Die Hölle – ein heißes, kontroverses Thema! In diesem Artikel erhalten Sie in 15 Min. einen kompakten Überblick über die drei wichtigsten Sichtweisen zum Thema Hölle.
Inhalt
- Eine Vielfalt von Meinungen
- Das Wort „Hölle“ gibt es nicht in der Bibel.
- Es geht um das Wesen der Hölle und nicht um deren Existenz.
- Hölle als Ewige Folter: Die traditionelle Interpretation (ein „doppelter Ausgang“)
- Auslöschung (Annihilation): Erlösung ist das Geschenk des ewigen Lebens
- Allversöhnung: Die Hölle als reinigendes Gericht
- Fazit
- Buchempfehlungen zum Thema Hölle
- Bibliografie
Eine Vielfalt von Meinungen
Das Christentum ist kein Einheitsbrei. Allein die Existenz unzähliger christlicher Konfessionen zeugt davon, dass selbst Christen, die die Bibel ernsthaft studieren, zu unterschiedlichen Schlüssen kommen, was die Bibel lehrt. Dies führt zu einer breiten Palette von Sichtweisen zu verschiedenen Themen. In den letzten Monaten habe ich mehrere Artikel veröffentlicht, die einen Überblick über verschiedene Standpunkte zu kontroversen Themen bieten, wie die Frage nach dem Leid, das Verständnis des Kreuzes oder die Interpretation des Hoheliedes und der Offenbarung.
Das Ziel dieser Artikelreihe ist es, über die Vielfalt der Sichtweisen zu informieren, um den Dialog anzuregen und gegenseitiges Verständnis zu fördern. Alle Seiten argumentieren mit Bibelversen und bringen der Bibel hohe Wertschätzung entgegen, gelangen jedoch zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen darüber, wie die relevanten Verse zu interpretieren sind. Da es bei solchen Themen in erster Linie um Fragen der Hermeneutik geht, habe ich dieser eine ausführliche vierteiligen Reihe gewidmet.
In diesem Artikel werden drei verschiedene Sichtweisen zum Thema Hölle vorgestellt. Alle drei finden sich bei den Kirchenvätern und sind durch die Kirchengeschichte hindurch immer wiederzuentdecken. Jede Sichtweise hat verschiedene Varianten, und sie alle in eine Schublade zu stecken, ist eine starke Vereinfachung komplexer Realitäten. Ich will einige dieser Varianten beispielhaft erwähnen, ohne dabei den Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben.
Das Wort „Hölle“ gibt es nicht in der Bibel.
Gelegentlich höre ich die Behauptung „Jesus hat mehr über die Hölle gesprochen als über irgendein anderes Thema.“ Angesichts dieser Behauptung mag es überraschen, dass das Wort „Hölle“ in der Bibel gar nicht vorkommt. Vielmehr werden verschiedene griechische Wörter im Deutschen mit dem Begriff „Hölle“ übersetzt, wie zum Beispiel Hades (Lukas 16,23), Gehenna (Mt 5,22) und Tartarus (2. Petrus 2,4). Mithilfe der Logos-Wortstudie lässt sich jedoch schnell herausfinden, dass jedes dieser Worte eine ganz eigene Bedeutung hat und es nicht sinnvoll ist, sie alle gemeinsam in einen Topf zu werfen.
Darüber hinaus gibt es mehrere Verse, die metaphorische Bilder verwenden, um über das zukünftige Gericht Gottes zu sprechen, wie zum Beispiel Jesu Rede vom unauslöschlichen Feuer (Mt 3,12) oder der Feuersee in Offenbarung 20,15. Ob diese Verse wörtlich verstanden werden sollten oder eine metaphorische Bedeutung haben, ist eine hermeneutische Frage, die kontrovers diskutiert wird.
Es geht um das Wesen der Hölle und nicht um deren Existenz.
Obwohl also das Wort „Hölle“ als solches in der Bibel nicht vorkommt, wird doch in der Bibel sehr häufig vom Gericht Gottes gesprochen. Keine der im Folgenden dargestellten Sichtweisen leugnet, dass Gott eines Tages richten und Gerechtigkeit wiederherstellen wird. Sünde hat Konsequenzen, das steht fest. Es geht also nicht um die Frage der Existenz einer „Hölle“, sondern um die Frage des Wesens des zukünftigen Gerichts Gottes.
Die drei bedeutendsten Sichtweisen zu dem Thema sind die Vorstellung von Hölle als ewige Qual (traditionelle Sicht), als Ort der Auslöschung (Annihilation) und als Ort der Reinigung und Wiederherstellung (Allversöhnung). Paulus ermutigt uns:
Prüft alles und das Gute behaltet. (1 Joh 4,1)
Ich lade Sie ein, sich mit einem offenen Herzen mit diesen drei Perspektiven auseinanderzusetzen. Versuchen Sie, die Ihnen vielleicht fremde Ansicht aus der Perspektive ihrer Befürworter zu verstehen. Nur wenn wir eine neue Sichtweise zuerst verstehen, können wir sie wirklich prüfen.
Hölle als Ewige Folter: Die traditionelle Interpretation (ein „doppelter Ausgang“)
Definition:
Alle Menschen, die in diesem Leben nicht Buße getan haben und durch Jesus errettet wurden, werden ewig von Gott getrennt sein.
Varianten:
Manche vertreten die Sichtweise, dass dieses ewige Schicksal aus einer Rebellion gegen Gott heraus selbst gewählt wird (Stichwort: „Die Tür der Hölle ist von innen verschlossen“). Andere glauben, dass Gott die Menschen zur ewigen Strafe zwingen wird. Einige glauben, dass die Hölle ein Ort ist, an dem Gott nicht gegenwärtig ist und wo die Menschen ein trostloses Dasein fristen müssen, andere glauben, dass Gott die Menschen in der Hölle ewiglich foltern wird.
Bibelverse:
Matthäus 5,22; 7,13; 8,12; 10,33; 13,50; 23,33; 25,46; Markus 9,43; Lukas 16,19–31; Johannes 3,36; 5,29; Hebräer 10,27; 2 Thessalonicher 1,9; Hebräer 9,27; Offenbarung 14,9–11; 20,10–15; 21,8
Kirchenväter:
Tertullian, Johannes Chrysostomus, Hieronymus, Augustinus von Hippo, Minucius Felix
Argumente gegen diese Sichtweise:
- Ewige Strafe scheint den zentralen Lehren Jesu über Vergebung und Feindesliebe zu widersprechen.
- Die Lehren Jesu werden dadurch untergraben (insbesondere Jesu zentrale Lehren von Vergebung und Feindesliebe).
- Der triumphale Sieg Jesu wird geschmälert, weil ein Großteil von Gottes Schöpfung verloren geht.
- Gottes Fähigkeit, sein Ziel zu erreichen, wird verneint (1 Timotheus 2,4).
- Gottes endloser Liebe wird eine Grenze gesetzt und sie kommt zu einem Ende.
- Gottes Charakter wird pervertiert, weil Gott zu einem ewigen Folterknecht wird.
- Ewige Folter ist grausam, erbarmungslos und „teuflisch“ (Joh 10,10).
- Ewige Folter ist nicht gerecht, weil sie unverhältnismäßig ist. Das mosaische Gesetz verlangt, dass die Strafe verhältnismäßig sein soll (Auge um Auge – Zahn um Zahn). Sünden, die in einem begrenzten Leben begangen wurden, verdienen keine ewige Strafe.
- Die Ungläubigen sind vom Satan verblendet (2 Kor 4,4), was die Frage aufwirft, inwieweit sie für ihre Taten zur Rechenschaft gezogen werden können.
- Die Furcht vor dem grausamen Schicksal in einer ewigen Hölle hat viele Leute traumatisiert und zu schrecklichen Taten angetrieben.
- „Die Lehre vom doppelten Ausgang impliziert eine Verewigung der Sünde und des Bösen, die Gottes uneingeschränkte eschatische Souveränität (…) in Frage stellt“ (Härle)
Stärken dieser Sichtweise:
- Alles Böse wird bestraft werden und niemand muss fürchten, am Ende ungerecht behandelt zu werden.
- Die Angst vor der Hölle ist ein Ansporn, ein moralisch gutes Leben zu führen.
- Die Angst vor der Hölle inspiriert Christen, das Evangelium zu predigen, um Menschen vor der Hölle zu retten.
- Es gibt viele Bibelstellen, die wörtlich gelesen eine ewige Hölle lehren.
Verbreitung:
Die Hölle als ewige Trennung von Gott wurde vermutlich durch Augustinus von Hippo im 5. Jahrhundert n. Chr. zur vorherrschenden Lehre im Christentum.
Auslöschung (Annihilation): Erlösung ist das Geschenk des ewigen Lebens
Definition:
Der Tod ist der Sünde Sold (Röm 6,23). Das ewige Leben ist ein Geschenk Gottes, das nur die erhalten, die durch Jesus gerettet werden. Wer nicht durch Jesus gerettet wird, der hat kein ewiges Leben und wird daher nicht ewig existieren.
Varianten:
Manche glauben, dass Nichtchristen sofort nach ihrem Tod aufhören zu existieren. Andere vertreten die Auffassung, dass erst eine Zeit der Bestrafung erfolgt, bevor die Ungläubigen ausgelöscht werden.
Bibelverse:
Psalm 92,7; 146,4; Matthäus 10,28; Johannes 3,15–16; 10,28; 17,2; Römer 2,7; 6,23; 1. Korinther 15,42f; 50, 54; Galater 6,8; 1. Timotheus 6,16; 2 Petrus 3,7; 1. Johannes 5,11
Kirchenväter:
Justin der Märtyrer, Irenäus und Arnobius der Ältere
Probleme dieser Sichtweise:
- Die Lehre der Annihilation scheint mit den Bibelversen unvereinbar zu sein, die von einer ewigen Strafe sprechen. Vertreter der Annihilation argumentieren häufig, dass das Feuer zwar ewig ist, aber Ungläubige nur eine begrenzte Zeit im Feuer verbringen und dann aufhören zu existieren.
- Gott schafft es nicht, den Großteil seiner Schöpfung zu erlösen, sondern „verliert“ Milliarden von Menschen.
Stärken dieser Sichtweise:
- Diese Sichtweise scheint am ehesten mit den Versen im Alten Testament vereinbar zu sein, die darauf hindeuten, dass die Ungläubigen nach dem Tod aufhören zu existieren (Ps 49,9–12; 115,17; Kohelet 9,5; Jes 26,14).
- Gott wird nicht als ewiger Folterknecht dargestellt, dennoch gibt es eine reale Strafe für alle, die Jesus in diesem Leben ablehnen.
- Diese Sichtweise wird oft als gesunder Kompromiss zwischen den Extremen der Allversöhnung und einer ewigen Hölle betrachtet.
Verbreitung:
Diese Ansicht existiert seit den Anfängen der Kirchengeschichte, war aber immer eine Minderheitsmeinung.
Allversöhnung: Die Hölle als reinigendes Gericht
Definition:
Gottes endgültiges Ziel ist es, seine gesamte Schöpfung wieder zu versöhnen (Apostelgeschichte 3,21; 2 Korinther 5,19; Kolosser 1,19–20) und seine Königsherrschaft über alles aufzurichten. Gott wird jeden Menschen richten, aber sein richtendes Handeln ist zeitlich begrenzt und zielt darauf ab, sein endgültiges Ziel durch das Gericht zu erreichen. Seine Gerechtigkeit beruht nicht auf Rache, sondern hat Heilung und Wiederherstellung zum Ziel. Durch sein Gericht wird er seine gesamte Schöpfung wieder versöhnen und so sein ursprüngliches Ziel für diese Welt erreichen.
Varianten:
Es ist etwas schwierig, die vielen verschiedenen Versionen zu verallgemeinern, aber es lassen sich drei große Richtungen erkennen.
- Esoterische Allversöhnung. Diese moderne Interpretation der Allversöhnung basiert auf modernen Ideen und lässt sich vielleicht mit dem Satz „Alle Religionen führen zu Gott“ am besten zusammenfassen. In dieser Perspektive wird Gott oft als nicht-personalisiert betrachtet, und es wird betont, dass Gott in allem und jedem präsent ist. Jesus wird nur als einer von vielen möglichen Wegen zu Gott angesehen.
- Liberale Allversöhnung. Diese Denkrichtung betont ein bestimmtes Verständnis der Liebe Gottes und argumentiert auf dieser Grundlage, dass es eine Art direkten Freischein in den Himmel für alle Menschen gibt.
- Die Allversöhnung nach dem Verständnis der Kirchenväter. Diese Sichtweise wird häufig als biblische Allversöhnung bezeichnet, da sie die biblischen Texte zur Grundlage hat und darauf basiert, wie die frühen Kirchenväter diese Stellen verstanden. Es wird betont, dass Gott richten wird und dass dieses Gericht schmerzhaft sein wird. Das Bild von Gottes Feuer als reinigendem Element, das uns läutert, wird oft verwendet. Die Notwendigkeit der Buße und die Treue zu Jesus allein werden betont. Dennoch wird die Möglichkeit der Buße über den Tod hinaus in der zukünftigen Welt anerkannt. Vertreter dieser Variante der Allversöhnung lehnen liberale und esoterische Interpretationen entschieden ab.
Bibelverse:
Matthäus 13,33; 18,34–35; 25,46; Johannes 1,9.29; 4,42; 12,32; Apostelgeschichte 3,21; Römer 5,18–19; 11,32; 1. Korinther 15,21–22; 2. Korinther 5,19; Epheser 1:9–10; 4,10; Philipper 2,10–11; Kolosser 1,19–20; 1. Timotheus 2,3–6; 4,10; Titus 2,11; Hebräer 2,9; 8,11; 2. Petrus 3,9; 1. Johannes 2,1–2; 4,14; Offenbarung 5,13; 21,25–26
Anmerkung: Matthäus 25,46 findet sich sowohl in der Versliste zur ewigen Hölle als auch in der Versliste der Allversöhnung. Dies ist ein anschauliches Beispiel dafür, wie sehr es bei dem Thema um Hermeneutik geht.
Und sie werden in die ewige (aionios) Strafe (kolasis) hingehen, die Gerechten aber in das ewige (aionios) Leben (zoe). (Schlachter)
Auf den ersten Blick scheint dieser Vers eindeutig auf eine ewige Hölle hinzudeuten. Aber je genauer man den Vers studiert, desto klarer wird, dass dies nicht so eindeutig ist, wie es zunächst den Anschein hat. Man muss bedenken, dass es sich hier um ein Gleichnis Jesu handelt, das von Nationen (V.32) und nicht von Einzelpersonen spricht. Das Gleichnis dient nicht in erster Linie als Lehre über das zukünftige Gericht, sondern als eindringliche Mahnung, die Geringsten nicht zu vernachlässigen.
Eine kleine Wortstudie zu „aionios”
Wenn man eine detaillierte Wortstudie zu den Schlüsselworten durchführt, wird es noch komplizierter. Das griechische Wort „aionios“ (das gewöhnlich mit „ewig“ übersetzt wird) leitet sich von dem Wort „aion“ ab, das so viel wie „Zeitalter“ bedeutet. Die genauste Übersetzung von „aionios“ ist nicht „ewig”, sondern „ein Zeitalter andauernd.“ Die Dauer dieses Zeitalters und damit die Bedeutung des Wortes „aionios“ hängt von dem Wort ab, das es charakterisiert. Wenn es sich auf Gott oder das Leben bezieht, das er gibt, dann kann es ewig bedeuten, weil Gott ewig ist.
Um die Länge des Zeitalters zu bestimmen, muss man also das Wort für Strafe studieren. Das Wort „kolasis“ wird in vielen Wörterbüchern (z. B. Bauer/Aland) mit „Züchtigung“ übersetzt. Das liegt daran, dass im antiken Griechisch zwischen „timoria“ und „kolasis“ unterschieden wurde.
Die griechischen Ethiker (z. B. Aristoteles) unterschieden zwischen kolasis, einer Strafe, die zum Wohl des Betroffenen verhängt wird, und timōria (Hebr. 10:29), die zur Befriedigung der Gerechtigkeit verhängt wird. (Hillyer, S. 191)
„Kolasis“ war also eine Strafe, die der Züchtigung und Besserung einer Person diente. Dies funktioniert nur, wenn die Strafe zeitlich begrenzt ist. Eine ewige Strafe, die zur Besserung dienen soll, ergibt keinen Sinn. Demnach wäre es angemessener, „kolasis aionios“ (Matt 25,46) mit „ein Zeitalter andauernde Züchtigung“ zu übersetzen, was als starker Hinweis auf Gottes wiederherstellende Gerechtigkeit verstanden wird.
Die gleiche Konstruktion („aionios“ zweimal in einem Satz und einmal im Sinne von ewig und einmal im Sinne von zeitlich begrenzt) wie in Mt 25,46 finden wir übrigens noch zwei weitere Male im Neuen Testament: Römer 16,25–26 und Titus 1,2.
Kirchenväter:
Gregor von Nyssa, Clemens von Alexandrien, Basilus der Große, Origenes, Didymus der Blinde, Isaak von Ninive, Maximus Confessor
Probleme dieser Sichtweise:
- Die esoterische und die liberale Allversöhnung widersprechen zentralen biblischen Lehren und sind mit der Gerechtigkeit Gottes unvereinbar
- Die Allversöhnung steht im Widerspruch zu vielen Bibelstellen, die auf eine ewige Hölle hinzudeuten scheinen.
- In der Kirchengeschichte gab es immer wieder Stimmen, die befürchteten, dass die Menschen nicht mehr moralisch leben würden, wenn sie keine Angst vor der Hölle haben müssten.
- Die Allversöhnung muss mit der Lehre vom freien Willen in Einklang gebracht werden, da Gott niemanden zwingt, seine Liebe anzunehmen
- Manche empfinden es als ungerecht, dass, selbst nach einer Zeit des Gerichts, am Ende alle Menschen gerettet werden sollen.
Stärken dieser Sichtweise:
- Gott will alle Menschen erretten (1 Tim 2,4; 2 Petrus 3,9) und er wird sein Ziel erreichen.
- Gottes Triumph über das Böse ist allumfassend und er erreicht sein Ziel, seine ganze Schöpfung zu versöhnen.
- Die Allversöhnung der Kirchenväter ist mit Gottes Liebe und Gerechtigkeit gut vereinbar
- Vereint Jesu Lehren des kommenden Gerichts mit seiner Lehre der Vergebung und der Feindesliebe.
Verbreitung:
Augustinus, ein starker Gegner der Allversöhnung, beklagt an verschiedenen Stellen in seinen Schriften (siehe „Augustinus“ in Bibliografie), dass bis ins 5. Jahrhundert „viele“ Christen nicht an eine ewige Hölle geglaubt haben, sondern die Allversöhnung gelehrt haben.
Dies deckt sich mit dem Bericht des berühmten Kirchenhistorikers Philip Schaff:
„In den ersten fünf oder sechs Jahrhunderten des Christentums gab es sechs bekannte theologische Schulen, von denen vier (Alexandria, Antiochia, Cæsarea und Edessa oder Nisibis) Universalisten [=Befürworter der Allversöhnung] waren, eine (Ephesus) akzeptierte bedingte Unsterblichkeit; eine (Karthago oder Rom) lehrte die endlose Bestrafung der Gottlosen. Weitere theologische Schulen werden als von Universalisten gegründet erwähnt, aber ihre tatsächliche Lehre zu diesem Thema ist unbekannt.“ (Jackson, Band 12, S. 96)
Dieses Zitat lässt vermuten, dass die Allversöhnung eine weit verbreitete Lehre, vielleicht sogar die vorherrschende Sichtweise unter den ersten Christen war. Vermutlich waren es der starke Einfluss der römischen Kirche und der Theologie des Augustinus, die dazu führten, dass der Glaube an eine ewige Hölle bis heute zur vorherrschenden Sichtweise wurde und damit die Lehre von der Allversöhnung verdrängte.
Fazit
Aus den oben genannten Stichpunkten wird bereits deutlich, dass jede Sichtweise gewichtige Vor- und Nachteile hat. Was wir zu diesem Thema glauben, wird unseren gesamten Glauben beeinflussen, da dieses Thema mit vielen anderen wichtigen Bereichen zusammenhängt, wie z. B. unserer Soteriologie, Anthropologie und unserem Gottesverständnis.
Was wir zu diesem Thema glauben, wird beeinflussen …
- was wir als Evangelium predigen. Ist unsere Botschaft, dass Gott manche Menschen vor der Hölle retten wird oder dass er am Ende seine gesamte Schöpfung wiederherstellen wird?
- wie wir Gottes Liebe definieren. Wird Gottes Liebe enden und scheitern (vergleiche: Psalm 136; 1 Kor 13,7–8)?
- wie wir Menschen sehen. Ist nicht jeder Mensch als Ebenbild Gottes geschaffen und deshalb wert, gerettet zu werden? Wenn Gott manche Menschen endgültig aufgibt, werden wir dann nicht auch dazu neigen, Menschen schneller aufzugeben?
- wie wir Gottes Wesen verstehen. Wenn Gott alle Menschen retten will (1 Tim 2,4), es aber nicht kann, können wir dann noch von seiner Allmacht sprechen? Können wir sagen, dass sein Wesen Liebe ist (1 Joh 4,16)? Auf der anderen Seite stellt sich die Frage, wie die Allversöhnung mit Gottes Gerechtigkeit und seinem Zorn vereinbar ist.
Ich denke, es ist wichtig, dieses Thema gründlich zu studieren und sich selbst eine Meinung zu bilden. Aber wenn wir unsere Meinung kommunizieren, sollten wir dies mit Demut tun. Aussagen wie „Die Bibel lehrt eindeutig …“ oder „In der Kirchengeschichte gab es immer nur eine Meinung …“ deuten auf Unkenntnis des Themas hin und sind nicht wahr. Insofern sollten wir unsere Meinung zu diesem Thema gerne mit Entschlossenheit, aber auch mit Demut äußern.
Buchempfehlungen zum Thema Hölle
Wilfried Härle diskutiert in seiner Dogmatik (Kapitel 15) das Thema mit einem kritischen Blick auf die Sichtweise der ewigen Hölle.
Grudem (Kapitel 56) vertritt die konservative Sicht.
Dieses englische Buch gibt eine gute Übersicht über die verschiedenen Sichtweisen und kann jetzt bei Logos vorbestellt werden:
Bibliografie
Augustinus. „Buch vom Glauben, von der Hoffnung und von der Liebe“, Kapitel 29. Teil 112. Oder auch in „Vom Gottesstaat“, Buch 21, Kapitel 18.
Härle, W. (2022) Dogmatik. 6., durchgesehene, überarbeitete und bibliographisch ergänzte Auflage. Berlin; Boston: De Gruyter (De Gruyter Studium), S. 623–624.
Hillyer, N. (2011) 1 and 2 Peter, Jude. Grand Rapids, MI: Baker Books (Understanding the Bible Commentary Series), S. 191.
Jackson, S.M. (Hrsg.) (1908–1914) The new Schaff-Herzog encyclopedia of religious knowledge: embracing Biblical, historical, doctrinal, and practical theology and Biblical, theological, and ecclesiastical biography from the earliest times to the present day. New York; London: Funk & Wagnalls.
„Aussagen wie ‚Die Bibel lehrt eindeutig …’ oder ‚In der Kirchengeschichte gab es immer nur eine Meinung …’ deuten auf Unkenntnis des Themas hin und sind nicht wahr.
Doch, lieber Manuel Becker, „die Bibel lehrt eindeutig“ – und zwar eine ewige Hölle. Bedenklich finde ich eine „Grundlinie“, die in dieser Frage zu relativieren versucht – nach dem Motto: Deine Wahrheit – meine Wahrheit. Sie ist typischer Ausdruck neuzeitlichen Denkens. Schade.
Sehr geehrter Herr Engler,
Ich stimme Ihnen ganz zu, dass es nur eine Wahrheit geben kann. Es können nicht alle drei Sichtweisen wahr sein. Postmodernes („neuzeitliches“) Denken wäre „Jeder glaubt, was er will und bastelt sich seine eigene Realität.“ Diesen Ansatz lehne ich entschieden ab. Deshalb habe ich auch betont, dass jeder dieses Thema genau studieren und sich gut informieren sollte. Aber die Kirchengeschichte zeigt, dass geisterfüllte Nachfolger Jesu, hingegeben die Bibel studiert haben und zu unterschiedlichen Ansichten gekommen sind, was die Bibel zu dem Thema lehrt. Und dies gilt sicher nicht nur für das Thema Hölle, sondern für ganz viele Themen. Genau deshalb will die „unterschiedliche Perspektiven“-Reihe über die verschiedenen Sichtweisen zu kontroversen Themen informieren. Das Ziel soll sein, Verständnis füreinander zu schaffen und zu verstehen, dass unterschiedliche Christen zu verschiedenen Schlussfolgerungen kommen. Ich, persönlich, möchte deshalb alle diese kontroversen Themen mit Demut behandeln. Ja, ich habe eine Meinung, aber ich verstehe, warum andere Christen zu anderen Schlüssen kommen. Ich kann sie trotzdem als meine Brüder und Schwestern sehen, auch wenn sie zu anderen theologischen Schlüssen kommen. Jesus hat gesagt, dass die Welt uns an unserer Liebe zueinander erkennen wird. Ich denke Teil dieser Liebe zueinander ist, zu kultivieren, einander zu verstehen und nicht einander auszugrenzen (und aufeinander herabzuschauen) wegen theologischen Differenzen. Das Ziel des Artikels ist nicht zu kommunizieren „Suchen Sie sich die Sichtweise aus, die Ihnen gut passt“, sondern neu anzuregen, das Thema zu studieren um dann auch wirklich fundiert eine Meinung vertreten zu können, aber dies zeitgleich mit Verständnis für Christen, die zu anderen Schlüssen kommen.
Lieber Herr Becker,
danke für Ihre freundliche Antwort!
Es freut mich zu hören, dass auch Sie glauben, dass es im Blick auf das Thema der ewigen Hölle nur eine Wahrheit geben kann, nicht mehrere.
Und ich habe schon verstanden, was Sie mit dem Artikel wollten, und schätze auch Ihr Anliegen. Auch ich habe schon viel von der Darstellung verschiedener Sichtweisen und Standpunkte profitiert – vor allem im Blick auf Endzeitfragen und ‑modelle. Und dass hier und auch anderswo vieles nicht einfach ist, ist schon klar.
Ich glaube, was mich gestört hat, war eben Ihre letzte Formulierung – ich wiederhole sie noch einmal:
„Aussagen wie ‚Die Bibel lehrt eindeutig …’ oder ‚In der Kirchengeschichte gab es immer nur eine Meinung …’ deuten auf Unkenntnis des Themas hin und sind nicht wahr.“
Hier werden Leute wie ich, die zu diesem Thema eine eindeutige Meinung haben, im Grunde als uninformierte Dummköpfe hingestellt. Und wenn jemand sagt: „Die Bibel lehrt eindeutig” – dann ist das nicht wahr – ein starkes Wort!
Dem kann ich nicht zustimmen. Ich habe mich persönlich recht intensiv mit dem Thema Allversöhnung auseinandergesetzt und auch jahrelang darüber gelehrt. Und wenn man jede, aufgrund der Bibel autoritativ getroffene Aussage einfach als „nicht wahr” abqualifizieren wollte, halte ich das für äußerst fragwürdig.
Ich will ein Beispiel dafür geben.
In Mt. 25,46 sagt der Herr am Ende des Gleichnisses vom Weltgericht: „Und sie werden in die ewige Pein gehen, die Gerechten aber in das ewige Leben.”
Beide Male wird für „ewig” dasselbe griechische Adjektiv verwendet: aionios. Und es gibt hier im Grunde nur drei Möglichkeiten:
Entweder dauert beides – sowohl die ewige Pein als auch das ewige Leben – gleich lang. Das ist das, was vor Jahren schon – ich glaube, es war Andreas Symank, ein ehemaliger Allversöhner – sehr treffend so beschrieben hat: „Die ewige Verdammnis der Gottlosen dauert genauso so lange wie die ewige Seligkeit der Erlösten.” Das ist auch genau die Bedeutung, die man aufgrund des sprachlichen Befunds erwarten würde.
Oder man geht her und liest in den aionios-Begriff die üblichen, allversöhnerischen „Zeiträume” hinein – dann ergibt sich als Schlussfolgerung: Das ewige Leben der Erlösten ist genauso wenig ewig wie die ewige Verdammnis der Gottlosen. Und das ist Unsinn.
Oder man sagt: Das ewige Leben der Erlösten ist natürlich ewig im Sinne von endlos, jedoch nicht die ewige Verdammnis der Gottlosen – weil Gott am Schluss sowieso alle rettet. Da wird also die Allversöhnung und ihr System dem Text im zweiten Teil schon unterschoben. Man liest hinein, was erst noch zu beweisen wäre – ein klassischer Fall von Eisegese.
Deswegen sagte schon vor vielen Jahren der Naturwissenschaftler Wilder-Smith sinngemäß: „Schon dieser eine Vers sprengt das ganze Gebäude der Allversöhnung gründlich von unten bis oben.” Und das gilt auch für andere Verse, die hier noch zu nennen wären.
So lautet – ich will es einmal so formulieren – so lautet meine Befürchtung und meine Frage: Wenn die Allversöhnung eine Lüge ist (und ich persönlich glaube, dass sie eine Meisterlüge des Teufels ist) – tun wir dann recht, wenn wir ihr die Ehre geben und lassen sie sozusagen gleichberechtigt neben die biblische Lehre von der ewigen Verdammnis treten?
Was die „Brüder und Schwestern” anbelangt, die Allversöhnung vertreten, so habe ich ihr Tun und Treiben über lange Jahre und Jahrzehnte beobachtet und gesehen. Ich will ihnen den Ernst im Glauben und das Bemühen um tiefe Schrifterkenntnis gar nicht absprechen. Dennoch fühle ich immer eine Wehmut im Herzen, wenn ich sie betrachte. Denn sie sind das klassische Beispiel für die Schlussverse der Offenbarung, in denen angekündigt wird: „Wenn jemand etwas dazusetzt, so wird Gott zusetzen auf ihn die Plagen, die in diesem Buch geschrieben stehen. Und wenn jemand etwas wegnimmt von den Worten des Buchs dieser Weissagung, so wird Gott abtun seinen Anteil vom Baum des Lebens und von der heiligen Stadt, davon in diesem Buch geschrieben steht.” (Offb. 22,18–19). Und Allversöhnung ist ein Wegnehmen der deutlichen Lehren von z. B. Offb. 14,11; 19,20; 20,10 und 20,15.
Deswegen sind diese Leute für mich auch nicht so harmlos. Wenn ich Pastor wäre, und ein Allversöhner würde kommen und in „meine” Gemeinde aufgenommen werden wollen, würde ich ihm sagen: „Bitte suchen Sie sich eine Gemeinde, die Ihre Überzeugung in dieser Frage vertritt. Bei uns bekommen Sie damit keinen Fuß in die Tür.” Damit wäre viel Verwirrung und Durcheinander von vornherein abgewehrt. Denn ich sehe auch die Folgen, wo man es anders macht: subtile Äußerungen hintenherum, mit denen man Geschwister zu beeindrucken und zu beeinflussen versucht, getreu dem Satz: „Wer die Allversöhnung öffentlich lehrt, ist ein Ochse; wer sie nicht glaubt, ist ein Esel.” Wie in vielen anderen Fragen, so muss auch in dieser Frage heute abgewogen werden, was wichtiger ist: eine vordergründige, aber im Grunde hohle Einheit – oder die Wahrheit. Und die Wahrheit kann eben auch zu schmerzlichen Trennungen führen – auch wenn uns das nicht gefällt. Einheit um jeden Preis ist nicht das biblische Ideal.
Nein – Allversöhnung ist das, was sie immer war und sein wird – eine Irrlehre, die es zurückzuweisen gilt. Auch wenn sie heute noch so laut schreit und für ihre Anschauungen denselben Wahrheitsanspruch stellt wie die Schrift selbst. Das aber sollte ihr nie und nimmer gewährt werden.
Ich verstehe natürlich glasklar, dass es Dinge gibt, über die man tatsächlich dieser und jener Meinung sein kann – wie z. B. über den Zeitpunkt der Entrückung, und sicher noch über andere sekundäre Fragen. Aber im Blick auf das ewige Schicksal der Gottlosen sollte absolute Klarheit herrschen – und die wird von der Bibel auch in Stellen wie Mt. 12,32, 25,46 und Mk. 9,48 etc. in ausreichender Deutlichkeit hergestellt. Und nur dann werden wir auch in der Evangelisation den Ernst der Lage für sie in ganzer Tiefe erkennen und herausstellen können.
Ich wünsche Ihnen Gottes Segen und grüße Sie freundlich!
Peter Engler
Lieber Herr Engler,
ich verstehe, dass meine Meinung im Fazit vielleicht etwas zu hart formuliert ist. Ich will natürlich niemanden beschuldigen, ein „uninformierter Dummkopf“ zu sein. Aber ich finde es auch nicht sehr integer zu behaupten, dass die Bibel eine Sichtweise ganz klar lehrt, wenn offensichtlich andere geisterfüllte Geschwister und ein paar der größten Kirchenväter diese Verse ganz klar anders verstanden haben. Ich denke, es ist vollkommen legitim zu sagen „Ich habe das Thema gründlich studiert und für mich lehrt die Bibel ganz klar, dass…“ Das ist vollkommen angemessen. Aber so zu tun, als hätten alle Christen immer nur eine Meinung zu diesem Thema vertreten, wirkt mir manipulativ und das haben wir als Christen nicht nötig. Ich denke, wann immer wir die Wahrheit suchen, brauchen wir keine Angst zu haben, weil die Suche nach Wahrheit wird uns zu Jesus führen. Demnach denke ich, dass wir als Christen nie Fakten verstecken oder manipulieren müssen. Von daher bevorzuge ich es, Leute zu ermutigen, das Thema selbst zu studieren und darauf zu vertrauen, dass der Geist Gottes sie in alle Wahrheit führen wird.
Thema „aionios“: wie ich in dem Artikel in dem Absatz über aionios erklärt habe, gibt es eben eine vierte Variante und nicht nur die drei von Ihnen beschriebenen Varianten. Diese vierte Variante ist, dass die Länge von aionios abhängig ist von dem Wort, welches es beschreibt. Und somit kann es in dem einen Kontext ewig sein, aber im selben Satz auch einen zeitlich begrenzten Raum beschreiben. Diese Konstruktion finden wir sogar in zwei anderen Versen in der Bibel: Römer 16,25–26 und Titus 1,2.
Sie haben das Thema studiert und sind zu dem Schluss gekommen, dass die Allversöhnung eine Irrlehre ist. Das kann ich gut nachvollziehen. Sie dürfen Ihre Meinung natürlich auch leidenschaftlich bekunden. Auch stimme ich ganz zu, dass Einheit um jeden Preis nicht das biblische Ideal ist. Aber mein Votum wäre, dass wir als Christen uns einig sind, dass Menschen ohne Jesus verloren sind und sicher von Gott gerichtet werden. So bekennen wir es ja auch im apostolischen Glaubensbekenntnis „von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten.“ Ob dies nun mit ewiger Folter oder wiederherstellender Gerechtigkeit ist, will ich aber doch lieber ihm überlassen. Ich bin überzeugt, dass er das gut regeln wird.
Ich wünsche Ihnen ebenfalls Gottes Segen und grüße Sie freundlich zurück!
Manuel Becker
Lieber Herr Becker,
danke für Ihre weitere Antwort!
Ja, das „kolasis-Problem” … Das scheint auf den ersten Blick schon ein Punkt für die Allversöhnung zu sein.
Jedoch: Die Elberfelder Bibel mit Sprachschlüssel vermerkt zu „kolasis” unter der Nr. 2825: „Strafe, Bestrafung, von koladso, bestrafen; nur in Mt. 25,46 und 1Jo 4,18 wo es auch Züchtigung, Schmerz heißen kann. Im klass. Griechisch unterscheidet es sich von timoria (4926), Strafe, welches den vergeltenden Charakter der Strafe betont, in dem Sinn, dass kolasis mehr die Strafe zur Korrektur und Besserung des Übeltäters (Züchtigung) meint. Im NT hat es aber eher die Bedeutung von timoria. So ist in Mt. 25,46 von einer kolasis aionios (166), ewigen Strafe, wegen der Verletzung von Gottes ewigem Gesetz die Rede, nicht von einer vorübergehenden Strafe zur Besserung.”
Welchen Sinn sollte auch eine „ewige Besserungsstrafe” haben? Wenn die Besserung eingetreten ist, dann ist die Strafe nicht mehr nötig und daher nicht ewig. Das Problem ist nur: Die verheißene Besserung in der Hölle ist eine reine Hypothese und Wunschdenken, und im Neuen Testament in den einschlägigen Texten zur letzten Strafe nirgends sichtbar. Die Frage ist also: Bestimmt kolasis die Bedeutung von ewig, oder ewig die Bedeutung von kolasis? Mt. 25,46 ist doch ein „antithetischer Parallelismus”, der die beiden Endzustände von Verlorenen und Erlösten meint und beides in äußerster Spannung einander gegenüberstellt. Im Neuen Testament gbit es nur ein Mittel zur Besserung und zur Erziehung in der Gerechtigkeit: das Wort Gottes (2. Tim. 3,16). Wo dieses Wort verachtet wird oder nicht mehr im Spiel ist, gibt es keine Besserung. Schon Thomas Schirrmacher hat vor Jahren in seiner „Ethik” darauf hingewiesen, dass es im Gericht Gottes nicht um Besserung der Verlorenen geht, sondern um eine reine Vergeltung des Bösen.
Zu Röm. 16,25 und Titus 1,2. Charles Hodge vermerkt dazu: „Die Frage ist nicht: Was können gewisse Wörter bedeuten? sondern: Welche Bedeutung sollen sie nach der Absicht des Verfassers in dem Zusammenhang haben, in den er sie gestellt hat? … Die hebräischen und griechischen Wörter, die in unseren Übersetzungen mit ‚ewig’ oder ‚immerwährend’ wiedergegeben sind, bedeuten eine Zeitdauer, deren Ende unbekannt ist. Wenn sie mit Bezug auf vergängliche Dinge gebraucht werden (z. B. wo die Bibel von ‚ewigen Hügeln’ spricht), bezeichnen sie einfach das Existieren auf unbestimmte Zeit, das heißt ein Existieren, für das keine Grenze bekannt ist oder angegeben werden könnte. Hingegen sind die Wörter in ihrem buchstäblichen Sinne zu nehmen, wenn sie für das verwendet werden, was entweder seiner eigenen Natur nach unvergänglich ist oder von dem die unaufhörliche Existenz offenbart wurde (wie die menschliche Seele); ebenso, wenn sie sich auf etwas beziehen, dem wir keine Begrenzung zuschreiben dürfen, weil uns keine anderen Quellen dazu berechtigen. … Wenn die Bibel die Qualen der Verlorenen als ewig bezeichnet, dann dauern sie tatsächlich für immer an, es sei denn, man könnte nachweisen, daß die Seele nicht unvergänglich ist oder daß die Heilige Schrift an anderer Stelle lehrt, jene Qualen fänden einmal ein Ende.”
Freundliche Grüße
Peter Engler
Sehr geehrter Herr Engler,
dies ist ja ein spannender Austausch.
Ich vermute Befürworter der Allversöhnung würden darauf hinweisen, dass die Autoren des Sprachschlüssels sich ziemlich weit aus dem Fenster lehnen. Sie bestätigen, dass es damals einen Unterschied zwischen timoria und kolasis gab, aber behaupten dann, ohne jegliche stichhaltige Begründung, dass dieser Unterschied im NT nicht gilt, sondern kolasis einfach mit timoria gleichzusetzen ist. Solch eine Behauptung, ohne Argumente, wirkt natürlich nicht sehr seriös. Aber hier sind wir genau bei dem Problem in der gesamten Höllen-Diskussion. Um zu prüfen, ob diese Aussage in dem Sprachschlüssel akkurat ist oder nicht, müsste man das Thema viel genauer studieren. Um die Bedeutung von Worten wie kolasis oder aionios zu verstehen, braucht es ein solides Wortstudium. Und dafür nehmen sich die wenigsten Menschen Zeit. Und das ist ja auch verständlich, weil die wenigsten haben weder das Geld, um teure Bücher zu dem Thema zu kaufen noch die Zeit diese zu lesen, um zu evaluieren, ob gewisse Aussagen korrekt sind. Deshalb ist es natürlich immer bequemer eine Zusammenfassung zu lesen oder die Aussage einer Quelle zu übernehmen, ohne selbst die Details hinter der Aussage zu prüfen. Das ist einer der Gründe, weshalb sich zu dem Thema so viele gegensätzliche Aussagen finden und es schwer ist, zu evaluieren, welche dieser Aussagen wahr sind und welche nicht.
Und genau, weil die Dinge etwas komplex sind, ist es oft schwierig solche komplexen Themen in den Kommentaren eines Blogs zu klären. Deshalb würde ich mich gerne für diesen freundlichen Austausch mit Ihnen bedanken und das Gespräch dann aber auch beenden, wenn das okay für sie ist.
Ich wünsche Ihnen, dass Gott Sie segnet und zu einem Segen macht für viele.
Liebe Grüße
Manuel Becker
Der Ausdruck „bis in das Zeitalter der Zeitalter” in der Ofdenbarung ist vor dem Hintergrund der jüdischen 2‑Zeitalter-Lehre zu verstehen: es gibt das gegenwärtige böse Zeitalter,das endet, und das kommende Zeitalter des Messias, das niemals endet. Unter dieser Vorstellung hat der Ausdruck ” segne uns, in diesem Zeitalter und dem komnenden Zeitalter” die bedeutung von „Segne uns für imner”. Der Auadruck umschliesst das niemals endende zweite Zeitalter. Aus diesem Ausdruck wurde dann „segne uns bis in das Zeitalter der Zeitalter” – exakt der Ausdruck aus der Johannesoffenbarung. Kurz: im Kontext der jüdischen Apokalyptik ist die Bedeutung des Ausdrucks klar: er umfasst die niemals endende Ewigkeit. Es geht hier um einen Grundlagenkonflikt der Auslegung: wer bestimmt die Wortbedeutungen: mein Lieblingstheologe oder der historische Kontext und das Verständnis der ersten Leser?
Moin Manuel,
vielen Dank fuer deinen kompetenten Beitrag!
Beim Lesen ist mir aufgefallen:
„Prüft alles und das Gute behaltet. (1 Joh 4,1)” steht aber in 1.Thessalonicher 5,21
wobei 1.Joh 4,1 [Geliebte, glaubt nicht jedem Geist, sondern prüft die Geister, ob sie aus Gott sind! Denn viele falsche Propheten sind in die Welt hinausgegangen.] als Motto fuer die Diskussion hier auch korrekt ist 👍
Schoen, dann tendierst Du zu 3., oder?
So wie du es hier zusammengetragen hast, scheint es auch plausibel.
Wobei es schon die Auswirkung hat, nicht mehr soo engagiert die Frohe Botschaft zu verbreiten … sondern Erloesung (Umkehr/Ueberfuehrung durch Gottes Liebe/Heiligen Geist) ist zu 99,999% Sache Gottes
Die nicht Hoeren wollen (oder koennen?): Nur ein paar Jahre Hoellenqualen, und dann Errettung? So what …? 🤷♂️
LG Joerg
Hi Joerg.
Danke für die Korrektur der Bibelstelle. Du hast natürlich vollkommen recht, dass ich mich da vertan habe.
Ich bin überzeugt davon, dass Gott richten und für Gerechtigkeit für jeden Menschen sorgen wird. Egal, ob ewige Hölle oder Allversöhnung, ich will am Tag des Gerichts lieber auf ein Leben zurückschauen, in dem ich versucht habe, Jesus zu gehorchen und seinen Willen zu tun. Origenes, der entschieden die Allversöhnung vertreten hat, hat gesagt:
Er hat anscheinend an „zahllose Äonen“ der Reinigung geglaubt. Also keineswegs „ein paar Jahre Höllenqualen“, sondern einen langen schmerzhaften Prozess. Ob das wirklich so sein wird, weiß ich natürlich nicht. Als Vater von 4 Kindern, merke ich oft wie schwierig es ist in komplexen Situationen zu wissen, was gerecht ist. Ich bin froh, dass ich diese Welt nicht richten muss, aber ich bin überzeugt, dass Gott es gut, richtig und gerecht tun wird. Und darauf vertraue ich und das gibt mir Trost.
Zum Thema Allversöhnung und Evangelisation: Ich bin begeistert von Jesus, deshalb kann ich gar nicht anders, als von ihm zu reden, mit jedem, der zuhören will. Als Missionar ist es mein primäres Ziel dazu beizutragen, dass Gottes Königreich in dieser Welt wächst und Menschen anfangen, König Jesus zu gehorchen. Dieser Gehorsam soll aber getragen werden von einer tiefen Liebe zu Jesus und nicht von der Furcht vor einer ewigen Hölle. Ich glaube nicht, dass Furcht ein Motivator ist, der Gott viel Freude bereitet. Insofern ist es immer mein Ziel, Menschen die Schönheit und Liebe unseres Gottes vor Augen zu malen und sie so zu Jesus hinzuziehen. Ich spreche auch davon, dass Gott richten und für Gerechtigkeit sorgen wird, aber ich will nie das schöne Evangelium der Bibel auf eine ewige Feuerversicherung reduzieren. Das ist, wo ich aktuell stehe. Aber wer weiß, vielleicht überführt mich Gott ja und korrigiert mich in meiner Einstellung. Wäre nicht das erste mal 😉
gut „gebruellt, Loewe”, ich bin in Deinem Rudel 👍
LG Joerg
Das ist eine gute Zusammenfassung der unterschiedlichen Sichtweisen, vor allem auf diesem begrenzten Raum.
Viele Autoren gehen natürlich von hier aus in viele und wichtige Details.
Was ich für die Diskussion interessant finde, sind u.a., wie die unterschiedlichen Sichtweisen sich durchgesetzt haben, bzw. sich nicht durchgesetzt haben: Der ewigen Hölle von Augustinus wird Glauben geschenkt, obwohl der Gute nicht wirklich Griechisch verstand. Danach wird seine Misübersetzung von aionios ins Lateinische als „ewig“ ins Deutsche festgeschrieben. So nach dem Motto: Was kümmert die wahre Bedeutung von Gottes Wort.
Es scheint mir, dass da noch viele Hausaufgaben zu machen sind, vor allem von den Verfechtern der ewigen Hölle.
Hi Jens.
Freut mich, dass dir die Zusammenfassung gefällt. Du hast natürlich vollkommen recht, dass viele Details übergangen werden, aber der Artikel soll ja auch kein Buch werden, sondern einen Überblick geben 🙂
Laut Philip Schaff war es die Kirche in Rom, die an eine ewige Hölle geglaubt hat. Was in Rom geglaubt wurde, hatte natürlich großen Einfluss auf das Christentum damals. Immerhin war Rom das Zentrum des römischen Reiches. Dies gepaart mit dem Einfluss von Augustinus war dann vermutlich der maßgebende Faktor, dass sich die Lehre der ewigen Hölle durchgesetzt hat. Aber es ist schwer, das alles genau zu rekonstruieren.
Die Übersetzung von aionios ist ohne Frage wichtig für das gesamte Thema. Gut, dass es Logos gibt, um solche Schlüsselworte gründlich recherchieren zu können 😉
Hallo Manuel,
Papa von vier Kindern, Missionar und Gemeindegründer einer unerreichten Volksgruppe, Theologe, das klingt ja mal alles äußerst spannend. Gott segne Dich reichlich. Darfst Du verraten, in welcher Weltregion Du unterwegs bist?
Deine Zusammenfassung finde ich klasse, in der Kürze liegt auch die Würze. Gehe ich richtig in der Annahme, dass Du Allversöhnung favorisierst? Zumindest meine ich das herausgelesen zu haben.
Ich tendiere zur konservativen, ewige-Verdammnis-Lehre, bleibe aber aufmerksam, belehrbar zu bleiben.
Ich werde mir Deine anderen Beiträge auch noch durchlesen und bin dankbar, dass Du Dir hier die Mühe gemacht hast, eine Zusammenfassung zu schreiben.
Lieben Gruß nach Irgendwo
Robert
Hi Robert,
Danke für deinen Kommentar. Ich lebe in Zentralthailand und arbeite unter Buddhisten. Nach 450 Jahren Mission haben nur 0,3% der ethnischen Thailänder sich bisher für Jesus entschieden. Da gibt es also noch sehr viel zu tun.
In Thailand sehe ich jeden Tag, wie Kinder bereits im Kindergarten indoktriniert werden. Ihnen wird von Kindheit an eingebläut, dass Thailänder zu sein bedeutet Buddhist zu sein. Das ist wie ein Mantra. Die religiöse Identität ist mit der kulturellen untrennbar vereint. Christ zu werden, gleicht dem Verlust der eigenen kulturellen Identität und hat oft soziale Isolation zur Folge. Das ist schwer für uns aus dem Westen zu verstehen. Tatsächlich fällt es mir schwer zu glauben, dass Gott alle diese Millionen Menschen, die noch nie das Evangelium gehört haben und von Kindheit an religiös indoktriniert wurden, ewiglich von Gott gefoltert werden. Ich finde das schwer, mit Gerechtigkeit und mit Gottes Liebe zu vereinbaren. Auf der anderen Seite lehne ich entschieden alles ab, was Gottes zukünftiges Gericht verneint oder verniedlicht. Meine Kernüberzeugung ist, dass Gott richten und am Ende alles gut machen wird. Gott wird für Gerechtigkeit für jeden Menschen sorgen. Wie er das genau machen wird, geht vermutlich über unseren Verstand, deshalb will ich ihm da einfach vertrauen, dass er es schon richtig machen wird. Das Gott für Gerechtigkeit sorgen wird (gerade auch z. B. im Angesicht der unmenschlichen modernen Sklaverei) gibt mir Hoffnung und passt zu dem Gott, der mir jeden Tag in der Bibel und in meinem Leben begegnet.
Liebe Grüße
Manuel 🙂
Lieber Herr Becker,
danke für Ihre weitere Antwort!
Ich sage noch: Na ja. Die Autoren des Sprachschlüssels waren sicher auch keine Dummköpfe – man braucht sich nur andere Bedeutungsfelder anschauen, die sie für den Wortschatz des AT und NT jeweils erarbeitet haben.
Aufgrund dessen, was ich weiter oben geschrieben habe, lässt sich m. E. zu „kolasis” der Satzteil: „Im NT hat es aber eher die Bedeutung von timoria” sehr gut nachvollziehen. Die Verwendung des Wortes könnte evtl. auch auf einem einfachen Stilwechsel beruhen, oder es hatte für Matthäus nicht die eingeschränkte Bedeutung, die wir ihm heute zuschreiben.
Und eine Wortstudie zu einem Wort, das im Neuen Testament knapp am Hapaxlegomenon vorbeigeschrammt ist, wird naturgemäß nicht sehr groß ausfallen können 🙂 – man kann sie höchstens ausdehnen, indem man weitere, mögliche Studienbereiche (klass. Griechisch, LXX etc.) dazu ins Blickfeld nimmt. Etwas Ausführlicheres dazu findet man im Exegetischen Handwörterbuch” von Renn/Dennstedt unter dem Oberbegriff „Strafen/Strafe” (S. 503/504) – allerdings sind die Aussagen zu „kolasis” auch dort dünn. – „Kolasis” in Mt. 25,46 könnte evtl. auch auf einem einfachen Stilwechsel beruhen, oder das Wort hatte für Matthäus nicht die eingeschränkte Bedeutung, die wir ihm heute zuschreiben.
Aber gut – schließen wir hier die Diskussion!
Ihnen auch alles Gute und freundliche Grüße
Peter Engler
Das Titelbild macht das Thema lächerlich und suggeriert dem Leser, dass die Hölle in das Reich der Märchen und Fabeln gehört…
@Rafi: Vielen Dank für den Hinweis. Wir wollen das Thema natürlich nicht ins Lächerliche ziehen, sondern nehmen es ernst. Das Titelbild sollte lediglich Vorstellungen aufgreifen, die beim Thema Hölle häufig anzutreffen sind. Wir werden das Bild anpassen.
Lieber Herr Becker,
vielen Dank für Ihre ausgewogene Darstellung dieses heißen Themas. Wer hier wagt, andere biblisch begründete Sichtweisen zuzulassen, gerät sehr schnell in Gefahr, als Irrlehrer gebrandmarkt zu werden. In vielen Gemeinden führt das zum Gemeindeausschluss und zur Zerstörung von geschwisterlichen Beziehungen. Dabei zeigt ein einfacher Blick auf die Kirchengeschichte, dass es unterschiedliche biblisch begründete Sichtweisen gab und auch heute noch gibt. Zu welcher Auffassung jeder kommt, sollte jedem in freier Entscheidung überlassen werden, ohne dass gleich die Liebe zueinander in Frage gestellt wird.
Die empfohlene Neuerscheinung bei Logos habe ich mir vorbestellt. Danke für den Tipp.
Freundliche Grüße
Ewald Keck
Lieber Herr Keck,
ich stimme Ihnen von Herzen zu. Danke für das Kommentar.
Liebe Grüße
Manuel Becker