Warum die Menge-Bibel in keiner Bibliothek fehlen sollte

Von Philipp Keller

Bibel, review
September 3, 2014

Kommt die Fra­ge nach einer guten, genau­en deut­schen Über­set­zung auf, wer­den meist Luther, Elber­fel­der und Schlach­ter genannt. Men­ge steht da häu­fig im Abseits. Zu Unrecht!

Dies ist Teil 3 unse­rer Mini­rei­he über die Men­ge-Bibel. Im Teil 1 ging es um die Bio­gra­phie Men­ges, im Teil 2 haben Ben­ja­min Mis­ja und ich die Über­set­zung auf Herz und Nie­ren geprüft, und heu­te ver­su­che ich Sie davon zu über­zeu­gen, wie­so die Men­ge-Bibel in Ihrer Logos-Biblio­thek nicht feh­len sollte.

Im vor­he­ri­gen Bei­trag haben wir schon gezeigt, dass Men­ge oft eine über­ra­schend ver­ständ­li­che Über­set­zung gelun­gen ist, ohne dabei wesent­li­che Bau­stei­ne des Urtexts aus­zu­las­sen. Es gibt aber noch wei­te­re Vor­zü­ge der Men­ge-Über­set­zung gegen­über ande­ren deutsch­spra­chi­gen Bibeln.

Übri­gens gibt es die Men­ge-Bibel auch in unse­rem Store zu kau­fen… 

1. Ihre Gliederung vermittelt Zusammenhänge

Die Men­ge-Bibel ent­stand in Men­ges pri­va­tem Stu­di­um des Urtex­tes. Wie­der und wie­der las er den Bibel­text und ver­such­te dabei auch, die Zusam­men­hän­ge zwi­schen den ein­zel­nen Ver­sen und Abschnit­ten zu ver­ste­hen. Die­se Erkennt­nis­se hat er in die Glie­de­rung ein­flie­ßen las­sen. Die­se ist bei Men­ge außer­ge­wöhn­lich aus­führ­lich aus­ge­fal­len und sucht ihres­glei­chen in ande­ren Über­set­zun­gen. Die Glie­de­rung ist mehr­stu­fig und liest sich wie eine wis­sen­schaft­li­che Arbeit.

Römer 1:18 zum Bei­spiel steht unter fol­gen­der Gliederung:

I. Die Gottesgerechtigkeit aus dem Glauben an Jesus Christus (1,18–8,39)  
    A. Die Heilsbedürftigkeit der gesamten Menschheit (1,18–3,20)  
        1. Gottes Zorn über die von ihm abgefallene Heidenwelt  
            a) Die Sündenschuld (besonders der Götzendienst) des gesamten Heidentums

Daher eig­net sich die Men­ge-Über­set­zung, um Zusam­men­hän­ge zwi­schen Abschnit­ten schnell zu erfas­sen – ohne lan­ge Kom­men­ta­re lesen zu müssen.

2. Ihre Genauigkeit bei Lehrtexten

Her­mann Men­ge war ein vor­sich­ti­ger Mann. Vor allen Din­gen streb­te er eine feh­ler­lo­se Über­set­zung an. Bis zu sei­nem Lebens­en­de arbei­te­te er an einer wei­te­ren Revi­sio­nen sei­ner Gesamt­aus­ga­be. Über die­sen Lebens­ab­schnitt wird fol­gen­des berichtet:

Wie eine schwe­re Last läge mor­gens beim Erwa­chen oft stun­den­lang eine gros­se Betrüb­nis auf ihm, dass in sei­ner ers­ten Über­set­zung ja noch so vie­le Feh­ler sei­en und dass er dadurch den Lesern etwas Fal­sches mit­ge­teilt habe. [aus “der Bibel­über­set­zer Her­mann Men­ge”]

Vor allem in Lehr­tex­ten war Men­ge vor­sich­tig: In den Brie­fen, Pro­phe­ten und der Offen­ba­rung ist er beson­ders nahe am Urtext geblie­ben, hat alle Zusät­ze in Klam­mern gesetzt und hat vie­le alter­na­ti­ve Über­set­zun­gen und Erklä­run­gen angeführt.

Als Bei­spiel Römer 3:24:

…so wer­den sie umsonst (oder: geschenk­wei­se = ohne eige­nes Ver­dienst) durch sei­ne Gna­de gerecht­fer­tigt ver­mö­ge (oder: auf­grund) der Erlö­sung, die in Chris­tus Jesus (erfolgt) ist.

Bei die­ser Stel­le han­delt es sich um eines der extre­me­ren Bei­spie­le. Im Durch­schnitt setzt Men­ge in den Brie­fen und der Offen­ba­rung 1.2 Klam­mern pro Vers. Beim zügi­gen Lesen kann das stö­rend wir­ken. Und auch beim Vor­le­sen im Got­tes­dienst ist es hinderlich.

Er führt alter­na­ti­ve Über­set­zun­gen stets auf – ver­merkt mit “(oder: …)”. An unkla­ren Stel­len erläu­tert er: Zusätz­li­che Wör­ter ver­merkt er mit (…), eige­ne Deu­tun­gen mit (=…). Daher hat man bei der Men­ge-Bibel sozu­sa­gen Wör­ter­buch und Inter­pre­ta­ti­on gleich in den Text ein­ge­baut. Es wirkt zwar etwas selt­sam, dass die Anmer­kun­gen in der Men­ge-Bibel im Text sicht­bar sind, und nicht – wie etwa in der Elber­fel­der – in die Fuß­no­ten aus­ge­la­gert wur­den. Liest man die Men­ge-Bibel aber als Sekun­där­text, um die Über­set­zung einer ande­ren Bibel zu prü­fen oder zu ver­tie­fen, dann eig­net sich die Men­ge-Bibel aus­ge­zeich­net. Denn in die­sem Fall will man nicht immer zwi­schen Text und Fuß­no­ten hin- und herwechseln.

Für das Bibel­stu­di­um bie­tet die Men­ge-Bibel sogar noch mehr Anmer­kun­gen als die Elber­fel­der Über­set­zung (Vers-Ver­wei­se sind nicht mitgezählt):

Men­ge Elber­fel­der
Röm 1 35 Anmer­kun­gen (27 Klam­mern im Text, 8 Fußnoten) 23 Anmer­kun­gen (3 ecki­ge Klam­mern im Text, 20 Fußnoten)
Gal 5 14 Anmer­kun­gen (13 Klam­mern im Text, 1 Fußnote) 11 Anmer­kun­gen (4 ecki­ge Klam­mern, 7 Fußnoten)

3. Lebendige Schilderung von Berichten

Am bes­ten gefällt mir aber an Men­ge zwei­fels­frei, wie er Erzähl­tex­te über­setzt. Im Ver­gleich zu den Brie­fen ent­hal­ten die Evan­ge­li­en und Apos­tel­ge­schich­te weit weni­ger Klam­mer-Anmer­kun­gen (im Durch­schnitt nur in jedem zwei­ten Vers). Und was hier ganz spe­zi­ell her­vor­sticht, ist, wie Men­ge es ver­stand, die­se Berich­te zum Leben zu erwe­cken. Schon im letz­ten Bei­trag haben wir Men­ges Händ­chen für nicht zu freie, aber sinn­ge­treue Über­set­zun­gen beschrie­ben. Nach mei­ner Ein­schät­zung hat Men­ge die bild­haf­tes­te Spra­che unter den deut­schen Über­set­zun­gen. Als ich z.B. die Bekeh­rungs­ge­schich­te von Kor­ne­li­us in Apg. 10 las, wur­de die Geschich­te auf eine Wei­se leben­dig, wie ich es sel­ten erlebt habe. Hier ein Vers aus der Geschich­te (Apg. 10:17):

Men­ge Elber­fel­der Luther
Als nun Petrus sich nicht zu erklä­ren wuß­te, was die Erschei­nung, die er gese­hen hat­te, zu bedeu­ten habe, sie­he, da stan­den die Män­ner, die von Kor­ne­li­us abge­sandt wor­den waren und das Haus Simons aus­fin­dig gemacht hat­ten, am Toreingang; Als aber Petrus bei sich selbst in Ver­le­gen­heit war, was wohl die­se Erschei­nung bedeu­ten möch­te, die er gese­hen hat­te, sie­he, da stan­den die Män­ner, die von Kor­ne­li­us gesandt waren und Simons Haus erfragt hat­ten, vor dem Tor; Als aber Petrus noch rat­los war, was die Erschei­nung bedeu­te, die er gese­hen hat­te, sie­he, da frag­ten die Män­ner, von Kor­ne­li­us gesandt, nach dem Haus Simons und stan­den an der Tür,

Luther über­setzt mit “rat­los”. Das fän­de ich nach heu­ti­gem Sprach­emp­fin­den dann tref­fend, wenn Petrus eine Ent­schei­dung tref­fen müss­te und unschlüs­sig wäre. Aber die Visi­on ver­lang­te Petrus kei­ne Ent­schei­dung ab. Nein, die Visi­on berei­te­te ihn auf das vor, was danach geschah.

Die Elber­fel­der über­setzt mit “Ver­le­gen­heit”. Auch das trifft es für heu­ti­ge Leser nicht mehr, denn es erweckt den Anschein, als erwar­te­te Gott von ihm, die Visi­on zu ver­ste­hen, obgleich Petrus dazu nicht im Stan­de war. So wie die Geschich­te auf­ge­baut ist, muss Petrus nicht ver­le­gen sein, denn es fehlt ihm noch ein wei­te­res Puz­zle-Teil, das er spä­ter bei der Aus­gie­ßung des Hei­li­gen Geis­tes auf die Hei­den erhal­ten wird (V. 44–47).

Men­ge über­setzt hier am tref­fends­ten: Er beschreibt, wie Petrus die Bedeu­tung der Visi­on noch „nicht zu erklä­ren wuss­te”, und berei­tet den Leser auf die Lösung des Rät­sels vor.

Im zwei­ten Teil des Ver­ses geht es dar­um, dass die Män­ner von Kor­ne­li­us am Tor­ein­gang ste­hen, nach­dem sie sich zuvor zum Haus von Petrus durch­ge­fra­gen hat­ten. Luther wech­selt in sei­nem Text den Hand­lungs­ort, näm­lich weg von Petrus’ Haus und hin zu den Män­nern, die danach suchen. Das stört den Erzähl­fluss. Das ist in der Men­ge- und der Elber­fel­der-Bibel bes­ser gelun­gen: Hier bleibt der Hand­lungs­ort immer bei Petrus, der Haupt­per­son der Geschichte.

Ins­ge­samt hilft mir Men­ges Über­set­zung, in die Erzäh­lun­gen hin­ein­zu­tau­chen, als wäre ich selbst am Ort des Gesche­hens. Es ist gewal­tig! Eben­so gut über­setzt sind übri­gens die Erzäh­lun­gen des Alten Testaments.

4. Die Psalmen sind dramaturgisch aufbereitet

Genau­so gelun­gen ist die Über­set­zung der Psal­men. Die Psal­men haben häu­fig einen dra­ma­tur­gi­schen Auf­bau: sie beschrei­ben in bild­haf­ter Spra­che eine Situa­ti­on, um dann eine Bit­te oder ein Lob aus­zu­spre­chen. In die­ser Dra­ma­tur­gie gibt es ver­schie­de­ne Per­so­nen: Da ist der Beten­de, das Volk Isra­el, Isra­els Fein­de und da ist Gott.

Hier kommt wie­der­um Men­ges Fähig­keit zum Vor­schein, Situa­tio­nen so plas­tisch zu ver­mit­teln, dass man als Leser die Situa­ti­on der Beten­den regel­recht mit­er­le­ben kann. Das erlaubt mir, in den Psal­men mei­ne eige­nen Gefüh­le wie­der­zu­er­ken­nen und den Psalm zum eige­nen Gebet wer­den zu las­sen. Und genau dies ist das Ziel der Psalmen.

Im Ver­gleich zu Luther hält sich Men­ge in den Psal­men näher am Urtext. Ein Bei­spiel dazu ist Psalm 73 Ver­se 4+6

Men­ge Luther Elber­fel­der
4: Denn bis zu ihrem Tode lei­den sie kei­ne Schmerzen, Denn für sie gibt es kei­ne Qualen, Denn kei­ne Qua­len [haben sie bei] ihrem Tod, und
und wohl­ge­nährt ist ihr Leib; gesund und feist ist ihr Leib. wohl­ge­nährt ist ihr Leib.
6: Drum ist auch Hoch­mut ihr Halsgeschmeide, Dar­um pran­gen sie in Hoffart Des­halb umgibt sie Hoch­mut wie ein Halsgeschmeide,
und Gewalt­tat ist das Kleid, das sie umhüllt. und hül­len sich in Frevel. Gewalt­tat umhüllt sie wie ein Gewand.

Fazit

Die Über­set­zungs­me­tho­de Men­ges rich­te­te sich nach der Art des Tex­tes: Erzäh­lun­gen über­setz­te er flüs­sig und kom­mu­ni­ka­tiv, bei Lehr­tex­ten blieb er minu­ti­ös genau am Urtext und hat Über­set­zungs­va­ri­an­ten auf­ge­führt, Psal­men hat er genau aber doch dra­ma­tur­gisch geschickt gestaltet.

Die Men­ge-Bibel besticht durch ihre Lie­be für das Detail. Man merkt: Men­ge hat sehr viel Zeit in sei­ne Bibel inves­tiert. Luther und Schlach­ter hat­ten nach Fer­tig­stel­lung ihrer Über­set­zung sich wie­der der öffent­li­chen Ver­kün­di­gung des Worts zuge­wandt. Men­ge hin­ge­gen blieb an sei­nem Schreib­tisch und kor­ri­gier­te bis zu sei­nem Tod:

Eines Tages mach­te er sich sogar dar­an, die Psal­men eigen­hän­dig abzu­schrei­ben, weil er im Manu­skript so viel dar­in ver­bes­sert hat­te, dass sich die Set­zer beim Druck nicht zurecht­fin­den konn­ten. Auf die Fra­ge sei­ner Kin­der, wann er denn mit die­ser Arbeit fer­tig zu sein hof­fe, mein­te er: »O, wenn es auch lang­sam geht, so mer­ke ich doch nach vier Wochen, dass ich vor­wärts­ge­kom­men bin, und in einem Jahr hof­fe ich, damit fer­tig zu sein!« Aber bereits nach weni­gen Wochen hat­te er alles fein säu­ber­lich mit sei­ner kla­ren Hand­schrift abge­schrie­ben und schon wie­der ein ande­res Bibel­buch in Angriff genom­men [aus “der Bibel­über­set­zer Her­mann Men­ge”]

Die Men­ge-Bibel ist bei Logos ein­zeln oder als Teil der deut­schen Logos-6-Basis­pa­ke­te ab Sil­ber erhält­lich. Wir legen Ihnen den Kauf eines Basis­pa­kets für Ihr Bibel­stu­di­um wärms­tens ans Herz!


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Philipp Keller

Über den Autor

Das Wort Gottes nicht nur lesen, sondern auch bewundern. Das versucht Philipp selbst zu tun und andere dazu zu motivieren. Er ist Worship-Leiter und bloggt privat. Auf Twitter ist er erreichbar unter @philippkellr

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