Inhalt
- Interview mit Benjamin Misja
- Was ist eine Erweiterte Interlinearbibel und was macht sie so besonders?
- Welche Bibel wurde denn ausgewählt? Warum? Folgen weitere?
- Welche griechischen und hebräischen Textgrundlagen benutzt du?
- Was waren bisher deine größten Herausforderungen?
- Hast du durch deine Arbeit in der Bibel etwas Neues gelernt? Siehst du die Bibel jetzt anders, nachdem du den Text auf einer so “tiefen” Ebene untersucht hast?
- In welchem Zusammenhang werden sie genutzt und warum sollten sich deutsche Nutzer auf die I+ freuen? Auf was freust du dich am meisten?
- Das hört sich ja alles ganz gut an, aber auch sehr speziell. Warum ist diese I+ so etwas besonderes?
- Welche weiteren Pläne haben wir für etwaige weitere I+? Irgendwelche persönlichen “besonderen” Wünsche?
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Interview mit Benjamin Misja
Im Rahmen des immer weiter voranschreitenden Wachstums des deutschen Logos-Bereichs konnten wir vor kurzem einen weiteren großen Schritt mit der Veröffentlichung unserer ersten deutschsprachigen Erweiterten Interlinearbibel vornehmen. Erweiterten Interlinearbibeln bilden die Grundlage für eine Vielzahl an Funktionen in Logos und waren daher für uns von Anfang an eines der wichtigsten Anliegen.
Jetzt, wo das Produkt zur Bestellung auf de.logos.com verfügbar ist und auch die Erstellung des Neuen Testaments bereits abgeschlossen ist, wollten wir uns mit unserem Verfasser Benjamin Misja darüber unterhalten.
Hi Ben! Danke für dieses Gespräch. Groß vorstellen müssen wir dich ja eh nicht mehr, da du als Blogger auf diesem Blog uns ja in deiner Blogger-Vorstellung schon einiges erzählt hast. Dennoch könntest du uns in ein oder zwei Sätzen noch ein bisschen was über dich erzählen:
Ich bin Theologe und wohne zurzeit mit meiner Familie in Iowa (USA). Auf meine Kappe gehen die deutschen Reverse-Interlinear-Bibeln, welche im Deutschen Erweiterte Interlinearbibeln heißen, die momentan für Logos in Vorbereitung sind. Vor meiner Arbeit für Faithlife habe ich unter anderem an der Offenen Bibel gearbeitet.
Was ist eine Erweiterte Interlinearbibel und was macht sie so besonders?
Eine Erweiterte Interlinearbibel (Englisch: Reverse-Interlinear Bible) ist nach Logos-eigener Definition die umgekehrte Version einer Interlinearübersetzung. Bei einer Interlinearübersetzung steht unter jedem Wort des Urtexts dessen Übersetzung. Bei einer Reverse-Interlinear-Übersetzung (zu Deutsch quasi “umgekehrt-interlinear”) ist die Übersetzung der Ausgangstext, unter dem dann die zugrundeliegenden Wörter aus dem biblischen Urtext angegeben sind.
Diese Definition erfasst aber noch nicht, wie essenziell die Erweiterten Intelinearübersetzungen in Logos sind. Weil Urtext und Übersetzung digital verknüpft sind, sind die „I+” (so kürzen wir den Namen ab) in Logos viel flexibler, als es ein gedruckter Text je sein könnte. Mit Logos kann man nicht nur Urtext und Übersetzung der I+ auf vielfältige Weise vergleichen, sondern diese verknüpften Bibeln machen die Funktionen vieler Logos-Werkzeuge erst möglich. Erweiterte Interlinearbibeln sind wie eine digitale “Karte” der Übersetzung, die wir mithilfe der Software quasi mit der “Karte” des Grundtextes vergleichen können. Alle linguistischen Informationen, die Logos über den Urtext hat, können so auch in Verbindung mit der Übersetzung zum Einsatz kommen!
Welche Bibel wurde denn ausgewählt? Warum? Folgen weitere?
Den Anfang macht die Lutherbibel. Die Wahl fiel uns relativ leicht. Die erste deutsche I+-Bibel sollte eine nicht zu freie Übersetzung sein. Denn je genauer sich die Übersetzung mit dem Ausgangstext verknüpfen lässt, desto besser wird der Zweck der I+ erfüllt. Bei einer zu freien Übersetzung wäre es auch schwieriger geworden, die Übersetzung Wort für Wort dem Urtext zuzuordnen. Da ist Luther gut geeignet. Als weiteres Kriterium sollte die Bibel in Deutschland auch interkonfessionell verbreitet sein und hohe Anerkennung genießen. Schließlich sollte sie idealerweise auch die deuterokanonischen Schriften des Alten Testaments enthalten.
Dementsprechend ist es vielleicht verständlich, dass unsere Wahl zunächst nicht auf die Lutherbibel fiel, sondern auf die Einheitsübersetzung. Die hat ihren Anfang ja als ökumenisches Projekt gemacht und ist vielleicht in geringerem Maß mit einer bestimmten Konfession verbunden als Luther. Der Plan änderte sich kurze Zeit später und wir beschlossen, als zweite deutsche I+-Übersetzung auch die Lutherbibel gleich fest mit einzuplanen. Sie macht jetzt den Anfang, weil Faithlife dazu schon die Nutzungsrechte besitzt.
Welche griechischen und hebräischen Textgrundlagen benutzt du?
Für das Neue Testament das SBLGNT (“Society of Biblical Literature Greek New Testament”), eine moderne kritische Ausgabe, die Prof. Michael Holmes vor einigen Jahren im Auftrag der Logos-Firma Faithlife erstellt hat. Für das Alte Testament benutzen wir die Lexham Hebrew Bible. Dabei handelt es sich um eine ebenfalls von Faithlife in Auftrag gegebene digitale Edition des Codex Leningradensis und damit des gleichen hebräischen Textes, auf dem auch andere moderne Editionen beruhen.
Was waren bisher deine größten Herausforderungen?
Bei der Arbeit am NT stand ich bisher vor keinen besonderen Herausforderungen. Es gibt allerdings einige Abschnitte im Neuen Testament in sehr anspruchsvollem Griechisch, wo die Arbeit etwas aufwändiger war als etwa in den Evangelien. Der Hebräerbrief, Teile des Römerbriefs oder der Epheserbrief, vor allem das dritte Kapitel, gehören dazu. Die Verfasser formulieren da besonders dichte und verschränkte Sätze. An solchen Stellen muss sich der Übersetzer zwischen formtreuer, aber häufig rätselhafter Übersetzung und klarer, aber freierer Wiedergabe entscheiden. Die Lutherbibel wählt da gerne eine etwas freiere Wiedergabe, damit der Leser sie auch versteht. Und das macht für mich etwas schwieriger, den Weg vom griechischen Text zur Übersetzung zu rekonstruieren.
Im Alten Testament hatte ich schon einige härtere Nüsse zu knacken. Bei einzelnen Versen habe ich den Verdacht, dass Luther sie nicht genau verstand und dann nach bestem Wissen, aber inhaltlich zu frei übersetzte. An anderen Stellen machen eher hebräischen Ausdrücke Probleme, deren Bedeutung heute unbekannt ist. Zum Glück finde ich eigentlich immer eine befriedigende Lösung für die Erweiterte Interlinearbibel.
Hast du durch deine Arbeit in der Bibel etwas Neues gelernt? Siehst du die Bibel jetzt anders, nachdem du den Text auf einer so “tiefen” Ebene untersucht hast?
Ich habe vor allem die Lutherbibel als echte Perle schätzen gelernt. Es muss göttliche Fügung gewesen sein, dass die erste deutsche Bibelübersetzung so eine ungemeine Qualität hat! Früher kam ich mit ihrer ungewohnten Sprache nicht zurecht und habe lieber Übersetzungen in zeitgemäßer Sprache benutzt. Jetzt hatte ich das Vorrecht, das Neue Testament gleichzeitig auf Griechisch und Deutsch durchzulesen und dafür auch noch bezahlt zu werden. Dabei hat sich mein Bild der Lutherbibel sehr verändert.
Die Übersetzung ist nicht nur zuverlässig, Luther war auch ein Sprachgenie. Wenn er schwer zu übersetzende Stellen ins Deutsche überträgt, findet er oft sehr treffende, einprägsame Formulierungen. Bei meiner Arbeit habe ich einen ersten kleinen Eindruck davon gewinnen können, wie sehr diese Übersetzung unsere Sprache geprägt hat. Ihre literarische Qualität ist so hoch, dass ich beim Lesen oft nicht anders kann, als diese Übersetzung zu genießen wie guten Wein! Gerade wegen dieser sprachlichen Reife ist die Lutherbibel auch heute noch eine der besten deutschen Bibelübersetzungen. (Hier auf dem Blog haben wir die Lutherbibel schon unter die Lupe genommen.)
In welchem Zusammenhang werden sie genutzt und warum sollten sich deutsche Nutzer auf die I+ freuen? Auf was freust du dich am meisten?
Für alle, die sich bislang mit herkömmlichen, gedruckten Interlinearübersetzungen zufrieden geben mussten, ist gerade der Fortschritt in literarischer Hinsicht meines Erachtens wirklich unschätzbar! Etwas überspitzt könnte man sagen: Vorbei sind die Zeiten hölzerner Interlinearübersetzungen, die unserer Sprache Gewalt antun! Dank der neuen Luther‑I+ erhält man dieselben Urtext-Informationen und noch mehr in Gestalt einer der größten literarischen Leistungen, die die deutsche Kultur je hervorgebracht hat.
Ich selbst freue mich am meisten darauf, dass dank deutscher I+ viele der exegetischen Instrumente von Logos 6 endlich auch mit einer deutschen Bibelübersetzung funktionieren werden. Darauf warte ich seit Jahren! Logos benutzt die digitale “Karte” der Luther-Interlinear+ nämlich an etlichen verschiedenen Stellen. Ein Beispiel ist der neue Psalmenexplorer. Mit Hilfe der Informationen aus der I+ präsentiert uns dieses Werkzeug besonders schöne digitale “Karten” jedes einzelnen Psalms. Auch andere Logos-Tools machen Erweiterte Intelinearbibeln erforderlich, beispielsweise die Wortstudie und die Funktion “Wort für Wort” im Passage Guide.
Das hört sich ja alles ganz gut an, aber auch sehr speziell. Warum ist diese I+ so etwas besonderes?
Also der offensichtlichste Nutzen dieser Luther-Ausgabe ist natürlich, dass man sie wie eine Interlinearübersetzung lesen kann. Mit Logos kann man sich dabei je nach Vorliebe den Urtext und weitere Informationen anzeigen lassen, beispielsweise das Lemma und die Wortform zugrunde liegender Wörter. Das wäre mit einer gedruckten Interlinearübersetzung nicht möglich.
Zudem macht die erste deutsche I+ einige der leistungsfähigsten Funktionen von Logos 6 nun auch mit einer deutschen Bibel nutzbar. Einige Beispiele habe ich ja gerade erwähnt. Noch eines vielleicht: Mit der neuen Inline-Search könnte der Nutzer den Text der Lutherbibel direkt nach griechischen und hebräischen Wörtern und Wortformen durchsuchen. Früher hat man dazu eine Konkordanz gebraucht!
Welche weiteren Pläne haben wir für etwaige weitere I+? Irgendwelche persönlichen “besonderen” Wünsche?
Wenn die Lutherbibel fertig ist, kann die Arbeit an der Einheitsübersetzung hoffentlich beginnen. Je nach Erfolg dieser beiden Ausgaben wird es in Zukunft dann weitere geben. Das habe ich mir zumindest von dir, lieber Thomas, sagen lassen. Ein Beispiel: Ich persönlich kann mir Logos Deutsch mittelfristig nicht ohne eine interlinear verknüpfte Elberfelder Bibel vorstellen.
Um auf die zweite Frage einzugehen: Es gibt viele Bibelübersetzungen, mit denen ich gerne arbeite. Neue Genfer, Zürcher, Schlachter? Aus akademischer Sicht spannend wäre auch eine interlineare Septuaginta oder eine Edition der Apostolischen Väter, wie Faithlife sie auch schon auf Englisch anbietet.
Danke für das Interview, Ben! Ich glaube, deine Antworten haben unseren Lesern deutlich gemacht, warum die I+ so ein großer Schritt für Logos ist.
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Hallo Benjamin,
gibt es schon einen Termin für die I+ Einheitsübersetzung?
Viele Grüße,
Tom
Hallo Tom,
das kann ich gerade nicht autoritativ beantworten. Ich kann dir aber sagen: Wir konnten noch nicht anfangen, weil einige Details noch nicht geklärt sind. Zudem besteht die Schwierigkeit, dass in einem Jahr eine Revision der Einheitsübersetzung erscheinen soll. Die Arbeit an der nächsten I+ soll aber bald beginnen.
Gruß,
Ben