Wie jedes Jahr gibt es von uns zur Jahreslosung 2021 nicht nur eine Andacht und Predigtmeditation, sondern auch eine eigens designte Grafik, die Sie gerne als Folie für Präsentationen, als Desktop-Hintergrund oder als Mutmacher in den sozialen Netzwerken teilen dürfen. Das Licht brechende Prisma soll symbolisieren, dass der Jahreslosung 2021 zufolge unsere Taten das Handeln des Vaters wiederspiegeln sollen. Die Grafik finden Sie in der Logos-Mediathek unter „Jahreslosung 2021” oder hier zum Download.
Vielen Dank an Thomas Powilleit für seine anrührende Meditation zum Text aus Lukas 6,36.
Inhalt
Barmherzigkeit ist nicht mehr „in”
Diese Welt ist nicht barmherzig. Das merkt auch ein bekannter Entertainer. In einem Interview macht er deutlich: „Twitter ist sehr unbarmherzig, es werden Überschriften hin und her geworfen, man beschimpft sich gegenseitig, und versucht, Positionen möglichst zuzuspitzen”. Das gilt wohl auch für andere soziale Netzwerke, in denen Beschimpfungen und Diffamierungen an der Tagesordnung sind.
Wer sich für ein öffentliches Amt bewirbt, muss heute damit rechnen, dass seine Gegner irgendwelche Jugendsünden aus dem Internet ausgraben und ins Licht der Öffentlichkeit zerren. Barmherzigkeit? Fehlanzeige! In unserer Ellenbogengesellschaft geht es darum, sich durchzusetzen und andere auf die unteren Plätze zu verweisen. Dabei ist Barmherzigkeit wie eine Bremse und kein Turbo auf der Karriereleiter. Jeder ist sich selbst der Nächste. Für die Interessen des Anderen ist kaum Platz. Kalt, überfordernd, egoistisch und unbarmherzig zu sein, wird zunehmend gesellschaftsfähig. Filme wie „Der Unbarmherzige” (2019) oder Bücher wie „Unbarmherzig” (2019) verkaufen sich gut.
Barmherzigkeit ist Gottes Herausforderung
Mitten in diesen Egoismus-Hype hinein, ruft Jesus: Seid barmherzig, wie euer Vater barmherzig ist. (Lk 6,36) Barmherzig zu sein – das ist Gottes Kontrastprogramm. Es ist eine Charaktereigenschaft, die zu jedem gehören sollte, der unter Gottes Herrschaft lebt. Als Jesus in der Bergpredigt sein Reich proklamiert, gehört auf jeden Fall dazu: Selig sind die Barmherzigen! Das ist ein Thema, das Jesus immer wieder anspricht. Vielleicht, weil es so gar nicht zu unserem Betriebssystem gehört.
Jesus zeigt, wie man Barmherzigkeit leben kann
Jesus erzählt in Lk 10 von dem Mann, der auf dem Weg nach Jericho ausgeraubt wurde. Schwer verletzt lag er da. Dann hört er Schritte! Der Verletzte hat Hoffnung. Doch Fehlanzeige. Der Priester sieht ihn zwar, geht aber vorbei. Unterlassene Hilfeleistung! Unfassbar! Dann, wieder Hoffnung. Ein Tempeldiener sieht den Schwerverletzten. Doch der geht auch vorbei. Und dann kommt der Mann, der sich um den Verletzten kümmert. Ihn versorgt und in eine Herberge bringt. Jesus fragt: Wer war der Nächste dieses Ausgeraubten? Die korrekte Antwort heißt: Der die Barmherzigkeit an ihm tat. (Lk 10,37) Barmherzigkeit zu tun, heißt also, von der Not eines Menschen so sehr bewegt zu sein, dass man das tut, was man kann, um dem Fremden zu helfen. Barmherzigkeit ist also tätige Nächstenliebe. Wenn ich das verstanden habe, fordert Jesus mich heraus: Gehe hin und tue desgleichen (Lk 10,37), mache es also so wie dieser beispielhafte Samariter. Helfe Anderen in ihrer Not mit deiner Zeit, deinem Zuhören, deinem Geld, deinem Wissen und deiner Tatkraft.
Wenn ich als Christ Gottes Barmherzigkeit lebe, kann das zur menschlichen Klimaerwärmung beitragen. Vielleicht kann ich Andere anstecken, Gottes Barmherzigkeit zu verbreiten. Durch die Funktion „Wortstudie” zu Lk 6,36 erfährt man durch Logos, dass das hebräische Wort für „Barmherzigkeit” in der LXX auch mit den Gedanken an eine Gebärmutter zu tun hat. Bei Barmherzigkeit geht es also auch darum, jemanden zu versorgen, der hilflos ist, und ihm Nahrung, Wärme und Geborgenheit zu geben.
Jesus erzählt in Mt 18 aber auch von einem Mann, der nicht barmherzig war. Nennen wir ihn Ben. Seine eigenen Schulden waren unermesslich. Nach heutigem Wert bei einem deutschen Durchschnittseinkommen ca. 480 Millionen Euro. Ben war insolvent. Neben seinem gesamten Besitz sollten auch noch seine Frau und seine Kinder verkauft werden. Seine Existenz war zerstört. Ihm bleibt nur noch, seinen Gläubiger anzuflehen. Der ist barmherzig und erlässt ihm die Schuld. Völlig unerwartet. Dann begegnet Ben einem anderen Mann. Der schuldet ihm ca. 13.000 Euro. Ben würgt seinen Schuldner und setzt ihn unter Druck mit der Forderung: Bezahle deine Schulden. Der bittet um Barmherzigkeit, aber er bekommt nur Unbarmherzigkeit zu spüren, denn Ben lässt seinen Schuldner ins Gefängnis werfen. Wenig später bekommt es Ben wieder mit seinem eigenen Gläubiger zu tun: „Du böser Knecht! Deine ganze Schuld habe ich dir erlassen, weil du mich gebeten hast; hättest du dich da nicht auch erbarmen sollen über deinen Mitknecht, wie ich mich über dich erbarmt habe”? (Mt 18,32f)
Erbarmen und Barmherzigkeit gehört zusammen. Barmherzigkeit heißt also nicht nur, in der Not zu helfen, sondern auch, die Fehler und das Versagen des Anderen ihm nicht anzurechnen oder von berechtigten Forderungen abzusehen. Davon redet auch der Kontext, in dem die Jahreslosung steht. In Lk 6 geht es auch darum, andere nicht zu verurteilen und zu richten. Ich bin zur Barmherzigkeit herausgefordert, also mich in die Situation des Anderen hineinzudenken und mit ihm nachsichtig umzugehen. Ich soll mir bewusst sein: Was Jesus für mich getan hat, ist immer größer als das, was mir angetan wurde. Was Jesus mir vergeben hat, ist immer größer als das, was Andere mir schulden. Weil ich selbst Gottes Barmherzigkeit erlebt habe, kann ich diese Barmherzigkeit Gottes auch an andere weitergeben.
Eine aktuelle Möglichkeit, barmherzig zu sein
Ganz aktuell: Ich bin herausgefordert, barmherzig mit unseren Politikern umzugehen. Es ist leicht, ihre Unsicherheit im Umgang mit Covid 19 zu erkennen und ihre Fehler ins Scheinwerferlicht zu rücken. Barmherzig zu sein, heißt aber, für die Staatslenker zu beten und ihnen ihre Fehler nicht nachzutragen. Dass kann sehr herausfordernd sein, vor allem dann, wenn ihre Entscheidungen negative Folgen für meinen Alltag haben. Wie im Großen, so im Kleinen. Wenn Fehlentscheidungen von Menschen negative Folgen für mich haben, bin ich herausgefordert, nachsichtig zu sein. Das betrifft sicher nicht jede Schuld, die an mir begangen wurde. Aber auch wenn Schuld aufgearbeitet und vergeben werden muss – die Grundlage dafür ist ganz anders, wenn ich den Anderen mit barmherzigen Augen ansehe.
Gott selbst ist barmherzig
Zum Schluss die wichtigste Frage: Warum sollen wir überhaupt barmherzig sein? Die Antwort steht in der Jahreslosung 2021: Weil euer Vater barmherzig ist. Wenn ich also barmherzig bin, wird Gottes Charakter in meinem Leben sichtbar. Gott ist barmherzig und gnädig. (Ps 103,8) In dem Buch Hiob wird Gott uns auch als barmherzig und als ein Erbarmer vorgestellt. (Jak 5,11) Barmherzigkeit ist also Gottes Charakter und Handschrift. Dieser Gott will uns auch den Blick und die Kraft dazu geben, seine Barmherzigkeit zu leben. Barmherzigkeit wird in einer Welt auffallen, in der es menschlich kälter wird. Deshalb fordert Gott uns 2021 heraus: Seid nun barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist.
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Über den Autor: Thomas Powilleit ist Pastor der evangelischen Freikirche „Evangelium für Alle“ in Stuttgart (www.efa-stuttgart.de). Neben seinen Aufgaben dort ist er überörtlich vor allen Dingen im Rahmen des gleichnamigen Netzwerkes „Evangelium für Alle“ zu Seminaren und ausgewählten Einzelveranstaltungen unterwegs.
Es ist eine sehr ernüchternde und herausfordernde Botschaft, welche Jesus uns da zukommen lässt.
Ich weiß es wird schwierig, aber mit Gottes Hilfe ist es möglich aus der Schlinge der Unbarmherzigkeit auszubrechen.
GLG und Gottes reichen Segen
Roland