Der Neue Sprachliche Schlüssel: Ein Muss für alle, die das NT auf Griechisch lesen wollen

Von Benjamin Misja

Heinrich von Siebenthal, Johannesevangelium, Neuer Sprachlicher Schlüssel, Tipps, Wilfried Haubeck
Januar 21, 2017

Starke Worte zu einem starken Werk

[Der Neue Sprach­li­che Schlüs­sel ist] ein gutes Hilfs­mit­tel, von dem wir in unse­rer Gene­ra­ti­on nur träu­men konn­ten. Damals gab es den Sprach­li­chen Schlüs­sel von Fritz Rienecker, den man aller­dings unter dem Tisch gebraucht hat; den man nur hat­te, aber über den man nicht sprach. Aber des Sprach­li­chen Schlüs­sels von Wil­frid Hau­beck und Hein­rich von Sie­ben­thal muss sich nie­mand schämen!“

So sag­te der inzwi­schen eme­ri­tier­te Dort­mun­der Theo­lo­ge Prof. Dr. Rai­ner Ries­ner in einem Vor­trag an einer theo­lo­gi­schen Aus­bil­dungs­stät­te Deutsch­lands. Die­se Emp­feh­lung hat mich damals ver­an­lasst, die­sen Neu­en Sprach­li­chen Schlüs­sel (NSS) von W. Hau­beck & H. v. Sie­ben­thal zu erwer­ben. Seit­dem steht die­ses Werk in mei­nem Bücher­re­gal an pro­mi­nen­ter Stel­le, näm­lich direkt hin­ter mei­nem Büro­stuhl, damit ich es jeder Zeit schnell in die Hand neh­men kann.

Was für ein Buch ist dieser „Neue Sprachliche Schlüssel“?

Die­ses Werk ana­ly­siert fast jedes grie­chi­sche Wort des gan­zen Neu­en Tes­ta­ments, erklärt sprach­li­che und gram­ma­ti­sche Beson­der­hei­ten des rele­van­ten Wor­tes. Dabei bie­tet es meh­re­re Bedeu­tun­gen des Wor­tes und Über­set­zungs­vor­schlä­ge an, wenn ein grie­chi­scher Aus­druck nicht leicht ins Deut­sche zu über­set­zen ist. Es gibt zahl­rei­che Ver­wei­se auf Ver­tie­fungs­mög­lich­kei­ten durch Stan­dard­hilfs­mit­tel, z. B. das Wör­ter­buch von Bauer/​Aland oder die Gram­ma­ti­ken von Hoffmann/​von Sie­ben­thal (Logos führt Sie­benthals aktua­li­sier­te Ver­si­on) oder die von Blass/​Debrunner/​Rehkopf usw.

Hier kann ich zwei Bei­spie­le nennen. 

Waren die Jünger in Kana am Weinmangel schuld?

Neu­lich pre­dig­te ich zur Hoch­zeit zu Kana (Joh 2,1ff.).

In Joh 2,2 steht nach der Luther­über­set­zung: „Jesus aber und sei­ne Jün­ger waren auch zur Hoch­zeit gela­den.“ Zu die­sem Vers steht die fol­gen­de Information:

Jh 2,2 ἐ‑κλήθη Aor. Pass. καλέω hier ein­la­den (B 1b); zum Sg. s. A94. εἰς zu.

Ein­deu­tig steht die For­mu­lie­rung des Ein­la­dens im Sin­gu­lar, d. h. wört­lich über­setzt müss­te es hei­ßen: „Jesus wur­de (3.Sg.) ein­ge­la­den und die Jün­ger …“ Aus die­sem Grund könn­te man leicht auf den Gedan­ken kom­men, dass die Jün­ger zu die­ser Hoch­zeit eigent­lich gar nicht ein­ge­la­den gewe­sen wären. Wei­ter könn­te man dann ver­mu­ten, dass die­se uner­war­te­ten Gäs­te viel­leicht den Man­gel an Wein mit­ver­ur­sacht haben könn­ten. Der NSS kann hel­fen, die­ses Miss­ver­ständ­nis auf­zu­klä­ren. Im Ein­trag zu Joh 2,2 sehen wir näm­lich einen Ver­weis auf „A94“, eine Stel­le im prak­ti­schen gram­ma­ti­schen Anhang des Sprach­li­chen Schlüs­sels, die die vor­lie­gen­de Kon­struk­ti­on erklärt:

A94 a) Besteht ein zwei­glied­ri­ges Subj. aus Sg.+Sg. oder Sg.+Pl., so gilt in der Regel: Subj. [Sg.+Pl./Sg.]+Präd. [Pl.], aber Präd. [Sg.]+Subj. [Sg.+Pl./Sg.]: ἐκλήθη (Präd.) δὲ καὶ ὁ Ἰησοῦς καὶ οἱ μαθηταὶ αὐτοῦ … (Subj.) auch Jesus und sei­ne Jün­ger wur­denein­ge­la­den (Jh 2,2), s. a. Apg 12,25; 16,31.

Bei der For­mu­lie­rung in Joh 2,2 han­delt es sich also um nor­ma­len Sprach­ge­brauch, die Luther­bi­bel hat das dem­nach ganz rich­tig wiedergegeben.

Fährt Jesus seiner Mutter über den Mund?

Ein zwei­tes Bei­spiel. In Joh 2,4 heißt es: „Was geht’s dich an, Frau, was ich tue?“ (Luther 84), oder „Was habe ich mit dir zu schaf­fen, Frau? (REB; Luther 2017)“ Hat Jesus mit sei­ner Mut­ter so abwer­tend gere­det? Auch dazu fin­det man im NSS inter­es­san­te Informationen.

Jh 2,4 τί ἐμοὶ καὶ σοί erg. ἐστίν (BDR § 1274), sowohl Hebr. (מַה־לִּי וָלָךְ mah-lî wālāḵ) als auch volks­tüml. abwei­sen­de Rede­wen­dung (B ἐγώ) „was haben ich und du (gemeinsam/​miteinander zu tun)“ (dat. com­mo­di, A173), übers. hier etwa was habe ich mit dir zu tun? lass mich in Ruhe! (B ἐγώ), was küm­mern dich mei­ne Ange­le­gen­hei­ten? (Men­ge). γύναι Vok. γυνή. οὔ-πω noch nicht. ἥκω (vgl. A33187) gekom­men sein, da sein.

Ein­deu­tig ist die­ser Aus­druck ein Hebrais­mus. Mit der Logos-Such­funk­ti­on recher­chie­re ich die­sen Aus­druck „מַה־לִּי וָלָךְ“ in der hebräi­schen Bibel.

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Dabei sto­ße ich auf 2. Kön 3,13. Im Zusam­men­hang geht es dar­um, dass der Pro­phet Eli­sa die Bit­te König Jor­ams ablehnt. Schlecht kann man sich vor­stel­len, dass ein Pro­phet dem König gegen­über abwer­tend reden wür­de. Aus die­sem Grund darf man anneh­men, dass die­ser hebräi­sche Aus­druck nicht zwin­gend eine abwer­ten­de Nuan­ce beinhal­tet, auch wenn die deut­sche Über­set­zung so klingt.

D. h., mit die­sem volks­tüm­li­chen Aus­druck woll­te Jesus sei­ner Mut­ter deut­lich machen: „Von nun an höre ich nur auf mei­nen himm­li­schen Vater. Nur der Vater allein hat die Macht über mich. Du hast mich zwar zur Welt gebracht, aber du bist letzt­end­lich auch nur eine Frau, die durch mich neu gebo­ren wer­den soll.“ Dazu zitie­re ich eine pas­sen­de For­mu­lie­rung von Adolf Schlat­ter: „Von der Mut­ter getrennt, mit dem Vater ver­eint“ (Ken­nen wir Jesus, 71; d.i. für 3. Feb.)

Lohnt sich der Kauf?

Die­ses Hilfs­mit­tel ist – soweit ich es beur­tei­len kann – ein­zig­ar­tig im deutsch­spra­chi­gen Raum. Im Eng­li­schen gibt es seit 1982 den „Lin­gu­i­stic Key to the Greek New Tes­ta­ment“ als eng­li­sche Über­set­zung des Sprach­li­chen Schlüs­sels von Fritz Rienecker (über­setzt von Cle­on L. Rogers Jr.). Dar­über hin­aus wur­de im Jahr 1998 der „New Lin­gu­i­stic and Exege­ti­cal Key to the Greek New Tes­ta­ment“ von Cle­on Rogers Jr. und Cle­on Rogers III. ver­öf­fent­licht, die lan­ge Zeit in Deutsch­land tätig waren (wobei letz­te­rer es wei­ter­hin ist).

Wei­ter­hin gibt es das mehr­fach revi­dier­te Werk des deut­schen Jesui­ten Max Zer­wick, A Gram­ma­ti­cal Ana­ly­sis of the Greek New Tes­ta­ment (aus dem Ita­lie­ni­schen über­setzt von Mary Gros­ve­nor). Kei­nes die­ser Wer­ke kann sich jedoch an Aus­führ­lich­keit mit dem Neu­en Sprach­li­chen Schlüs­sel von Wil­frid Hau­beck und Hein­rich von Sie­ben­thal messen.

Daher freue ich mich beson­ders, dass es den Neu­en Sprach­li­chen Schlüs­sel in Logos gibt.

Vorteile gegenüber der Druckausgabe

Die elek­tro­ni­sche Aus­ga­be macht die­ses star­ke Hilfs­mit­tel noch attrak­ti­ver und benut­zer­freund­li­cher, da mit weni­gen Maus­klicks wich­ti­ge gram­ma­ti­sche Infor­ma­tio­nen jedes neu­tes­ta­ment­li­chen Abschnitts prä­sen­tiert wer­den. Nicht nur das; ich konn­te die im NSS ver­wen­de­ten Abkür­zun­gen mit einer klei­nen Maus­be­we­gung ent­schlüs­seln und gram­ma­ti­sche Infor­ma­tio­nen, z. B. Fle­xi­ons­ta­bel­len, Stamm­for­men­rei­hen und die grie­chi­sche Syn­tax in aus­führ­li­cher Form schnell vor Augen bekom­men. All die­se Vor­tei­le der elek­tri­schen Aus­sa­ge kann ich nun rich­tig genießen. 

Fazit

Die­ses Werk ist fast ein Muss für Pastoren/​Studenten/​Theologen, die regel­mä­ßig das grie­chi­sche Neue Tes­ta­ment gründ­lich lesen wol­len; nicht nur für die Pre­digt­vor­be­rei­tung, nicht nur für die Haus­ar­beit usw., son­dern auch für die täg­li­che Bibel­le­se. Die­ser sprach­li­che Schlüs­sel zum Neu­en Tes­ta­ment ist eine ech­te Fund­gru­be in der neu­tes­ta­ment­li­chen Sprach­welt. Übri­gens ist der NSS auch in Logos 6 Gold enthalten!

Über den Autor: Jim­my Jin­ky­ou Nam ist Pas­tor der Lie­ben­zel­ler Gemein­de Stuttgart.


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Benjamin Misja

Über den Autor

Benjamin Misja leitet das deutsche Logos-Team.

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  1. Freut mich hier bei Ihnen den Namen „unse­res” Rai­ner Ries­ner zu lesen.
    Wir sind in der­sel­ben Orts­ge­mein­de wie Rainer

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