Inhalt
- Wer schreibt eigentlich deutsche Bibeln?
- Das Gespräch mit einem Bibelübersetzer
- #Revisionsarbeit
- JT: Für die Übersetzung der Hoffnung für alle warst du der Projektleiter. Was war da deine Rolle?
- JT: Wie kam es dazu, dass du die Projektleitung der Übersetzung übernommen hast?
- JT: Was sollte mit der Revision erreicht werden?
- JT: Wie verlief diese Arbeit?
- JT: Gab es Momente, in denen du den Sinn dieser Arbeit bezweifelt hast?
- JT: Welche Stellen waren die schwierigsten bei der Übersetzung?
- JT: Wie gingen du und dein Team mit Stellen um, bei denen die Übersetzung unklar war und ihr zu verschiedenen Ergebnissen gekommen seid?
- #Hoffnung für Alle
- JT: Die aktuelle Ausgabe der Hoffnung für Alle ist bereits ihre vierte Revision. Was unterscheidet die neue Ausgabe von den bisherigen? Und warum wird sie immer wieder überarbeitet?
- JT: Es gibt in Deutschland unzählige Bibelübersetzungen auf dem Markt. Warum soll ich ausgerechnet die Hfa vorziehen?
- JT: Wie entstand erstmals die Idee für diese Übersetzung?
- JT: Was ist das Ziel der Hfa, welchen Aspekt möchte sie priorisieren?
- JT: Gibt es eine bestimmte Zielgruppe für diese Übersetzung?
- JT: Inwiefern können Studenten, Theologen oder Prediger von der Hfa profitieren?
- JT: Ich erlebe immer wieder, dass die Hoffnung für alle in einigen traditionell geprägten Gemeinden, oder auch von manchen Theologen, als ungenau verurteilt wird oder per se schlecht gemacht wird. Wie gehst du mit solchen Vorwürfen um, und was sind die Ursachen für dieses Misstrauen?
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Wer schreibt eigentlich deutsche Bibeln?
Urs Stingelin (42) ist verheiratet und hat drei Kinder. Er studierte Klassische Philologie und Alte Geschichte an der Universität Basel. Stingelin ist Lehrbeauftragter für Textkritik an der Staatsunabhängigen Theologischen Hochschule Basel und hat weitere Lehraufträge an diversen Bibelschulen (Umwelt- und Zeitgeschichte AT/NT, Hermeneutik, Einführung Griechisch, Exegese und Kirchengeschichte I). Zudem ist er Lektor und Berater des Verlags Fontis AG. Dort leitete er die Revision der Bibel Hoffnung für alle, die 2015 abgeschlossen wurde. Die Übersetzung lässt sich bei uns vorbestellen.
Mittlerweile ist auch der 2. Teil des Interviews erschienen.
Das Interview führte Johannes Traichel [JT].
Das Gespräch mit einem Bibelübersetzer
JT: Wie bist du zu einem Bibelübersetzer geworden?
Ich erzähle hier nur die Kurzfassung. Die Berufung dazu erfolgte in drei Schritten: Als 16-Jähriger wurde mir plötzlich klar, dass Gott mir meine sprachliche Begabung nicht für mich selbst gegeben hat, sondern um damit ihm und seiner Kirche zu dienen. Das war der erste Schritt einer Berufung zum Bibelübersetzer.
Entsprechend entschied ich mich für das altsprachliche Gymnasium und im Anschluss daran für das Studium der Klassischen Philologie mit Altgriechisch im Hauptfach. Der zweite Schritt führte mich in den Brunnen Verlag Basel (heute Fontis AG), in jenen Verlag also, der bis heute verantwortlich ist für die Bibelübersetzung Hoffnung für alle. Nach meinem Studienabschluss bewarb ich mich dort auf eine Stelle, die es eigentlich gar nicht gab. In der ersten Runde sagte man mir verständlicherweise ab. Nur wenig später erhielt ich eine zweite Mail, die mich zu einem Gespräch einlud. Kurz darauf war ich eingestellt.
Ich wusste damals nicht, was im Hintergrund zwischen den beiden Mails passiert war. Später erzählte man mir: Die Frau des damaligen CEOs erfuhr von meiner Bewerbung und sagte zu ihrem Mann: „Ich kenne diesen Bewerber, der dir geschrieben hat, überhaupt nicht, und ich weiß auch nicht, warum ich dir das jetzt sage, aber du musst ihn unbedingt einstellen!“ Eingestellt wurde ich zunächst als Lektor. Mit dem dritten Schritt wurde die Sache später dann konkret: Der damalige Chrischona-Direktor Markus Müller und der Europa-Leiter von Biblica baten mich im Jahr 2010, die Projektleitung der seit 2007 laufenden “Hoffnung für alle”-Revision zu übernehmen. [Anm. der Redaktion: Die amerikanische Organisation Biblica hält die Rechte an der HFA und der Fontis Verlag gehört zu Chrischona. Beide geben in einer Kooperation die HfA heraus.]
JT: Ist das dein Kindheitstraum gewesen?
Nein, mein Kindheitstraum war es, Bundesrat [= oberste leitende und vollziehende Behörde der Schweiz] zu werden. Aber Bibelübersetzer ist noch besser, weil es da inhaltlich nicht um einen menschlichen Bund, sondern um Gottes Bund geht!
JT: Wie kam es zu deiner Liebe für die griechische Sprache?
Mir fiel die Schule immer sehr leicht. Entsprechend war ich stets auf der Suche nach neuen Herausforderungen. Als ich in der 9. Klasse die Chance bekam, Griechisch zu lernen, packte ich die Gelegenheit beim Schopf. Wir waren damals drei Schüler bei einem Lehrer. Während des Gymnasiums waren wir noch zu zweit. Dieses sehr persönliche Umfeld hat sicher zusätzlich dazu beigetragen, dass Griechisch für mich immer etwas Besonderes war.
#Revisionsarbeit
JT: Für die Übersetzung der Hoffnung für alle warst du der Projektleiter. Was war da deine Rolle?
Kurz zusammengefasst hatte ich drei Aufgaben: Erstens war ich für die ganze Koordination und für die Personalführung des Projekts verantwortlich, zweitens musste ich darauf achten, dass qualitativ hochwertig gearbeitet wird, und drittens erfüllte ich die Funktion eines Beraters bei methodischen und exegetischen Fragen.
JT: Wie kam es dazu, dass du die Projektleitung der Übersetzung übernommen hast?
Wie bereits gesagt, wurde ich vom damaligen Chrischona-Direktor und vom Europa-Leiter von Biblica darum gebeten. Ich hatte damals gerade mit meiner Dissertation begonnen und musste mich entscheiden zwischen der Projektleitung der Bibelrevision und meiner Promotion. Die Bibelübersetzung war mir wichtiger.
JT: Was sollte mit der Revision erreicht werden?
Das Ziel der Revision war es, dass die Texte der Hoffnung für alle klarer, schärfer und lebendiger werden.
JT: Wie verlief diese Arbeit?
Der Weg zu diesem Ziel bestand aus drei Etappen: Zuerst wurde der bestehende Text (= Hoffnung für alle 2002) Wort für Wort und Vers für Vers mit dem hebräischen, aramäischen und griechischen Urtext abgeglichen. Linguisten vermerkten sämtliche Stellen, an denen die Übersetzung bisher hinter dem informativen Gehalt der Ausgangssprachen zurückgeblieben war. Die so gewonnenen Erkenntnisse wurden von Theologen aufgegriffen und flossen zusammen mit ihren eigenen exegetischen Untersuchungen in den Erstentwurf ein. Der Erstentwurf wiederum wurde in regelmäßig stattfindenden Revisionssitzungen diskutiert und anschließend zu einer provisorischen Textfassung verarbeitet. In der letzten Runde wurde der ganze Text nochmals aus übersetzungswissenschaftlicher Perspektive überprüft, um auch der Zielsprache gerecht zu werden.
JT: Gab es Momente, in denen du den Sinn dieser Arbeit bezweifelt hast?
Nein, ich war immer von Sinn und Wert unserer Arbeit überzeugt. Was mich stärker unter Druck gesetzt hat, war das Wissen, dass man durch eine Revision Dinge nicht nur besser, sondern auch schlechter machen kann. Ein breites, gut qualifiziertes Beraterteam unterstützte uns aber, damit das nicht geschah.
JT: Welche Stellen waren die schwierigsten bei der Übersetzung?
Zu den anspruchsvollsten Passagen würde ich im Alten Testament die Psalmen zählen aufgrund ihrer reichen Bildersprache. Im Neuen Testament empfand ich den 2. Korintherbrief als besonders schwierig.
JT: Wie gingen du und dein Team mit Stellen um, bei denen die Übersetzung unklar war und ihr zu verschiedenen Ergebnissen gekommen seid?
Wir haben es gemacht, wie vom Kirchenschriftsteller Augustinus gefordert: Im Wesentlichen waren wir eins, im Zweifelhaften frei und in beidem ließen wir uns von der Liebe leiten. Dort, wo der Text tatsächlich zwei oder mehrere gut begründbare Verständnismöglichkeiten offen ließ, haben wir in der Regel eine Fußnote eingefügt. Außerdem haben wir sorgfältig darauf geachtet, dass wir in unserem Text keine Sondererkenntnisse vertreten. Die von uns gewählte Deutung des Ausgangstextes wird immer von mindestens einer, in der Regel aber von mehreren anderen anerkannten Bibelübersetzungen unterstützt.
#Hoffnung für Alle
JT: Die aktuelle Ausgabe der Hoffnung für Alle ist bereits ihre vierte Revision. Was unterscheidet die neue Ausgabe von den bisherigen? Und warum wird sie immer wieder überarbeitet?
Streng genommen ist es nicht die vierte Revision, sondern nur die zweite, für das Alte Testament sogar die erste. 1983 erschien zum ersten Mal das Neue Testament. 1991 kamen die Psalmen dazu und 1996 der Rest des Alten Testaments. 2002 erschien die erste Revision. Revidiert wurde damals aber nur das Neue Testament.
In unserer zweiten Revision, die im Jahr 2015 beendet war, überarbeiteten wir dann die gesamte Bibel, deren älteste Texte zu dieser Zeit vor über 25 Jahren übersetzt worden waren. Wenn man sich überlegt, was während dieser Zeit nur schon auf der Ebene der wissenschaftlichen Computersoftware möglich geworden ist, und wie viele Kommentare, Monographien etc. in der Zwischenzeit publiziert wurden, kann man sich leicht vorstellen, dass Handlungsbedarf vorhanden war. Außerdem hat sich in den letzten 20 Jahren auch die deutsche Sprache nochmals stark verändert.
JT: Es gibt in Deutschland unzählige Bibelübersetzungen auf dem Markt. Warum soll ich ausgerechnet die Hfa vorziehen?
Die Hoffnung für alle zeichnet sich vor allem durch ihre inhaltliche Treue aus. Diese ist mit einer wortgetreuen Bibelübersetzung nicht immer gegeben. Anders gesagt: Wörtliche Übersetzungen geben Einblick in die Wörter, die in der Ausgangssprache verwendet wurden, was aber nicht unbedingt zum richtigen Verständnis der Texte beiträgt.
In 1. Samuel 24,4 lesen wir beispielsweise wörtlich: „Und er kam zu den Schafhürden am Weg. Dort war eine Höhle, und Saul ging hinein, um seine Füße zu bedecken.“ Jahrelang las ich selber aus diesem Vers heraus, dass Saul geschlafen hatte, als ihm David begegnet war. Erst sehr viel später verstand ich, dass man sich nur in unserer Kultur zum Schlafen die Füße zudeckt, in der jüdischen jedoch dieses Bild benutzt wird, wenn gesagt werden soll, dass jemand seine Notdurft verrichtet. Entsprechend wird der Sachverhalt in der Hoffnung für alle wiedergegeben. Dazu kommt, dass die Hoffnung für alle eine gut verständliche Sprache verwendet und in der Deutung besonders sorgfältig auf den jeweiligen Kontext achtet.
JT: Wie entstand erstmals die Idee für diese Übersetzung?
Der „Vater“ der Hoffnung für alle war Hans-Peter Züblin, der frühere Leiter des Brunnen Verlags Basel. Zu seiner Zeit gab es nebst der „Guten Nachricht Bibel“ und der alten Bruns-Bibel noch keine andere Übersetzung, die den Bibeltext in einer gut verständlichen Sprache wiedergab. Hoffnung für alle war also gewissermaßen die erste kommunikative Übersetzung mit reinem evangelischen und evangelikalen Hintergrund.
JT: Was ist das Ziel der Hfa, welchen Aspekt möchte sie priorisieren?
Hoffnung für alle will die Bibel sein, „die deine Sprache spricht“. Gleichzeitig will sie den Bibeltext zuverlässig wiedergeben.
JT: Gibt es eine bestimmte Zielgruppe für diese Übersetzung?
Grundsätzlich ist unsere Bibelübersetzung passend für alle. Entsprechend lautet ihr Name. Wegen ihrer guten Verständlichkeit wird sie von allen Generationen geschätzt. Ich erlebe es regelmäßig, dass alte, routinierte Bibelleser auf mich zukommen und mir berichten, dass sie mit der Hoffnung für alle die Bibel nochmals von einer ganz neuen Seite entdeckt haben. Besonders empfehlenswert halte ich sie aber für junge Menschen und für die Evangelisation.
JT: Inwiefern können Studenten, Theologen oder Prediger von der Hfa profitieren?
Den ersten Gewinn für die genannte Gruppe sehe ich darin, dass sie durch die Hoffnung für alle für die Zielsprache und damit auch für die Leute, für die sie arbeiten, sensibilisiert werden. Außerdem hilft unsere Bibelübersetzung, die grammatischen und kulturellen Feinheiten der biblischen Ursprachen zu verstehen. Nicht zuletzt ist die Hoffnung für alle durch ihre natürliche Sprache ein reicher Schatz für die persönliche Spiritualität. Man ist weniger stark analytisch gefordert und kann sich dadurch stärker darauf konzentrieren, sich das Gelesene zu Herzen zu nehmen und es in den eigenen Alltag zu übersetzen.
JT: Ich erlebe immer wieder, dass die Hoffnung für alle in einigen traditionell geprägten Gemeinden, oder auch von manchen Theologen, als ungenau verurteilt wird oder per se schlecht gemacht wird. Wie gehst du mit solchen Vorwürfen um, und was sind die Ursachen für dieses Misstrauen?
Die Hauptursache dieses Misstrauens ist, dass sich manche Leute dessen nicht bewusst sind, dass jede Bibel kommunikativ wird – nämlich in dem Moment, in dem der Leser/die Leserin sich ein bestimmtes Verständnis bildet. Das tut er/sie aber auch bei der wörtlichsten Übersetzung. Selbst die Bibellektüre in den Ursprachen kommt nicht ohne Interpretation aus (vgl. Petrus über Paulus in 2. Petrus 3,14–16). Die Frage ist also nicht, ob eine Bibelübersetzung Interpretation ist, sondern nur, wer interpretiert. Hier bin ich der Meinung, dass im Rahmen der Hfa-Revision diese Interpretation sehr sorgfältig geschehen ist. Und Gott sei Dank dürfen wir Gläubige auch den Heiligen Geist haben, der uns das Wort verstehen lässt!
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Die Logos-Edition der Hoffnung für Alle ist ab sofort erhältlich.
Bildnachweis: © Gabriel Walther /www.walther.photography