Kommt die Frage nach einer guten, genauen deutschen Übersetzung auf, werden meist Luther, Elberfelder und Schlachter genannt. Menge steht da häufig im Abseits. Zu Unrecht!
Dies ist Teil 3 unserer Minireihe über die Menge-Bibel. Im Teil 1 ging es um die Biographie Menges, im Teil 2 haben Benjamin Misja und ich die Übersetzung auf Herz und Nieren geprüft, und heute versuche ich Sie davon zu überzeugen, wieso die Menge-Bibel in Ihrer Logos-Bibliothek nicht fehlen sollte.
Im vorherigen Beitrag haben wir schon gezeigt, dass Menge oft eine überraschend verständliche Übersetzung gelungen ist, ohne dabei wesentliche Bausteine des Urtexts auszulassen. Es gibt aber noch weitere Vorzüge der Menge-Übersetzung gegenüber anderen deutschsprachigen Bibeln.
Übrigens gibt es die Menge-Bibel auch in unserem Store zu kaufen…
Inhalt
1. Ihre Gliederung vermittelt Zusammenhänge
Die Menge-Bibel entstand in Menges privatem Studium des Urtextes. Wieder und wieder las er den Bibeltext und versuchte dabei auch, die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Versen und Abschnitten zu verstehen. Diese Erkenntnisse hat er in die Gliederung einfließen lassen. Diese ist bei Menge außergewöhnlich ausführlich ausgefallen und sucht ihresgleichen in anderen Übersetzungen. Die Gliederung ist mehrstufig und liest sich wie eine wissenschaftliche Arbeit.
Römer 1:18 zum Beispiel steht unter folgender Gliederung:
I. Die Gottesgerechtigkeit aus dem Glauben an Jesus Christus (1,18–8,39)
A. Die Heilsbedürftigkeit der gesamten Menschheit (1,18–3,20)
1. Gottes Zorn über die von ihm abgefallene Heidenwelt
a) Die Sündenschuld (besonders der Götzendienst) des gesamten Heidentums
Daher eignet sich die Menge-Übersetzung, um Zusammenhänge zwischen Abschnitten schnell zu erfassen – ohne lange Kommentare lesen zu müssen.
2. Ihre Genauigkeit bei Lehrtexten
Hermann Menge war ein vorsichtiger Mann. Vor allen Dingen strebte er eine fehlerlose Übersetzung an. Bis zu seinem Lebensende arbeitete er an einer weiteren Revisionen seiner Gesamtausgabe. Über diesen Lebensabschnitt wird folgendes berichtet:
Wie eine schwere Last läge morgens beim Erwachen oft stundenlang eine grosse Betrübnis auf ihm, dass in seiner ersten Übersetzung ja noch so viele Fehler seien und dass er dadurch den Lesern etwas Falsches mitgeteilt habe. [aus “der Bibelübersetzer Hermann Menge”]
Vor allem in Lehrtexten war Menge vorsichtig: In den Briefen, Propheten und der Offenbarung ist er besonders nahe am Urtext geblieben, hat alle Zusätze in Klammern gesetzt und hat viele alternative Übersetzungen und Erklärungen angeführt.
Als Beispiel Römer 3:24:
…so werden sie umsonst (oder: geschenkweise = ohne eigenes Verdienst) durch seine Gnade gerechtfertigt vermöge (oder: aufgrund) der Erlösung, die in Christus Jesus (erfolgt) ist.
Bei dieser Stelle handelt es sich um eines der extremeren Beispiele. Im Durchschnitt setzt Menge in den Briefen und der Offenbarung 1.2 Klammern pro Vers. Beim zügigen Lesen kann das störend wirken. Und auch beim Vorlesen im Gottesdienst ist es hinderlich.
Er führt alternative Übersetzungen stets auf – vermerkt mit “(oder: …)”. An unklaren Stellen erläutert er: Zusätzliche Wörter vermerkt er mit (…), eigene Deutungen mit (=…). Daher hat man bei der Menge-Bibel sozusagen Wörterbuch und Interpretation gleich in den Text eingebaut. Es wirkt zwar etwas seltsam, dass die Anmerkungen in der Menge-Bibel im Text sichtbar sind, und nicht – wie etwa in der Elberfelder – in die Fußnoten ausgelagert wurden. Liest man die Menge-Bibel aber als Sekundärtext, um die Übersetzung einer anderen Bibel zu prüfen oder zu vertiefen, dann eignet sich die Menge-Bibel ausgezeichnet. Denn in diesem Fall will man nicht immer zwischen Text und Fußnoten hin- und herwechseln.
Für das Bibelstudium bietet die Menge-Bibel sogar noch mehr Anmerkungen als die Elberfelder Übersetzung (Vers-Verweise sind nicht mitgezählt):
Menge | Elberfelder | |
Röm 1 | 35 Anmerkungen (27 Klammern im Text, 8 Fußnoten) | 23 Anmerkungen (3 eckige Klammern im Text, 20 Fußnoten) |
Gal 5 | 14 Anmerkungen (13 Klammern im Text, 1 Fußnote) | 11 Anmerkungen (4 eckige Klammern, 7 Fußnoten) |
3. Lebendige Schilderung von Berichten
Am besten gefällt mir aber an Menge zweifelsfrei, wie er Erzähltexte übersetzt. Im Vergleich zu den Briefen enthalten die Evangelien und Apostelgeschichte weit weniger Klammer-Anmerkungen (im Durchschnitt nur in jedem zweiten Vers). Und was hier ganz speziell hervorsticht, ist, wie Menge es verstand, diese Berichte zum Leben zu erwecken. Schon im letzten Beitrag haben wir Menges Händchen für nicht zu freie, aber sinngetreue Übersetzungen beschrieben. Nach meiner Einschätzung hat Menge die bildhafteste Sprache unter den deutschen Übersetzungen. Als ich z.B. die Bekehrungsgeschichte von Kornelius in Apg. 10 las, wurde die Geschichte auf eine Weise lebendig, wie ich es selten erlebt habe. Hier ein Vers aus der Geschichte (Apg. 10:17):
Menge | Elberfelder | Luther |
Als nun Petrus sich nicht zu erklären wußte, was die Erscheinung, die er gesehen hatte, zu bedeuten habe, siehe, da standen die Männer, die von Kornelius abgesandt worden waren und das Haus Simons ausfindig gemacht hatten, am Toreingang; | Als aber Petrus bei sich selbst in Verlegenheit war, was wohl diese Erscheinung bedeuten möchte, die er gesehen hatte, siehe, da standen die Männer, die von Kornelius gesandt waren und Simons Haus erfragt hatten, vor dem Tor; | Als aber Petrus noch ratlos war, was die Erscheinung bedeute, die er gesehen hatte, siehe, da fragten die Männer, von Kornelius gesandt, nach dem Haus Simons und standen an der Tür, |
Luther übersetzt mit “ratlos”. Das fände ich nach heutigem Sprachempfinden dann treffend, wenn Petrus eine Entscheidung treffen müsste und unschlüssig wäre. Aber die Vision verlangte Petrus keine Entscheidung ab. Nein, die Vision bereitete ihn auf das vor, was danach geschah.
Die Elberfelder übersetzt mit “Verlegenheit”. Auch das trifft es für heutige Leser nicht mehr, denn es erweckt den Anschein, als erwartete Gott von ihm, die Vision zu verstehen, obgleich Petrus dazu nicht im Stande war. So wie die Geschichte aufgebaut ist, muss Petrus nicht verlegen sein, denn es fehlt ihm noch ein weiteres Puzzle-Teil, das er später bei der Ausgießung des Heiligen Geistes auf die Heiden erhalten wird (V. 44–47).
Menge übersetzt hier am treffendsten: Er beschreibt, wie Petrus die Bedeutung der Vision noch „nicht zu erklären wusste”, und bereitet den Leser auf die Lösung des Rätsels vor.
Im zweiten Teil des Verses geht es darum, dass die Männer von Kornelius am Toreingang stehen, nachdem sie sich zuvor zum Haus von Petrus durchgefragen hatten. Luther wechselt in seinem Text den Handlungsort, nämlich weg von Petrus’ Haus und hin zu den Männern, die danach suchen. Das stört den Erzählfluss. Das ist in der Menge- und der Elberfelder-Bibel besser gelungen: Hier bleibt der Handlungsort immer bei Petrus, der Hauptperson der Geschichte.
Insgesamt hilft mir Menges Übersetzung, in die Erzählungen hineinzutauchen, als wäre ich selbst am Ort des Geschehens. Es ist gewaltig! Ebenso gut übersetzt sind übrigens die Erzählungen des Alten Testaments.
4. Die Psalmen sind dramaturgisch aufbereitet
Genauso gelungen ist die Übersetzung der Psalmen. Die Psalmen haben häufig einen dramaturgischen Aufbau: sie beschreiben in bildhafter Sprache eine Situation, um dann eine Bitte oder ein Lob auszusprechen. In dieser Dramaturgie gibt es verschiedene Personen: Da ist der Betende, das Volk Israel, Israels Feinde und da ist Gott.
Hier kommt wiederum Menges Fähigkeit zum Vorschein, Situationen so plastisch zu vermitteln, dass man als Leser die Situation der Betenden regelrecht miterleben kann. Das erlaubt mir, in den Psalmen meine eigenen Gefühle wiederzuerkennen und den Psalm zum eigenen Gebet werden zu lassen. Und genau dies ist das Ziel der Psalmen.
Im Vergleich zu Luther hält sich Menge in den Psalmen näher am Urtext. Ein Beispiel dazu ist Psalm 73 Verse 4+6
Menge | Luther | Elberfelder |
4: Denn bis zu ihrem Tode leiden sie keine Schmerzen, | Denn für sie gibt es keine Qualen, | Denn keine Qualen [haben sie bei] ihrem Tod, und |
und wohlgenährt ist ihr Leib; | gesund und feist ist ihr Leib. | wohlgenährt ist ihr Leib. |
6: Drum ist auch Hochmut ihr Halsgeschmeide, | Darum prangen sie in Hoffart | Deshalb umgibt sie Hochmut wie ein Halsgeschmeide, |
und Gewalttat ist das Kleid, das sie umhüllt. | und hüllen sich in Frevel. | Gewalttat umhüllt sie wie ein Gewand. |
Fazit
Die Übersetzungsmethode Menges richtete sich nach der Art des Textes: Erzählungen übersetzte er flüssig und kommunikativ, bei Lehrtexten blieb er minutiös genau am Urtext und hat Übersetzungsvarianten aufgeführt, Psalmen hat er genau aber doch dramaturgisch geschickt gestaltet.
Die Menge-Bibel besticht durch ihre Liebe für das Detail. Man merkt: Menge hat sehr viel Zeit in seine Bibel investiert. Luther und Schlachter hatten nach Fertigstellung ihrer Übersetzung sich wieder der öffentlichen Verkündigung des Worts zugewandt. Menge hingegen blieb an seinem Schreibtisch und korrigierte bis zu seinem Tod:
Eines Tages machte er sich sogar daran, die Psalmen eigenhändig abzuschreiben, weil er im Manuskript so viel darin verbessert hatte, dass sich die Setzer beim Druck nicht zurechtfinden konnten. Auf die Frage seiner Kinder, wann er denn mit dieser Arbeit fertig zu sein hoffe, meinte er: »O, wenn es auch langsam geht, so merke ich doch nach vier Wochen, dass ich vorwärtsgekommen bin, und in einem Jahr hoffe ich, damit fertig zu sein!« Aber bereits nach wenigen Wochen hatte er alles fein säuberlich mit seiner klaren Handschrift abgeschrieben und schon wieder ein anderes Bibelbuch in Angriff genommen [aus “der Bibelübersetzer Hermann Menge”]
Die Menge-Bibel ist bei Logos einzeln oder als Teil der deutschen Logos-6-Basispakete ab Silber erhältlich. Wir legen Ihnen den Kauf eines Basispakets für Ihr Bibelstudium wärmstens ans Herz!