Hochspannend! Welche Bedeutung hat das Hohelied für den modernen Leser? Lesen Sie in 12 Min., warum das Hohelied auch heute noch hochrelevant ist und welche wichtige Botschaft es für unsere Gesellschaft hat.
Inhalt
Das Hohelied-was kann heute aus dem Buch gelernt werden?
Im ersten Teil habe ich die verschiedenen Möglichkeiten aufgezeigt, wie das Hohelied von unterschiedlichen Theologen verstanden wird. Dabei wurde klar, dass es nicht ganz so einfach ist, ganz genau zu sagen, wie dieses Buch mit letzter Sicherheit zu verstehen ist. Ich denke, das Hohelied hat trotzdem eine wichtige Botschaft auch für unsere Zeit. Um die theologische Bedeutung des Hohelied und den Nutzen des Hohelied für den modernen Leser soll es in diesem zweiten Teil gehen.
Stellung des Hohelied im Kanon
In der Bibel hat das Hohelied
seinen Platz im Abschnitt der Lehrschriften: Hiob, Psalter, Sprüche, Prediger und Hohelied. Die Anordnung ist chronologisch zu verstehen: Die Erzählung über Hiob handelt in der Zeit der Erzväter; der Psalter ist in der Hauptsache David zugeordnet und die drei folgenden Schriften seinem Sohn Salomo (Steinberg 2014:25).
Damit zählt das Hohelied zur Weisheitsliteratur, weil es den mitmenschlichen Umgang, „eben den der Liebe zwischen Mann und Frau“ zum Thema hat (Egelkraut 2012:771).
Im Judentum ist das Hohelied Teil der Ketuvim und seit dem Mittelalter auch Teil der Megillot (Rut, Ester, Prediger, Hohelied und Klagelieder), die im Zusammenhang mit bestimmten jüdischen Festen vorgelesen werden (Steinberg 2014:26). Das Hohelied wird traditionell am ersten Tag des Passahfestes gelesen (:26).
Steinberg versteht das Hohelied als
den Abschluss einer weisheitlichen Reihe, die aus den vier Büchern Hiob, Sprüche, Prediger und Hohelied besteht. Die Reihe beginnt mit der Aufarbeitung von Leid und endet mit einem Höhepunkt an Lebensfreude (:26).
Das Hohelied macht die Aufforderung des Predigers zum Genuss des Lebens (Koh 9,7–9) konkret. Das Hohelied ist die Einladung, die Liebe zwischen Mann und Frau „dankbar aus Gottes Hand zu nehmen, sie zu genießen und sie bewusst zu leben und zu gestalten“ (:32).
Theologische Dimension des Hohelied
Theologische Dimension der allegorisch-typologischen Auslegung
Kuhl behauptet, dass das Hohelied „von der ersten bis zur letzten Zeile so ohne Gott und ohne jede Religion“ ist, dass es verwunderlich ist, dass es überhaupt in den biblischen Kanon gekommen ist (Egelkraut 2012:785). Gerade deshalb wird für eine theologische Deutung des Hoheliedes gewöhnlich auf eine allegorische oder typologische Auslegung zurückgegriffen, die Gottes Liebe zu seinem Volk betont. In diesem Kontext wird auch oft betont, dass Gott ein eifersüchtiger Gott ist, der will, dass wir ihm und seinem Bund mit uns treu sind (Akin 2015:Hld 1,1–4).
Theologische Dimension des Hoheliedes als eine Sammlung von Liebesgedichten
Nur weil das Hohelied eine Sammlung von Liebesgedichten ist, bedeutet dies nicht, dass es theologisch unbedeutend ist. Egelkraut betont, dass das Hohelied nichts Anderes will, „als den Reichtum und die Tiefe der Liebe zwischen Mann und Frau darstellen, die eine Gabe der Liebe Gottes ist“ (2012:786). Das Hohelied betont die Zentralität der Liebe zwischen Mann und Frau. Auch wenn es im Hohelied spezifisch um die erotische Liebe geht, lässt sich die Wichtigkeit der Liebe auf alle Beziehungen im Leben ausweiten. So betonen auch Jesus (Matt 22,37–40) und Paulus (1 Kor 13,2+13) die Priorisierung der Liebe. Die Zentralität der Liebe im biblischen Kanon wiederum verweist darauf, dass Gott selbst Liebe ist (1 Joh 4,8).
Praktischer Nutzen des Hohelied
Ich denke nicht, dass viele Christen viel Geduld und Interesse haben zu forschen und zu rätseln, wann das Hohelied von wem geschrieben wurde, wie es aufgebaut ist und wie genau es zu verstehen ist. Aber sie wollen wissen, was sie konkret aus dem Hohelied für ihr Leben in ihren Alltag lernen können. Die Liebe zu einem Partner, Sexualität und Treue sind relevante Themen in den Leben aller, die entweder auf der Suche nach einem Partner, frisch verliebt oder (hoffentlich glücklich) verheiratet sind. Sie wollen wissen, was sie aus dem Hohelied über Liebe und Sexualität für ihre aktuelle Situation lernen können. Und selbst Singles können von dem Hohelied profitieren. Deshalb will ich jetzt fünf Fragen ans Hohelied nennen und mögliche Antwortansätze skizzieren.
Was hat solch ein erotisches Buch im biblischen Kanon zu suchen?
Während diese Frage nicht direkt pragmatisch wirkt, ist es doch eine Frage, die sich unmittelbar vielen Menschen aufdrängen muss. Sex hat bis heute für viele Christen einen negativen Beigeschmack und wird eher als dreckig angesehen als mit Reinheit und Heiligkeit in Verbindung gebracht. Ein heiliges Buch, welches die Sexualität feiert, muss so manchem Christen wie ein Oxymoron erscheinen.
Sexualität ist ein Thema, das in vielen christlichen Kreisen selten öffentlich diskutiert wird, außer der immer neu wiederholten nachdrücklichen Aufforderung, dass Sex in die Ehe gehört und alles andere verboten ist. Was würde der Bibel fehlen ohne das Hohelied? Longman (2001:59) beschreibt die Wichtigkeit des Hoheliedes trefflich:
Die Kirche neigt dazu, das Thema Sexualität zu einem Tabu zu machen; es wird im Rahmen der christlichen Gemeinschaft selten darüber gesprochen oder diskutiert. Das Hohelied jedoch bekräftigt die Bedeutung von Liebe und Sex und bietet Ermutigung und eine Plattform für ein offenes Gespräch über Sex unter Gottes Volk.
Ohne Frage, Sexualität ist ein wichtiger Bestandteil des Menschseins. Sexualität hat viel Macht. Wie Menschen mit ihrer Sexualität umgehen, kann weitreichende Auswirkungen auf ihr ganzes Leben haben. Longman geht sogar so weit zu sagen, dass die moderne Gesellschaft im allgemeinen Sex zu einem Götzen gemacht hat (:61). Deshalb ist es wichtig, über den richtigen Umgang mit Sexualität zu sprechen und das Thema nicht zu tabuisieren. Gott hat das gesamte Leben der Menschen und alle Aspekte des Lebens im Blick und klammert auch diesen wichtigen Bereich nicht aus.
Die Existenz eines erotischen Liebeslieds im Alten Testament ist ein großes, unübersehbares Hinweisschild Gottes, welches daran erinnern soll, dass Sexualität ein gutes Geschenk von ihm ist, welches, im richtigen Rahmen, gefeiert und genossen werden soll. Sexualität ist ein Thema, welches wir nicht tabuisieren dürfen und damit in eine dunkle Ecke treiben, in der es zu fatalen Auswüchsen kommen kann. Das Hohelied ermutigt, das Thema mutig anzusprechen und einen gesunden Umgang mit dem Thema zu finden.
Das Hohelied zeigt aber auch Gefahren der Sexualität auf und verweist sie in den Rahmen von verbindlichen Beziehungen. Damit liefert das Hohelied einen wegweisenden biblischen Beitrag zu einem zentralen Lebensteil jedes Menschen.
Was hat das Hohelied zu dem Umgang mit Sexualität zu sagen?
Das Hohelied dient als Kritik jeglicher sexuellen Ausbeutung! Die Sexualität im Hohelied ist die Frucht der Liebe der Partner und somit ein Ausdruck der hingegebenen Liebe dieses Paares zueinander.
Besonders nach der vorgeschlagenen Auslegung von Athas (siehe Teil 1) steht diese gegenseitige Liebe und deren sexuelle Hingabe im krassen Kontrast zu Salomo, der sich das Mädchen kaufen und sie damit, gegen ihren Willen, zum Sex zwingen will. Somit kritisiert das Hohelied jegliche sexuelle Ausbeutung, die nicht auf gegenseitigem Einverständnis beruht.
Jegliche sexuelle Belästigung, sei es in Form von anzüglichen Bemerkungen, unerwünschtem Körperkontakt oder ausbeuterischen Fotos, ist falsch, und Männer müssen davon ablassen und zur Rechenschaft gezogen werden. Christen müssen nicht nur davon ablassen, sondern auch dagegen vorgehen. Wie Jesus, so müssen auch Christen, vor allem Männer, im echten Interesse anderer handeln, um deren Persönlichkeit und Wohlergehen zu fördern, anstatt sie auszubeuten (Athas 2020:368–369).
Häusliche Gewalt ist bis heute ein weit verbreitetes Problem weltweit. In vielen Ländern ist es bis heute so, dass sich Frauen den sexuellen Wünschen ihren Männern unterordnen müssen und jederzeit für die Bedürfnisse des Mannes verfügbar sein müssen. So passiert es oft, dass wenn eine Frau es wagt Einspruch zu erheben, ihr Gewalt droht, die Beziehung vom Mann beendet wird oder sich der Mann woanders sexuelle Befriedigung sucht. Während dies sicher in Ländern in der Dritten Welt mehr ausgeprägt ist, kommt dies doch auch noch viel zu oft in Deutschland vor. Das Hohelied gibt der Frau ein sexuelles Mitspracherecht, was revolutionär für die damalige Zeit war und was wir als Menschheit nicht geschafft haben umzusetzen bis heute.
Gerade in diesem Kontext ist es wichtig zu erkennen, dass das Hohelied „als Ganzes als ein Lied der Frau angelegt ist, die das erste und letzte Wort hat und auch im übrigen die beherrschende Rolle spielt“ (Egelkraut 2012:782). Die Frau ist weder passiv im Hohelied noch ein Spielball der männlichen Bedürfnisse, vielmehr hat sie eine eigene Stimme und bestimmt über ihren eigenen Körper. Diese Anerkennung der weiblichen Selbstbestimmung ist entscheidend für eine gesunde Sexualität in der Partnerbeziehung.
Ist das Hohelied ein Freischein für die Sexualität außerhalb der Ehe?
Viele junge, christliche Paare fragen sich, wie das mit dem Sex vor der Ehe ist. Vielleicht hat das Paar die feste Intention zu heiraten, kann es aber aus finanziellen oder anderen Gründen nicht. Heute muss oft lange studiert werden, bevor gearbeitet und genug Geld verdient werden kann. Aber die sexuellen Bedürfnisse erwachen gewöhnlich früh in unserer hypersexualisierten Zeit. Wie sollte ein junges Paar mit dieser Realität umgehen? Muss das Paar in einem solchen Fall mit dem Sex bis zur Ehe warten?
Ein großer Teil der Ausleger sind überzeugt davon, dass das Paar im Hohelied erst nach ihrer Hochzeit Sex hat (Curtis 2013:132; Duguid 2015:37; Fruchtenbaum 1983:3; Garrett 2004:103). Hld 3,6–11 wird dabei häufig als Zeitpunkt der Hochzeit angeführt (Garrett 2004:103).
Aber es gibt drei Gründe, weshalb manche Theologen behaupten, dass das junge Paar im Hohelied unehelichen Sex hat: das Mädchen scheint noch im Hause der Mutter zu leben (Hld 3,4; 5,2–8), die Brüder des Mädchens haben noch Autorität über sie (Hld 8,8–9) und die sexuelle Begegnung findet nicht im gemeinsamen Heim statt, sondern heimlich und versteckt in der Natur (Hld 7,11–13). Diese drei Faktoren sprechen stark dagegen, dass das Mädchen verheiratet ist.
LaCocque geht so weit zu sagen: „das gesamte Hohelied handelt von freier Liebe, die weder anerkannt noch institutionalisiert ist“ (1998:8). Aber dem sei entgegengestellt, dass das Hohelied keineswegs Sexualität ohne jeglichen verpflichtenden Rahmen bewirbt. Das junge Paar hat sich einander verpflichtet, sie gehören einander (Hld 6,3).
Das Hohelied befürwortet stark (hetero-) sexuelle Treue, Ganzheitlichkeit, Verbindlichkeit, Dauerhaftigkeit und Exklusivität, und wendet sich so implizit gegen Promiskuität. Die Liebe, die gefeiert wird, ist eine Liebe zwischen einer Frau und einem Mann (Stadler 1998:75).
So kann man sagen, dass selbst wenn das Paar nicht verheiratet ist, das Hohelied doch dem „Wesen nach die Werte der christlichen Ehe“ (:77) vermittelt. Auf dieser Grundlage ist unehelicher Sex eventuell denkbar, solange er im Rahmen einer Beziehung ist, in der beide Partner sich einander verpflichtet haben und beide damit einverstanden sind. Dies ist sicher nicht als Ideal zu verstehen, aber vielleicht als akzeptabler Kompromiss doch denkbar.
Dabei sollte nicht vergessen werden, dass das Hohelied einen wichtigen Aufruf zur Treue zu einem Partner vermittelt. Diese Verbindlichkeit gegenüber einem Partner ist eine Grundlage, ohne die Partnerschaft und erfüllte Sexualität nicht gelingen kann.
Wo ist die erotische Sprache in dem Hohelied?
Vielleicht wundert sich der eine oder andere Leser über die Aussage, dass das Hohelied ein Buch ist gefüllt mit erotischen Aussagen. Für den modernen Leser ist es gar nicht so einfach, diese erotische Sprache zu entdecken. So wie auch oft heute in der Literatur sexuelle Akte nur angedeutet oder Bilder dafür gebraucht werden, so hielten auch die biblischen Autoren sich mit der Verwendung eindeutiger Begriffe für sexuelle Handlungen und Organe zurück.
Die Bilder, die im Hohelied verwendet werden, sind fest verankert in der Zeit der Entstehung des Buches und somit bleiben viele erotische Anspielungen dem modernen Leser, der mit der damaligen Metaphorik nicht vertraut ist, verborgen. Diese Tatsache ist eine gute Erinnerung, dass biblische Texte in ihrem historisch-kulturellen Hintergrund verstanden werden müssen.
Ein Beispiel hier ist Hohelied 4,16 (Elberfelder):
»Wach auf, Nordwind, und komm, Südwind! Lass duften meinen Garten, lass strömen seine Balsamöle! Mein Geliebter komme in seinen Garten und esse seine köstlichen Früchte!«
In dem Vers lädt die Geliebte ihren Geliebten in ihren Garten ein, um von den Früchten des Gartens zu essen. Hohelied 4,12 macht klar, dass die Geliebte selbst dieser Garten voller edler Früchte und Gewürze ist (Hld 4,13–14). „Was mag er in seinem „Garten” essen und trinken, das nach Myrrhe und Gewürzen, Honigwaben und Honig, Wein und Milch schmeckt? Wir können nur raten und erröten“ (Weems 1997:406).
Ein weiteres Beispiel ist Hohelied 7,2–4 (Elberfelder):
2 Die Biegungen deiner Hüften sind wie Halsgeschmeide, ein Werk von Künstlerhand. 3 Dein Schoß ist eine runde Schale. Nie mangle es ihr an Mischwein! Dein Leib ist ein Weizenhaufen, umzäunt mit Lilien. 4 Deine beiden Brüste sind wie zwei Kitze, Zwillinge der Gazelle.
In diesen Versen wird ganz klar die Schönheit des Körpers der Geliebten gefeiert. Dieses Lob ihres Körpers geschieht durch Bilder, die oft vielschichtig zu verstehen sind und dadurch besonders bedeutungsreich sind.
Garrett (2004:239) verweist darauf, dass viele Ausleger davon ausgehen, dass die Vulva der Frau gemeint sind, wenn von dem „Schoß” die Rede ist. Dies legt nahe „dass sich die Aussage, dass es »nie an gemischtem Wein mangelt« auf die Feuchtigkeit einer erregten Frau bezieht.”
Athas (2020:344–345) sieht es auch so wie Garrett und kommentiert den Schoß der Frau (der oft auch mit Nabel übersetzt wird) wie folgt:
Die Reihenfolge der Lobpreisungen des Mannes deutet auch darauf hin, dass er an dieser Stelle noch nicht den eigentlichen Nabel der Frau erreicht hat, denn in 7:2b lobt er ihren „Bauch”, der „von Lilien gesäumt” ist – eine klare Anspielung auf die Schambehaarung an der Basis des Bauches. Der „Nabel” ist also eher eine Anspielung auf die Vulva. Das Bild des Kelches erinnert an Cunnilingus, während „gemischter Wein” entweder an vaginale Feuchtigkeit, insbesondere bei sexueller Erregung, oder sogar an Sperma erinnert. Von dort aus bewundert er ihre Schamgegend (7:2b), ihre Brüste (7:3), ihren Hals (7:4a) und schließlich ihr Gesicht und ihren Kopf (7:4b‑5).
Garret (2004:240) verweist darauf, dass diese bildliche Sprache bewusst auf mehreren Ebenen verstanden werden soll:
Auf der einen Ebene spricht der Vers von der einfachen Schönheit ihres Nabels und ihrer geschwungenen Taille, wie eine gebundene Weizengarbe. Auf einer anderen Ebene verweist er auf ihren Genitalbereich und auf sexuelle Erregung. Auf einer dritten Ebene spricht er von ihr als einer, die die Kraft der Fruchtbarkeit in ihrem „Bauch” hat. Mit anderen Worten: Die Bedeutung des Verses sollte sich weder auf den Nabel und die Taille der Frau noch auf ihre Vagina und die sexuelle Erregung beschränken, sondern ihren ganzen „Bauch” mit all seiner Schönheit, Sexualität und fruchtbaren Kraft umfassen.
Unzählige weitere Verse im Hohelied haben diese mehrschichtige Bedeutung. Ein guter Bibelkommentar hilft diese Anspielungen zu erkennen und besser verstehen zu können, indem es die damalige Kultur und Sprache erklärt und verständlich macht.
Was können Singles aus dem Hohelied lernen?
Das Hohelied feiert die Liebe zwischen zwei Partnern, die gegenseitig, exklusiv, vollkommen und schön ist (Longman 2001:62) und sich in der sexuellen Vereinigung ausdrückt. Aber was können die Singles in der Zielgruppe aus dem Hohelied lernen, was für ihre aktuelle Situation relevant ist?
Die Geliebten im Hohelied müssen allerhand Hindernisse überwinden und stehen allerlei Herausforderungen gegenüber. Auch wenn ihre Liebe wunderschön ist, ist doch ihr Leben noch nicht perfekt und problemlos. Manche Singles glauben, dass eine Ehe und eine erfüllte Sexualität alle ihre Probleme lösen und ihr Leben glücklich machen wird. Aber so ein Denken erhöht Ehe und Sexualität zu einem Götzen, der früher oder später Enttäuschung bringen wird.
So wie das Hohelied seine richtige Interpretation nur im Kontext des gesamten Kanons findet, so findet auch unser Sexualleben seinen Platz nur im breiteren Kontext unserer Hingabe an Gott. Liebe und Sex sind nicht die endgültige Antwort auf die Probleme oder die Frage nach dem Sinn des Lebens (Longman 2001:61); wahre Erfüllung kann Gott allein schenken und diese Erfüllung ist auch Singles zugänglich.
Weiterhin betont das Hohelied mehrfach, dass die Liebe nicht zu früh geweckt werden sollte, „bevor es ihr gefällt“ (Hld 2,7; 3,5; 8,4). In der modernen Zeit erinnern unzählige Liebesfilme und Liebeslieder kontinuierlich an die Schönheit der romantischen Liebe und sexualisierte Werbung und Inhalte sind leicht zugänglich und allgegenwärtig. Dies führt häufig zu einem zu frühen Erwachen der Liebe, bzw. der sexuellen Bedürfnisse. Statt das Singledasein zu genießen und zu nutzen, wird die gesamte Zeit darauf verwendet, den perfekten Partner zu finden. Im Sinne von Prediger 3 ist es sicher angemessen zu sagen „Alles hat seine Zeit: Single sein hat seine Zeit, verheiratet sein hat seine Zeit“. Somit ist das Hohelied eine wertvolle Erinnerung, dass man sich auf die Zeit als Paar freuen darf, aber bis dahin auch das Singlesein (die Zeit, in der die Liebe noch nicht geweckt ist) auskosten sollte.
Fazit
Das Hohelied ist ein faszinierendes poetisches Buch, was viel zu sehr übersehen und vergessen wird. Dabei hat es eine solche wichtige Botschaft für die heutige Zeit, in der Sexualität oft mehr Schaden anrichtet als Freude bereitet. Ich hoffe, dieser kurze Artikel hat in Ihnen Interesse geweckt, das Hohelied selbst zu studieren.
Auch wenn viele Details in der Auslegung des Hoheliedes nicht ganz klar und eindeutig zu verstehen sind, ist das Hohelied doch Teil der Bibel und Gott will durch dieses Buch zu seinem Volk sprechen. Möge dieses biblische Buch wieder neu entdeckt werden und vielen helfen, die Liebe und Sexualität zwischen Mann und Frau als Geschenk Gottes im richtigen Rahmen zu feiern und zu genießen.
Bibliografie
Akin, Daniel L. (2015). Exalting Jesus in Song of Songs. Nashville: B&H Publishing Group.
Athas, George (2020). Ecclesiastes, Song of Songs. Grand Rapids: Zondervan Academic.
Curtis, Edward M. (2013). Ecclesiastes and Song of Songs. Grand Rapids: Baker Books.
Egelkraut, Helmuth u. a. (2012). Das Alte Testament: Entstehung, Geschichte, Botschaft. 5. Aufl. Gießen: Brunnen Verlag.
Garrett, Duane (2004). Song of Songs, Lamentations. Nashville: Thomas Nelson.
LaCocque, André (1998). Romance, she wrote. Harrisburg: Trinity Press International
Longman, Tremper (2001). Song of Songs. Grand Rapids: Wm. B. Eerdmans Publishing Co.
Stadler, Michael (1998). Erlösende Erotik: Ethische Aspekte im Hohenlied. Zeitschrift für Theologie und Gemeinde 3, 53–82.
Steinberg, Julius (2014). Das Hohelied. Witten: SCM R.Brockhaus.