Die Einheitsübersetzung ist eine Bibelausgabe, die immer etwas im Schatten der großen Bibelausgaben steht, aber die es trotzdem wert ist, beachtet zu werden.
Inhalt
Entstehung und Zielsetzung der Einheitsübersetzung
Bis ins Jahr 1965 genoss die lateinische Vulgata in der römisch-katholischen Kirche einen Vorrang vor anderen Bibelausgaben und wurde teilweise sogar als die eigentlich inspirierte Ausgabe der Heiligen Schrift angesehen (noch vor dem sogenannten „Urtext“). Das änderte sich nach dem Zweiten vatikanischen Konzil. Nun stand nicht nur der „Urtext“ wieder priorisiert an erster Stelle, es wurden – mit der Liturgiereform – auch volkssprachliche Bibeltexte zugelassen, wie auch die Liturgie nun in der Volkssprache gehalten werden durfte.
Das brachte die römische Kirche in Verlegenheit, weil es bis dato keine geeignete katholische deutsche Bibelübersetzung gab. So machte sich eine Kommission aus katholischen Theologen unter teilweise Hinzuziehung von evangelischen Theologen daran, eine „ökumenische“ Übersetzung zu erstellen. Nachdem zunächst nur das Neue Testament und die Psalmen herausgegeben wurden, war 1980 schließlich die ganze Bibel fertig, inklusive der Texte, die von der evangelischen Kirche als Apokryphen bezeichnet werden, aber zum Kanon der römisch-katholischen Kirche gehören. Trotz der Konzentration auf den Urtext ist die Vulgata nach wie vor maßgeblich für den Umgang mit kritischen Stellen. Das führte auch dazu, dass die EKD die Zusammenarbeit an der Revision aufkündigte.
Diese Revision wurde nach zehn Jahren im Jahr 2016 abgeschlossen und das Ergebnis am 6. Dezember 2016 veröffentlicht.
Ergebnis der Revision
Die Einheitsübersetzung ist die Übersetzung, die in der römisch-katholischen Liturgie verwendet wird. Sie ist damit die offizielle Bibelausgabe der römisch-katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum, ähnlich wie die Lutherbibel bei den evangelischen Landeskirchen. Wer also in der römisch-katholischen Kirche tätig ist, kommt an dieser Übersetzung nicht vorbei.
Denn die Einheitsübersetzung ist eindeutig eine Übersetzung, im Gegensatz zu den Übertragungen, die sich zuerst am Sprachgebrauch und dann erst an der Genauigkeit gegenüber dem „Urtext“ orientieren; die Übersetzungen haben umgekehrte Schwerpunkte. Trotzdem ist die Übersetzung gefällig, flüssig zu lesen.
Mir gefällt vor allem die Übersetzung der von evangelischer Seite sogenannten Apokryphen, welche eine der besten ist, die ich kenne. Häufig ist sie genauer als bei der Lutherbibel, sodass man, wenn man die Apokryphen im griechischen Text lesen will, in der Einheitsübersetzung eine nützlichere Hilfe finden wird als in der Lutherbibel. Zum Beispiel heißt es in der Septuaginta in Sirach 6,22:
σοφία γὰρ κατὰ τὸ ὄνομα αὐτῆς ἐστιν καὶ οὐ πολλοῖς ἐστιν φανερά.
Luther übersetzt hier:
Denn die Weisheit wird ihrem Namen gerecht, aber sie offenbart sich nur wenigen.
Die Einheitsübersetzung, genauer:
Denn die Weisheit ist wie ihr Name /und nicht vielen ist sie offenbar.
Es gibt aber auch Beispiele, bei denen in einem Vers im ersten Teil die Einheitsübersetzung genauer ist, im zweiten Teil die Lutherübersetzung: Der Septuaginta-Vers aus 1Makk 1,9 lautet beispielsweise:
καὶ ἐπέθεντο πάντες διαδήματα μετὰ τὸ ἀποθανεῖν αὐτὸν καὶ οἱ υἱοὶ αὐτῶν ὀπίσω αὐτῶν ἔτη πολλὰ καὶ ἐπλήθυναν κακὰ ἐν τῇ γῇ.
Luther:
Nach seinem Tod setzten sie sich die Krone auf und regierten mit ihren Nachkommen lange Zeit, und sie vermehrten die Schlechtigkeit auf Erden.
Die Einheitsübersetzung:
Nach seinem Tod setzten sich alle das Königsdiadem auf; ebenso hielten es ihre Nachkommen lange Zeit hindurch. Sie brachten großes Unglück über die Erde.
Man muss hier eingestehen, dass die Lutherbibel auch bei den Apokryphen besser geworden ist, sodass der Unterschied nicht mehr so deutlich ist.
An der Einheitsübersetzung ist aber auch heftige Kritik laut geworden, von der ich hier ein paar Stellen aus dem Internet anführen will:
Kritik an der Revision von 2017
Während einige Fehler, die sich in die Revision eingeschlichen hatten, schnell korrigiert wurden (beim Gleichnis von den beiden Söhnen wurde aus Versehen der zweite, der schließlich doch nicht gehorchte, als der bezeichnet, der das Richtige tat), gibt es bei anderen Stellen teilweise heftige Kritik. So wird bemängelt, dass in der Schöpfungsgeschichte „Adam“ nicht mehr genannt wird; stattdessen steht geschlechtsneutral „Mensch“. Auch die Tatsache, dass das Wort „Wunder“ durch „Machttaten“ ersetzt wurde, dies aber nicht konsequent, führte zu Kritik. Der katholische Jesuit Klaus Mertes kritisiert darüber hinaus weitere „Verschlimmbesserungen“ wie z. B., dass manche Zitate aus dem AT im NT anders übersetzt werden. Insgesamt empfiehlt er die Rücknahme der Revision.
Insgesamt ist sie aber anscheinend stilistisch besser und – interessanterweise – wieder mehr an die Lutherübersetzung angeglichen. Das wird beispielsweise augenfällig bei der Weihnachtsgeschichte, wo das griechische Ἐγένετο δὲ ἐν ταῖς ἡμέραις ἐκείναις, das Luther klassisch „Es begab sich aber zu der Zeit“ bei der Einheitsübersetzung von „In jenen Tagen“ zu „Es geschah aber in jenen Tagen“ umgewandelt wird. Bei Mt 16,18 bleibt die Abweichung zur Lutherbibel „werde ich meine Kirche bauen“ (Luther: Gemeinde, ebenso Elberfelder), aber aus den „Mächten der Unterwelt“ werden entsprechender zum Grundtext: „Pforten der Unterwelt“ (aber nicht „Pforten der Hölle“ wie bei Luther). Bernhard Lang schreibt in der Neuen Zürcher Zeitung vom 24.3.2017: „Wer als Protestant die neue Übersetzung aufschlägt, merkt kaum, dass es sich um eine katholische Bibel handelt.“ Nicht zuletzt deshalb, weil nun auch, wie bei Luther, der Gottesname wieder mit HERR wiedergegeben wird. Allerdings – und auch das ist mit Lang zu bemängeln – wird auch diese Revision gegendert, beim „Einschmuggeln der Schwestern“ (siehe mein Beitrag zur Lutherbibel 2017).
Fazit
Trotz der teilweise berechtigten Kritik an dieser Übersetzung halte ich diese „katholische“ Ausgabe für eine gute und zuverlässige Quelle für das Studium in Gottes Wort. Für solche, die weder Griechisch noch Hebräisch können, empfiehlt es sich sowieso, immer mehrere Bibeln, darunter die Elberfelder, nebeneinander zu legen, wenn man Gottes Wort studieren will. Hierbei kann die Einheitsübersetzung eine wertvolle Hilfe sein, weil sie insgesamt ein guter Kompromiss zwischen Genauigkeit und Lesbarkeit ist.
Die Einheitsübersetzung ist ab dem Logos 9 Bronze-Paket enthalten oder kann hier einzeln erworben werden.
Mittlerweile wurde die Einheitsübersetzung aufgewertet mit der Erweiterten Interlinearbibel zur Einheitsübersetzung (2017). Sie eröffnet eine neue Dimension des Bibelstudiums. Sie verknüpft die neue Einheitsübersetzung unmittelbar mit dem hebräischen und griechischen Grundtext. Damit können Sie die Übersetzung auf einen Blick nachvollziehen und mit Logos’ leistungsstarken exegetischen Werkzeugen wichtige Erkenntnisse über den Bibeltext gewinnen.