Sieg! Das erste Jahrtausend feierten die Christen das Kreuz primär als den Sieg Jesu über böse Mächte. Lesen Sie in 15 Min. selbst, warum das Christus-Victor-Verständnis des Kreuzes wichtig ist und als übergeordneter Rahmen verstanden werden sollte für das Werk Jesu am Kreuz.
Inhalt
Der Streit um das Kreuz
In meinem ersten Artikel habe ich neun Möglichkeiten vorgestellt, wie der Tod Jesu am Kreuz verstanden werden kann. Kurz und knapp habe ich versucht verschiedene Argumente für und gegen die jeweilige Sichtweise zu skizzieren. Zum Schluss des Artikels habe ich vorgeschlagen, dass nicht eine Sichtweise allein das Werk Jesu exklusiv erklären kann, sondern dass vielmehr verschiedene Sichtweisen unterschiedliche Aspekte des Kreuzes beleuchten.
Die Bilder, die wir im NT zur Erklärung des Kreuzes finden, konzentrieren sich
auf fünf Bereiche des öffentlichen Lebens in der Antike: das Gericht (z.B. Rechtfertigung), die Welt des Handels (z.B. Erlösung), persönliche Beziehungen (z.B. Versöhnung), der Gottesdienst (z.B. Opfer) und das Schlachtfeld (z.B. Triumph über das Böse) (Green 2006:166).
Diese verschiedenen Bilder zeigen, dass Jesus durch sein Leben, seinen Tod und seine Auferstehung eine Vielzahl an Problemen gelöst hat.
Unter anderem hat Gott durch Christus den Teufel und seine Gefolgschaft besiegt (Hebr 2,14; 1 Joh 3,8), die endgültige Wahrheit über sich selbst offenbart (Röm 5,8, vgl. Joh 14,7–10), alles mit sich versöhnt (2 Kor 5,18–19; Kol 1,20–22) und uns die Sünden vergeben (Apg 13,38; Eph 3,8). Joh 14,7–10); versöhnte alle Dinge, einschließlich der Menschen, mit sich selbst (2Kor 5,18–19; Kol 1,20–22); vergab uns unsere Sünden (Apg 13,38; Eph 1,7); heilte uns von unserer sündengeplagten Natur (1Petr 2,24); goss seinen Geist auf uns aus und befähigte uns, in Beziehung zu ihm zu leben (Röm 8,2–16); und gab uns ein Beispiel, dem wir folgen sollen (Eph 5,1–2; 1Petr 2,21). (Boyd 2006:23)
In diesem Artikel will ich das Christus-Victor-Motiv im Detail beleuchten, weil es, meiner Meinung nach, in der deutschen Literatur etwas zu kurz kommt, obwohl es die dominante Sichtweise, des ersten Jahrtausends war und sich wie ein roter Faden durch die Bibel zieht.
Was bedeutet Christus Victor?
Aulén, einer der bekanntesten Vertreter des Christus-Victor-Motivs, beschreibt diesen Deutungsansatz wie folgt:
Das zentrale Thema ist die Auffassung vom Sühnopfer als einem göttlichen Konflikt und Sieg; Christus – der Sieger – kämpft und triumphiert über die bösen Mächte der Welt, die „Tyrannen”, unter denen die Menschheit leidet, und in ihm versöhnt Gott die Welt mit sich selbst. (:4) Das Werk Christi ist in erster Linie ein Sieg über die Mächte, die die Menschheit in Knechtschaft halten: Sünde, Tod und der Teufel. (…) Der Sieg Christi schafft eine neue Realität, die ihrer Herrschaft ein Ende setzt und die Menschen von ihrer Herrschaft befreit. (2003:20)
Das Christus-Victor-Motiv in der Bibel
Das Christus-Victor-Motiv zieht sich wie ein roter Faden von Genesis bis zur Offenbarung durch die Bibel.
Der Satan als der Herrscher der Welt
Um die Notwendigkeit des Sieges Jesus über die Mächte verstehen zu können, muss man erst das Problem verstehen, welches die Bibel aufzeigt.
Als Satan Jesus anbot, ihm alle Reiche der Welt zu geben (Mt 4,8), war das eine echte Versuchung, denn Satan herrscht tatsächlich über all diese Reiche. Jesus selbst bezeichnete Satan dreimal als den Herrscher dieser Welt (Johannes 12,31; 14,30; 16,11). Diese Welt ist das Reich der Finsternis (Johannes 1,5). Jesus identifizierte eine verkrüppelte Frau als vom Teufel gefesselt (Lukas 13,16). Jesus schrieb Krankheiten und körperliche Gebrechen konsequent den bösen Mächten zu (Lukas 8,29; 11,14; 13,11; Markus 9,25). Die große Zahl dämonischer Besessenheiten, von denen in den Evangelien berichtet wird, deutet auf eine Welt hin, die „von Dämonen durchdrungen ist, deren zerstörerischer Einfluss allgegenwärtig ist“ (Boyd 2009:103). In Lukas 11,21–22 vergleicht Jesus Satan mit einem starken Mann, der sein Eigentum bewacht: die Menschen, die unter seiner Macht stehen (Apostelgeschichte 26,18).
Paulus bezeichnete Satan als „den Gott dieser Welt“ (2 Kor 4,4) und „den Fürsten der Macht der Luft“ (Eph 2,2; ELB). Der Verstand der Ungläubigen ist von Satan verblendet (2 Kor 4,4). Während Paulus klarstellte, dass Jesus die bösen Mächte besiegt hat (Kol 1,13; 2,15), betonte er dennoch, dass Christen mit bösen Mächten im Krieg stehen (Eph 6,12–17). Johannes stellt fest, dass diese Welt „unter der Macht des Bösen“ steht (1 Joh 5,19).
Fazit: Diese Welt sollte als eine Welt verstanden werden, die von bösen geistlichen Wesen unter der Führung Satans bevölkert ist, welcher „die ganze Welt als Geisel genommen und sich selbst als den illegitimen Gott des gegenwärtigen Zeitalters eingesetzt hat“ (Boyd, 2009:101).
Die erste Messias-Prophetie
Gott hat die Menschen erschaffen und ihnen Autorität gegeben, um in Partnerschaft mit ihm diese Welt zu regieren. Aber statt gemeinsam mit Gott zu regieren, haben wir gegen ihn und seinen Weg rebelliert. Durch unsere Rebellion ist diese Welt unter die Herrschaft des Satans und der Sünde gekommen. Direkt im Anschluss an unsere Rebellion verheißt Gott bereits, wie er (durch den zukünftigen Retter) das Problem lösen wird. Gott verspricht, dass er den Kopf der Schlange zertreten werde (Genesis 3,15). Die allererste messianische Prophezeiung nennt das Ziel von Gottes Erlösungswerk: die Vernichtung des Satans (und damit die Ausrottung von allem Bösen).
Das Böse im Alten Testament
Im Alten Testament wird das Böse in Form von feindseligen Gewässern (Gen 1,2; Ps 29,3; Spr 8,29; Hiob 9,8; Hab 3,10), kosmischen Monstern (Ps 74,10–14) und rebellischen Göttern (Dan 10; Ps 82) dargestellt. Diese Darstellungen sind eindeutig von der üblichen mythologischen Bildsprache des Alten Orients beeinflusst. Dennoch vermitteln sie auf eindringliche Weise das Verständnis, dass die Erde und ihre Bewohner in einem kosmischen Kriegsgebiet leben. Die Ordnung im Kosmos und die Erhaltung Israels hängen davon ab, dass Gott gegen diese bösen kosmischen Kräfte kämpft.
Jesus und das Christus-Victor-Motiv
In Markus 10,45 erklärt Jesus seine Aufgabe darin, „dass er diene und sein Leben gebe als Lösegeld für viele“ (LUT 2017). Das Wort Lösegeld (λύτρον lytron) ist in dem Kontext „einen Sklaven/Gefangenen freikaufen“ zu verstehen. Jesus erklärte seinen Tod und seine Auferstehung also primär als einen Akt der Befreiung aus Sklaverei. Dieses Motiv wiederholt sich mehrfach in den Evangelien.
Jesus gab uns kein abstraktes theologisches Konstrukt, um seinen Tod zu verstehen, sondern er gab uns ein Mahl. Jesus erklärte seinen Jüngern die Bedeutung seines Todes beim Passahmahl. Das Passahfest wurde gefeiert zur Erinnerung an den Auszug der Israeliten aus der Sklaverei in Ägypten (der sogenannte Exodus). Jesus hat den Exodus als Kontext gewählt, in dem wir seinen Tod und seine Auferstehung verstehen sollen. Jesus hat durch seinen Tod und seine Auferstehung einen neuen Exodus ermöglicht. Aber von welcher Sklaverei müssen wir befreit werden?
In Joh 12,31 erklärt Jesus, dass er durch seinen Tod den „Fürst dieser Welt“ hinauswerfen wird (ELB). Wie bereits erwähnt, beschreibt die Bibel uns Menschen als Sklaven des Herrschers dieser Welt und seiner Mächte. Als Sklaven dieser bösen Mächte sind wir ebenfalls Gefangene des Todes (Hebr 2,14–15) und der Sünde (Joh 8,34; Röm 6,17). Jesus kam, um diese dunklen Mächte zu entmachten und uns dadurch aus deren Sklaverei zu befreien.
In Lukas 11,21–22 wird Jesus als derjenige beschrieben, der den starken Mann (Satan) fesselt und ihm sein Eigentum wegnimmt, nämlich die Welt, die Satan unter seine Gewalt gebracht hat.
In Matthäus 12:22–29 wird berichtet, wie Jesus einen taub-stummen Mann von einem bösen Geist befreit und ihn dadurch heilt. Diese Heilung zeigt Jesu Macht über alle bösen Mächte. Im Anschluss erklärte Jesus, dass seine Handlungen, insbesondere das Austreiben von Dämonen, das Kommen des Reiches Gottes manifestiert (Vers 28). Er verwendet dazu das Bild eines starken Mannes, der einen anderen starken Mann fesselt und ihm sein Eigentum wegnimmt. In dieser Analogie repräsentiert Satan den starken Mann, der die Menschen in seiner Herrschaft gefangen hält. Jesus hingegen ist derjenige, der mit der Kraft Gottes den starken Mann, also Satan, besiegt und ihm diejenigen wegnimmt, die er in seiner Gefangenschaft hält.
Diese Verse verdeutlichen, dass wann immer Jesus Leute heilte und Dämonen austrieb, er sie aus der Gewalt des Feindes befreite und dadurch sein Königreich aufrichtete. Dieses Verständnis des Dienstes Jesus findet sich immer wieder durch das Neue Testament hindurch.
Hierzu ist der Sohn Gottes offenbart worden, damit er die Werke des Teufels vernichtet. (1 Joh 3,8 ELB)
Jesus von Nazareth, wie Gott ihn mit Heiligem Geist und mit Kraft gesalbt hat, der umherging und wohltat und alle heilte, die von dem Teufel überwältigt waren, denn Gott war mit ihm. (Apg 10,38 ELB)
Paulus und das Christus-Victor-Motiv
Neben den häufigen Hinweisen auf Satan und Dämonen im gesamten Neuen Testament finden wir bei Paulus Hinweise auf andere geistliche Mächte. So lesen wir bei Paulus von „Herrschern“, „Fürstentümern“, „Mächten“ und „Gewalten“ (Röm 8,38; 13,1; 1 Kor 2,6.8; 15,24; Eph 1,21; 2,2; 3,10; 6,12; Kol 1,16; 2,10.15). All diese, gegen Gott rebellierende Mächte, hat Jesus „völlig entwaffnet und sie öffentlich zur Schau gestellt“. Christus hat Triumph über sie gehalten (Kol 2,15 ELB).
Jesus hat „uns gerettet aus der Macht der Finsternis und versetzt in das Reich des Sohnes“ (Kol 1,13 ELB).
In 1.Korinther 15,3–5 finden wir eine Art Minizusammenfassung des Evangeliums der ersten Christen. Paulus leitet diese Verse damit ein, dass er das weitergibt, was er selbst empfangen hat, was auf ein festes Bekenntnis hinweist, welches wahrscheinlich auswendig gelernt und benutzt wurde um das Evangelium zusammenzufassen.
Die Stelle gibt uns einen entscheidenden Hinweis darauf, wie wir den Tod und die Auferstehung Jesu verstehen müssen, nämlich „gemäß der Schrift“. Eine Deutung des Todes Jesu und seiner Auferstehung, welche nicht die große Geschichte und die Themen des AT berücksichtigt, ist gefährlich.
Galater 1,4 verwendet eine ähnliche Formulierung wie in 1. Korinther 15,3 und hilft uns den „für unsere Sünden gestorben“ (V.3) Teil besser zu verstehen:
…der sich selbst für unsere Sünden hingegeben hat, damit er uns herausreißt aus der gegenwärtigen bösen Welt nach dem Willen unseres Gottes und Vaters… (ELB)
Durch Jesu Tod und Auferstehung sind wir von der gegenwärtigen Welt und dem Bösen, der sie beherrscht, befreit. Dies passt hervorragend zu den großen Themen des AT, in welches Jesus seinen eigenen Tod setzt. Wie bereits erwähnt, beschreibt Jesus seinen Tod im Abendmahl als einen neuen Exodus. Jesus befreite uns von den geistlichen dunklen Mächten, die uns versklavt haben. Damit erfüllt er die erste Messias-Prophetie, dass er der Schlange den Kopf zertreten wird, ganz vom Anfang des AT (Gen 3,15).
Weitere Stellen im NT
In der ersten Predigt der Apostel, auch als Pfingstpredigt bekannt, zitiert Petrus Psalm 110,1.
Der Herr sagte zu meinem Herrn: Setze dich an meine rechte Seite, bis ich deine Feinde zum Schemel für deine Füße gemacht habe. (Apg 2,34–35 NGÜ)
Dieser Vers verheißt, dass der Messias als König herrschen und all seine Feinde unterwerfen wird. Die häufige Erwähnung dieser Stelle im Neuen Testament zeigt, dass das Verständnis des Sieges über die dunklen Mächte ein zentrales Deutungsmotiv der ersten Christen war.
Auch im Hebräerbrief wird Jesu Tod als das Mittel beschrieben, durch welches er den Teufel entmachtete und uns aus der Sklaverei befreite.
So konnte er durch den Tod den entmachten, der mit Hilfe des Todes seine Macht ausübt, nämlich den Teufel, 15 und konnte die, deren ganzes Leben von der Angst vor dem Tod beherrscht war, aus ihrer Sklaverei befreien. (Hebr 2,14–15 NGÜ)
Und schlussendlich spricht Offenbarung 12,9–11 dann von dem endgültigen Sieg über den Teufel und seinem dunklen Königreich.
Christus Victor und die Kirchenväter
Das Christs-Victor-Motiv zieht sich nicht nur durch die gesamte Bibel, sondern war das dominante Verständnis des Kreuzes des ersten Jahrtausends und wurde erst dann durch die Satisfaktionstheorie von Anselm in den Hintergrund gedrängt. Viele der Kirchenväter wie Origenes, Athanasius, Basilius der Große, Gregor von Nyssa, Gregor von Nazianzus, Kyrill von Alexandrien, Kyrill von Jerusalem und Chrysostomus, sie alle beschreiben das Werk Jesu als Sieg über die dunklen Mächte in ihren Schreiben (Aulen 2003:37).
Irenaeus (130–202 n. Chr.), einer der frühsten Kirchenväter, beschreibt sein Verständnis des Kreuzes wie folgt:
…aber durch den zweiten Menschen hat er den Starken gebunden und seine Güter geraubt und den Tod vernichtet und dem Menschen, der dem Tod unterworfen war, das Leben gebracht. Denn Adam war des Teufels Besitz geworden, und der Teufel hielt ihn in seiner Gewalt, indem er ihn zu Unrecht betrog und ihn durch das Angebot der Unsterblichkeit dem Tod unterwarf. (Adv. Hær., III., 23. 1)
Augustinus (354–430 n. Chr.) schreibt:
Und wo der Teufel etwas tun konnte, da wurde er von allen Seiten besiegt. Während er vom Kreuz die Macht erhielt, den Leib des Herrn äußerlich zu töten, wurde auch die innere Macht, durch die er uns festhielt, durch das Kreuz getötet. (…) Und deshalb hat der Herr um unseretwillen den Tribut an den Tod gezahlt, der ihm nicht zustand, damit der Tod, der ihm zustand, uns nicht schade. (…) und deshalb hat er [Jesus] die Fürstentümer und Mächte offen bloßgestellt und in sich selbst zuversichtlich über sie triumphiert. (De Trinitate 4.13.17)
Den Sieg Jesu verwirklichen
Ein Hauptargument, welches oft angeführt wird, gegen das Christus-Victor-Verständnis ist, dass diese Welt nicht reflektiert, dass die dunklen Mächte besiegt sind. Im Gegenteil, das viele Leid in der Welt, deutet darauf hin, dass Satan wirklich der Fürst dieser Welt und ungehindert am Werk ist. Wie lässt sich das Leid der Welt mit dem Sieg Jesu vereinbaren?
Ein Bild, das mir hilft, diesen Zusammenhang zu verstehen, ist das Bild des D‑Days. Nachdem die alliierten Truppen erfolgreich in Frankreich gelandet waren, war klar, dass Hitler den Zweiten Weltkrieg verlieren würde. Obwohl der Sieg in Reichweite lag, mussten dennoch weitere Kämpfe ausgetragen werden, bis die Deutschen schließlich kapitulierten und die endgültige Niederlage besiegelt wurde.
Durch das Kreuz und seine Auferstehung besiegelte Jesus das Schicksal der bösen Mächte. Die endgültige Niederlage Satans ist sicher. Aber es ist die Kirche, die dazu berufen ist, diese Realität in dieser Welt zu realisieren (Eph 3,10). Jesus hat alle Macht, aber er hat uns die Aufgabe gegeben, alle Nationen zu Jüngern zu machen (Matt 28:18–20). Unter der siegreichen Autorität Christi ist die Kirche aufgerufen, die bösen Mächte in dieser Welt zu bekämpfen und zu stürzen, so wie Jesus es getan hat.
Gott regiert und erlöst den Kosmos nicht allein, sondern hat den Menschen ein echtes Mitspracherecht in dieser Welt gegeben. N.T. Wright fasst es folgendermaßen zusammen:
Gott hat seine Welt so geordnet, dass sein eigenes Wirken in dieser Welt durch die Menschen, die sein Ebenbild widerspiegeln, geschieht. Das ist, glaube ich, der Kern dessen, dass wir nach Gottes Ebenbild geschaffen sind. Gott beabsichtigt, dass seine weise, schöpferische, liebende Gegenwart und Macht durch seine menschlichen Geschöpfe in die Welt reflektiert – abgebildet, wenn Sie so wollen – werden. Er hat uns als seine Verwalter für das Projekt der Schöpfung eingesetzt. Nach der Katastrophe der Rebellion und der Korruption hat er in die Botschaft des Evangeliums die Tatsache eingebaut, dass er die Menschen durch das Wirken Jesu und die Kraft des Geistes dazu ausrüstet, bei der Wiederherstellung des Projekts mitzuhelfen (2009:96).
Christus Victor erklärt das was nicht das wie
Das Wesentliche, das berücksichtigt werden muss, ist, dass das Christus-Victor-Motiv beschreibt, was Jesus erreicht hat – nämlich den Sieg über die Mächte, die uns versklavt haben -, aber die genaue Art und Weise, wie dies geschehen ist, bleibt offen. Das Christus-Victor-Motiv dient als übergeordneter Rahmen, der erklärt, was Jesus durch sein Werk am Kreuz erreicht hat, während alle anderen Sühnetheorien versuchen, genauer zu erläutern, wie die Erlösung genau funktioniert. Daher ist das Christus-Victor-Motiv besonders gut mit anderen Sühnetheorien vereinbar und kann sich gut mit ihnen kombinieren lassen.
Fazit: Argumente für Christus Victor
Ich denke, es gibt viele schlagkräftige Gründe (adaptiert von Boyd 2006:46–48), weshalb wir das Kreuz und die Auferstehung primär als Sieg über die bösen Mächte, die uns versklavt haben, verstehen sollten.
1. Christus Victor ist das einzige Modell, das der Zentralität des Motivs des Sieges Christi über Satan im Neuen Testament voll gerecht wird.
2. Christus Victor zieht sich wie ein roter Faden durch die Bibel und war das vorherrschende Modell im ersten Jahrtausend der Kirchengeschichte.
3. Dieses Modell bringt das Leben, den Tod und die Wiederauferstehung in einer sinnvollen Weise in Einklang. Bei all diesen Dingen geht es letztlich um eines: die Errichtung der Herrschaft Gottes, indem die Herrschaft Satans und der Mächte durch die Kraft der selbstaufopfernden Liebe besiegt wird.
4. Christus Victor erklärt am verständlichsten, wie das Werk Christi dem Menschen, den ihm ursprünglich zugedachten Platz der Herrschaft auf der Erde zurückgibt, ein Punkt, der im Mittelpunkt der biblischen Geschichte steht (Gen 1,26–28; 2 Tim 2,12; Offb 5,10).
5. Dieses Modell bietet viele Vorteile, um eine sinnvolle Antwort auf die Theodizee-Frage zu finden.
6. Diese Sicht ruft Christen dazu auf, sich der Rebellion Christi gegen die bösen Mächte anzuschließen. Die Christus-Victor-Perspektive inspiriert Jünger Jesu zu einem Leben der Heiligung, was dem Zeitgeist widersteht.
7. Als übergeordnetes Verständnis des Kreuzes ist es am besten kombinierbar mit anderen Sühnetheorien.
Bibliografie
Aulén, Gustaf. Christus Victor: An Historical Study of the Three Main Types of the Idea of Atonement. Übersetzt von A. G. Hebert, Wipf & Stock, 2003.
Boyd, Gregory A. „Christus Victor View“. The Nature of the Atonement: Four Views, herausgegeben von James K. Beilby und Paul R. Eddy, IVP Academic, 2006.
Boyd, G.A. ‘God at War’. In: Winter, R.D. and Hawthorne, S.C. eds. Perspectives on the World Christian Movement: A Reader. 4th ed. Pasadena: William Carey Library. 2009. 100–111.
Green, Joel B. „Kaleidoscopic View“. The Nature of the Atonement: Four Views, herausgegeben von James K. Beilby und Paul R. Eddy, IVP Academic, 2006.
Wright, N. T. „Building for the kingdom“. In: Winter, R.D. and Hawthorne, S.C. eds. Perspectives on the World Christian Movement: A Reader. 4th ed. Pasadena: William Carey Library. 2009.
Hallo zusammen, hallo Manuel,
finde die Ausführungen hier zur Thematik Christus Victor sehr interessant und auch biblisch sauber begründet. Es ist daher schon erstaunlich, das ganz überwiegend die „Zornestheologie” im evangelikalen Bereich einseitig gelehrt und geglaubt wird. Das heißt, Gott goß seinen Zorn über die sündige Menschheit auf seinen Sohn aus und verschonte somit erst einmal die Menschheit mit seinem Gericht. Es ist eine Überzeugung, die die Reformatoren aus verständlichen Umständen geprägt haben! Ich denke, deshalb und aus anderen Gründen machen etliche Gläubige einen Unterschied zwischen dem „zornigen Gott-Vater” und dem „barmherzigen Gottes-Sohn”. Obwohl Jesus Christus auf die Frage seiner Jünger nach Gott dem Vater ihnen antwortet, das wenn sie auf IHN schauen gleichzeitig den Vater erkennen (Joh.14,6–10; vgl. Joh.10,30.38; Kol.2, 8–10). Fände es sehr spannend, wenn im deutschsprachigen Raum ein Sachbuch zu diesem Thema geschrieben oder übersetzt und veröffentlicht werden würde. Liebe Grüße Pilger.
Hallo Pilger.
Ich stimme ganz zu, dass das Christus Victor noch viel mehr in den Vordergrund rücken muss in vielen evangelikalen Kreisen. Es ist ein zentrales biblisches Thema, welches sich durch die ganze Bibel zieht und dafür zu wenig Aufmerksamkeit bekommen. Auf Englisch gibt es bereits mehrere Monografien, aber im deutschsprachigen Raum ist es da leider noch etwas rar.
Aber das wird sicher mehr werden in den nächsten Jahren.
Liebe Grüße
Manuel