, wieder wird daraus zugleich eine Lektion für seine Jünger (9,28f).
Schlussfolgerung
Die Untersuchung der weiteren Parallelstellen bestätigt das Ergebnis der ersten beiden. Während Jesus heilte, predigte und die Menschen in ihrer Not versorgte, war er immer stark darauf bedacht, diejenigen auszubilden, die diesen Auftrag nach seinem Tod in der Kraft seines Geistes weiterführen sollten. Immer wieder zog er sich von den Volksmengen zurück, um seine Jünger zu lehren. Selbst in Situationen, wo er sich vordergründig den Volksmengen widmete, lehrte er dadurch seine Jünger. Das ist auch die Absicht der Bergpredigt.
Während seines gesamten Dienstes hatte Jesus die Ausbildung der Menschen im Blick, die er eines Tages aussenden würde (Mk 3,14). Und auch seinen Jüngern legte er dieses Anliegen ans Herz (Mt 28,18–20; vgl. Eph 4,11f; 2Tim 2,2). Die Anfrage, die an uns geht: Lassen wir uns dadurch persönlich herausfordern, der Not der Menschen zu begegnen, indem wir andere dazu befähigen, dabei mitzuhelfen?
Eine Einladung
Der Beitrag hat gezeigt, wie Sie mithilfe der Suchfunktion von Logos arbeiten können, um ein biblisches Thema selbstständig zu erforschen. Ich möchte Sie herzlich einladen, hier selbst anzuknüpfen und weiterzuarbeiten.
[1] Die Anfrage Subjekt:Jesus UND Verb-Wurzel:οραω UND Objekt-Lemma:ὄχλος führt im übrigen zu den exakt gleichen Ergebnissen. Offensichtlich wird das Verb in diesem Zusammenhang nur im Aorist verwendet.
[2] Grant R. Osborne, Matthew, Zondervan Exegetical Commentary on the New Testament, Bd. 1 (Grand Rapids, MI: Zondervan, 2010), 304.
Danke für diesen Post. Daran kann ich mich orientieren, wenn ich meinen Studenten Logos zeige, sind doch einige wesentliche Funktionen abgedeckt und es ist nicht nur eine Vorführung, sondern an einem Ziel orientiert.
Vielen Dank für den Kommentar, das freut mich!
Grüße,
Jakob
Gibt es irgendwelche anderen Themen in der Art, die euch interessieren?
Gibt es in Deutschland Logos Bible Software Training?
Was wir auf Anfrage gerne anbieten, ist Skype-Training. Vor Ort ist etwas kompliziert, weil wir ja an der US-Westküste sitzen. Aber wenn wir mal wieder in Deutschland auf Konferenzen unterwegs sind – wer weiß, vielleicht findet sich ein Termin?