Jahreslosung 2021: Seid barmherzig! Eine Andacht von Thomas Powilleit

Von Thomas Powilleit

Homiletik, Predigt
Dezember 27, 2020

Wie jedes Jahr gibt es von uns zur Jah­res­lo­sung 2021 nicht nur eine Andacht und Pre­digt­me­di­ta­ti­on, son­dern auch eine eigens design­te Gra­fik, die Sie ger­ne als Folie für Prä­sen­ta­tio­nen, als Desk­top-Hin­ter­grund oder als Mut­ma­cher in den sozia­len Netz­wer­ken tei­len dür­fen. Das Licht bre­chen­de Pris­ma soll sym­bo­li­sie­ren, dass der Jah­res­lo­sung 2021 zufol­ge unse­re Taten das Han­deln des Vaters wie­der­spie­geln sol­len. Die Gra­fik fin­den Sie in der Logos-Media­thek unter „Jah­res­lo­sung 2021” oder hier zum Down­load.

Vie­len Dank an Tho­mas Powil­leit für sei­ne anrüh­ren­de Medi­ta­ti­on zum Text aus Lukas 6,36.

Barmherzigkeit ist nicht mehr „in”

Die­se Welt ist nicht barm­her­zig. Das merkt auch ein bekann­ter Enter­tai­ner. In einem Inter­view macht er deut­lich: „Twit­ter ist sehr unbarm­her­zig, es wer­den Über­schrif­ten hin und her gewor­fen, man beschimpft sich gegen­sei­tig, und ver­sucht, Posi­tio­nen mög­lichst zuzu­spit­zen”. Das gilt wohl auch für ande­re sozia­le Netz­wer­ke, in denen Beschimp­fun­gen und Dif­fa­mie­run­gen an der Tages­ord­nung sind.

Wer sich für ein öffent­li­ches Amt bewirbt, muss heu­te damit rech­nen, dass sei­ne Geg­ner irgend­wel­che Jugend­sün­den aus dem Inter­net aus­gra­ben und ins Licht der Öffent­lich­keit zer­ren. Barm­her­zig­keit? Fehl­an­zei­ge! In unse­rer Ellen­bo­gen­ge­sell­schaft geht es dar­um, sich durch­zu­set­zen und ande­re auf die unte­ren Plät­ze zu ver­wei­sen. Dabei ist Barm­her­zig­keit wie eine Brem­se und kein Tur­bo auf der Kar­rie­re­lei­ter. Jeder ist sich selbst der Nächs­te. Für die Inter­es­sen des Ande­ren ist kaum Platz. Kalt, über­for­dernd, ego­is­tisch und unbarm­her­zig zu sein, wird zuneh­mend gesell­schafts­fä­hig. Fil­me wie „Der Unbarm­her­zi­ge” (2019) oder Bücher wie „Unbarm­her­zig” (2019) ver­kau­fen sich gut.

Barmherzigkeit ist Gottes Herausforderung

Mit­ten in die­sen Ego­is­mus-Hype hin­ein, ruft Jesus: Seid barm­her­zig, wie euer Vater barm­her­zig ist. (Lk 6,36) Barm­her­zig zu sein – das ist Got­tes Kon­trast­pro­gramm. Es ist eine Cha­rak­ter­ei­gen­schaft, die zu jedem gehö­ren soll­te, der unter Got­tes Herr­schaft lebt. Als Jesus in der Berg­pre­digt sein Reich pro­kla­miert, gehört auf jeden Fall dazu: Selig sind die Barm­her­zi­gen! Das ist ein The­ma, das Jesus immer wie­der anspricht. Viel­leicht, weil es so gar nicht zu unse­rem Betriebs­sys­tem gehört.

Jesus zeigt, wie man Barmherzigkeit leben kann

Jesus erzählt in Lk 10 von dem Mann, der auf dem Weg nach Jeri­cho aus­ge­raubt wur­de. Schwer ver­letzt lag er da. Dann hört er Schrit­te! Der Ver­letz­te hat Hoff­nung. Doch Fehl­an­zei­ge. Der Pries­ter sieht ihn zwar, geht aber vor­bei. Unter­las­se­ne Hil­fe­leis­tung! Unfass­bar! Dann, wie­der Hoff­nung. Ein Tem­pel­die­ner sieht den Schwer­ver­letz­ten. Doch der geht auch vor­bei. Und dann kommt der Mann, der sich um den Ver­letz­ten küm­mert. Ihn ver­sorgt und in eine Her­ber­ge bringt. Jesus fragt: Wer war der Nächs­te die­ses Aus­ge­raub­ten? Die kor­rek­te Ant­wort heißt: Der die Barm­her­zig­keit an ihm tat. (Lk 10,37) Barm­her­zig­keit zu tun, heißt also, von der Not eines Men­schen so sehr bewegt zu sein, dass man das tut, was man kann, um dem Frem­den zu hel­fen. Barm­her­zig­keit ist also täti­ge Nächs­ten­lie­be. Wenn ich das ver­stan­den habe, for­dert Jesus mich her­aus: Gehe hin und tue des­glei­chen (Lk 10,37), mache es also so wie die­ser bei­spiel­haf­te Sama­ri­ter. Hel­fe Ande­ren in ihrer Not mit dei­ner Zeit, dei­nem Zuhö­ren, dei­nem Geld, dei­nem Wis­sen und dei­ner Tatkraft.

Wenn ich als Christ Got­tes Barm­her­zig­keit lebe, kann das zur mensch­li­chen Kli­ma­er­wär­mung bei­tra­gen. Viel­leicht kann ich Ande­re anste­cken, Got­tes Barm­her­zig­keit zu ver­brei­ten. Durch die Funk­ti­on „Wort­stu­die” zu Lk 6,36 erfährt man durch Logos, dass das hebräi­sche Wort für „Barm­her­zig­keit” in der LXX auch mit den Gedan­ken an eine Gebär­mut­ter zu tun hat. Bei Barm­her­zig­keit geht es also auch dar­um, jeman­den zu ver­sor­gen, der hilf­los ist, und ihm Nah­rung, Wär­me und Gebor­gen­heit zu geben.

Jesus erzählt in Mt 18 aber auch von einem Mann, der nicht barm­her­zig war. Nen­nen wir ihn Ben. Sei­ne eige­nen Schul­den waren uner­mess­lich. Nach heu­ti­gem Wert bei einem deut­schen Durch­schnitts­ein­kom­men ca. 480 Mil­lio­nen Euro. Ben war insol­vent. Neben sei­nem gesam­ten Besitz soll­ten auch noch sei­ne Frau und sei­ne Kin­der ver­kauft wer­den. Sei­ne Exis­tenz war zer­stört. Ihm bleibt nur noch, sei­nen Gläu­bi­ger anzu­fle­hen. Der ist barm­her­zig und erlässt ihm die Schuld. Völ­lig uner­war­tet. Dann begeg­net Ben einem ande­ren Mann. Der schul­det ihm ca. 13.000 Euro. Ben würgt sei­nen Schuld­ner und setzt ihn unter Druck mit der For­de­rung: Bezah­le dei­ne Schul­den. Der bit­tet um Barm­her­zig­keit, aber er bekommt nur Unbarm­her­zig­keit zu spü­ren, denn Ben lässt sei­nen Schuld­ner ins Gefäng­nis wer­fen. Wenig spä­ter bekommt es Ben wie­der mit sei­nem eige­nen Gläu­bi­ger zu tun: „Du böser Knecht! Dei­ne gan­ze Schuld habe ich dir erlas­sen, weil du mich gebe­ten hast; hät­test du dich da nicht auch erbar­men sol­len über dei­nen Mit­knecht, wie ich mich über dich erbarmt habe”? (Mt 18,32f)

Erbar­men und Barm­her­zig­keit gehört zusam­men. Barm­her­zig­keit heißt also nicht nur, in der Not zu hel­fen, son­dern auch, die Feh­ler und das Ver­sa­gen des Ande­ren ihm nicht anzu­rech­nen oder von berech­tig­ten For­de­run­gen abzu­se­hen. Davon redet auch der Kon­text, in dem die Jah­res­lo­sung steht. In Lk 6 geht es auch dar­um, ande­re nicht zu ver­ur­tei­len und zu rich­ten. Ich bin zur Barm­her­zig­keit her­aus­ge­for­dert, also mich in die Situa­ti­on des Ande­ren hin­ein­zu­den­ken und mit ihm nach­sich­tig umzu­ge­hen. Ich soll mir bewusst sein: Was Jesus für mich getan hat, ist immer grö­ßer als das, was mir ange­tan wur­de. Was Jesus mir ver­ge­ben hat, ist immer grö­ßer als das, was Ande­re mir schul­den. Weil ich selbst Got­tes Barm­her­zig­keit erlebt habe, kann ich die­se Barm­her­zig­keit Got­tes auch an ande­re weitergeben.

Eine aktuelle Möglichkeit, barmherzig zu sein

Ganz aktu­ell: Ich bin her­aus­ge­for­dert, barm­her­zig mit unse­ren Poli­ti­kern umzu­ge­hen. Es ist leicht, ihre Unsi­cher­heit im Umgang mit Covid 19 zu erken­nen und ihre Feh­ler ins Schein­wer­fer­licht zu rücken. Barm­her­zig zu sein, heißt aber, für die Staats­len­ker zu beten und ihnen ihre Feh­ler nicht nach­zu­tra­gen. Dass kann sehr her­aus­for­dernd sein, vor allem dann, wenn ihre Ent­schei­dun­gen nega­ti­ve Fol­gen für mei­nen All­tag haben. Wie im Gro­ßen, so im Klei­nen. Wenn Fehl­ent­schei­dun­gen von Men­schen nega­ti­ve Fol­gen für mich haben, bin ich her­aus­ge­for­dert, nach­sich­tig zu sein. Das betrifft sicher nicht jede Schuld, die an mir began­gen wur­de. Aber auch wenn Schuld auf­ge­ar­bei­tet und ver­ge­ben wer­den muss – die Grund­la­ge dafür ist ganz anders, wenn ich den Ande­ren mit barm­her­zi­gen Augen ansehe.

Gott selbst ist barmherzig

Zum Schluss die wich­tigs­te Fra­ge: War­um sol­len wir über­haupt barm­her­zig sein? Die Ant­wort steht in der Jah­res­lo­sung 2021: Weil euer Vater barm­her­zig ist. Wenn ich also barm­her­zig bin, wird Got­tes Cha­rak­ter in mei­nem Leben sicht­bar. Gott ist barm­her­zig und gnä­dig. (Ps 103,8) In dem Buch Hiob wird Gott uns auch als barm­her­zig und als ein Erbar­mer vor­ge­stellt. (Jak 5,11) Barm­her­zig­keit ist also Got­tes Cha­rak­ter und Hand­schrift. Die­ser Gott will uns auch den Blick und die Kraft dazu geben, sei­ne Barm­her­zig­keit zu leben. Barm­her­zig­keit wird in einer Welt auf­fal­len, in der es mensch­lich käl­ter wird. Des­halb for­dert Gott uns 2021 her­aus: Seid nun barm­her­zig, wie auch euer Vater barm­her­zig ist. 

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Über den Autor: Tho­mas Powil­leit ist Pas­tor der evan­ge­li­schen Frei­kir­che „Evan­ge­li­um für Alle“ in Stutt­gart (www​.efa​-stutt​gart​.de). Neben sei­nen Auf­ga­ben dort ist er über­ört­lich vor allen Din­gen im Rah­men des gleich­na­mi­gen Netz­wer­kes „Evan­ge­li­um für Alle“ zu Semi­na­ren und aus­ge­wähl­ten Ein­zel­ver­an­stal­tun­gen unterwegs.


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Thomas Powilleit

Über den Autor

Thomas Powilleit ist Pastor der evangelischen Freikirche „Evangelium für Alle“ in Stuttgart (www.efa-stuttgart.de). Neben seinen Aufgaben dort ist er überörtlich vor allen Dingen im Rahmen des gleichnamigen Netzwerkes „Evangelium für Alle“ zu Seminaren und ausgewählten Einzelveranstaltungen unterwegs.

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  1. Es ist eine sehr ernüch­tern­de und her­aus­for­dern­de Bot­schaft, wel­che Jesus uns da zukom­men lässt.
    Ich weiß es wird schwie­rig, aber mit Got­tes Hil­fe ist es mög­lich aus der Schlin­ge der Unbarm­her­zig­keit auszubrechen.
    GLG und Got­tes rei­chen Segen
    Roland

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