Die Luther-Bibel – Wiege der Deutschen Bibeln

Von Philipp Keller

Bibel, Bibelübersetzung, Logos, Luther, Lutherbibel, Rezension, Übersetzungsmethode
September 20, 2014

Mar­tin Luther über­setz­te die Bibel in einer Zeit, als immer noch die Mei­nung herrsch­te, die Bibel sei nichts für den “nor­ma­len Mann”. Es gab zwar schon ande­re deut­sche Über­set­zun­gen, die­se waren aber alles Wort-für-Wort–Übersetzungen aus der latei­ni­schen Vulgata.

Lucas_Cranach_d.Ä._-_Martin_Luther,_1528_(Veste_Coburg)
Luthers Argumentation für eine freie Übersetzung

Luther woll­te aber die Bibel dem Volk öff­nen und hielt nichts von den Wort-für-Wort-Über­set­zun­gen. Er schrieb:

man muss nicht die Buch­sta­ben in der latei­ni­schen Spra­che fra­gen, wie man soll Deutsch reden, wie die­se Esel tun, son­dern man muss die Mut­ter im Hau­se, die Kin­der auf der Gas­sen, den gemei­nen Mann auf dem Markt
drum fra­gen und den­sel­bi­gen auf das Maul sehen, wie sie reden, und dar­nach dol­met­schen; da ver­ste­hen sie es denn und mer­ken, daß man deutsch mit ihnen redet.

Er wur­de scharf ange­grif­fen – vor allem von der katho­li­schen Kir­che –, da er sich von der wört­li­chen Über­set­zung distan­zier­te und Rede­wen­dun­gen ins Deut­sche über­trug. Luther schoss zurück: in sei­nem Sen­de­brief vom Dol­met­schen nennt er sei­ne Geg­ner „Buch­ta­bi­lis­ten“ und ver­tei­dig­te sei­ne Art zu Übersetzen.

An was stör­ten sich die Buch­sta­bi­lis­ten? An dem, dass Luther so über­setz­te: statt „Gegrü­ßet seist du, Maria voll Gna­den“ schrieb er „Gegrü­ßet seist du, Maria du Hold­se­li­ge“ (Lk 1:28), denn:

wel­cher Deut­scher ver­ste­het, was da heißt: voll Gna­den? Er muss den­ken an ein Fass voll Bier oder Beu­tel voll Gel­des; dar­um hab ich’s ver­deutscht: Du Holdselige

Anstatt „Aus dem Über­fluss des Her­zens redet der Mund“ über­setz­te er „Wes das Herz voll ist, des gehet der Mund über“ (Mt. 12:34). Denn:

Was ist Über­fluss des Her­zen für ein Ding? Das kann kein Deut­scher sagen, es sein denn, er woll­te sagen, es bedeu­te, daß einer ein all­zu groß Herz habe oder zuviel Herz habe; wie­wohl das auch noch nicht recht ist, denn Über­fluss des Her­zens ist kein Deutsch, so wenig als das Deutsch ist: Über­fluss des Hau­ses, Über­fluss des Kachelofens

Die Dis­kus­si­on, ob die Bibel mög­lichst wört­lich oder mög­lichst ver­ständ­lich über­setzt wer­den soll, ist span­nend und wird auch heu­te noch geführt, aller­dings häu­fig viel zu erbit­tert: Im Netz tum­meln sich end­lo­se Schimpf­ti­ra­den gegen freie Über­set­zun­gen: Den frei­en Über­set­zun­gen wird vor­ge­wor­fen, das Wort Got­tes so zu ver­dre­hen, dass es die eige­ne Ansich­ten unter­stüt­ze. Iro­ni­scher­wei­se wer­den die­se Argu­men­te von Befür­wor­tern der alten Luther benutzt; gera­de die Bibel, wel­che zu ihrer Zeit als “freie Über­set­zung” galt.

Dabei geht es doch dar­um, das Wort Got­tes den Men­schen näher­zu­brin­gen. Und da ist es doch klas­se, dass wir im deut­schen Raum so vie­le ver­schie­de­ne Über­set­zun­gen haben. Man­che bevor­zu­gen die Neue Gen­fer Über­set­zung, ande­re bevor­zu­gen die Elber­fel­der. Geht doch!

Das “Luther-Deutsch”

Doch zurück zu Luther: Als ich vor knapp 20 Jah­ren Christ wur­de, kann­te ich die Bibel noch gar nicht. Für mein per­sön­li­ches Bibel­stu­di­um bekam ich eine Luther-Bibel geschenkt. Ich erin­ne­re mich noch, wie ich jeden Mor­gen in die­ser Bibel las und dabei nicht nur der Inhalt neu war, son­dern auch die Spra­che: Denn wes das Herz voll ist, des geht der Mund über (steht immer noch in der Ver­si­on von 1984!); das ver­stand ich zwar, ver­mit­tel­te aber, dass Chris­ten­tum etwas anti­quier­tes war. Nach eini­ger Zeit gewöhn­te ich mich dar­an und dach­te: „Nun­ja, das ist halt, wie Gott spricht“.

Was heu­te etwas anti­quiert klingt, war zu Luthers Zeit höchst aktu­ell: Luther hat “dem Volk auf’s Maul geschaut”: Statt die latei­ni­schen oder grie­chi­schen Wör­ter direkt zu über­tra­gen, hat er Wör­ter aus der
Umgangs­spra­che sei­ner Zeit genom­men und die­se benutzt, um den Text zu erklä­ren. Dabei hat er eini­ge Wör­ter erfun­den oder zumin­dest geprägt und hat so sogar das “Hoch­deutsch” (näm­lich dem Deutsch in der Regi­on Luthers) zum Stan­dard-Deutsch erhoben.

Ein paar Beispiele:

  1. Das Scherf­lein der Wit­we (Lk. 21:2): Ein Scherf war eine gerin­ge Kup­fer­mün­ze in sei­ner Regi­on zur Zeit von Luther, nicht etwa eine Geld­mün­ze zur Zeit des neu­en Testaments.
  2. Das Licht unter den Schef­fel stel­len (Mt. 5:15). Schef­fel war nicht etwa eine Mass­ein­heit der Zeit Jesu’ son­dern die­se wur­de ab dem Mit­tel­al­ter benutzt.
  3. Göt­ze (z.B. Apg 15:20) Das grie­chi­sche Wort ist εἴδωλον (eidō­lon) und wört­lich über­setzt wäre es “Idol”, Luther hat hier das mit­tel­hoch­deut­sche Wort “Göt­ze” genom­men, das zu die­ser Zeit ein Wort für Hei­li­gen­bil­der war (auch die der katho­li­schen Kirche!).
  4. Magd (z.B. Lk 1:48) oder Knecht (z.B. Lk 7:2): Das grie­chi­sche Wort kommt von odδοῦλος (dou­los) und bezeich­net ein Skla­ve oder ein Bediens­te­ter. Zu Luthers Zeit sag­te man dem eben Knecht oder Magd.

Span­nend ist nun, dass Scherf­lein, Schef­fel und Göt­ze alles Wör­ter sind, wel­che wir heu­te nur noch aus der Bibel ken­nen; zur Zeit Luthers aber waren es Wör­ter der Umgangs­spra­che. Das wären eigent­lich die
Wör­ter, wel­che von moder­nen Über­set­zun­gen ersetzt wer­den müssten.

Eigen­ar­tig ist, dass alle popu­lä­ren deut­schen Bibel-Über­set­zun­gen (Luther, Elber­fel­der, Schlach­ter und die Zür­cher-Bibel) noch immer Licht unter den Schef­fel haben, obwohl es die­ses Maß längst nicht
mehr gibt. Eben­so ver­hält es sich mit Knecht oder Magd. Heu­te wären dies Bediens­te­te oder Mitarbeiter.

Dies zeigt, was für einen enor­mer Ein­fluss die Luther-Bibel auf alle deut­schen Bibel-Über­set­zun­gen hat­te und auch heu­te noch ver­übt. Sie war und ist die popu­lärs­te aller deut­schen Bibeln. Die Luther-Bibel lag ein­mal in jedem 5. deut­schen Haus­halt! Nun wagt es kei­ne der nam­haf­ten Über­set­zun­gen, sich vom “Mit­tel­al­ter-Voka­bu­lar” von Luther zu lösen.

Das Pro­blem ist näm­lich, dass sich die Kir­che so an die Über­set­zung gewöhn­te, dass neue­re Über­set­zun­gen abge­lehnt wur­den, wel­che eben die­se Wör­ter durch neue­re Begrif­fe erset­zen wollten.
So z.B. die Revi­si­on der Luther­bi­bel von 1975: aus Schef­fel wur­de Eimer und prompt wur­de die Über­set­zung abge­lehnt! Die Revi­si­on wur­de ver­spot­tet und krieg­te den Über­na­men “Eimer­te­s­ta­ment”. Die Men­schen hät­ten sich zu sehr an die Wör­ter gewöhnt.

Die neu­es­te Revi­si­on der Luther-Bibel (1984), mach­te also die Vor­schlä­ge von 1975 rück­gän­gig und nahm nur dort neue­res Voka­bu­lar, wo die Ver­se nicht all­zu bekannt waren.

Anmerkungen: Mischung zwischen liberal und fundamentalistisch

Der Aus­druck “Sola Scrip­tu­ra” geht auf Luther zurück, der Papst Leo 1520 auf­for­der­te die Bibel als ulti­ma­ti­ve Auto­ri­tät anzu­er­ken­nen. So gese­hen war Luther fun­da­men­ta­lis­tisch. Die heu­ti­ge evan­ge­li­sche Kir­che hat größ­ten­teils eine libe­ra­le­re Auf­fas­sung der Bibel. Die Kom­men­ta­re zum Text sind rela­tiv neu­tral aus­ge­fal­len. Die Geschich­te von Jona wir kom­men­tiert mit “im alt­tes­ta­ment­li­chen Jona­buch wird erzählt…”. Es scheint also, als woll­ten die Schrei­ber auch in den Anmer­kun­gen Luther treu bleiben.

Fazit

Die Luther-Bibel ist die “Mut­ter aller deut­schen Bibeln”. Sie war die ers­te Über­set­zung, wel­che gro­ße Ver­brei­tung fand, und noch heu­te ist der Ein­fluss auf alle nam­haf­ten deut­schen Über­set­zun­gen enorm. Wer im deut­schen Raum Bibel liest, kommt nicht um die Luther-Bibel herum.

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Das Wort Got­tes nicht nur lesen, son­dern auch bewun­dern. Das ver­sucht Phil­ipp Kel­ler selbst zu tun und ande­re dazu zu moti­vie­ren. Er ist Wor­ship-Lei­ter und bloggt pri­vat. Auf Twit­ter ist er erreich­bar unter @philippkellr


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Philipp Keller

Über den Autor

Das Wort Gottes nicht nur lesen, sondern auch bewundern. Das versucht Philipp selbst zu tun und andere dazu zu motivieren. Er ist Worship-Leiter und bloggt privat. Auf Twitter ist er erreichbar unter @philippkellr

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