Wir leben in einer Zeit, in der wir eine schier unermesslich große Anzahl von Ressourcen haben, die uns helfen, die Bibel besser zu verstehen. Da es besonders wichtig ist, das richtige Werkzeug für seine Zwecke zu finden, möchte ich in dieser Reihe vier meiner persönlichen Favoriten unter den Kommentarreihen vorstellen. In meinem ersten Beitrag habe ich die Reihe Zondervan Exegetical Commentary of the New Testament (ZECNT) vorgestellt. Mein zweiter Beitrag ist der beinahe namensgleichen Kommentarreihe von Baker Academic gewidmet, der Reihe Baker Exegetical Commentary of the New Testament (BECNT). (Link führt zur englischen Seite von Logos.)
Inhalt
Die Hintergründe der Reihe
Die Herausgeber der BECNT-Reihe sind Robert Yarbrough (Professor für Neues Testament am Covenant Theological Seminary) und Robert Stein (bis zu seiner Emeritierung Senior Professor für Neues Testament am Southern Baptist Theological Seminary). Beide Herausgeber sind selbst Autoren einzelner Bände der Reihe, Yarbrough zu den Johannesbriefen, Stein zum Markusevangelium. Die weiteren Autoren gehören unterschiedlichen Denominationen an, stammen aber alle aus dem konservativ evangelikalen Lager. Darunter sind bekannte Namen wie Darrell Bock, Thomas Schreiner oder Craig Blomberg. Der erste und zugleich auch der bisher umfangreichste Kommentar war der zweibändige Kommentar zum Lukasevangelium von Darrell Bock (1994 und 1996). Mittlerweile sind 17 Bände verfügbar, in der Printversion wie auch bei Logos.[1] Als erster Kommentar, der bereits in einer zweiten überarbeiteten Auflage erschienen ist, gilt Thomas Schreiners Kommentar zum Römerbrief[2]. Zielgruppe der BECNT-Reihe sind Pastoren, Gemeindeleiter, Studenten und Bibellehrer.
Der Aufbau der Reihe
Jeder Kommentar der Reihe beginnt mit den Einleitungsfragen zum Buch.
- Wer ist der Autor?
- Wer die Empfänger?
- Was wissen wir über die Hintergründe der Entstehung?
- Was ist die Absicht des Buches?
- Wie kann man es gliedern?
Anschließend folgt die Exegese der einzelnen Sinnabschnitte, üblicherweise in vier Schritten.
- Overview: Hier wird der Hauptgedanke des Abschnitts wiedergegeben und in den Kontext des Buches eingeordnet. Weiterhin wird eine Gliederung des Abschnitts gegeben.
- Exegesis and Exposition: Hier wird der Text ausgelegt. In der Regel geschieht das Vers für Vers, gelegentlich liegt der Fokus auch nur auf einem Teilvers oder es werden mehrere Verse zusammengenommen, wenn sie zusammen ausgelegt werden sollten. Die Auslegung geschieht auf Grundlage des griechischen Textes. Griechische Begriffe werden dabei grundsätzlich transkribiert, so dass sie auch jemand lesen kann, der kein Vorwissen mitbringt. Die Auslegung ist sehr gründlich. Durch die gut markierten Versangaben findet man sich leicht zurecht.
- Summary: Im Anschluss an die Auslegung wird in der Regel eine Zusammenfassung gegeben. Die Hauptaussagen des Textes und die behandelten theologischen Themen werden knapp wiedergegeben. An dieser Stelle muss allerdings darauf hingewiesen werden, dass bei diesem dritten Schritt nicht alle Kommentare der BECNT-Reihe einheitlich vorgehen. Während die meisten Kommentare mit der „Summary“ schließen, gibt es Ausnahmen. Aus welchem Grund auch immer verzichten einzelne Kommentare auf den Abschnitt „Summary“, vielleicht vor dem Hintergrund, dass der Abschnitt „Overview“ eine ähnliche Funktion erfüllt. Persönlich finde ich das bedauerlich und würde mir mehr Einheitlichkeit wünschen, da der „Overview“ in der Regel stärker technisch ausgerichtet ist und die „Summary“ die Botschaft des Abschnitts auf den Punkt bringt. Der Kommentar zum 2. Korintherbrief von George Guthrie enthält statt dem Abschnitt „Summary“, den Abschnitt „Reflexion“, der stärker in die Anwendung führt. Als Prediger empfinde ich die Abschnitte gründlich und hilfreich, kann es aber trotzdem nicht ganz nachvollziehen, warum man in der Kommentarreihe keine einheitliche Linie fährt.
- Additional Notes: Die Auslegung der Verse ist sehr gründlich und auf einem hohen exegetischen Niveau. Einzelne zu technische Fragen zur Auslegung oder Textkritik sollen trotzdem nicht ins Zentrum gestellt werden und werden dementsprechend dann für Interessierte noch einmal am Ende aufgegriffen.
Was mich fasziniert
Die Übersichtlichkeit
Einer knappen Gliederung, die anzeigt, an welcher Stelle man sich im Buch befindet, folgt die Übersicht über den Textabschnitt. Das Ganze wirkt keinesfalls überfrachtet, sondern ist sehr sauber formatiert.
Im exegetischen Teil findet man sich durch die Versangaben zu Beginn der Abschnitte sehr gut zurecht. In den seltensten Fällen wird man den kompletten Abschnitt lesen. In der Regel sucht man nach der Kommentierung einzelner Verse. Die Übersichtlichkeit macht es einem hier einfach.
Die exegetische Tiefe
Die Kommentatoren gehen sehr gründlich in ihrer Exegese vor. Grundlage dafür ist der griechische Text. Wo es entscheidende Unterschiede in den Handschriften gibt, sind auch textkritische Anmerkungen zu finden. Bei Versen, die unterschiedlich ausgelegt werden, werden auch die unterschiedlichen Positionen dargelegt. Exemplarisch hier nur der erste von neun Absätzen, der der Diskussion um das Verständnis von pistis christou in Römer 3,22 gewidmet ist. Allein in den Fußnoten zu diesem Abschnitt wird auf fast 30 Werke verwiesen.
Die Zugänglichkeit
Die BECNT-Reihe ist exegetisch sehr gründlich, schafft es dabei aber, zugänglich für interessierte Laien zu sein. Der Text ist weitgehend allgemeinverständlich formuliert. Stark technische Diskussionen sind in die Additional Notes ausgegliedert. So schafft es die Reihe, Theologen als Zielgruppe zu haben und ebenso für andere Interessierte zugänglich zu sein.
Zusammenfassung
Die BECNT-Reihe gehört neben der ZECNT-Reihe zu meinen persönlichen Favoriten. Wenn es um Exegese geht, sind diese beiden Reihen für mich unverzichtbar. Während die ZECNT-Reihe besonders durch ihre klare Struktur, die Textschaubilder und die Diagramme noch einen Tick übersichtlicher gestaltet ist, und außerdem Hilfen für die Anwendung enthält, ist die BECNT-Reihe in ihren exegetischen Passagen teilweise noch etwas gründlicher. Wie oben beschrieben finde ich es etwas schade, dass die Kommentare nicht ganz einheitlich gestaltet sind. Wertvoll sind sie aber durchweg.
Die 18 bereits erschienenen Kommentare sind bei Logos als Set erhältlich. Hier ist aber noch die erste Auflage von Schreiners Kommentar zum Römerbrief enthalten. Die zweite überarbeitete Auflage des Römerbriefes gibt es aktuell nur einzeln zu kaufen.
1. Mit dem Kommentar zum Johannesevangelium von Andreas Köstenberger war längere Zeit ein weiterer Band verfügbar. Dieser musste allerdings vom Verlag zurückgenommen werden, da bei einigen Zitaten Quellenangaben fehlten. Siehe dazu die Stellungnahme von Andreas Köstenberger. Köstenberger hat angekündigt, den Band zu überarbeiten und der Verlag will diesen dann in einer neuen Auflage mit korrekten Quellenangaben herauszugeben. ↩
2. Ein vor wenigen Monaten erschienener Blog-Post von Michael Bird gibt ein kurzes Interview mit Thomas Schreiner wieder, in dem der Leser Einblick in die Änderungen der zweiten Auflage bekommt. ↩