Die übersehenen Zuhörer der Bergpredigt

Von Jakob Haddick

Bergpredigt, Bibel, Tipps
Mai 9, 2017

Jesu gewaltigste Rede aller Zeiten

Die Berg­pre­digt (Mt 5–7) ist die wohl bekann­tes­te Pre­digt von Jesus. Die­se Pre­digt hält Jesus vor einer Volks­men­ge, die ihm gefolgt ist. Doch ein inter­es­san­tes Detail über­se­hen wir beim Lesen der Berg­pre­digt häu­fig: Im engs­ten Kreis sei­ner Zuhö­rer sit­zen zuvor­derst Jesu Jünger.

Mit­hil­fe der Such­funk­ti­on von Logos möch­te ich zei­gen, dass sich die­ses Detail als Mus­ter durch die Evan­ge­li­en zieht. Anhand der Ergeb­nis­se kön­nen wir anschlie­ßend kon­kre­te Schlüs­se dar­aus zie­hen. Der fol­gen­de Bei­trag soll zei­gen, wie Sie sol­che Erkennt­nis­se in Logos auch selbst gewin­nen kön­nen, und er möch­te Sie dazu moti­vie­ren, selbst zu forschen.

Was lernen wir aus Parallelstellen und wie finden wir sie?

Bei sei­ner Berg­pre­digt hat­te Jesus vie­le Zuhö­rer, das macht Mat­thä­us am Ende deut­lich (7,28). Trotz­dem ist die Berg­pre­digt zuerst auch eine Bot­schaft an sei­ne Jün­ger (5,1f.). Aber was beab­sich­tigt Jesus mit sei­nen Jüngern?

Der Aus­lö­ser der Berg­pre­digt ist doch Jesus’ Blick auf die Volks­men­ge: „Als er aber die Volks­men­gen sah …“ (gr. Ἰδὼν δὲ τοὺς ὄχλους). Wo ist der Zusammenhang?

Man kann dar­über mut­ma­ßen, die Fra­ge lädt aber gera­de­zu dazu ein, der Sache tie­fer auf den Grund zu gehen. Da eine Unter­su­chung des direk­ten Kon­texts kei­ne wei­te­ren Erkennt­nis­se zuta­ge för­dert, suchen wir in einem zwei­ten Schritt nach Parallelstellen.

In den meis­ten Fäl­len fin­den wir die­se ein­fach im Text­ab­schnitt-Assis­ten­ten. Aber an die­ser Stel­le ist die For­mu­lie­rung im grie­chi­schen Text ist in logi­scher Hin­sicht so unge­wöhn­lich, dass sich die Fra­ge stellt, ob wir das­sel­be Mus­ter auch an ande­ren Stel­len fin­den können.

Tat­säch­lich lässt sich über die Such­funk­ti­on von Logos schnell ermit­teln, dass die­ser Satz­teil genau so nur noch ein wei­te­res Mal vor­kommt, und zwar in Mt 9,36.

Gehen Sie dazu fol­gen­der­ma­ßen vor. (1) Mar­kie­ren Sie den Satz­teil ihrem grie­chi­schen Neu­en Tes­ta­ment. (2) Öff­nen Sie mit der rech­ten Maus­tas­te das Kon­text­me­nü. (3) Rechts soll­te der aus­ge­wähl­te Text mar­kiert sein, links wäh­len Sie den Menü­punkt „Durch­su­chen: die­ses Werk“.

Suchen mit Markierungen in Logos Bibelsoftware

Mt 9,35–38 lei­tet Jesus’ zwei­te gro­ße Rede im Mat­thä­us­evan­ge­li­um ein, die Aus­sen­dungs­re­de. In 9,36 bekom­men wir einen Ein­blick in das Herz von Jesus. Er sah die Not der Volks­men­gen, „weil sie erschöpft und ver­schmach­tet waren wie Scha­fe, die kei­nen Hir­ten haben.“ Jesus wur­de inner­lich bewegt.

Ver­gleicht man Mt 5,1 und 9,36 mit­ein­an­der, wer­den meh­re­re Par­al­le­len deutlich.

  1. In bei­den Fäl­len gehen Hei­lun­gen vor­aus (4,23f; 9,32f).
  2. In bei­den Fäl­len hat Jesus den Blick für die Not der Men­schen (5,1; 9,36). Im Gegen­satz zu 5,1 wird in 9,36 expli­zit von der Not gespro­chen. Aber auch in 5,1 reagiert er auf das Volk und es ist anzu­neh­men, dass er auf ihre Not reagiert.
  3. In bei­den Fäl­len reagiert Jesus dar­auf, indem er die Jün­ger lehrt (5,1b; 9,39).

Wäh­rend Jesus in Isra­el wirk­te, heil­te er Men­schen von Krank­hei­ten, befrei­te sie von Dämo­nen und sprach Sün­den­ver­ge­bung zu. Der Schlüs­sel dafür, der Not nach­hal­tig zu begeg­nen, lag für ihn aber dar­in, sei­ne Jün­ger aus­zu­rüs­ten. Die Jün­ger sind jetzt wie­der­um auf­ge­for­dert, der Not der Men­schen zu begegnen.

Suche nach Parallelen: Satzglied-Suche

Die bei­den genann­ten Ver­se sind die ein­zi­gen, in denen genau die­ser Satz­teil vor­kommt. Aber natür­lich kön­nen zwei Ver­se kein abschlie­ßen­des Bild dar­über ver­mit­teln, wie Jesus den Men­schen begeg­net ist. Die Satz­glied-Suche eig­net sich dazu, wei­te­re rele­van­te Par­al­lel­stel­len zu fin­den. Im bereits geöff­ne­ten Such­feld kli­cken Sie dazu auf das Feld Satz­glied. (Die Satz­glied-Suche ist nicht in jedem Paket enthalten.)

Es ist bereits ein­ge­stellt, dass wir in Alle Text­pas­sa­gen im The Greek New Tes­ta­ment: SBL Edi­ti­on in die Suche ein­be­zie­hen wol­len. Wenn Sie z. B. nur die Par­al­le­len bei Mat­thä­us ange­zeigt bekom­men wol­len, kön­nen Sie das ein­fach ändern.

Die Suchformel

Mit der Satz­glied-Suche kön­nen Sie auf ein­fa­che Wei­se nach Bibel­ver­sen suchen, die bestimm­te Kri­te­ri­en erfül­len. Die ange­zeig­ten Bei­spie­le sind hier der­zeit lei­der noch auf Eng­lisch zu sehen. Wenn Sie aller­dings auf Hil­fe zur Suche: Logos Hil­fe kli­cken, wer­den Ihnen die Such­be­grif­fe in deut­scher Spra­che ange­zeigt und erklärt.

Im Rah­men unse­res Anlie­gens inter­es­sie­ren wir uns für Bibel­ver­se, die drei Kri­te­ri­en erfüllen.

  1. Jesus soll der Han­deln­de sein (also das Sub­jekt). Das wird in der Satz­glied-Suche so dar­ge­stellt: Subjekt:Jesus.
  2. Das Haupt­verb des Sat­zes soll dem in Mt 5,1 ent­spre­chen, also sehen. Um alle For­men des Verbs in die Suche ein­zu­be­zie­hen, brau­chen wir das zu Grun­de lie­gen­de Lem­ma, also die Grund­form des Verbs. Das Lem­ma fin­den Sie, indem Sie mit der rech­ten Maus­tas­te auf das Verb im Grund­text kli­cken. Ach­ten Sie hier auf das Kreis­sym­bol neben dem grie­chi­schen Wort.

Wortformen in Logos Bibelsoftware herausfinden

Hier wird von Logos εἶδον ange­zeigt. Das mag Sie über­ra­schen, da hier nor­ma­ler­wei­se ein Verb in der Prä­senz-Form steht und εἶδον als Aorist des unre­gel­mä­ßi­gen Verbs ὁράω gilt. Das blen­den wir für den Moment aller­dings aus. Um nach allen For­men des Verbs εἶδον zu suchen, müs­sen Sie fol­gen­des ein­ge­ben: Verb-Lemma:εἶδον. Wenn Sie ganz sicher sein wol­len, dass sie nicht nur die Aorist-For­men fin­den wol­len, kön­nen sie statt­des­sen auch allen Haupt­ver­ben ein­be­zie­hen, die auf die Wur­zel ὁράω zurück­ge­hen. Das kön­nen Sie, indem sie Verb-Wurzel:οραω eingeben.

3. Als letz­tes Kri­te­ri­um soll gel­ten, dass die Volks­men­ge (gr. ὄχλος) das Objekt ist. Das geht fol­gen­der­ma­ßen: Objekt-Lemma:ὄχλος.

Für die end­gül­ti­ge Abfra­ge müs­sen Sie die drei Ele­men­te mit UND ver­knüp­fen, also: Subjekt:Jesus UND Verb-Lemma:εἶδον UND Objekt-Lemma:ὄχλος.[1]

Satzgliedsuche Zuhörer Bergpredigt

Das lernen wir aus den Parallelen

Außer den bei­den bereits bekann­ten Ver­sen zeigt das Such­ergeb­nis drei wei­te­re Ver­se bei Mat­thä­us an und zwei bei Markus.

Mt 8,18 weist tat­säch­lich enge Par­al­le­len zu 5,1 und 9,36 auf. Das glei­che, schon beob­ach­te­te Mus­ter taucht hier wie­der auf:

(1) Es gehen Hei­lun­gen vor­aus (8,16f).

(2) Jesus hat den Blick für die Not der Men­schen (8,18).

(3) Jesus reagiert dar­auf, indem er etwas über Jün­ger­schaft lehrt. Jesus spricht hier nicht direkt die Jün­ger an, aber es ist nahe­lie­gend, dass sie dabei waren (8,23). In sei­nem her­vor­ra­gen­den Kom­men­tar zum Mat­thä­us­evan­ge­li­um fasst Osbor­ne die Bot­schaft der Ver­se fol­gen­der­ma­ßen zusammen:

Here Jesus repli­ca­tes 5:1 in his appa­rent desi­re to get away from the crowds. His inte­rest is in disci­ple­ship rather than evan­ge­lism at this point.“[2]

Mt 9,23 scheint für unse­re Zwe­cke unin­ter­es­sant. Die Volks­men­ge ist beim Haus von Jai­rus ver­sam­melt, um den Tod von Jai­rus’ Toch­ter zu bewei­nen, nicht um Jesus zu sehen.

Mt 14,14 ist schon inter­es­san­ter. Die Volks­men­ge hört, dass Jesus in der Nähe ist, und kommt, ihn zu sehen (14,13). Jesus begeg­net ihrer Not, indem er vie­le heilt (14,14) und alle mit Nah­rung ver­sorgt (14,15–21). In der Brot­ver­meh­rung nimmt Jesus sich ganz offen­sicht­lich direkt der Not der Men­schen an. Sie wird aller­dings auch eine Lek­ti­on für die Jün­ger. Er for­dert sie in ihrem Glau­ben her­aus und ver­sorgt die Volks­men­ge durch ihre Hän­de (vgl. 16,9).

Mk 6,34 gibt den Bericht von Mar­kus zur Brot­ver­meh­rung wie­der. Der Unter­schied ist im Wesent­li­chen der, dass Mat­thä­us vor­an­ge­hend die Hei­lun­gen betont, Mar­kus die Pre­digt von Jesus. Die bei­den Evan­ge­lis­ten legen hier einen ande­ren Fokus, ohne dass man dar­aus einen Wider­spruch kon­stru­ie­ren muss. Wie Mat­thä­us macht Mar­kus jeden­falls deut­lich, dass Jesus sich der Not der Volks­men­ge direkt annimmt. Zudem beab­sich­tigt Jesus, sei­ne Jün­ger zu leh­ren (vgl. 6,32).

Mk 9,14 berich­tet, wie Jesus nach sei­ner Ver­klä­rung mit Petrus, Johan­nes und Jako­bus zu sei­nen übri­gen Jün­gern stößt. Die Volks­men­ge ist um die Jün­ger ver­sam­melt und einer von ihnen bit­tet sie um die Hei­lung sei­nes Soh­nes. Den Jün­gern gelingt es nicht, ihn zu hei­len. Jesus greift ein und voll­bringt die Hei­lung (9,25–27). Wie­der begeg­net Jesus der Not, wie­der wird dar­aus zugleich eine Lek­ti­on für sei­ne Jün­ger (9,28f).

Schlussfolgerung

Die Unter­su­chung der wei­te­ren Par­al­lel­stel­len bestä­tigt das Ergeb­nis der ers­ten bei­den. Wäh­rend Jesus heil­te, pre­dig­te und die Men­schen in ihrer Not ver­sorg­te, war er immer stark dar­auf bedacht, die­je­ni­gen aus­zu­bil­den, die die­sen Auf­trag nach sei­nem Tod in der Kraft sei­nes Geis­tes wei­ter­füh­ren soll­ten. Immer wie­der zog er sich von den Volks­men­gen zurück, um sei­ne Jün­ger zu leh­ren. Selbst in Situa­tio­nen, wo er sich vor­der­grün­dig den Volks­men­gen wid­me­te, lehr­te er dadurch sei­ne Jün­ger. Das ist auch die Absicht der Bergpredigt.

Wäh­rend sei­nes gesam­ten Diens­tes hat­te Jesus die Aus­bil­dung der Men­schen im Blick, die er eines Tages aus­sen­den wür­de (Mk 3,14). Und auch sei­nen Jün­gern leg­te er die­ses Anlie­gen ans Herz (Mt 28,18–20; vgl. Eph 4,11f; 2Tim 2,2). Die Anfra­ge, die an uns geht: Las­sen wir uns dadurch per­sön­lich her­aus­for­dern, der Not der Men­schen zu begeg­nen, indem wir ande­re dazu befä­hi­gen, dabei mitzuhelfen?

Eine Einladung

Der Bei­trag hat gezeigt, wie Sie mit­hil­fe der Such­funk­ti­on von Logos arbei­ten kön­nen, um ein bibli­sches The­ma selbst­stän­dig zu erfor­schen. Ich möch­te Sie herz­lich ein­la­den, hier selbst anzu­knüp­fen und weiterzuarbeiten.


[1] Die Anfra­ge Subjekt:Jesus UND Verb-Wurzel:οραω UND Objekt-Lemma:ὄχλος führt im übri­gen zu den exakt glei­chen Ergeb­nis­sen. Offen­sicht­lich wird das Verb in die­sem Zusam­men­hang nur im Aorist verwendet.

[2] Grant R. Osbor­ne, Matthew, Zon­der­van Exege­ti­cal Com­men­ta­ry on the New Tes­ta­ment, Bd. 1 (Grand Rapids, MI: Zon­der­van, 2010), 304.


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Jakob Haddick

Über den Autor

Jakob Haddick ist Gemeindepastor der Christlichen Gemeinde Freimersheim und Mitglied im Leitungsteam beim Gemeinde-Netzwerk Evangelium für Alle. Dort ist er verantwortlich für nebenberufliche theologische Schulungsarbeit. Privat bloggt er auf jakobhaddick.de.

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  1. Dan­ke für die­sen Post. Dar­an kann ich mich ori­en­tie­ren, wenn ich mei­nen Stu­den­ten Logos zei­ge, sind doch eini­ge wesent­li­che Funk­tio­nen abge­deckt und es ist nicht nur eine Vor­füh­rung, son­dern an einem Ziel orientiert.

    1. Was wir auf Anfra­ge ger­ne anbie­ten, ist Sky­pe-Trai­ning. Vor Ort ist etwas kom­pli­ziert, weil wir ja an der US-West­küs­te sit­zen. Aber wenn wir mal wie­der in Deutsch­land auf Kon­fe­ren­zen unter­wegs sind – wer weiß, viel­leicht fin­det sich ein Termin?

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