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Urtexte vergleichen
Es gibt viele Gründe, parallel mit unterschiedlichen Textausgaben eines biblischen Textes in der Ursprache zu arbeiten (NT Graece, Masoretischer Text, Septuaginta). Ich zeige exemplarisch einige in Logos verfügbare Textausgaben der griechischen Septuaginta.
Die im deutschen Sprachraum weit verbreitete Ausgabe von Alfred Rahlfs ist der Text, nach dem bei uns am meisten zitiert und der auch für das Studium bzw. das Examen verwendet wird. Diese Ausgabe ist auch in der Stuttgarter Studiensammlung (17 Bde.) erhältlich. Dort heißt sie „Septuaginta: SESB Edition with Apparatus“. Wer das Basispaket „Logos 7 Bronze“ hat, besitzt z.B. „The Old Testament in Greek according to the Septuagint“ von Henry Barclay Swete.
Wie die verschiedenen Textausgaben in Logos aufbereitet sind
Die unterschiedlichen Septuaginta-Ausgaben haben ihre eigene Textgeschichte. Das ist nicht Gegenstand dieses Beitrags, es genügt der Hinweis, dass Rahlfs die modernste kritische Textform darstellt. Swetes „Cambridge Septuagint“ basiert auf dem Text des Codex Vaticanus als Haupttext, weil dieser der älteste erhaltene (fast) vollständige Text war. Die lacunae (fehlenden Passagen) wurden ergänzt aus Unicialhandschriften.
Außerdem stellt Swetes Ausgabe Textpassagen, die in Gedichtform abgefasst sind, typografisch als solche dar. Brenton hat seine Ausgabe, die übrigens nicht morphologisch verlinkt ist, als zweisprachige Version konzipiert. Wer jedoch „The Lexham Analytical Lexicon of the Septuagint“ sein Eigen nennt, findet die meisten Formen über „nachschlagen“.
Wichtige Unterschiede
Die Funktionalität der Logos Bibliothek beruht in weiten Teilen auf für den User zunächst nicht sichtbaren Informationen, die als sog. „Tags“ mit den Wörtern der Texte verlinkt sind. Diese Informationen betreffen z. B. die grammatikalische Form des Wortes (Morphologie). Handelt sich um ein Haupt- oder Zeitwort, Adverb oder Adjektiv, Einzahl oder Mehrzahl, aktiv oder passiv, Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft u.s.w.
Die grundlegendste Information ist dabei das „Lemma“. Mit dem Lemma meint man in der Lexikografie und Linguistik die Grundform eines Wortes. Das ist also jene Wortform, unter der man einen Begriff oder Verb in einem Nachschlagewerk findet. Wenn ich „Völker“ in einem Wörterbuch oder Lexikon nachschlagen wollte, müsste ich wissen, dass die Grundform – das Lemma – „Volk“ und nicht etwa das Wort „Völker“ ist.
Logos hat in morphologisch verlinkten Werken sowohl die grammatikalische Form des Wortes, als auch das Lemma für alle grammatikalischen Formen eines Wortes als Metadaten gespeichert. Die Verlinkung kann aber unterschiedlich realisiert werden. Dazu gleich mehr.
Die Verlinkung der Morphologie und Lemma Tags der Ausgabe „Septuaginta: SESB Edition with Apparatus“ ist wie die Ausgabe von Rahlfs „Septuaginta: Morphologically Tagged Edition | LXX“ rein griechisch und findet beim Rechtsklick auf ein Wort über die Verlinkung in der Rubrik „Lemma“ passende Einträge in Griechisch-Wörterbüchern und Lexika. Manche Ausgaben machen das aber anders. Das kann für die exegetische Arbeit sehr hilfreich sein. Einige geben auch gleich die verlinkten Lemmata in Deutsch wieder. Somit hat man gleich die Übersetzung eines Wortes zur Hand.
Warum unterschiedliche Textausgaben nutzen?
Der erste Grund, verschiedene Textausgaben zu verwenden, liegt darin:
1. Die zugrundeliegende Morphologie unterscheidet sich
Beim Rechtsklick auf ein Wort im Text wird das Aktionsfenster aufgerufen, mit vielen Informationen und Möglichkeiten sich weitere Informationen anzeigen zu lassen.
Im mittleren Teil der rechten Spalte dieses Fensters sehen wir die morphologische Information zu dem Wort βοηθηθῆναι: @V- – API (Verb, Aorist, Passiv, Infinitiv werden hier angegeben, um Wortform, Beugung, Formenbestimmung, Zeit etc. zu bestimmen). Darunter steht die Grundform des Verbs: βοηθέω. Wenn man darauf klickt, hat man in der linken Spalte eine ganze Reihe von Optionen, dieses Wort zu studieren. Was hier aber fehlt, ist Information dazu, was für ein hebräisches Wort im übersetzten Text gestanden hat.
Ähnlich verhält es sich mit der im englischen Sprachraum bekannten Ausgabe der Septuaginta von Brenton.
Es gibt aber von Logos aufbereitete LXX-Ausgaben, welche die griechischen Lemmata auch mit den hebräischen oder aramäischen verknüpfen. Dann werden mit einem Rechtsklick auf ein Wort die im masoretischen Text der hebräischen Bibel zugrunde liegende hebräische oder aramäische Begriffe angezeigt. Diese Funktionalität gilt sowohl für Rahlfs Septuaginta mit „Logos-Morphologie“ als auch für die Ausgabe von Swete. Das gibt in unserem Beispiel sofort Auskunft darüber, welches hebräische Wort mit βοηθηθῆναι in der Septuaginta an dieser Stelle übersetzt wurde, nämlich עוּז.
Natürlich kann man sich den Text interlinear griechisch-hebräisch anzeigen lassen (z.B. durch das hervorragende Tool von Emanuel Tov „The Parallel Aligned Hebrew-Aramaic and Greek Texts of Jewish Scripture – Alexandrinus and Theodoton Variants“, oder durch die Parallelanzeige-Funktion in Logos bei einer unterstützten Ausgabe (mit Logos Morphologie) wie Rahlfs Septuagint with Logos Morphology.
Wer aber nicht für jeden griechischen Begriff das hebräische Pendant braucht, wird das Lesen wesentlich angenehmer finden ohne die interlineare Darstellung, die – wo benötigt – eine brillante Hilfe ist, aber für das Lesen des Urtexts etwas komplizierter ist (s. Bild).
In meinem Fall möchte ich nur in einzelnen Fällen wissen, was für ein hebräischer Begriff oder Verb hinter dem griechischen Text zugrunde lag.
Andere Gründe für die Verwendung verschiedener Textausgaben:
2. Die Möglichkeit zur Darstellung als interlinearen Text
Nicht alle Ausgaben verfügen über die Möglichkeit, den Text interlinear darzustellen. Ob die Interlinearfunktion bei einem Werk vorhanden ist, erkennt man an zwei Symbolen in der Menüleiste des Fensters.
Wenn man auf das richtige Icon klickt, wird das Fenster unterteilt und im unteren Teil zeilenweise der Text in interlinearen Form dargestellt:
Klickt man hingegen auf das Symbol, wird das gesamte Fenster auf die interlineare Darstellung umgestellt:
Die Darstellung lässt sich beim Klicken auf das Symbol an die eigenen Bedürfnisse anpasse, etwa auch so:
3. Die Verknüpfung mit einem textkritischen Apparat
Wissenschaftliche Apparate zu den Ausgaben des biblischen Textes in den Ursprachen geben Aufschluss über die Unterschiede in den verschiedenen Handschriften. Das ist ein sehr komplexes Feld, auf das hier nicht näher eingegangen werden kann. Es genüge der Hinweis, dass es dabei darum geht, dem Exegeten Einsicht zu gewähren in die Textvarianten, damit er sich selbst ein Urteil bilden kann, welche Variante am ehesten dem Urtext entspricht. Dazu gehört natürlich sehr viel Fachkenntnis. Logischerweise verfügen nicht alle Textausgaben über einen wissenschaftlichen Apparat. Manche sind aber darauf spezialisiert, so z. B. für das NT die verschiedenen Nestle/Aland Ausgaben, für die LXX an vorderster Front „Rahlfs Septuaginta: SESB Edition with Apparatus and Alternate Texts“, die daraus erwachsene ultimative Göttingen Septuagint (67 vols., unerlässlich für Forschungszwecke: https://www.logos.com/product/4951/gottingen-septuagint $699.99), oder The Old Testament in Greek according to the Septuagint (Apparatus) von Swete:
Und schließlich liegt der allerwichtigste (und für Kenner der LXX offensichtliche) Grund:
4. In den am Anfang erwähnten verschiedenen Texttraditionen
Die zugrundeliegende Texttradition der jeweiligen Ausgaben unterscheiden sich. Das erkennt man an dem, was wiedergegeben oder weggelassen wurde. Das wäre aber ein anderes, spannendes und viel größeres Thema, das hier nicht erörtert werden kann …